Kaschauer Zeitung, April-Juni 1873 (Jahrgang 35, nr. 27-52)

1873-04-02 / nr. 27

Die Laurionfrage. Kaschan, 1. April. Zu einer geschichtlich nicht genau festzustellenden Zeit hatten die Bewohner des alten classischen Griechenlands im Gebiete des Laurion einen sehr ausgedehnten Bergbau auf silberhaltiges Blei­­ betrieben, wovon die alten Grubenbaue und die bei­den ehemaligen Schmelzstätten vorhandenen un­­geheuren Halden und Elboladen heute noch Zeugniß geben. Während aus dem Umstande, daß in den jetzt zugänglichen Theilen der alten Grubenbaue nur sehr wenig sichtbar an­­­­stehendes Erz zurückgeblieben ist, darauf geschlossen werden kann, daß die Leiter jener alten Montanindustrie den Ab­­bau der Erze recht gut gekannt haben, so kann dies jedoch mit Bezug auf die Verhüttung dieser Erze aus dem Grunde nicht gesagt werden, weil die Schla>en, welche in unge­­heurer Menge dort herumliegen, so schlecht ausgeschmolzen sind, daß man in den meisten derselben schon mit­ unbe­­­­waffneten Augen Körner von silberhaltigem Blei erkennt. Vor mehreren Jahren sind nun die Herren Roux, Serpieri & Comp., französische und italienische Unterthanen, bei der griechischen Regierung um die Bewilligung einge­­schritten, in einigen alten Gruben des Lauriongebietes auf silberhaltiges Schwefelblei (plombe argentifére sulfureux), also auf Bleiglanz bauen zu dürfen, was ihnen auch be­­willigt wurde. Da sie aber wenig Bleiglanz, sondern ein hieroc­hemisc­h und mineralogisch verschiedenes Erz, nämlich Weißbleierz oder­ Cerusit nicht nur in den Gruben, sondern auch in den zu Tage liegenden Halden vorfanden, so be­­gannen sie sofort die legteren zu verhütten und gaben den eigentlichen Bergbau gänzlich auf. Da nun den Herren Roux, Serpieri & Comp. einerseits von der griechischen Regierung nur einige Gruben im Lauriongebiet zum Baue auf Blei­­­glanz, nicht aber auf Weißbleierz ertheilt­­ wurden, weiters aber die Halden und Ekkoladen , eine­ besondere metallische Substanz bilden, über die der Staat, unabhängig von den Gruben und dem Grundeigenthümer, verfügen kann, je nach dem Prinzipe, welches die Gesezgebungen und die Rechts­­gelehrten der Neuzeit angenommen haben, endlich der Staat bei der Bestimmung über die Verwendung dieser Halden, als eines­ vaterländischen Arbeitsprodukts aus langer Vergan­­genheit, nur das öffentliche Interesse zu befragen braucht, so folgt hieraus ungezwungen, daß die genannten Herren mit ihrer Concession keinerlei Recht auf die Verhüttung dieser Halden oder Ekboladen erworben hatten. Die unberechtigte Ausbeute dieser Halden durch die Herren Roux, Serpieri & Comp. mußte zunächst die Auf­­merksamkeit der griechischen Staatsbehörden und endlich die­­jenige der griechischen Regierung selbst auf sich lenken, wor­­auf die von lekterer veranlaßten fachmännischen Unter­­suchungen über den Werth dieser Halden den gestellt haben, daß aus der Verhüttung derselben Beweis her­­viele Mil­­lionen Gulden gewonnen werden können, die dem Staats­­schatze zu­ erhalten wären. Da nun mit Bezug auf das Eigenthumsrecht von alten Halden in den Civilgesetzen Griechenlands sowie vieler anderen Staaten nicht vorgesehen war, so beeilte sich die griechische Regierung, ein solches zu­­ entwerfen und dem Parlamente des Landes vorzulegen, von welchem dann im Jahre 1871 ein solches Gesetz einver­­nehmlich mit der Krone beschlossen wurde. Wie aus den sehr eingehenden, unbefangenen und mit größter Sachkennt­­niß angestellten Untersuchungen des berühmten deutschen Geologen und Bergmanns Bernhard von Cotta über die Laurionfrage unzweifelhaft hervorgeht, befand sich die Ge­­sellschaft Roux, Serpieri & Comp. gegenüber der griechischen Regierung, welche ihr die Fortsehung­ der Verhüttung jener Halden untersagte, vollständig im Unrechte, und indem sie zum Schuße ihrer angeblichen Rechtsansprüche die diploma­tische Intervention ihrer heimat­lichen Regierungen, nämlich­­von Frankreich und Italien herbeiführten, haben