Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1882. Dezember (Jahrgang 9, nr. 2725-2748)

1882-12-01 / nr. 2725

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Insertionspreis : Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile Tostet beim einmaligen Einraden 7 Tr, das zweitemel je 6 ix, das drittemel je 5 tr. d. 8. exclusive der Stempelgebühr von je 30 Er. 1882. Aus dem ungarischen Reich­ tage. Pest,28.November. Generaldebatte über dag 1883-er Staatsbudget· Referent A.Hegedüs:Daher-Bericht»destnatizausschusses sich mit den Details des Budgets eingehend beschäftigt,will Redner auf «dieselben sich nicht einlassen und auch nicht auf die Beleuchtung der Bilanz, die mit einem Defizit von 21.761.000 fl.schließt.Immerhino darf die es Defizit nicht unterschätzt werden,es ist grob genug und wir müssenA»es aufwenden mu es zu vermindern.Doch die Frygedeerdeckunng und später erörtert werden jetzt will Redner sich mit jener Tpl­kik beschäftige, welche in wirthschaftlicher,kultureller und finanzieller zusteht in diesem Budget zum Ausdruch kommt. · · Auf dem Gebiete der Administration ist es auffallend,daß Quartier­­­gelder und Avancements-Verhältnisse der minderdotirten Beamten verbessert wurden,daß die Komitats-Administration mit größeren Summen und neuen Organen dotirt wurde.Diese Verfügungen­ geschahen sicherliche Interesse des öffentlichen Dienstes.Von wesentlichem Einfluß ab­e Vermehrung der Ausgaben ist ferner die Entwickelung der Staatsb­etriebe. Im Tabats und Salz­onopol-Betrieb werden Magazine gebaut.Dtoögyöx ist für die Fabrikation von Besser in Stahlschienen eingerichtet worden,die Budapester Maschinenfabrik für die Erzeugung von Lokomotixen und­ Dresch­­­chinen,Vajdem­yad für die Platten-,Draht-und Sensenfabrikation ma Addes ft nicht nur finanziell, sondern auch vollswirthigajtlic von großer Bedeutung. Yu­ auf dem Gebiete der Verkehrspolitit zeigt uns Das Budget so manches interessante Moment. Die Waagthalbahn figurirt nicht mehr. Dagegen ist die Budapest-Semliner Bahn als Verkehrskörper und Einnahms-Faktor einbezogen. Das ungarische Eisenbahnweg nähert si seiner Vollendung und während wir in dem eben erst abgeschlossenen Vers­­trag ein neues Resultat unserer Anstrengungen sehen, dient uns derselbe zugleich al Mahnung, in den Investitionen nicht weiter zu gehen. ‚Die Dankes-Nundgebungen verschiedener Städte zeigen uns, daß daß Werk der Stromregulirungen, zumindest hinsichtlich der Sicherung gegen Wassergefahr, falsche Fortschritte macht. &S darf nicht Wunder nehmen, daß dies große Opfer fottet; wir erlaufen dafür Gut und Leben vieler Biürger, aber­ auch finanzielle Resultate. (Zustimmung.) Für die Entwickklung unserer kultu­­­rellen Dante zeugt der Umstand, daß unser Unterrichts - Budget um ı­, Million, das Budget des Mesforts für Handel und Industrie um 7, Millionen größer geworden. UN’ dies zeig und eine stufen­­­weise Konsolidirung und der Ausschuß Hat die Ueberzeugung gewonnen, daß wir wohl mehr anstreben, aber für jegt nicht mehr thun können. Dies ist sein fertiges Programm, aber es ist wie das Leben, welchen fi) Alles akfomodiren muß. Indem MNehner noch einmal erwähnt, daß er sie vor­­­behalte, über die Bededung des Defizit bei der Verhandlung über den betreffenden Gelegentwurf eingehender zu sprechen, empfiehlt er Dad Budget zur Annahme. (Lebhafter Beifall recht2.) ur ». Ignaz Helfy hält das Budget nicht für aufrichtig;das MuFistermin treibt sein Spiel mit dem Parlament,die