Neue Zeitung, 1984 (28. évfolyam, 1-52. szám)
1984-03-11 / 10. szám
10/1984 In der Stadt Moor Vor einigen Monaten besuchte ich Moor/Mór im Komitat Fejér, damals noch Großgemeinde. Heute ist Moor eine Stadt. Ich schaue mich im Zentrum um: Was hat sich geändert? Bei diesem spätwinterlichen, nebligen Wetter ist der große Park mit den Schlössern nicht so freundlich wie im Frühling oder Sommer, die Menschen eilen aber genau wie sonst. Doch was einem sofort auffällt, ist die zweisprachige Aufschrift am Rat der Stadt, die früher der Rat der Großgemeinde noch nicht hatte: Exekutivkomitee des Rates der Stadt. Dies ist aber eine rein äußerliche Veränderung. Was den Inhalt anbelangt, erfolgt seit mehr als zehn Jahren eine zielgerichtete Arbeit in Moor, was das Stadtwerden und die Verwirklichung der Nationalitätenpolitik anbelangt. Heute ist die junge Stadt nach Stuhlweißenburg/Székesfehérvár und Dunaújváros das dritte Industriezentrum und die drittgrößte Arbeiterbasis im Komitat Fejér: 44 Prozent der Beschäftigten sind in der Industrie tätig. Charakter und Stimmung bewahren Die Zahl der Einwohner . von Moor erreicht heute schon die 15 000 (1970: 11 000) und nimmt von Jahr zu Jahr zu. Etwa 20 Prozent davon sind Ungarndeutsche. Die Moorer arbeiten in den Bauxit- und Kohlengruben der Umgebung sowie in Niederlassungen der Csepel- und Ika-rusz-Werke, die in _ Moor angesiedelt wurden. Das Staatsgut und die LPG „Kossuth“ beschäftigen etwa 1250 Werktätige. Auch diese landwirtschaftlichen Betriebe haben großen Anteil daran, daß Moor den Rang einer Stadt erhielt. Als Träger der traditionellen Weinkultur der Siedlung sowie als bedeutende Fleisch- und Milchproduzenten tragen sie zur noch besseren Versorgung der Bevölkerung bei. Parallel mit der Ansiedlung der Industrie und der immer besseren Lebensumstände der Bauern setzte ein Aufschwung im Wohnungsbau ein: Außer dem ersten Wohnviertel „7. November“ gibt es heute schon drei weitere und auch das Gartenviertel wird immer größer. „Heuer werden wir 104 Grundstücke zum Hausbau an junge Ehepaare vergeben“, berichtet der frischgebackene Ratsvorsitzende, der 52jährige Béla Káldi. „Die Jugendlichen ziehen auch gern in Wie die Gruppenleiterin für Bildungswesen des Stadtrates, Frau Ilona Horváth, berichtete, erfolgt die Pflege des Kulturgutes im Kreise der Nationalitäten kontinuierlich: Die Pionierblaskapelle wirkt unter Leitung von Sándor Ácsai, im Rahmen des Deutschklubs des Bildungszentrums im Schloß Lamberg probt eine KISZ-Tanzgruppe unter Leitung von Franz Erdei — die im Herbst gegründete Tanzgruppe eröffnete am 18. Februar den Schwabenball in Moor — und unter Leitung von Sándor Ácsai soll auch die Erwachsenenblaskapelle endlich auf die Beine gestellt werden. „Der zweisprachige Unterricht kann unserer Meinung nach im September 1985 wahrscheinlich in der Grundschule ,Petőfi' eingeführt werden. Bis dahin möchten wir die personellen Voraussetzungen dafür schaffen und hoffen, daß bis dahin auch die dazu nötigen Schulbücher erscheinen“, sagt Frau Horváth. In der Pause, zwischen zwei Deutschstunden, spreche ich mit der Komitatsfachinspektorin für Deutsch, Frau Elisabeth Erdei, und mit der anderen Deutschlehrerin, Frau Hilke Buza in der „Petőfi". Beide sind Mitglieder des Kollektivs, das der Ausschuß für Muttersprachunterricht des Verbandes gründete, um das Erscheinen der neuen Schulbücher für den Deutschunterricht zu unterstützen. „Bisher haben wir keine solche Aufgabe bekommen, die diesem Zweck dienen könnte“, sagt Frau Erdei. „Wir freuen uns über den zweisprachigen Unterricht, aber ohne Bücher kann dieser auch bei uns, wo etwa 60 Prozent der deutschlernenden Kinder ungarndeutscher Abstammung sind, nicht erfolgreich eingeführt werden.