sie einer rein inneren Angelegenheit den Anschein und die Propor­­tionen einer internationalen­ Frage verliehen, damit zwei große Mächte, wie Frankreich­ und Italien, sie veranlaßt sehen mögen, eine Pression auf das kleine Griechenland zu üben, das bis fest freundliche Beziehungen mit ihnen unter­­halten hat Aus und immer zu erhalten wünschte, sämmtlichen­­ über die Laurienfrage gepflogenen und in die­ Oeffentlichkeit gelangten Verhandlungen geht deutlich hervor, daß beide Parteien, sowohl die griechische Regierung, als die Herren Roux,­­Serpieri & Comp. offen­­bar die Objecte, um die es sich handelt, anfänglich weder vollständig gekannt, noch deren­ Bedeutung richtig gewürdigt haben, was erst nach­­ den diesbezüglichen Untersuchungen der beiden deutschen Bergbeamten, Freiherr­n von Dücher und Nasse, erfolgte. Die hieraus­ entstandenen Mißver­­ständnisse wären nachträglich am passendsten durch einen Vergleich beigelegt worden, wenn die­ Herren Roux, Ser­­pieri & Comp., die für den legitimen Schuß ihrer J Inter­­essen bei den Gerichtshöfen des Landes stets die freund­­lichsten Gesinnungen gefunden hatten, gerechten und billigen­­ Vorschlägen zugänglich gewesen wären. Nachdem sich die französische und­­ italienische Diplomatie dieser An­­gelegenheit bemächtigt hatte, viel Staub in Form von identischen Noten hierüber aufgewirbelt und die Laurion­­frage während längerer Zeit zu einem stehenden Artikel der Tagespresse­ geworden war , nahm sie endlich vor Kurzem den friedlichen Ausgang, den sie viel früher auch ohne diplomatische Intervention hätte nehmen können und sollen.­­ Indem wir nachträglich diesen kurz gefaßten Bericht über die Laurionfrage bringen, erfüllen wir den Wunsch einiger unserer Leser, die sich Streitfrage interessiren, für die damit verbundene bergrechtliche welche in dem gegebenen Falle durch­­ das SATRAÜURTE Gese ihre Lösung gefunden hat. . F­ ­­ür Neueste Nachrichten. Ungarn, Pest, 29. März. Der Reichstag wird vom 1. April ab­vertagt. Das Oberhaus übermittelt das Budgetgesetz einer Commission, welche erst nach den Osterferien berichtet. Die Delegation kann daher während April unge­­stört arbeiten. Im Mai verhandelt der Reichstag das Bud­­get für 1874 und das Katastergefech. Fiume, 29. März. In einer außerordentlicher Si bung hat Vermalung die Stadtrepräsentanz „anläßlich der bevorstehenden zu dem kürzlich der Erzherzogin Gisela einen namhaften Betrag gestifteten Fond zur Unterstüßung armer Stu­­denten votirt,­­welcher Fond von nun an den Namen der hohen Braut führen wird. Oesterreich. Wien, 29. März, erstattete heute dem Kaiser den Vertrag über Minister Lasser die Sanktion der Wahlreform. — Der Finanzminister bringt im Reichsrath noch vor dessen Schluß einen Gesetzentwurf über die Reform der Zuder-, Branntwein- und Salzsteuer ein. — Vorgestern wurden die Ehepatten der Erzherzogin Gisela und des Prinzen Leopold unterzeichnet und zwar durch die ‚Bevollmächtigten beider Höfe, Obersthofmeister Fürst Hohenlohe und den Grafen Andrassy einerseits und den außer­­ordentlichen bayerischen Gesandten Grafen Bray - Steinburg andererseits. — Die Osterferien bes­ Reichsrathes dauern vom 6. bis 21. April. — Die von mehreren Abgeordneten beabsichtigte Interpellation“ wegen der ungarischen Escomptebank-Angele­­genheit unterbleibt, weil vom Ministerium, das sich in dieser Frage mit de Pretis solidarisch erklärte, die Interpellation als inopportun bezeichnet wurde. — Die­ „N. Fr. Br." meldet aus Berlin: Die Con­ferenz der bundesstaatlichen Justizminister über die Reichsju­­stizorganisation beginnen am 1. April unter Vorsitz des preußi­­gen Justizminsters Leonhard und werden nach zwei Sitzun­­gen schließen ; der Entwurf geht sodann an die Reichscommis­­sion für die Strafprozeßordnung und mit dieser später an den Bundesrath und den Reichstag; das Preßgefeg­­ wurde von der Reichstagscommission mit geringen Abänderungen genehmigt. Der Bundescommissär verhielt sich schweigsam