Oedenburger Zeitung, 1878. Oktober (Jahrgang 11, nr. 118-130)

1878-10-04 / nr. 119

r De­en Freitag, 4. Oktober 1878. (Vormals „Wedenburger Nachrichten‘“.) Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirthschaft, dann für sociale Interessen Motto: „Dem Fortschritt zur Er? — Betrüchten zur Wehr! — Der Wahrheit eine Gaffe.“ Das Blatt erscheint jeden Mittwoch, Freitag und Sonntag. Pränumerations-Preise: Bür Loco: Ganzjährig 9 fl., Halbjährig 4 fl. 50 Tl., Bierteljährig 2 fl. 25 fl., Monatlich 1 fl. Sür Auswärts: Ganzjährig 12 fl., Halbjährig 6 fl. Bierteljährig 3 fl. Alle für das Blatt bestimmten Sendungen, mit Ausnahme von See Pränumeration d: u. Infertions­­gebi­gten sind an die Redaction portofrei einzusenden. Administration, Verlag, Expedition : Grabenrunde Nr. 124.­­ Hotel „Rose“ Nr. 19,2. Stock, Redaction : AAAHAAAHIALLIITARI­N Einzelne Nummern Eoften M.@D Kreuzer. : die Nr. 4. ee überhaupt. Herten Hanfenstein , Vogler, Wall“ Am in­ne A 19. BELRTNIETIITINEERTEIENNACTERR EEE I. Stubinpaftei 2- Wien. Heinrich Schater, I. Singerstrafie 8, Win. Snfertions-Hebühr : i fr. fü­r die einspaltige, 10 Er. für die zweispaltige, 15 Er. für die dreispattige tr. file die Durchplaufende Betitzelle ers­chaffte der Stempelgebühr von 30 Er. Auskünfte in allen Richtungen werden bereitwilligst erteilt. Mit 1. October 1878 begann das 4. Quartal auf die „Dedenburger Zeitung.“ (Früher „Derenburger Nachrichten“.) In %oco: vierteljährig 2 fl. 25 fr., halbjährig 4 fl. 50 fr., ganzjährig 9 fl. Auswärtige: vierteljährig 3 fl, halbjährig 6 fl., ganzjährig 12 fl. Die P. T. Abonnenten, deren Pränumerations­­zeit mit Ende September abgelaufen ist, werden um rechte zeitige Erneuerung ihrer Pränumeration ersucht, wie auch­ in weiteren Kreisen um zahlreichen Abonnements » Beis­tritt gebeten wird. E. Rommwalter, Verleger. Ernst Marbach, Redakteur.­ ­­ ­ Die Maulhelden der Straffenpolitik. Dedendurz, am 3. Oktober 1878. Eine heute an zweiter Stelle dieses Blattes aufs­genommene, und aus Budapest zugenommene K­or­respondenz bespricht den Rücktritt des Herrn Si­­nanzminister d © 3­e I. Inzeilen haben neue Ereignisse den Inhalt der besagten Korrespondenz zwar bereits überholt; wir bringen sie aber (nebenbei bemerkt) doc, weil sie ein, der Person did Herrn Ministers So zeit und seinen staatsmännlschen Fähigkeiten volle Gerechtige fett angedeihen lassendes Stimmungsbild der Landess­tauptstadt liefert. Die Ereignise jedoch, auf welche wir so eben angespielt haben und kraft welciger unser heuti­­ger, mehr erwähnte zweite Bericht unvollständig wird, gipfeln in den Sagen, daß erstend auch der österreic bische Finanz Minister, Herr De Pretid abzudans fen sich erklärte, und daß zweiten das ungarische V­er jammtministerium in dem Schritte der Finanzminister anschloß und in der am 1. Oktober, also vorgestern, stattgefundenen Audienz des Minister-Präsidenten bei Sr. Diajestät, Herr v. Tipa bereits Die Designation de gesammten Kabinetts in die Hände des Monarchen gelegt hat. Es it natür­li, daß Sr. Majestät vor jeder weitern Entspließung den Sinangminister nochmals zu vernehmen wünschte ; Herr v. © z& ll, vom Ministerpräsidenten telegraphisch berufen, begab er daher unverweilt mit dem Nachtzuge nach Wien Das is der momentane Stand der Dinge und die traurige S Konsequenz der Budapester Rolleversamm­­lungs-Beschlüße, welche selbst vaterländische Blätter: „Hon“ und „Ellenör“ verurtheilen, indem sie mit Necht finden, dach dem theuren Vaterlande nur neue und zwar sehr ernste Verwicklungen drohen durch Die Maulhelden