Kaschauer Zeitung, April-Juni 1913 (Jahrgang 75, nr. 36-73)

1913-06-10 / nr. 65

Fünfundsiebzigster Jahrgang Rundschau. Ausland. Rußland bemüht sich, die Balkan­­­­staaten zur Demobilisierung zu bewegen. Doc­h gewinnt der Ausbruch eines Krieges zwischen den Verbündeten immer mehr an Wahrscheinlich­­keit. Der serbische Kriegsminister erklärte, daß das gespannte Verhältnis zwischen Serbien und Bulgarien bisher nicht nachgelassen hat. — Angeblich wurden schon in Serbien fünfund­­zwanzigtausend Freiwillige einberufen und an die bulgarische Grenze expediert. Die Re­gierungskrise in Bulgarien ist noch nicht erledigt. Inland. Graf Stefan Tisza ist Samstag vom König zum Ministerpräsidenten designiert und mit der Bildung des Kabinetts betraut . Johann Sándor ist als Minister des worden­ Innern in Aussicht genommen. Das Präsidium des Abgeordnetenhauses wird Paul Beöthy oder Bela Tallián übertragen werden. Der frühere gemeinsame Finanzminister Baron Burrian ist­­ zum Minister am königlichen Hoflager auserse­­hen. Die übrigen Melforts werden mit den bis­­herigen Ministern belegt werden. Gleichzeitig , mit der Ernennung Tis 83a­8 wird auch die Ent­­­­hebung des königlichen Kommissärs von Kroatien — Man kann sich da­­s Banus Cuvaj erfolgen. rauf gefaßt machen, daß die Opposition den Kampf gegen Tisza mit den schärfsten Mitteln­­ fortlegen wird. — Der Thronfolger wird sid nächste Woche Kaisers Wilhelm nach Berlin begeben, zum Regierungsjubiläum des­­ Dr. BELA KEMENY DIODEUCE, 10. Juni 1913. " Abonnementspreise für loco mit Zustellung i in's Haus Ganzjährig K. 10.—, !/zjährig K. 5.—, ?/qjährig K. 2.5 € Für das Inland mit Postversendung: | Ganzjährig K. 13.20, Yejährig K. 6.60, V/sjährig K. 3.30 | Dr. Melchior Wal. Sitzung der städtischen Repräsentanz. Der Ratsaal des Stadthauses war Freitag der Schauplan einer nicht all­­täglichen Feierlichkeit. Der Jaszoparer Probst -Prälat, Magnatenhausmitglied und Präsident mehrerer Kassger kultu­­rellen und humanitären Vereine, wurde un­­ter den lebhaftesten Beifallskundgebungen mit allgemeiner und aufrichtiger Begeiste­­rung zum Ehrenbürger der Stadt Kassa gewählt. Generaldirektor Julius Decik, auf dessen Initiative die Bewegung, Dr. Melchior Takács zum Ehrenbürger der Stadt zu wählen, eingeleitet wurde, führte in seiner tiefgehenden, gedanken­­reichen Rede aus, daß die Stadt mit­­ dieser größten Auszeichnung, welche sie­­ jemanden überhaupt gewähren kann, in­­ diesem Falle sich selbst auszeichnet. Dr. Melchior Takács ist wahrlich der Mann, dessen um die kulturelle Entwick­lung unserer Stadt mit einer nie müde werdenden zielbewußten Tätigkeit erwor­­bene unermeßliche und unvergeßliche­­ Verdienste mit materiellen Opfern nie­­ honoriert werden können. Die selbstlosen­­ Arbeiter der salus rei publicae, die eigentlichen Förderer der Entwicklung­­ der Menschheit kann die Gesellschaft­er auf jener Art PEER "daß sie die Palme der Ehre, den Lorbeerkranz der Anerkennung ihnen verabreicht. Indem sie ihn zu ihrem Ehrenbürger wählte, überreichte die Stadt die Palme der aufrichtigen Anerkennung ihrem großen Sohne, der seine ganze erfolgreiche Tätigkeit immer im Interesse des Landes und im Besonderen Geburtsstadt entfaltete. Im­nteresse seiner Wir lassen nun über diesen feierlichen At und über die Situng unseren Be­richt folgen. Obergespan Eduard Sziklay eröffnet halb 5 Uhr die Situng. Obernotär Dr. Edgar Kriebel ver­­liert den Monatsbericht des Bürgermeisters. Der Bericht widmet warme Worte dem verstorbenen Konvikts­­gouverneur und Repräsentantenmitglied Blasius Horvath und beantragt das Andenken desselben protokollarisch zu verewigen und von diesem Beschlusse die Angehörigen des Verstorbenen und den