er nimmt die Verhandlungen und Beschlüsse ad referendum. Linz, 27. März. In der gestrigen Gemeinderaths­­figung wurde beschlossen, am Vermutungstage der Erzherzogin Gisela an fünf Mädchen je 100 fl. als Heirats­ausstattung und an 100 Arme,ein Geschenk von je 5 fl. zu vertheilen. Graz 22. März. Die Grazer uniformirten Bürger­­corps haben beschlossen, unter­ Führung des Corpscommandan­­ten Major Kogber eine Deputation nach Wien zu entsenden, um der Frau Erzherzogin Gisela eine a­n Adresse zu überreichen. Laibach, 27. März. Die Gemehivs­­e Repräsentanz der Stadt Rudolfswerth beschloß einstimmig, aus Anlaß der Vermalung der Erzherzogin Gisela, die Gründung einer Studenten-Stiftung für arme­ Studi­ende des dortigen Gym­­nasiums. "Lemberg, 27. März. Der Gemeinderath beschloß, anläßlich der Vermatung der Erzherzogin Gisela drei Heirats­­ausstattungs-Stipendien von je 150 Gulden jährlich für­ drei arme Bräute zu dreh­en und durch eine Deputation eine Glüh­­­­wunsch-Adresse an die Erzherzogin zu übersenden. Triest, 27. März. Die­ Handelskammer widmet 10.000 fl. für Errichtung einer wohlthätigen, den Namen der Frau Erzherzogin Gisela tragenden Stiftung zu Gunsten verarmter Handels-Agenten und ihrer Witwen und Waisen. Deutschland. Berlin, 29. März. Die Bundes­­rathsausschüsse erklärten­­ sich mit Vorschlägen des Admirali­­tätschefs bezüglich der Kriegsmarine-Erweiterung einverstanden; man verlangt 86 Millionen. München, 29. März.. Mit aller Bestimmtheit ver­­lautet, Prinz Luitpold, der vom­nächst mit der ganzen Familie sich nach Wien zur Hochzeitsfeier begibt, werde dem Kaiser den Besuch des Königs Ludwig ankündigen. Der Besuch soll ausschließlich den­ hohen Verwandten und der Ausstellung ger­widmet sein. Frankreich. Paris, 28. März. Der „Moniteur“ bestätigt, daß der spanische Botschafter Olozaga seine De­­mission gegeben habe. Derselbe wollte nur unter der Bedin­­gung auf seinem Posten bleiben, daß die spanische Republik eine einheitliche und conservative bleibe. Die spanische Regre­­gierung suche vergebens, ihn von seinem Entschlusse abzubrin­­gen, und sei in Verlegenheit, einen Nachfolger für Olozaga zu finden. Dieselbe ließ Thiers sonderen, ob ihm Orense als Bot­­schafter genehm wäre, Er weicht jedoch einer­en Antwort aus. Spanien. Madrid, 26. März. Bewaffnete Carlisten sind auf französisches Gebiet eingedrungen, haben das Haus des Maires von Viriatu, in welchem sich zwei carlistische Flüchtlinge befanden, cernirt und diese Letzteren weggeführt. Türkei. Konstantinopel, 28. März. Morgen werden die Vertreter Deutschlands, Englands, Oesterreich- Ungarns, Italien und Rußlands das Protokoll, betreffend die Ernennung des General-Gouverneurs des­ Libanon, unter­zeichnen. 450 große Kisten mit Ausstellungsgegenständen sind zur Absendung nach Wien bereit. Rumänien. Bukarest, 28. März. Die Kammer votirte mit 59 gegen 14 Stimmen das Gese, über den An­­schluß der rumänischen an die türkischen Eisenbahnen bei Rust­­schuf, indem nes gleichzeitig die Regierung bevollmächtigt, mit 4 a Sevilleton, Ein man Fluch.­­ Novelle von Moriz yorai Mann. In Siebenbürgen lebte einst ein reicher und gelehrter der von sich selber so manches Mal sagte, er sei terque, quaterque beatus. Dreimal glücklich! Ein­­ anderes Mentchentrab hat auch mit einem Male genug. Und nicht blos,­ weil er drei Güter besaß, eines in Hunyad bei den Walachen, ein an­­deres in den Sachsenstühlen, und ein drittes in den unga­­rischen Comitaten, nannte er sich dreimal glücklich; auch nicht deshalb, weil er aus fernen Universitäten drei ver­­­­schiedene Diplome nach Hause gebracht, denen zufolge er bald Doctor der Rechte, bald Doctor der Alchymie, dann wieder Doctor der Philosophie sein konnte: nein, haupt­­sächlich deshalb, weil er drei Namen besaß, und unter diesen nach Gefallen wählen konnte. Wenn er sich auf seiner Herrschaft im Sachsenlande aufhielt, hieß er Peter Roth ; wenn er die ungarischen Co­­mitate mit seiner Anwesenheit