der Strafsenpolitik. Medrigens sind, Gottlob! die zehntausend Schreier in Budapest noch lange nicht die wirklich berufenen Nee­präsentanten der im Allgemeinen doch immer besonnee­nen, einsichtsvollen, das Geieg hoch und heilig haltenden und die innere politische Ordnung liebenden ungarischen Nation, und es ist gleichsam eine rationelle Ehrensache aller ernsten Männer in Ungarn, dafür Sorge zu tras gen, daß sie vor Europa nicht mit den Helden der Schiehstätte zusammengeworfen werden. Darum erhoben, wie früher erwähnt, au­f"llener" und "Hon" ihre Stimmen um die „Rädelsführer der Straßenpolitik”, die sich als Generalpächter der öffentlichen Dieinung geb­­en, als nur nach Applaus lüsterne, auf grobe Effekte arbeitende „Komödianten“ zu brandmarken. Die Bezeichnung it nur zu wahr. Man wird deshalb auch nicht von und verlangen, daß wir und die Mühe unterziehen, die donnernden Philippinen ernstlich zu widerlegen, oder die absichtlich entstellten Thatsachen zu forrigiren. Mit „Komödianten" laßt sich eben nicht disfutiren ; man fritisirt nur ihr Spiel. Wenn wir das gegenüber der jüngsten Budapester V­olleversammlung se Sarce thun, müssen wir sagen, daßs die Entrepreneure ihre Rollen schlecht durchgeführt haben. Konsequent war eigentlich nur Herr Dr. Sigmund E­illag, der, obs­gleich er seine Rede damit begann, sich ob seiner man­­gelnden Kenntnisse zu entschu­ldigen, doch seinen Anstand nahm, das, was von Graf Andraffy und Herrn v. Tisza geschehen, als unerhört und no‘ nicht Ddages weien zu bezeichnen. Diese beiden „Hyänen“, so ver­ ficherte der Redner unter frenetischem Jubel, hätten sich verbunden, um „einen großen mächtigen Staat dahin zu bringen, die aus dem Grabe hervorstehenden Knochen einer sterbenden Nation zu stehlen.” Dieser Phrase­ger­bührt zweifellos die Palme des Tages. Wie schwach und trivial klingt es dagegen, wenn Helfy sagt, die Res­gierung habe die „Zerstücklung der Türkei unterzeichnet und zwinge die hingegen protestirenden Ungarn, ihre Waffen mit türkischem Blute zu röthen” — oder wenn Ernst Simonyi poltert: „Ale Mittel wurden ange­­wendet, um den armen Türken zu vernichten und nun, wo derselbe nicht mehr zu fürchten ist, verlegt ihm Oesterreicherlingarn noch einen Tritt." Vollends Schlecht machte Herr Karl Eötvöd seine Sadhe. Obgleich er sehr effektvol damit begann, vor den Vertretern der Nation sein Haupt zu entblößen und er auch Anfangs an einigen Schlagern nicht fehe­len ließ — erzählte er doch, daß 5000 ungarische Füng­­linge auf fremder Erde todt und verwundet lägen und 150.000 ungarische Männer der Arbeit und dem Brod­­erwerbe entzogen seien, wußte er doc weiter mitzutheis­sen, daß die ungarischen Soldaten gegen „friedliche“ in m­ani deuilleton. Der Sohn des Guten. Eine curiose Geschichte, 1 E83 ist noch nicht lange leer, daß in der guten Stadt Berlin der alte, colossal­reiche Herr v. 2. starb. Er war viele Jahre Witwer gewesen, hatte seine Küns­ter, weßhalb sein ganzes Vermögen seinem Neffen, dem jungen Grafen v. zufiel. Der alte v. 3. war durch und durch Geldmensch. Höhere, edle Begriffe lagen ihm völlig ferne, ja er nannte sie alberne Beschrebenheiten. Im Einklange mit diesen Anschauungen war er auch mit seinem Adel nicht weit her. Erst späterhin kam, durch eine gewisen Kreie­ren gefällige Finanzoperation, das Wörtchen „von* hinzu. Dagegen war sein Erbe, Graf &., ein Edelmann im besten Sinne de Wortes. — AlS er eines Tages die Berlasfenschafts - Papiere durchbriehe, erstaunte er nicht wenig, den Miethbeitrag eines Hauses, das ihm gleichfalls als Erbe