Prämonstratenserorden zu verständigen. Der Bericht patentiert noch mit pietäts­­vollen Worten den pläßlich dahingeschie­­denen Direktor des städtischen Steuer­­amtes Geza Gritmacher. Der wichtigste Punkt des Berichtes ist die Mitteilung, daß das Komitat die dem städtischen Spital gewährte Subvention von 150.000 K in seiner lezten Kongrega- Feuilleton. Zum 70. Geburtstag der Baronin Bertha v. Zuttner. (Feuilleton der „Kasc­hauer Zeitung“). Am 9. Juni des Jahres 1843 wurde dem Feldmarschall Graf Kinski von seiner Gemahlin Sophie zu Prag ein Töchterlein geboren, das in der Taufe den Namen Bertha erhielt. Schon wenige Monate nach ihrer Geburt starb der Marschall, und die kleine Bertha wurde der Liebling und Abgott der schmerzgebeugten Gräfin Sophie, die ihr eine sehr sorgfältige Erziehung zuteil werden ließ. Eine seltene Wissens- und Lernbegier zeichnete früh das graziöse liebenswürdige Geschöpf aus, das mit glühendem Gesichthen und leuchtenden Augen schon über den Klassikern saß, als die gleichaltrigen Gespielinnen noch ihre Puppen wiegten. Die kaum zur Jungfrau Erblühte wurde bei ihrem Eintritt in die Welt, in dem damals noch österreichischen Venedig, ob ihrer Schönheit und ihres Geistes gefeiert, doc die wenigsten mochten wohl schon damals dessen Tiefe und Vielseitigkeit erkennen, der auf die schöne schlanke Komteß die Anwendung des Niepsche’schen Wortes gerechtfertigt hätte: „Der schönste Leib — ein Schleier nur, in den sich schamhaft Schöneres hüllt.“ Reisen in Italien, Frankreich und Deutschland erweiterten früh ihren Blick, und der jähe Tod ihres Verlobten, des Hochbegabten Prinzen Adolf Wittgenstein, mit dem sie ihre Vorliebe für Musik zusammengeführt hatte, ließ sie früh reifen und manche Saite in ihrem Innern schwingen, deren sonoxer Ton uns später aus manchen ihrer Schriften so ergreifend entgegenklingt. Nur so wer vernarbte diese Herzenswunde und erst im Juni 1876 heiratete sie gegen den Willen der beiderseitigen Eltern den sieben Jahre jüngeren Freiherrn von Suttner. Romantisch wie diese Liebesheirat, deren Hoch­­zeitsreife den Kaukasus zum Ziel hatte, waren die folgenden Jahre. Fast ausschließlich auf sich angewiesen, lebte das junge Paar in Dörfern und Weilern der Provinzen Georgien, Imeretien und Gurien, und die Baronin mußte durch das Erlernen von Gesang-, Klavier- und Sprach­­stunden mithelfen, den Lebensunterhalt zu err­werben. Is dieser Zeit, datieren ihre ersten schriftstelerischen Versuche, indem sie sich, gleich ihrem Manne, bemühte, duch Schreiben für europäische Zeitungen ihre Einnahmen zu erhöhen, wofür sie auch sehr bald überraschende Erfolge belohnten. Mit den Eltern wieder ausgesöhnt, kehrte das Ehepaar im Jahre 1885 nac Oesterreich zurüc und nahm seinen ständigen Wohnsit auf dem Suttner'schen Stammschloß Hermannsdorf, wo es in selten glücklicher Ehe bis zu dem im Jahre 1902 erfolgten Tod des Freiherren von Suttner lebte. Wahrhaftigkeit, Herzensgüte und allumfassende Menschenliebe, gepaart mit seltener Feinheit und Anmut, sind die hervorstechendsten Charaktereigen­­schaften der liebenswürdigen Frau, die uns leuchtend aus ihren Werken wiedergrüßen, ob sie nun in dem reizend-naiven köstlichen „Es Löwes““ die Geschichte ihrer Ehe erzählt, in „Eva Lie­bed“ den Fluch erblicher Belastung schildert, in „Treute et Quarante“ gegen das Hazardspiel Zhen in „Dr. Hellmuts Donnerstage” philoso­­phiert, oder in „Schach der Qual“ mit flammen­­der Begeisterung für alles, was auf moralischem Gebiete unterbracht ist, in die Schranken tritt. Ihr berühmtestes Werk, das ihren Namen nicht in „Aeonen untergehen“ lassen wird, ist der bekannte Friedensroman „Die Waffen nieder“

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