Neue Zeitung, 1988 (32. évfolyam, 1-53. szám)

1988-01-02 / 1. szám

2 Umfrage bei unseren Lesern Wie kommen wir durch dieses Jahr? Am Beginn eines neuen Jahres stehen Erwartungen, Hoffnungen, Sorgen. Vorsätze und Pläne sind um diese Zeit noch frisch, noch unabgenutzt. Beim Eintritt in das Jahr 1988 hatten wohl die meisten von uns gemischtere Ge­fühle als sonst. Und das ist noch sehr vorsichtig ausgedrückt. Keine Frage, es wird schwerer. Stärker als bisher wirkt sich die wirtschaftliche Entwicklung auf den einzelnen Menschen aus: Steuern, steigende Preise, voraussichtliche Betriebsschließungen, mögliche Spannungen in der Warenversorgung usw. Wir fragten einige unserer Leser, in welcher Weise sie von den wirtschaftli­chen Veränderungen betroffen werden und wie sie sich auf die neue Situation einstellen. Franz Heilig, 37, im SZOT-Aus­­bildungsinstitut in Balatonfüred für die Warenversorgung verantwort­lich, wohnhaft in Wesprim/Vesz­­prém: Das neue Jahr erfüllt mich mit großer Ungewißheit. Sorgen mache ich mir in mehrfacher Hin­sicht. Zuerst einmal in meinem Be­ruf: Für das SZOT-Institut muß ich alles beschaffen, was gebraucht wird, von der Stecknadel bis zur modernen Unterrichtsausstattung. Schon im vergangenen Jahr war das nicht einfach, und ich glaube, jetzt wird es noch schwieriger. Auch ich habe aber die Hoffnung, daß durch die neuen Maßnahmen die Wirtschaftslage in unserem Land klarer, übersichtlicher wird. In mei­nem persönlichen Ergehen muß ich mich auf ein schwereres Auskom­men einrichten. Schließlich habe ich drei Kinder zu versorgen. Durch Übersetzen und Dolmetschen kann ich gelegentlich etwas hinzuverdie­nen. Eine kleine Hauswirtschaft trägt sehr zur Sicherung unseres Lebensstandards bei. Im wesent­lichen will ich weiterleben wie bis­her. Meine Arbeit mit der Nationa­­litäten-Kulturgruppe in meinem Heimatort Totwaschon/Tótvázsony soll auf keinen Fall zu kurz kommen. Ich bin überzeugt, daß Begegnungen von Mensch zu Mensch — wie wir sie zum Beispiel bei unseren Natio­nalitäten-Abenden haben — beson­ders wichtig sind. Gerade bei den Jugendlichen spüre ich ein solches Bedürfnis. In schweren Zeiten rücken die Menschen zusammen, sie suchen noch stärker das Gespräch, den gei­stigen Austausch. Anton Hoffmann, 37, Außenhan­delskaufmann der Zsolnay Porzel­lanfabrik in Fünfkirchen/Pecs: Mit sehr unterschiedlichen Erwartungen bücke ich in dieses Jahr. Zum einen freue ich mich über die neuen Reise­bestimmungen, die mit dem 1. Ja­nuar in Kraft getreten sind. Für mich als Außenhandelskaufmann, der viel im Ausland zu tun hat, be­deuten sie eine große Erleichterung. Was aber meine persönlichen Le­bensumstände angeht ? Ich fühle mich an den Witz mit den beiden Blinden erinnert, die im Kino den Platz wechseln, um besser sehen zu können. So etwa komme ich mir jetzt vor. Ich bin sehr verunsichert. Meine Kaufkraft wird erheblich ab­sinken. 