Schlußrechnungen widerlegen stets das Präliminare,allein dies hindere den Finanzminister nicht,das pielzu wiederholem 188·0·waren 26 Millionen als Defizitpräliminirt und es wu­chs auf 48­ Millionen an;jetzt sinlepräliminirt und der Abgang wird 43 Millionen betragen.Als Beweis für die Art und Weise der Wirthschaft führt Redner an,daß der Minister die aus dem Verkaufe von Staatsgütern einfließenden Summen als Einnahme einstelle,während doch die Vermögens-Verminderung keine Einnahme sei. Er ist überzeugt, daß von der Majorität nicht 20 Mitglieder, die Mitglieder des Finanz- Ausschusses ausgenommen, das Budget studirt Hatten. (Rufe rechts: Und die Opposition!) Die Majorität hat solches Vertrauen zur Regierung, daß sie bindlings Alles votirt. Auch die Krone wird durch den Mangel an Art­­­eiten­ der Regierung irregeführt und lasse sich zu Unter s­­­ei, zu denen sie sich sonst nicht verstüinde. Seit 1868 ist Prize der Finanzpolitik eingetreten. in, 7.0 Ausgaben seine hinreichende Bebdedung vorhanden ist. Wer... ee _ in audgemworfen und reichen viese nicht Hin, wird ein Ansehen aufgenommen. So geschah es von jeher und geschieht e& auch Beute no. Auf­­­ diesem Wege ist es unmöglich, das Gleichgewicht herzu­­­stellen. Redner kritisirt dann die auswärtige Volität der Regierung, die uns dahin geführt, daß wir vollständig isolirt stehen, den Geist, der die Verwaltung durchwehe und der ein mittelalterlich-reaktionärer sei, welcher auch den Antisemitismus zur Folge gehabt; denn hätte die Regierung von vor Jahren die Anträge Iranyi’s bezüglich der Religionsfreiheit und der Zivilehe angenommen und nicht mit dem Geiste des Mittelalters Tofet­­­tirt, er wäre der Antisemitismus bei ung nicht möglich gew­esen. Er reicht folgenden Beschlußantrag ein: „Da aus dem von der Regierung unterbreiteten 1883er Staatsvor­­­anschlage, sowie aus dem Erpose des Finanzministers und aus dem Be­­­richte des Finanz-Ausschusses hervorgeht, 1. das troß der seit einer langen Reihe von Jahren in gesteigertem Maße gebrachten Opfer das Gleichgemicht nicht hergestellt wurde. . 2. daß statt der Beseitigung des chronisch gewordenen Defizits die Aulanu­­­au in Zukunft die bisher befolgte Richtung einhalten will, welcher zufolge sie das sich wiederholende Defizit durch­ neue Steuer, dur mene Anlehen und Verminderung des nationalen Vermögens deben will; 3. daß sie mit einer Hartnädigkeit, die nicht genug zu tadeln ist, das thatsächliche Defizit Heiner darstellt und auf solche Weihe, die öffentliche Meinung und auch die Krone irreführt; in Anbetracht, daß die gegenwärtige Regierung während ihrer nahezu achtjährigen Verwaltung die staatsrechtlichen V­erhältnisse, die seit 1867 unfern gesammten Staats-Organismus belasten, noch drohender, für die Zu­­­kunft der Nation noch gefährlicher gestaltet Hat; in Anbetracht endlich, daß das vorgelegte Budget ein treues Spiegelbild der bezeichneten Richtungen ist, erklärt da­­raus, daß «8 daß Budget auch nicht als Basis der Spezialdebatte annehme.­­­Ignaz Helfy, Albert Nemeth, Ludwig Mocsary, Gaza Lükc, Blasins Farkas, Julius Földes, Andreas Nady, Johann Gruber, Eduard Kristinkopich, Alexander Fornket.