Neue Zeitung, 1971 (15. évfolyam, 1-53. szám)

1971-01-22 / 4. szám

NEUE ZEITUNG XV. JAHRGANG, NUMMER 4 Preis: 80 Fillér BUDAPEST, 22. JANUAR 1971 Wochenblatt des Demokratischen Verbandes der Deutschen in Ungarn Vor der Berufswahl In den Grund- und Mittelschulen des Landes haben die Schüler vor kurzem ihre Halbjahreszeugnisse erhalten. Die Mädels und Jungs konnten ermessen, wie ihre Arbeit in diesem Schuljahr von den Pädagogen gewertet wurde, in wel­chen Fächern sie gut abgeschnitten ha­ben, und in welchen sie ihre Leistungen verbessern müssen. Doch das Halbjahr ist auch aus einem anderen Grunde ei­ne wichtige Zäsur im Leben jener Ju­gendlichen, die in diesem Jahr entwe­der die achte Klasse der Grundschule, oder aber die vierte Klasse der Mittel­schule beenden. Es ist nämlich die Zeit der Entscheidung gekommen: Wo lerne ich weiter? Bei manchen steht der Ent­schluss seit langem fest, doch es gibt auch viele Schüler und auch Eltern, die sich noch nicht entschieden haben. Da kommt es in der Familie zu abendlichen Debatten, in den Unterrichtspausen oder auf dem Schulweg ist die Berufswahl in dieser Periode Gesprächsthema Nr. 1. „Wer die Wahl hat, hat die Qual” — lautet ein deutsches Sprichwort, und es trifft auch hier zu. Die Entscheidung ist nämlich wirklich nicht leicht. Bei einer Berufswahl müssen die Fähigkeiten und Talente, die Neigungen des Jugendli­chen sowie die Ansprüche der Gesell­schaft auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden. Oft stehen Fähigkei­ten und Neigungen im Gegensatz zuein­ander oder zu den Ansprüchen der Ge­sellschaft. Da bedarf es einer intensiv aufklärenden Fachberatung, damit der junge Mensch nicht einen Weg ein­schlägt, auf dem seiner zwangsläufig Enttäuschungen harren. Über das Thema wird in dieser Zeit auch in den Klas­senstunden und in den Sprechstunden der Lehrer viel gesprochen, Schüler und Eltern werden mit den verschiedenen Gymnasien, Fachmittelschulen, Techni­ken, Facharbeiterschulen, Fachkursen usw. bekannt gemacht, es wird das Für und Wider der Wahl in Kenntnis der verschiedensten Faktoren eingehend er­läutert. Auch die diesjährige Ausgabe des bewährten „Wegweisers zur Berufs­wahl”, dieses ausserst informativen und nützlichen Handbüchleins, ist in diesen Tagen erschienen. Es gibt unzählige Schultypen und Möglichkeiten, die wir selbstverständlich im Rahmen unseres Artikels nicht besprechen können. Wir möchten jedoch — dem Profil unserer Zeitung gemäss — das Interesse unserer Leser auf jene Schultypen lenken, die im Rahmen des Nationalitätenschulnet­zes den Schülern eine intensive Fortbil­dung in ihrer Muttersprache gewährlei­sten. Aus der Grundschule können sich die Absolventen in drei deutsche Gym­nasien melden, in das Deutsche Gymna­sium Leo Frankel in Baja und in die deutschen Klassenzüge des Gymnasiums Klara Leőwey in Pécs sowie des Jó­zsef -Eötvös-Gymnasiums in Budapest. Das Gymnasium in Baja erwartet in er­ster Linie Schüler aus den Komitaten Bäcs-Kiskun und Békés, das Pécsei- Gymnasium liegt besonders für die Mädchen und Jungen aus den Komita­ten Baranya, Tolna und Somogy günstig, und das hauptsächliche Bezugsgebiet der Hauptstadt sind die Komitate Pest, Komárom und Fejér. Wer soll sich aber in ein deutsches Gymnasium melden? — hört man oft die Frage. Ist dieser Schultyp nur für diejenigen Jugendlichen gedacht, die die Sprache selbst als Beruf wählen, also Deutschlehrer, Dolmetscher, Übersetzer usw. werden wollen, oder bietet das deutsche Gymnasuim auch für andere Berufe eine entsprechende Grundlage? Selbstverständlich stellt ein deutsches Abitur eine hervorragende Basis für ei­ne Pädagogische Laufbahn im Fach Deutsch dar, sie