15 Prozent? Über diese Vor­hersage kann ich nur lächeln. Vor­genommen habe ich mir, weniger Bier zu trinken, weniger zu rauchen, mir meine Einkäufe genauer zu überlegen. Aber ob ich diese Vor sätze einhalten kann ? Einen seit längerem gehegten Plan — den Tausch in eine größere Wohnung — habe ich schon aufgegeben. Maria Zettisch, 39, Lehrerin in Kätschka/Kecskéd: In diesem Jahr brauchen wir auf jeden Fall viel Kraft und starke Nerven. Wir haben uns vorgenommen, ein Haus zu bauen. Gern hätten wir schon im ver­gangenen Jahr zumindest einen Teil des Baumaterials besorgt, aber es war nichts mehr zu bekommen. Für unsere fünfköpfige Familie — unser jüngstes Kind wurde vor einem Jahr geboren — ist die Dienstwohnung im Schulgebäude zu klein. Wir sind sehr im Ungewissen, was auf uns zukommt. Werden wir das Baum­material beschaffen können ? Die Versorgung der Kinder mit allem Nötigen wird zweifellos erheblich teurer. Mein Mann, von Beruf Güte­kontrolleur, hat noch einen Neben­verdienst als Spediteur. Meine Eltern, die gleichfalls in Kätschka leben, sind uns eine wichtige Stütze, vor allem bei der Beaufsichtigung der Kinder. Fest steht für mich, daß die erschwerten Lebensbedingungen nicht die Qualität meiner pädagogi­schen Arbeit mindern werden. Auch in meinem politischen und gesell­­schaftüchen Mitwirken will ich nicht zurückstecken. Trotz der Unsicher­heit, in der wir uns jetzt befinden, bejahe ich die zentralen wirtschaft­­üchen Maßnahmen. So konnte es in unserem Land nicht weitergehen. Wir hatten schon bisher keinen sehr anspruchsvollen Lebensstil, wir wer­den auch jetzt zurecht kommen. Das ist eine Lage, die man gemein­sam, auf menschliche Weise mei­stern muß. Michael Hutfleß, 28, beim Volán- Unternehmen des Komitats Eisen­­burg/Vas in Steinamanger/Szombat­­hely für die Kulturarbeit zuständig (Volksbildner): Die Verschärfung der wirtschaftlichen Lage, der Le­bensbedingungen kommt für uns zu einem besonders ungünstigen Zeit­punkt. Für Anfang April erwarten wir die Geburt unseres ersten Kin­des. Es kann keine Frage sein, daß wir ihm alles geben wollen und wer­den, was es braucht. Aber leicht wird es nicht. Meine Frau nimmt natürlich ihr „Babyjahr“ (GYED), und damit verringert sich unser Fa­milienetat zusätzlich. Zum Glück haben wir bereits eine Zweizimmer-wohnung mit vollem Komfort. Die Rate der Kreditrückzahlung ist nicht besonders noch. Selbstverständlich muß ich meine Nebenbeschäftigun­gen fortsetzen: Ich leite nebenberuf­lich den Jugendklub meines Betrie­bes und ein Kulturhaus in einem Außenbezirk von Steinamanger. Wir haben einen Garten, aus dem wir eine Menge für unsere Ernährung beziehen können. Vor kurzem hiel­ten wir Schlachtfest und haben dabei unsere Speisekammer aufgefüllt. Wie wir den Gürtel enger schnallen könnten, weiß ich nicht, weil wir schon bisher bescheiden gelebt ha­ben. Unser einziger „Luxus“ war das Reisen, aber darauf müssen wir wegen des Kindes vorläufig sowieso verzichten. Michael Kleofász, 71, Rentner, vohnhaft in Edeck/Etyek: Die Not­wendigkeit materieller Einschrän­kungen sehe ich ein. Die Haupt­sache ist, daß unsere Wirtschaft die gegenwärtige Krise überwindet. Zu­gleich erwarte ich, daß gegen be­stimmte wirtschaftliche Mißbräuche — zum Beispiel Preistreiberei und Spekulantentum —- mit strenger staatlicher Kontrolle vorgegangen wird. Es ist darauf zu achten, daß die Belastungen für die „kleinen Leute“ — also vor allem für die Empfänger niedriger Renten — er­träglich blieben. Hier liegt auch eine große Verantwortung der Sozialpoli­tik. Durch die Arbeit in