“ „Der Zeitpunkt, September 1985, scheint realistisch zu sein: Auch wir Deutschlehrer müssen uns bis dahin rüsten“, übernimmt Frau Hilke Buza das Wort. Schüler und Lehrer bereiten sich zur Zet eifrig auf den traditionellen Komitatsrezitationswettbewerb im April in Moor und auf den Nationalitätentag des Komitates Fejér im Mai in Pustawaan/Pusztavám vor. 32 Jahre im Dienste der Gemeinschaft Daß wir am Tage unseres Besuches die LPG und nicht einen Industriebetrieb aufsuchten, hatte einen einfachen Grund: Die LPG „Kossuth" hielt gerade ihre Schlußabrechnung ab und der Vorsitzende, Mitglied des Landesrates Franz Schmidt, wurde auf dieser Sitzung feierlich verabschiedet: Nach 32- jährigem Dienst als LPG-Vorsitzender, somit der einzige in der Geschichte des Komitates Fejér, ging er in den wohlverdienten Ruhestand. Der 61jährige Franz Schmidt erhielt zu seinem 60. Geburtstag den Arbeitsverdienstorden in Gold. Nun berichtete er das letzte Mal über Erfolge und Probleme in der Produktion: Trotz aller Schwierigkeiten schloß die „Kossuth" ein erfolgreiches Jahr, der Gewinn beträgt mehr als 16 Millionen Forint und liegt hoch über dem Komitatsdurchschnitt, wie auch das Einkommen der Mitglieder, das 1983 mehr als 60 000 Forint ausmachte. Natürlich gibt es Probleme und viele neue Aufgaben, die gelöst werden müssen, um die guten Erträge in den kommenden Jahren halten oder überbieten zu können. Dafür gibt es kein Rezept, aber das Wichtigste, das sich in den vergangenen drei Jahrzehnten herauskristallisierte, ist die gute Zusammenarbeit zwischen der LPG-Leitung und der Mitgliedschaft. Der erste Sekretär des Stadt- Parteiausschusses, Frau Rózsa Balatincz, begrüßte „Franzi“, Franz Schmidt, im Namen der Kommunisten und aller Freunde und betonte : „Dein Lebensweg kann den Jugendlichen als Beispiel dienen, ebenso wie die LPG in Moor anderen im Komitat: Wir danken dir für deine Arbeit, die du.im Dienste der Gemeinschaft geleistet hast. Deine fleißige Arbeit trug zur Entfaltung der sozialistischen Landwirtschaft im Komi tat, ja im ganzen Lande bei. Die LPG ,Kossuth' hat ihren Anteil daran, daß Moor heute eine Stadt ist: Sie sicherte ihren Mitgliedern in den vergangenen drei Jahrzehnten ein stets zunehmendes Einkommen und ein immer besseres Lebensniveau. Wir verabschieden uns nicht von dir, wir rechnen in der Partei weiterhin mit deiner Arbeit, wünschen dir aber für die Rentnerjahre Gesundheit und viel Glück!“ Gerührt übernahm Franz Schmidt die Geschenke vom Komitatsraf, vom Gebietsverband der LPG und von den Mitgliedern, las die zahllosen Telegramme, die er an diesem Tage erhielt. „Zum Glück ist der Frühling gleich da, da kann ich im Weingarten schon arbeiten“, sagt er mir. „Ohne Arbeit könnte ich nicht weiterleben.