“ « Desider Szilagyi bemerkt,der Bericht des Finanz-Ausschusses ent­­­h­alte zwei Hauptpunkte,es wird darin behauptet,daß die Basis des Budgets sich gebessert habe und es wird die Politik des Ministeriums empfohlen. Wenn man gegenüber dem 1883­er Budget Stellung nehmen will,dann sind zwei Fragen zu beantworten.Wir,die wir weder die Finanz-noch in Anbetracht,daß sie durch ihre auswärtige Politik,namentlich in d­er orientalischen Frage eine Lage geschaffen hat,welche politisch unheilvoll, finanziell aber die materiell ohnehin erschöpfte Nation zu unberechenbaren Opfer erzwingen kanm in Anbetracht, daß sie in den innern Angelegenheiten eine dem Geiste der Zeit und der Nation nicht entsprechende, ja diesem direkt entgegengesegte Richtung befolgt , die allgemeine Politik des Ministeriums billigen,können jene Behauptungen nicht acceptiren.Bei Beurtheilung des Budgets sehen in daß das präs­­liminirte Defizit LlVg Millionen beträgt,was gegen das 1882-er Defizit eine Besserung von ng Mill b­edeuten würde.Wenn wir jedoch die Faktoren berücksichtigen,aus denen sich die Besserung zusammensetzt,können wir zu keinem so optimistischen Schluße gelangen. Die gemeinsamen Ausgaben nehmen um 472 Mill.weniger in An­­­spruch,die ordentlichen Einnahmen haben sich um sxgMill.gehoben und für Bosnien haben wir um ssMill weniger zu zahlen.Man mußte­ also annehmen,daß die Besserung nichts besondern 17Mill betrig. Dies sei nicht der Fall und man könne keinen Grund finden,die Bilanz als Triumph zu bezeichnen Wohin sind nun die ssxgM­ll.ge­­­kommen.Die Zinsenlast hat sich um 2 Millionen erhöht,im Finanzminis­­­terium betragen die Mehrausgaben VOpOOfl Das EinnahmeniPlus durch die Steuern in der Höhe von 4 Millionen ist nur brutto und wird durch die Ausgaben bedeutend verringert.Der Bericht meint aber zur Bes­­­chönigunz daß 21Mill.auf Investitionen verwendet werden,der Ref­­erent vergißt jedoch,daß 8Mill.für die Ofenpest-Semlitzer Bahn eine separate Bedeckung finden. Der Referent sagt des Wenieren, daß das Verhältniß der Einnahmen und Ausgaben im Ordinarium sich bessere und doch ist die Besseiung nichts weiter als die Konsumirung der Einnahmen aus den Bollerhöhungen. Ueberdies werden nicht nu­r die Staatsgüter konsumirt, sondern auch das mobile Vermögen durch den Verlauf der Forderungen an die Kolonisten. Noch mehr zu bewundern ist der­ Trost des Referenten, der auf die ver­­­mehrten Forderungen an Staatsgarantie-Borschüften hin­wies, während doch Ledermann weiß, dab die Borsschüfte des Staates beinahe vollständig verloren sind. Der Referent kann also beschönigen, die thatsächlichen Verhältnisse zeigen ein ganz anderes Bild. Redner bespricht sodann die Finangpolitik des Finanzministers; er wolle bei dieser Gelegenheit das Defizit nicht zergliedern, sondern nur we ein Moment hinweisen, nämlich auf den Umstand, daß der Finanz-Anzichu die Brisen nur um 506.000 fl. erhöhte, was darauf hinzudeuten scheint, daß der Ausschuß der Ansicht ist, die Renten-Konversion werde nicht mit jener Rapidität durchgeführt werden können, wie der Finanzminister glaubt. Was die Einnahmen betrifft, so merke man diesen an, daß dieselben auf die Wirkungen des guten Jahres bafirt seien. Was das Finanzprogramm betrifft, müsse man gerechterweise erkennen, daß die bisherige Basis ver­­­lassen wurde. Redner fürchtet aber, daß der Finanzminister seine Pläne nur nach dem Kurse der Nenie einrichtet und daß daher Bieled nicht realisirt werde. Uebrigens sagt er im Hinblick auf diese Pläne, daß der Referent vor Jahren eine Erhöhung der direkten Steuern für undurchführbar er­­­achtete ud nur eine Erhöhung der indirekten Steuern und Auge faßte. Jeht ist der Finanzminister davon abge­wichen und plant eine Erhöhung der direkten Steuern. Nach der Kritik der Finanzpulitik im Allgemeinen