Neppendorfer Blätter, 1923 (Jahrgang 21, nr. 22-52)

1923-05-27 / nr. 22

Indessen-thust fur- \ Gitter ,1Humorund-sattre « Fk, 21926. Frage. Warum ihr euchh denn gar so furchtbar grämt über die Hochflut heuf’ger Notenmengen ? Wie kann ein altgewohntes, traufes Bild euch gar so kummervoll das Herz beengen ? Sits doch nichts anders als des Lebens Bild, das heut’ die Notenpresse läbt- erstehen, wo man so viele glatte Nullen wohl, doch Selten nur kann wahre Größen sehen. Apoll­ ­er „Turmvater“ Jahn. Eine Fahnenweihegeschichte. Schon früh am Morgen fing das unruhige Treiben an. Der sonst so stille Pfarrhof schien bewegt wie ein gestörter Ameisenhaufen. Nicht fünf Minuten vergingen, daß eine Türe ruhig blieb. Das war ein Rommen und Gehen; Möbel, Betten und Teppiche wurden geklopft, das ganze Haus blieblank gefegt, denn morgen kamen schon die Gäste aus der Stadt zum großen Fest der Fahnenweide­ . Die Turner hatten eine neue Fahne gestiftet und die Frau Pfarrerin war zur Fahnenmutter ausersehen worden, und hatte in der Stadt das kostbare Fahnen­­band sticken lassen, sie sollte es morgen mit schwung­­voller Rede dem Verein spenden, — und diese Rede mußte auch noch bedacht werden! Kati, die vertraute Magd, hatte si die Sache erklären lassen und ging nun mit besorgter Miene ihren Geschäften nach. „Hons, ed­ bekunden mich dennich eff äm de jugendfem Zrä Motter, wenn je nor nei än ärer Ried flechen bleib­, je huet fi noch guer net un’t Liren gemodht,“ klagte sie dem Anecht. — „Der Härr Queter wird er so hälfen,“ sagte dieser gleichmütig. Helfen lassen wollte si die junge, firebsame Frau aber nicht. So lange war es noch gar nicht leer, daß sie als erste die „Höhere“ absolviert hatte, da würde sie gewiß eine einfache Rede für dörfliche Zuhörer zu­­ m Rande bringen können. Nach dem Abendessen jebte sie sie an ihren Schreibe­tiich, während der junge Pfarrer seine Leitung las, und die Gedanken troffen ihr in die Feder und aus der Feder aufs Papier, sie mußte immer nur schreiben und hatte bald einen wortreichen, vielteiligen Auffaß beisammen. Zweifelnd sah sie die dichtbeschriebenen Blätter an, das auswendig zu lernen, würde doc einige Mühe kosten, und dann­­ würden die Zuhörer nicht unges­chuldig werden? Also mußte gekürzt werden. Der Gatte, dem sie die Rede vorlas, gab ihr den guten Rat, die Zeit der griechischen gymnastischen Wettspiele zu übergehen, auch vom modernen eleganten Sport nur das Notwendigste in einfachster Form zu Tagen, den Turnvater Jahn konnte sie allenfalls behalten und auch ihrer völkischen Begeisterung die Zügel schießen lassen. Erst nach Mitternacht war die vielgeplagte Pfarrerin so weit, daß sie sich mit ruhigem Gewissen zur Ruhe legen konnte. — Das ganze Haus mit Küche und Kammer war zum Empfang der Gäste bereit und ihre Rede konnte sie wie am Schnürchen. Der Sicherheit halber hatte sie sich auch kurze Schlagworte auf ein Blatt Papier aufgeschrieben. Der große Tag brach an­ Empfang der Gäste, ein ausgiebiges Frühstück und dann nach der Kirche die feierliche Einholung der Frau Pfarrerin durch drei junge, gebuckelte Frauen und drei Mädchen im Birken. Auch die Stadtgäste kamen mit und Belter Will konnte sich nicht enthalten, seine gewohnten Wie zu machen. „Säw ot, Milch, denn Stä­bleinf stehen an ärer Jungfernrede,“ flüsterte er dem Pfarrer zu und zwar in seinem bekannten Flüsterton, den alle Umstehenden hören konnten. Die junge Pfarrerin konnte ihn nur noch mit einem verächtlichen G Seitenblick anbiigen. Dann jeßte sich der Zug in Bewegung. Der weite Schulhof neben der Kirche war voll­e Menschen, in deren Mitte die Turner einen Kreis bil­­deten, ao wurde die Pfarrerin mit­­ Gefolge - Biblioteca Judeteana ASTRA nimmatiıN *21926P* u? # BR »

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