unserem Weinberg, durch die Haltung von Kleinvieh usw. tut unsere Familie viel zur Aufbesserung ihrer Lage. Wenn ich mich in meinem Dorf umschaue, finde ich, daß manche Möglichkeiten ungenutzt gelassen werden. Wertvolle Grundstücke sind unbestellt. Da ließe sich noch viel herausholen. Über all den materiel­len Sorgen, die uns heute bewegen, wollen wir nicht das Wichtigste ver­gessen: die Erhaltung des Friedens. Das ist auch für das Jahr 1988 mein größter Wunsch. Neue Zeitung „Ein einsprachiges“ Experiment Hätte ich Anfang Dezember — eigentlich zufälüg, weil die Kollegin, die sich damit beschäftigt, gerade nicht da war — nicht an einer Bera­tung ungarndeutscher Kindergärtne­rinnen teilgenommen (ein Team leitender Kindergärtnerinnen und Fachinspektoren beriet über Vorha­ben für die nächsten Jahre) hätte ich wahrscheinlich erst Monate später erfahren, daß in einigen ungarn­deutschen Kindergärten, ganz genau in drei, ein neues Experiment ange­laufen ist. Es handelt sich um einen „einsprachigen“ Versuch, darum also, daß man „den ganzen Tag, während und außerhalb der Be­schäftigungen mit den Kindern deutsch spricht“, wie mir Martha Sziebert, Kindergärtnerin in Groß­­naarad/Nagynyárád erklärte. Die übrigen beiden Versuchkindergärten befinden sich in Nadasch/Mecsekná­­dasd und Jink/Gyönk. Naarad und Nadasch brauchen wohl kaum besonders begründet werden: In beiden Ortschaften hat sich die Muttersprache noch ver­­hältnißmäßig gut erhalten, man kann mit mitgebrachten Sprach­­kenntnissen und auch mit der Un­terstützung der Eltern rechnen. Und in der Schule beider Gemeinden wurde der zweisprachige Unterricht bereits eingeführt. Bei Jink läßt sich schon einiges fragen. Wollte man auch eine Ortschaft ins Experiment mit einbeziehen, die zwar über eine zweisprachige Schule und neuerdings auch über ein solches Gymnasium verfügt, die aber ganz anders struk­­tuiert ist und in der die Ungarn­deutschen — und ihre Mutterspra­che — weniger vertreten sind, um auch unter solchen Umständen das Ergebnis des Experiments abmessen zu können ? Oder haben da rein ter­ritoriale Gründe mitgespielt ? („Nicht immer die Braunau“, hört man des öfteren von Leuten, denen die Aktivität des Komitates in Sachen Nationalitätenpolitik, um es mal salopp auszudrücken, scheinbar auf den Wecker geht) So oder so, die Kindergärten sind da, das Experiment läuft. Ob es sinnvoll ist, ein Jahr nach der Ein­führung eines neuen „Rahmenplans“ für die Nationalitätenkindergärten, der vielen Pädagogen solch sprach­liche Schwierigkeiten bereitet, daß manche verzweifelt nach einer unga­rischen Übersetzung schreien und selbst die sprachlich sichereren nach einem deutsch-ungarischen pädago­gischen Sach Wörterbuch verlangen, also ob es sinnvoll ist, nun gleich mit einem neuen Experiment anzufan­gen darüber kann diskutiert werden. „Wir sind in der 24. Stunde“, ja, und was in 40 Jahren versäumt wor­den ist, müßte sehr schnell wieder­gutgemacht werden, um überhaupt etwas wiedergutmachen zu können. Mir tun nur die armen Kindergärt­nerinnen leid, die in den meisten Fällen weder sprachlich noch psy­chisch und methodisch auf diese „Einsprachigkeit“ vorbereitet sind und deren Zahl selbst für die bereits vorhandenen Kindergärten