Bak, Fajó, Hencze, Nádler, Pauer, Tót (Galerie im Griechenbeisl, Wien, 1971)

In der osteuropäischen Kunst ist die Geometrie ein grundlegendes Element. Sie erscheint nicht nur an den uralten, in der Volkskunst noch heute lebendigen Ornamenten, sondern bildet einen Bestandteil der Überlieferung der modernen Kunst über­haupt. Die Malerei der russischen Avantgardisten (wie u. a. die Malewitsch’ oder Lissitzkis), die geometrischen Charakter trug, war von determinierender Wirkung auf die Kunst der ganzen Welt. Diese „östliche Geometrie“ unterscheidet sich wesentlich von der parallel zu ihr zustandegekommenen westlichen, obwohl sich in den Formen der beiden oft starke Ähnlichkeiten zeigen. Der Unterschied wird durch den andersartigen Charakter, das Temperament, die geographische und gesellschaftliche Umgebung des östlichen Menschen begründet. Es ist verständlich, dass die ungarischen Künstler die in der modernen Kunst auftauchenden geometrischen Möglichkeiten in diesem Sinne erfasst haben. In seiner Zeitschrift hat Lajos Kassák in den 20-er Jahren die konstruktivistischen Bestrebungen der russischen Künstler begeistert begrüsst, die Reproduktionen ihrer Werke veröffentlicht, zusammen mit seinen eigenen ähnlichen Graphiken, die er „Bildarchi­tekturen“ genannt hat. László Moholy-Nagy entwickelte seine eigenartige Kunst im Bauhaus, inmitten Fachgenossen verschiedener Nationalität. Vasarely erhielt konstruktivistische Anregungen vom Budapester „Bauhaus“ und verwendete diese für seine weltbekannte Kunst, die unbestreitbar auch osteuropäische, folkloristische Elemente enthält. Schöffer, Kemény — um nur einige zu erwähnen — zeigen die dreidimensionale Verwirklichung derselben Kunsttendenz auf. Die junge Künstlergeneration, die die Möglichkeiten ihres künstlerischen Ausdrucks in der Geometrie zu finden glaubte, ging daher nicht im luftleeren Raum an die Arbeit. Es wäre natürlich ein Unsinn, die Kunst der 20-er Jahre in den 70-er Jahren zu wiederholen. So zeigt die neue geometrische Kunst gegenüber dem Konstruktivismus wesentliche Abweichungen. Die struk­turelle, dynamische Natur der Konstruktion, die auch auf der Ebene der glatten Bildflächen zum Vorschein kommt, weist auf ein neuartiges Weltbild, neue Betrachtungsweise hin, doch baut sie auf der osteuropäischen Tradition auf und möchte deren konsequente Fortführung sein. Imre Bak

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