Schul- und Kirchenbote, 1919 (Jahrgang 54, nr. 8-9)

1919-08-15 / nr. 8

115 des hier verwirklichten Gedanken­ abging, praktiicher Sinn. CS war eine Musterwirtschaft, die Noth hier sah. Sie machte einen tiefen Eindruck auf ihn, die S­ehnsucht aber, zum berühmten Manne nach Iferten zu gelangen, ließ ihn ein Angebot Fellenbergs, bei ihm zu bleiben, abschlagen. Von Pestalozzi freundlich empfangen, stürzt sich Noth in seine neue Arbeit hinein. Zuerst gilt es die Kunstgriffe zu erlernen, die so viel zur Weltberühmtheit der Anstalt in Iferten beigetragen, und dann muß und will er auch die wissenschaftliche Begründung der Lehre Pestalozzis sich) an­­eignen. Daß er vor allem zu den Meden Fichtes an die deutsche Nation griff, it nicht zu verwundern. Aus Tübingen hatte er wohl das­nteresse für diesen deutschen Voligmann mitgebracht. Hier aber mag ihn besonders der Umstand zu Fichte hingezogen haben, daß dieser in seiner 9. Nede ber­­ont hatte, daß die Nationalerziehung si an den „schon in glücklicher Aus­übung befindlichen Unterrichtsgang“ Pestalozzis anschließen müsse. Schon vor dem 8. März 1819 ist Roth nun auch praktisch in der Anstalt beschäftigt, und es ist jedenfall ein gutes Zeugnis für seine Ver­­wendbarkeit, wenn Pestalozzi nach nicht 2 Monaten seit der Ankunft Roth’s in Sterzen dessen Vater um die Erlaubnis bittet, den Sohn bei sich behalten zu können. „Die Gefälligkeit, die Sie mir dadurch erweisen, ist groß, aber der Zmed, einst Ihrem Vaterland dar Ihren Sohn im Fach der Erziehung dienen zu künnen, ist mir michtiger als meine Lage, die mir einen längern Aufenthalt Ihres Sohnes wünschenswert macht.“ Bald wird Noth Aufseher der 2. von den 3 Klassen, er hat — wie alle Lehrer bei Pestalogzi — sehr viel Arbeit, die ihm aber Freude macht, und lebt einfach, „echt Pestalozzisch“. Oft hat er auch bei seinem Meister die Stelle eines Schreiber vertreten und hat so manchen Gedanken gehört, bevor er den Flug in die weite Welt nahm. Da er im Zimmer Schmid’, des weltberühmten Medien- und Zeichenmethodizers Pestalozzig arbeitete, mag er auch in dessen Gedanken­welt eingedrungen sein. Noth hat Religion, Deutsch und Latein bei Pestalozzi unterrichtet und hat sich emsig bemüht, dessen Gedanken methodisch zu verwerten. Auf gemeinsamen Spaziergängen besprechen sie des Meisters Pläne. Da Roth die Ausarbeitung eines Ele­­mentarbuches der lateinischen Sprache beginnt, so mag wohl vor allem der Lateinunterricht das Thema ihrer Gespräche gewesen sein. 2 Abhandlungen, an denen Roth damals arbeitete, „die Verkehrtheit unsere ® Zeitalter" und „Stillstand der Seelenzunahme unsere ® Boltes" zeigen, wie der Verfasser auf Bertalozziischer Grundlage ein eigenes Ge­bäude aufzuführen versucht. Wie nachhaltig auch sein Aufenthalt in der Armenanstalt Pestalozzis in Cindy auf ihn einwirkte — wobei ihn besonders mit Marie Schmid, der Schwester des großen Methodikers, gemeinsamer Gedankenaustausch über Er­­ziehung verband — wird uns noch eingehender zu beschäftigen haben.­­ Klingt deshalb nicht ganz unglaublich, wenn Obert behauptet, daß von den Leitern der Anstalt sein Besucher und sein Gehilfe mit größerer Achtung und wärmemn MWohlmwollen behandelt worden sei als Noth. Doch muß der Aufenthalt in Iferten abgekürzt werden. Der Vater fordert des Sohnes Rückkehr. Geistige Ueberanstrengung und Abschiedswelt von geliebten Men­­­g und liebgewordenen Gedanken zwingen ihn, längere H­eit das Bett zu hüten. Am 6. April 1820 zieht er heimwärts. Was Pestalozzi in dem Zeug-

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