gewährleistet einen günstigen Start bei der Aufnahmeprü­fung für die deutsche Fakultät der Kin­dergärtnerinnenbildungsanstalt in Sop­ron, für den deutschen Lehrstuhl an der Hochschule für Lehrerbildung in Pécs oder für die germanistischen Fakultäten an den Universitäten in Budapest, Deb­recen oder Szeged. Hier muss auch gleich bemerkt werden, dass der gesell­schaftliche Anspruch auf deutsche Kin­dergärtnerinnen, auf Deutschlehrer der Grund- und Mittelschulen äusserst gross ist und im Zuge der Entwicklung des Deutschen Nationalitätenschulnetzes ständig steigt. Wie bekannt, steht der Einführung des Muttersprachunterrich­tes im Kindergarten oder in der Schule mancherorts nur der Mangel an einer entsprechenden Fachkraft im Wege. Sehr gefragt sind an den deutschen Gymnasien die Deutschlehrer, deren zweites Fach Geschichte, Geographie, Kunstgeschichte usw. ist. Auch ein Man­gel an naturwissenschaftlichen Fachleh­rern mit wohlfundierten Deutschkennt­nissen ist in diesen Instituten festzu­stellen. Wir glauben, dass wir mit die­sem Hinweis auch denjenigen Abitu­rienten in den deutschen Gymnasien die Orientierung erleichtert haben, die sich für die pädagogische Laufbahn berufen fühlen. Darüber hinaus aber sind die guten Deutschkenntnisse, die von einem deut­schen Reifezeugniss bescheinigt werden, auch bei der Ausübung der verschie­densten anderen Berufe von Vorteil. Der Ökonom, der Soziologe, der Inge­nieur oder der Arzt werden ihre Arbeit besser verrichten, sich erfolgreicher fortbilden können, wenn sie eine Welt­sprache beherrschen, wenn ihnen der Erfahrungsaustausch mit ausländischen Kollegen keine sprachlichen Schwierig­keiten bereitet, wenn sie die einschlägi­ge deutsche Fachliteratur im Original lesen können. Man kann auch ruhig be­haupten, dass sich all dies im Zeitalter der technisch-wissenschaftlichen Revo­lution, in der es immer mehr Fachar­beiter mit Abitur gibt, gewissermassen auf alle Tätigkeiten bezieht, denn im Jahrhundert der internationalen Koope­ration und der rasanten technologischen Entwicklung werden auch an die Arbei­ter an den Werkbänken höhere Auffor­derungen denn je gestellt. Nun, das Lehrsystem unserer deut­schen Gymnasien bietet zu all dem gute Voraussetzungen. Das System der Zwei­sprachigkeit gewährleistet dadurch, dass die humanen, narrativen, also den Sprachschatz intensiv bildenden Fächer, wie deutsche Literatur, Geschichte, Ge­ographie usw. deutsch unterrichtet wer­den, das Erlangen hochgradiger Sprach­­kenntnisse. Dadurch aber, dass die rea­len Fächer, also Mathematik, Physik, Chemie, Biologie usw. auf hohem fach­lichen Niveau in Ungarisch aber mit dem deutschen Fachwortschatz parellel vermittelt werden, wird zugleich eine gute Grundlage für naturwissenschaft­liche oder gesellschaftswissenschaftliche Studien geschaffen. Die deutschen Gymnasien sind daher keine „Konservenbüchsen”, die die deut­sche Muttersprache als Selbstzweck pflegen, sondern wichtige Reservoire unserer Gesellschaft bei der Sicherung des Nachwuchses vielseitig gebildeter Fachleute. Unser Land benötigt nämlich in allen Zweigen des wirtschaftslichen, kulturellen und politischen Lebens im­mer mehr gut ausgebildete zwei — oder mehrsprachige Kader. Jene Eltern also, die ihre Kinder aus Liebe zur Muttersprache und aus dem Bedürfnis heraus, die sprachlich-kultu­relle Tradition von Jahrhunderten wei­terzuführen, in den Muttersprachunter­richt schicken, kommen, indem sie ei­nem persönlichen Herzensbedürfnis Ge­nüge tun, auch einem wichtigen gesell­schaftlichen Anspruch nach, einem An­spruch, den die sozialistische Gesell­schaft, die ungarische Heimat stellt. Erika Áts •• Uber die Bedeutung der sowjetisch-arabischen