beehrte, hauptsächlich wenn er an dem Landtag in Klausenburg t­eilnahm, nannte er sich Vörös Pető, hatte er übrigens seinen Namen unter irgend eine Gerichtsurkunde, unter einen Vertrag zu setzen, dann lautete derselbe : „Petrus Rufus“. Da aber blos der leßtere sein authentischer Name gewesen, werden wir ihn im Laufe unserer Erzählung immer Rufus heißen. Bei Leuten, die drei verschiedene Gesichter haben und nach den Erfordernissen des Augenblics bald das eine, bald das andere zeigen, heißt es sich in Acht nehmen. Das Beste ist es, nur eines zu kennen. Daß Esther Kabs6s dies nicht gewußt, war eben das Unglück des armen, schwergeprüften Mädchens. Esther war eine Waise aus St. Georgsstadt. Von ehrbaren Eltern stammend, hatte sie das Unglüc, dieselben frühe zu verlieren. Das Mädchen war schön, kein Wunder also, daß so manches Zünglingsauge an ihr haften blieb. Dabei aber war sie fromm und w­ohlgesittet, die Verführungskünste der jungen Leute hatten hier bei ihr nicht den mindesten Erfolg. Was von schönen Augen der Jünglinge lungen, das gelang der Schlauheit des Rufus ; er nicht ge­­bot dem hübschen Kinde seine Hand und sie gab ihr Jawort. Wie denn nicht? Einem so reichen und gelehrten Herrn! Sie lebten dann eine Zeit lang auf ihrem Gute im Klausenburger Comitate. Esther wurde dort Mutter zweier schönen Kinder. Eines Tages aber sprach Rufus zu Esther : „Packe Dir Deine sieben Sachen zusammen, und­ leg’ Deine zwei Kinder ebenfalls dazu. Hier hast Du einen Beutel Gold für Dich und Deine Kleinen, sieh, «daß Du, je eher desto besser, zu Deinen Verwandten kommst. Je bin Deiner satt, ich will mir eine andere Frau nehmen“. Esther konnte nicht glauben, daß man seine gesekliche Gattin so mir nichts dir nichts fortschien kann, um sich ein anderes Weib zu nehmen. Sie erfuhr ihrem Unglück, daß dies hie und da doch möglich es leider zu ist. Damals geschah in Siebenbürgen so Manches, was Einem­ nicht im Traume hätte einfallen können. . Ordnung und Gesetz war dort zu jener Zeit nicht zu finden. Rufus war ein Dutzbruder aller Richter, er hatte daher ein gar leichtes­ Spiel. Als er vor dem Gerichtshof erschien, dem er sich troß seines großen Einflusses dennoch stellen mußte, konnte man die Gewißheit des unausbleib­­lichen Sieges aus seinem Gesichte lesen. Der schlaue Betrüger hatte Sorge getragen, sich auf­­ den Namen Vörös Pets trauen zu lassen, unter diesem Namen war er ins Matrikelbuch eingetragen worden. Als er jeßt vor dem Richter stand, schwur er hoch und theuer, daß­ er, Petrus, Rufus, nie in seinem Leben eine Frau genommen, mit keiner menschlichen Seele ein ehe­­liches Bündniß geschlossen. Die arme­ Esther war beim Verhör ebenfalls gegen­­wärtig. Sie hatte ihre zwei Kinder bei­ sich, „und es bot einen Anlelie, der den eingefleischtesten Teufel zu Thränen gerührt hätte, als die beiden Würmchen ihre kleinen Arme vom Vater entgegenstreckten und mit lallender Stimme „Vater, Vater !" riefen. Petrus Rufus aber leistete don Schwur, den der Ge­­richtshof ihm auferlegte ; mit seiner Rechten das Kreuz be­­rührend, sprach er : „Ich Petrus Rufus schwöre zum ersten, schwöre zum­ zweiten und schwöre zum dritten Male, daß ich, Petrus Rufus, nie im Leben ein weibliches Wesen zur­ Gattin genommen habe“. Damit waren die Richter zufrieden. Die arme Esther wurde mit ihren beiden Kindern fortgewiesen. Rufus ließ ihr, da er durch sie zum Eide gezwungen worden, auch noch das einmal schon gegebene Reisegeld wegnehmen. Als die unglückliche Esther den Meineid ihres Mannes hörte, da erhob sie ihre thränenlosen Augen zum Himmel und brach in den Fluch aus: „Nun so möge Dich Gottes Zorn so oft treffen, als Du falsch, gegen mich geschworen“. Rufus lachte, die Richter murrten und die arme Esther wurde aus dem Gerichtssaale getrieben. Das arme Weib ging geraden Weges zum Ufer der Marosch, dort schloß sie ihre beiden bildschönen Kinder fest - - - ha ; . . : - :

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