gelangt Redner ur Besprechung jener Ausführungen de Ministers, worin D dieser Die Herz­­ellung des Gleichgewichtes im Ordinarium in Aussigt nahm. Der Minister hat in seinem Expose dargelegt, daß er im nächsten Jahre, falls das Defizit im Ordinarium nicht höher als 8%, Millionen sein sollte, nach Erschließung neuer Einnahmen aus den indirekten Steuern eine Erhöhung des Ein­­­kommensteuer-BZufschlages beantragen werde und er hoffe, daß die Nation dieses Opfer bringen wirde, um die Herstellung des Gleichgewichtes im Ordinarium zu ermöglichen. Nedner ist zwar der Ansicht, 4: der Unter­­­schied zwischen Ordinarium und Extra-Ordinarium ein künstlicher sei, doch würde er selbt von seinem Standpunkte aus jedem Plane seine Zustimmung geben, der ein positives Resultat sichert. Dieser ist bei dem heutigen Stand der Dinge ein mehr zweifelhaftes. Der Minister hat nämlich an zwei Dinge vergessen, daß zum Gelingen nothwendig sei 1,daß die Steuern immer in der Höhe einlaufen wie jegt, und 2. daß ed nothwendig ist, daß sich unsere Ausgaben nicht in rascherem Tempo steigern, als die natürliche­­n , « Benilletes, Ein deutsches Requien. Nach den Worten der Heil, Schrift fr Soli, ‚Chor und Orchester fomponirt von Johannes Brahm‘. Op. 45. Eine vorbereitende Studie für Mitwirkende und Zuhörer von 3. 2. Bella. „Selig sind die Zodten, die in dem Hören sterben, von nun an.” In diesen beiden Sagen spricht sich der Grundgedanke des von Brahms gewählten Sujet’s aus. Wie jene in Bezug auf das Sektere alle übrigen Strophen des Textes, — die ja nur feine ausführliche Motivirung, Detail­­­zeichnung und Entfaltung enthalten, — vollinhaltlich einschließen, so bafirt auch die ganze musikalische Komposition auf dem ersten und legten Haupt­­­fate des Werkes, die eingegeben und getragen von religiöser Weltanschauung, die Haltung auch der übrigen Süße bedingen und dem Ganzen den Cha­­­rakter weihevoller, edelster Kirchenmusik aufprägen. Wenn ich es je bedauert habe, daß die schwere Feder nicht der Slut jener Gedanken zu folgen vermag, die ein der tiefsten Tiefe seines Schöpfers entstammendes Werk in der Seele eines denkenden und mitfühlenden Ton­­­es anregt, so empfinde ich eben jegt am meisten diese Schwäche, die meinem Vorhaben, die Schönheiten dieser Bocjbedeutenden Schöpfung, „Requiem aeternam dona eis domine et lux per­­­petua luceat eis“ So verleihe ihnen die ewige Ruhe und er leuchte ihnen das ewige Licht), so beginnt der lateinische Kultus die Liturgie für bie­­te­­are Seelen, und dem Anfangsworte dieses Gebetes entstammt daher die übliche Bezeichnung der Todtenfeier als Requiem. „Selig sind, die da Leid tragen, Denn sie sollen getröstet werden.” faßlic aufzuheben und der Berwunderung auch den Netz des vollstän­­­digen Genusses beizugesellen, wie träges Blei anhaftet. Aber noch einen zweiten Hemmschuh hängt meinem Unterfangen jener Umstand an, daß ich ja seine funstgemäße Analyse vorhaben darf und mir daher selbst Der besten Meittel, die mir die Kunstwissenschaft und ihre Terminologie in die Hand drüht, berauben muß, um ein innigeres Verständniß für ein Wert vorzubereiten, dem auch bei ung ein besseres 2o8 beschieden sein möchte, als daß er — ein umverstandenes Ohrengefrabbel — ohne tieferen Eindruck und Erfolg verhalle. Höchster Ernst des Stoffes und Großartigkeit des mustialischen Ausdruchs verleihen ihm gewiß­­sene Vorzüge, die ein ständiges Repertoirfticht haben muß: u­nvergängliches Interesse, unvergängliche Schönheit.