Freundschaft Intensivierte amerikanische Lufttätigkeit in Indochina — Angriffe gegen Brandt-Regierung Ein hervorragendes Ereignis des un­garischen diplomatischen Lebens ist der Finnlandbesuch von Jenő Fock. Den ungarischen Ministerpräsidenten beglei­teten auf seiner Finnlandreise zahlrei­che bedeutende Politiker und Wirt­schaftsexperten. Die Völker und die lei­tenden Politiker der beiden Länder wid­men — über die traditionelle finnisch­ungarische Freundschaft hinaus — dem Finnlandbesuch des ungarischen Mini­sterpräsidenten auch deswegen grosse Aufmerksamkeit, weil Helsinki nicht nur eine positive Haltung in Frage der europäischen Sicherheit einnimmt, son­dern auch als Initiator eine bedeutende Rolle spielt. Da Ministerpräsident Jenő Fock bei Redaktionsschluss erst seit ei­nem Tag in Finnland weilt, können wir in dieser Nummer über den Verlauf der finnisch-ungarischen Verhandlungen nicht eingehend berichten. In unserer nächsten Nummer kommen wir auf das bedeutende diplomatische Ereignis noch einmal zurück. Einweihung des Staudammes in Assuan Beim Kommentar der Ereignisse des Nahen Ostens müssen wir diese Woche in erster Linie über die friedliche Diplo­matie und über die friedliche Aufarbeit berichten. Die feierliche Einweihung des Staudammes und Kraftwerksystems in Assuan bot die Möglichkeit zum Besuch des sowjetischen Staatspräsidenten Pod­­gorny und auch dazu, dass der sowjeti­sche Gast mit Präsidenten Sadat und anderen führenden Persönlichkeiten der VAR konferierte. In seiner Rede, die er anlässlich der feierlichen Einweihung hielt, würdigte Podgorny mit herzlichen Worten die zwischen der Sowjetunion und der VAR bestehende Freundschaft. Er führte aus, diese Freundschaft hat die Ideen Lenins über das Bündnis des Weltsozialismus und der Kräfte der na­tionalen Befreiungsbewegung in der Praxis verwirklicht. Podgorny betonte, die zwischen der SU und der VAR be­stehende Freundschaft fördere den ge­meinsamen antiimperialistischen Kampf und ist ein Beitrag zur Festigung der politischen Souveränität und wirt­schaftlichen Selbständigkeit der VAR und weiterhin zur gesellschaftlichen Entwicklung des Landes. Der Staudamm in Assuan ist zwei­felsohne ein würdigen Symbol der Freundschaft zwischen der SU und der VAR, des gesellschaftlichen Fortschritts in Ägypten. Der Staudamm ist 3600 Me­ter lang, 600 Meter breit. Zum Aufbau des Kraftwerksystems wurden 43 Mil­lionen Kubikmeter Material — Steine, Lehm, Sand, Beton und Staihlkonstruk­­tion — verwendet. Hinter dem Stau­damm wird sich ein riesiger 500 km lan­ger See bilden, dessen Breite zwischen 10 und 25 km liegen wird, und dessen Tiefe an einzelnen Stellen die 97 Meter erreicht. Fast eine Million Hektar Brachland können dadurch berieselt werden. Die Bedeutung des Assuandam­mes dehnt sich auf die ganze Volkswirt­schaft der VAR aus. Das Kraftwerksy­stem verdoppelt die Energiekapazität Ägyptens, es ermöglicht ein wesentlich rascheres Tempo bei der Entwicklung der Industrie. Diese Schöpfung, die das ganze Leben des Landes umgestaltet, hätte ohne Hilfe der Sowjetunion nicht zustandegebracht werden können. Die Westmächte knüpften 'bei der Verwirk­lichung des grossen Planes ihre Mitwir­kung an solche finanzielle und politi­sche Bedingungen, deren Annahme dem Verzicht auf die Unabhängigkeit des Landes gleichgekommen wäre. Die So­wjetunion dagegen gewährte selbstlos langfristige Kredite, stellte Baumaterial und Fachkräfte zur Verfügung und er­möglichte dadurch, dass Ägypten die Selbständigkeit des Landes festigen und die Entwicklung beschleunigen konnte. Wie der ägyptische Präsident Sadat auf der Einweihungsfeier sagte, konnte auf grund der selbstlosen