“ Auf derselben Sitzung wurde der neue Vorsitzende der LPG, Karl Friedl, der seit 16 Jahren in der Genossenschaft arbeitet und seit Jahren bewußt auf diesen Posten vorbereitet wurde, einstimmig gewählt. Am Nachmittag guckte die Sonne für kurze Zeit hinter den Wolken hervor, meine Kollegin, die Fotoreporterin, freute sich darüber und machte sofort einige Bilder von der jungen Stadt. Auf dem Heimweg trafen wir eine Gruppe kleiner Kinder auf ihrem Nachmittagsspaziergang. Die Busse brachten Hunderte von Menschen aus den Betrieben ins Zentrum. Die Schicht war zu Ende, es wimmelte wirklich wie in einer Stadt. Eva Mayer r Im Zentrum von Moor geknipst: Das Warenhaus bietet wahrlich eine städtische Warenskala an; im Hintergrund das Wohnviertel „7. November“ Frau Rózsa Balatincz, Erster Sekretär des Parteiausschusses der Stadt, nimmt Abschied von Franz Schmidt Am 2. Februar wurde im Kindergarten der Baranyaer Gemeinde Burjad/Borjád ein neuer Beschäftigungssaal eingeweiht und feierlich den Kleinen übergeben. Im Kindergarten, in dem an wöchentlich zwei Tagen deutsche Beschäftigungen gehalten werden, haben nun insgesamt 55 Kinder Platz, und das heißt, daß alle Burjader Kleinen und auch die aus den Nachbardörfern Bootsch/ Pócsa sowie Groß- und Kleinbudmer/ Kis- und Nagybudmér aufgenömmen werden können. Der Beschäftigungssaal wurde von den sozialistischen Brigaden der örtlichen LPG, von der KlSZ-Organisation des Dorfes und von den Eltern in gesellschaftlicher Arbeit fertiggestellt, der Wert der geleisteten Arbeit beträgt 30.000 Forint. Wohnungen in den neuen Wohnvierteln ein. Unser Bestreben ist nämlich, den jetzigen spezifischen und seit Jahrhunderten ausgeprägten Charakter von Moor, das Verschmelzen des Alten mit dem Neuen in guten Proportionen zu bewahren. Dadurch hoffen wir, auch die Stimmung der Stadt, die eine im echten Sinne des Wortes gemütliche, freundliche und saubere Kleinstadt sein soll, beibehalten zu können. Zwischen den Häusern sind viele Parkanlagen, Spielplätze, also Grünflekken, wie auch im anderen Teil der Stadt. Heute sind schon etwa 52 Prozent der Wohnungen neu. Unsere Aufgabe ist, die Ansprüche zu befriedigen, ja neue in den Menschen zu erwecken. Doch dies soll wie seit Jahrzehnten immer zusammen mit den Einwohnern und der Unterstützung der Betriebe geschehen. Der Wert der freiwilligen Arbeit liegt seit Jahren schon bei etwa zehn Millionen Forint. Und da wir heuer am Strandbad und am Sportplatz sowie an der Errichtung und Ausbesserung der Straßen und Wege gemeinsam Weiterarbeiten, kann diese Zahl 1984 die 15 Millionen erreichen. Ein jeder Moorer hat das Seine dazu beigetragen, daß wir heute Stadt sind. Und an dieser Auffassung wird sich nichts ändern“, so Béla Káldi. Der neue Beschäftigungssaal Die Schwäbische Ecke des Kindergartens mit Burjader Volkstrachtenstücken Zweisprachiger Unterricht: 1985 In den drei Grundschulen „Petőfi“, „Radnóti“ und in der neuen im Wohnviertel „7. November“ sowie in allen drei Kindergärten und im Gymnasium der Stadt läuft der Deutsch- bzw. Muttersprachunterricht. Etwa 60-70 Prozent der Kinder nehmen daran teil. Das Gymnasium zieht nicht nur die deutschlernenden Kinder aus den umliegenden ungarndeutschen Dörfern, sondern auch Schüler aus Dunaújváros, Pusztaszabolcs oder Lepsény an. Und immer gibt es welche, die in deutschen Klassenzügen an Gymnasien weiterlernen. Mehrere Moorer Kinder studieren in Frankenstadt/ Baja, man erwartet im neuen Schuljahr gerade zwei einstige Moorer Gymnasiasten zurück, die ihre Studien als Unterstufenlehrer in Baja beenden: Ab September sollen sie in Moor Deutsch unterrichten. NEUE ZEITUNG 3