mit mut­tersprachlichen Beschäftigungen nicht ausreicht. Wäre es denn nicht wünschenswerter, zunächst die Ba­sis zu festigen und erst dann einen Schritt weiter zu gehen? Und neh­men wir mal an, daß es die Kinder­gärtnerinnen doch schaffen und daß die Eltern und Großeltern ihnen beim Experiment auch helfen: Die Kinder müßten dann mit Sprach­­kenntnissen in die Schule kommen, die wohl an ein muttersprachliches Niveau grenzen — und sich dort, selbst in den zweisprachigen Schu­len, schrecklich langweilen. Denn die auf dem 6. Verbandskongreß versprochenen ungarndeutschen Schulen mit Internat scheinen noch eine Weile Zukunftsmusik zu sein. Und sollten sie in drei Jahren doch stehen, kann man immer noch fra­gen, woher sie ihre Lehrer bekommen mit welchen Voraussetzungen und unter welchen Bedingungen sie ar­beiten werden. Und was ist, wenn die Deutsch­kenntnisse der Kleinen auch nach drei Jahren Versuchskindergarten nur für die jetzige zweisprachige Schule ausreicht? Wozu dann das Experiment ? Überhaupt: Warum muß das, wenn eine Kindergärtnerin jeden Tag und den ganzen Tag mit ihren Zöglingen deutsch spricht, ein Experiment nennen? Text und Bild: Otto Heinek Großnaarader Kinder. Werden sie sich in der Schule langweilen? Personalien Bei einer freundschaftlichen Begegnung im Verbandssekretariat wurde der bisherige Nationalitätenreferent beim Landesrat der Patriotischen (Volks­front, István Rakovszky, verabschiedet. Beim Gespräch jwurden [die guten Arbeitskontakte zwischen Volksfront und Verband gewürdigt. Dazu trug István Rakovszky während seiner zehnjährigen Tätigkeit auf diesem Ge­biet bei. Seine Stelle übernahm János Budai. (Auf unserem Bild István Ra­kovszky und János Budai.) Foto: Erzsébet Kása Archivfoto: L. Papp Ein herzliches Abschiedsgespräch führte der Botschafter der Republik Österreich, Dr. Arthur Agstner, am 15. Dezember im Verbandssekretariat mit Generalsekretär Géza Hambuch, Sekretär Johann Wolf art und Vorstands­­mitlgied Johann Schuth. Als gebürtiger Südtiroler mit der Minderheiten­problematik bestens vertraut, war der Botschafter den Anliegen der Ungarn­deutschen gegenüber stets aufgeschlossen. Auf seine Initiative hin studieren beispielsweise jährlich zwei Studentinnen der Hochschule in Frankenstadt mit einem Jahresstipendium an Pädagogischen Instituten Österreichs. Dr. Agstner war ein immer gerngesehener Gast bei den Landesschwabenbällen (einmal sogar glücklicher Gewinner des Rosmareinstraußes), wo er zu den Tombolagewinnen jeweils eine Österreich-Reise stiftete. Der Botschafter sing mit Ende 1987 in den Ruhestand. 1 n 988 Neue Zeitung WOCHENBLATT DES DEMOKRATISCHEN VERBANDES DER UNGARNDEUTSCHEN Chefredakteur: Peter Leipold Stellvertrender Chefredakteur: Johann Schuth Redaktion: Budapest VI., Nagymező utca 49. Telefon: 326-334 Anschrift der Redaktion: Budapest, Postfach 224 H—1391 Verlag: Pallas Lap- és Könyvkiadó Vállalat, Budapest VH. .Lenin krt. 9—11. Verantworlich für die Herausgabe: Generaldirektor: Norbert Siklósi Satz und Druck: Druckerei Révai Verantworlicher Leiter: Horváth Józsefné dr. Budapest, Vadász utca 16. — 1054 Index: 25/646.88/1287. Druckerei Révai HU ISSN 0415 — 3049

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