Zusam­menarbeit mit der SU der Traum des ägyptischen Volkes und Nassers ver­wirklicht werden, die Industriebasis des Landes ist zustandegekommen. Die aktuelle Bedeutung der Verhand­lungen, die Podgorny und Sadat mit­einander führten, besteht darin, dass der sowjetische Staatspräsident dem Präsi­denten der VAR erneut zusicherte: Die SU stehe auch weiterhin fest an der Seite der Araber in ihrem Kampf für nationale Rechte und gegen Imperialis­mus. In diesem Kampf, bei der Lösung der Nahostkrise, strebt die VAR unver­ändert in erster Linie auf eine friedli­che Regelung hin. Wie stehen aber die Chancen einer solchen Regelung? Die Feuerpause läuft am 5. Februar ab und Israel zeigte kaum eine Bereit­schaft, die zur Verfügung stehende kur­ze Zeit rationell zu nutzen. Im Gegen­teil! Gleichzeitig mit der Verzögerung der Jarring-Verhandlungen führte Israel eine weitere bewaffnete Aktion durch. Israelische Truppen sind tief in das Ge­biet des Libanon eingedrungen. Die Feindseligkeiten zwischen den jordanischen Regierungstruppen und den im Lande weilenden Guerilla-Orga­nisationen komplizieren auch weiterhin die Lage im Nahen Osten. Zwar kam laut den letzten Meldungen zwischen der Regierung und den Guerillas eine Vereinbarung zustande, doch hat sich in Jordanien die Spannung nicht völlig ge­legt. Wie wir an dieser Stelle bereits des öfteren betonten, haben die öffentliche Meinung und Regierungskreise der ara­bischen Länder für diesen Zustand des öfteren und scharf die Verantwortung von König Hussein und der Behörden Jordaniens aufgeworfen. Jetzt erklärte ein Sprecher der unter Führung von Jasser Arafat stehenden El-Fatah-Gue­­rilla-Organisation, dass für das Entste­hen der gefährlichen Lage der jüngsten Zeit in grossem Masse die unter Geor­ges Habbas stehende Volksbefreiungs­front Palästinas verantwortlich ist. Der Sprecher bezeiehnete Habbas als politi­schen Abenteurer. Der Standpunkt der El-Fatah-Organisation wird in gewissem Grad von der jüngsten Erklärung Hab­bas unterstützt, laut der die Palästinen­sische Widerstandsbewegung der ganzen Welt zur Kenntnis bringen muss, dass für sie die einzige Möglichkeit der offe­ne Kampf gegen das Regime in Jorda­nien sei. Die Regierung in Amman müs­se gestürzt und durch eine fortschrittli­che nationale Volksmacht abgelöst wer­den”, — besagt die Erklärung. Laut Be­urteilung der El-Fatah-Bewegung steht diese Haltung im Diente der Interessen der Feinde der Partisanenbewegung. Der Sprecher erklärte, jene Personen, die für die Unruhen in Jordanien verantwort­lich sind, werden vor ein Sondergericht der Guerillas gestellt. bemühungen stand, scheinen auf jeden Fall berechtigt zu sein. Laut einzelnen amerikanischen Meldungen hat der Kriegsminister in Saigon die sog. tech­nologische Eskalation vorbereitet. Da­bei handelt es sich um ein militärisches Programm, das durch den Einsatz neuer, moderner Waffen und Waffensysteme den Abzug von amerikanischen Einhei­ten vom indochinesischen Kriegsschau­platz ermöglicht, ohne jedoch die Kampffähigkeit der zurückbleibenden Einheiten wesentlich zu vermindern. Eine Tatsache ist, dass sich die Luft­tätigkeit der Amerikaner in Indochina seit dem Laird-Besuoh intensiviert hat. Dies geht auch aus der Erklärung des Aussenministeriums der Demokratischen Republik Vietnam hervor. Das Kommu­nique stellt fest, amerikanische Flug­zeuge haben über Nordvietnam des öf­teren giftige Chemikalien abgeworfen und bei einer Gelegenheit gegen das Ge­biet der DRV einen Raketenangriff ge­startet. Auch eine Meldung der ameri­kanischen Kommandantur berichtet über Luftangriffe gegen Raketenab­schussrampen auf dem Territorium der DRV. Die amerikanische