zugefallen war, nach Abzug aller Steuern und Kosten, mit 95.000 Mark beziffert zu fin­­den. Graf &., der das Haus genau fannte, blickte auf­merksam in das Papier. „Rein“, das ist doc zu stark", sprach ex vor sich bin, „das it ja nachter.. . . ." Das Wort „Wucher" schwebte schon auf seinen £ippen, aber er unterdrückte er, um nicht das Andenken des Todten zu beleidigen. „So darf eine solche Ausbeutung nicht dulden”, fuhr der­ Graf fort, „mein Gewissen, mein Name ver­bleiben “8 mir. Ich werde von Morgen ab sammtliche Miethen im Hause um ein Drittel berabteen. Wie freudig überrascht werden die Bewohner des Hauses sein! Sie werden gewiß sagen: „Das ist ein edler Mann !" Am nächsten Morgen ließ der Graf den Hause besorger rufen. „Lieber Herr Schwiebede," sagte er zum Genannten, der mit einem tiefen Bächling an der Thüre stehen geblieben: „Sie werden so gefällig sein, sich zu allen Bewohnern des Hauses zu begeben, um diesen in meinem Namen mitzutheilen, daß ich ihre Miethe um ein Drittel herabjege.“ Der Gesichtsausdruch, den diese Mittheilung Herrn Schwiebede pröglich aufprägte, spottete jeder Beschreie­bung. Es war die höchst potenzirte, blödsinnigste Ber­blüfftheit. „Der abseßen 2 °... . . flammelte nach einer Pause Herr Schwiebede, während er nach Luft schnappte, bes­tabfegen ? Der Herr Graf belieben wohl zu sagen: „Schöhen 9“ „Ich weiß genau, was ich sage und wiederhole ausdrücklich­herabjegen !" Diese Erklärung brachte den Hausmeister vollständig aus Rand und Band und sie ihn, gegenüber seinem neuen Herrn, jede Rücksicht vergessen. „Ah, gnädigster Here Graf”, stotierte Schwie­bede: „Sie haben wohl nicht gehörig überlegt; .. . Sie dürften es noch heute bereuen. Die Miethen bes rabiegen ! Das ist unerhört und niemald erlebt wor­­den! Wenn man ed erfährt, was wird die Nachbars­chaft dazu sagen? Man kann glauben... .* „Herr Schwiebede*, unterbrach ihn der Graf, die Augenbrauen zusammenziehend, „ich wünsche vor Allem, dab man mir ohne Widerrede gehorche. Sie haben mich hoffentlich verstanden ? Gehen Sie num. Herr Schwiebede wanfte, wie betrunken, aus dem Gabinet des Grafen. Er wußte in der That nicht, ob er träume oder wade. „Die Miethen herabjegen”, murmelte er vor si bin, was sol man davon denten? Wenn die Miether sich noch befragen würden! Aber nein, sie beflagen sie nicht; im Gegentheil, alle sind höcht pünktliche Zahler. Ob, wenn der verstorbene Eigenthümer in seinem Grabe das wüßte? Der würde es ihm besorgen! Sein Neffe ist to geworden , das stimmt. Die Dieb­en herabjegen! Ne, unerhört ! Indeß, wer weiß? Vielleicht hat er heute zum Stübstüde ein Glas über den Durst getrunfen.“ 1. Als Herr Schwiebede seine im Hintergebäude ges­legene ut betrat, sab er so bleich und aufgeregt aus, daß seine Frau und Tochter, die man „Schöne Hulda“ nannte, ihn wie aus einem Munde fragten: ‚Nanı, was gibt!‘? Las hast Du? Was ist ger Schehen ?" „Nichts”, erwiderte er tonlos. „Na, Du wirst mich nur täuschen“, rief Frau Schwiebede, „Du hast jedenfalls etwas; nur heraus das mit, ich bin auf Alles gefaßt. Hat und der neue Eis­­enthümer vieleicht verabschiedet :" „Ob, wenn ec nur das wäre! Aber ed ist viel unbegreiflicher, unerhörter! Ich kann noch immer nicht dran glauben.” „Ru, wirst Du ’mal losschießen „Er wollt­e? Nun, auf Eure Verantwortung. Ich mußte allen unsern Miethern anzeigen, daß der Graf ihren Zins um ein Drittel herabjegt. Ihr ver­steht mic­­h öffentlich : „herabjegen“ hat er gesagt. Weder Frau noch Fräulein Schwiebede hörten die

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