­­­ „Selig sind, die da Leid tragen.“ Welch’ ein Ausdruch! Spötter und Ignoranten wundern sich, wie Künstler aller Art noch Heute nach der Bibel greifen, um darin Anregung und Stoff zu ihren erhabensten Schöpfungen zu suchen und­­­ zu finden. Und dennoch hat die Menschheit und die Zunge ihrer genialsten Dichter selbst nach tausenden von Jahren noch seine erhabenere Sprache zu reden gelernt. Dente man nur unbe­­­fangen — wie über jede andere Lektüre — über Inhalt und Form dieser Sprache nach und man muß si entzücht der Herrlichsten Ygunde bemäch­­­tigen: der tiefsten Lebensweisheit, wie sie nicht der Verstand unserer weitesten Philosophen zu lehren, und der anspruchslos großartigen Boesie, wie sie an köstlichem Schmuch und Bilderpracht nicht einmal der Phantasie einer Dante schöner und reicher zu entsprießen vermag. „Selig sind, die da Leid tragen, Denn sie sollen getröstet werden. Die mit Thränen säen, Werden mit Freuden ernten, Sie gehen Hin und weinen Und tragen wedlen Samen, Und kommen mit Steuben Und bringen ihre Garben.“ Nun das ist freilich kein Gedicht für unsere schönen Seelen beiderlei Geschlechtes! Wer jedoch jene zwei Strophen ganz erfassen und würdigen will, der­­­ muß die zwei fürs Leben un­zertrennlich zusammengehörigen Täschchen des Kopfes und des Herzens längst mit jenen Kapitalien ange­­füllt haben, die nur das schwer erreichbare R Resultat des besseren, tieferen Denkens und Empfindens der ganzen edleren Menschheit sind. Ja­­mar muß geradezu entweder sehr Hoch stehen, mit Homer und Sophok­es, Ovid und Seneca, Shal­spenre, Kant und Göthe ausgerüstet sein, oder aber im Gegentheil blos einen gesunden Kopf und ein unverdorbenes, durch das Leben geläutertes Gemüth ohne jediwede Verbildung besigen, wenn so recht empfunden werden soll, was jene wenigen Beilen bejagen; denn der Halb­­­gebildete hat die ganze Bibel längst über Bord seines laderten Lebensfahr­­­zeugs geworfen, folgt nur dem Eigendünfel als Kompaß und besigt nicht jene Unbefangenheit, mit welcher der Gelehrte, der Dichter oder Künstler, der Staatsmann oder Feldherr u. s. w. geradeso, wie der von jedemeder höheren Kultur noch unberührte Landmann oder Arbeiter nach diesem Buch der Bücher greift, um sich zu erheben und zu sammeln. Die religiöse Weltanschauung, die Menge der das innerste Gemüt ergreifenden Stoffe, die einfältige, treffende, dabei mit naturtreuen Bildern von oft überwältigender Großartigkeit geschmücke und dennoch gedrungene Ausdrucksweise, die mit den wenigsten Strichen die erhabensten Scenen und Schicsale aus dem Menschen- und Völkerleben entrält, so daß der Phantasie des Künstlers der weiteste Spielraum gegönnt wird, eine Sprache, die das Unendliche so zu jagen faßbar und dabei ohne Unterlaß so­­rtims«­­mungsvoll bald diese bald jene Saiten des Empfindungslebens miterklingen macht: dag und dergleichen läßt nun und nimmer eine Künstlerseele halt, sie kann nicht daran vorübergehen, sondern schlägt Hier ihre besten Werk­­­­tätten auf und beschenkt die ernstere Meenschheit mit Schöpfungen von uns vergänglichem Werth.­­­e Wenn in einem großen Künstlerherzen das Leid eingeführt und seine Seele ein tobend aufschäumender Deean geworden ist, dann pflegt ein großer Gedanke die feindlich gespaltenen Kräfte des Innern in ein einziges Strombett zu zwingen; ein mächtiger Erguß begräbt Die Verzweiflung, wie ein schaffender Gott erhebt fs der Genius über die Wogen, der gebrochene _ -

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