Kriegsmeldung gibt gleichzeitig zu, in den letzten Ta­gen haben südvietnamesische Freiheits­kämpfer zwei amerikanische Hubschrau­ber abgeschossen. Gegen die Flugzeuge der amerikanischen Aggressoren setzt die Luftabwehr der Demokratischen Republik Vietnam die modernsten Raketen Aus dem Inhalt: Das Sekretariat tagte 2 Mihály Korom: Über das neue Wahlgesetz 3 Erfolge und Probleme in Herend 5 Hobby: Sprachen und Fussball 6 Technologische Eskalation Der amerikanische Kriegsminister Melvin Laird erklärte nach Beendigung seiner Süd-Ost-Asienreise selbstbewusst, seiner Meinung nach werden die Ver­einigten Staaten fähig sein, den Viet­namkrieg erfolgreich zu beenden. We­niger optimistisch äusserte sich der Kriegsminister über Kambodscha. Wie er sagte, erlebe das Lon-Nol-Regime eine kritische Epoche. Laird dementierte Meldungen, laut denen der Oberbefehls­haber der amerikanischen Streitkräfte in Südvietnam, General Abrams, abge­löst wird. Ein Sprecher des Kriegsmini­­steriums gab jedoch zu, dass in der amerikanischen Oberkommandantur in Saigon bestimmte Änderungen doch noch nötig seien. Die veröffentlichte Erklärung von Laird hat jedoch mit dem effektiven In­halt der Saigoner Tätigkeit des ameri­kanischen Kriegsministers wenig zu tun. Mutmassungen, die in der amerikani­schen Presse erschienen sind, und laut denen der Indochinaweg von Laird im Dienste der Intensivierung der Kriegs­ Dialog DDR-BRD Das Boulevard-Blatt des Springerkon­­zems, die in grosser Auflagezahl er­scheinende und von ihrer Unglaubwür­digkeit her bekannte Bildzeitung beruft sich zum Teil auf ausländische Infor­mationen und meldet, dass gegen Bun­deskanzler Brandt, der von Ferientagen aus Afrika zurückkehrte, ein Attentat vorbereitet wurde. Ob die Nachricht der Wahrheit entspricht oder nicht, Tatsa­che ist, dass die rechtsextremistische Hetze gegen den westdeutschen Bundes­kanzler und seine Versöhnungspolitik mit den soziaistischen Staaten ununter­brochen vor sich geht. Die Lage der Regierung wird dadurch erschwert, dass sich auch im Zusammenhang mit einer Reihe innenpolitischer und wirtschaftli­cher Probleme scharfe Gegensätze zei­gen. Die Zeitung „Die Welt” die eben­falls dem Springer-Konzern gehört, schreibt mit ungetannter Schadenfreude, dass im Laufe der neuen Sitzungsperio­de des Bundestages die Regierung auf allen Gebieten des politischen Lebens mit schweren Konfikten rechnen müsse. Die Zeitung zitiert einen bedeutenden Vertreter der CDU, laut dem die Tak­tik der CDU/CSU von der ständigen Möglichkeit einer Regierungsihrise aus­gehen müsse. Der ständig anwachsende, auf der Bonner Regierungskoalition 'lastende Druck ist auch deshalb schädlich, weil die Gefahr besteht, dass es der Bun­desregierung unter diesem Druck schwe­rer gelingen wird, die bisherigen Ergeb­nisse der in Richtung der sozialistischen Staaten geführten Versöhnungspolitik zu stabilisieren. Dies bezieht sich in erster Linie auf die Ratifizierung des Moskauer und Warschauer Vertrages, doch auch auf die Regelung der zwischen den bei­den deutschen Staaten bestehenden Be­ziehungen. Im Laufe der vor kurzem in Bonn gehaltenen Verhandlung, auf der die Delegation der DDR von Staatsse­kretär Kohl und die der BRD von Staatssekretär Bahr geführt wurde, wur­de vereinbart, den Gedankenaustausch am 26. Januar in der Hauptstadt der DDR fortzusetzen. Der Inhalt der Ver­handlungen wurde nicht veröffentlicht, doch kann man aus Pressemeldungen folgern, dass nach der Beratung in Ber­lin erneut ein Treffen in Bonn geplant wird. Das heisst, es entsteht ein langsa­mer, schrittweise vorwärtsgehender Ver­­handlungsvorgang. Georg Kertész

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