Schul- und Kirchenbote, 1911 (Jahrgang 46, nr. 1-24)

1911-09-15 / nr. 18

282 Staat, umgekehrt zerstören sie ihn. Das internationale Weltbürgertum ist nur ein unseliger Wahn. Da ich aber staatsbürgerlicher Unterricht in der BVBolksschule wegen der Unreife der Schüler nicht durchführen läßt, so müssen die F­achschulen für alle wirtschaftlichen Betriebe (Landwirtschaft, Industrie, Handel, Getrerbe) mit besonderer Rücksicht auf diese Erzielung betrieben werden, damit gerade tünch­­tige Männer aller Berufe dem Staatsleben mit Verständnis entgegentreten und nicht gelassen oder gar feindlich dem Getriebe der Massen fern stehen. Außerordentlich fordernd ist dabei die Anerziehung des Gemeinsam­­keits- und Verantwortlichkeitsgefühls durch Selbstver­­waltung und -regierung in den Schulwerkstätten. Ihr Leiter darf nicht nur als Lehrer, sondern auch als Freund und Berater unter ihnen wirken. Die dann folgende Militärdienstpflicht soll ebenfalls sittlicher Er­­ziehung dienen. Der Militärdienst soll nicht nur gegen äußere, sondern mehr noch gegen innere Feinde erziehen. Daß diesem Ziel in unsern Schulen bis jeßt noch nicht ernstlich nach­­gestrebt worden ist, wer mag er bestreiten. Das muß aber die w­ichtigste Aufgabe der Schule der Zukunft werden. Die Schule der Zukunft muß eine Lernschule sein, die nicht bloß den intellektuellen, sondern auch den sozialen Trieben gerecht wird, in der man nicht nur durch Worte und Bücher, sondern vielmehr durch praktische Erfahrungen lernt. Die ganze Vorschulzeit des Kindes drängt ja darauf: nicht nur passive Aufnahme, sondern produktive Tätigkeit. Probieren geht bekanntlich über Studieren. Nur wo das Probieren durch Hören von Wissenswertem zu besserem Gelingen geführt werden kann, werden gern die Ohren gespißt. „Was unsere heutige Schule dem Kinde, wenn es ins Leben hinüber­­tritt, nicht mitgibt, was sie weit mehr versümmern läßt, als fördert, das sind gewisse aktive Charakterzüge, die die meisten Kinder im Leime schon hatten, als sie in die Schule eintraten, den Mut der Selbständigkeit, den Mut der Selbstbehauptung und der Unternehmungsluft, den Mut, Neues und Ungewohntes anzugreifen, die Luft zu beobachten und zu prüfen, vor allem aber, nicht um seiner selbst willen zu arbeiten, nicht bloß um selbst zu wachen, um die andern zu überflügeln, um Sieger zu werden im wilden Kampf des Lebens, sondern auch um die eigenen, weichen Kräfte hilfsbereit allen zur Verfügung zu stellen, allen, die ihrer bedürfen.“ Iit er möglich, unsere heutige Schule so umzugestalten, daß sie ihre guten Eigenschaften behält, gleich­­ohl aber dem Wesen des Kindes mehr ge­­recht wird, und daß sie in ihm auch jene aktive Seelenverfassung entwickelt, die sie heute vernachlässigt, ja versümmern läßt? Nur wenn wir die schaffende Kraft des Kindes zur Geltung kommen lassen. „Aus unsserer Buchschule muß eine Arbeitss­chule werden, die sich an die Spielschule der ersten Kindheit anschließt.“ Der Wert der alten Schule soll darum unangetastet bleiben. Sie war auch Arbeitsschule in gemeilten Sinne, aber sie wendete sich einseitig an den In­telleft und ließ die wertvolle praktische Betätigung aufgewacht. Die Forderungen, die die neue Zeit an die Schule stellt, sind folgende: 1. Ein reiches Feld für Handbetätigung. 2. Ar­­beitsgebiete, die mit dem Leben innig zusammenbhängen. 3. Arbeit im Dienste der Mitschüler. Für die Reformierung der Lern in Arbeitsschulen bieten sich folgende Möglichkeiten: 1. Werkunterrichtlicher Betrieb des Zeichens und Formen ®.

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