Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1897. September (Jahrgang 24, nr. 7208-7233)

1897-09-26 / nr. 7230

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W.] So bedeutungsvoll für den Gang der internationalen Politik auch die Besuche Kaiser Franz Forers, Kaiser Wilhelms und des Präsidenten der französischen Republik in Betersburg, König Humbert, in Homburg ge­­wesen sein mögen, an zündender Wirkung am Besuchsorte selbst, wird si selbst das Ersc­heinen Monsieur Faured an der Newa und die mit Not und Mühe zu­stande gebrachte Proklamierung der französisch-ruffiigen Allianz mit dem Besuch des deutschen Kaisers in Ungarns Hauptstadt messen können. Schon in den 40 Stunden seines Budapester Aufenthaltes hatte der katjerliche Gast das Publikum elektrisiert. Unmittelbar nach der Festvorstellung in der Oper, welche an äußerem Glanze selbst, zur Millennium­sfeier nicht auf der Höhe des heutigen Abends stand, und in ganz vortrefflicher Ausführung dem kaiserlichen Gafle die Perlen ungarischer Orginalmusik und markante Bilder aus der Geschichte wie aus dem Wolfsleben Ungarns bot, ist Kaiser Wilhelm abgereift, umbraust vom Jubel der Bevölkerung, welcher durch den Telephon „Hirmondo”, die Budapester sprechende Zeitung, der Inhalt­ seines ZToaftes schon bekannt geworden war. Nur in ganz unvollkommener Weise wird an die ausgedehnteste telegraphische Berichterstattung über die Aeußerungen der magyarischen Presse ein Bild des geradezu maßlosen Entzüdens zu geben im Stande sein, welche die Schwungvolle Anerkennung der Vergangenheit und der Gegenwart des ungarischen Volkes in der wagyarischen Wolfsseele erweckt haben, nachdem schon das ganze Auftreten und einzelne, Weußerungen Kaiser Wilhelms seiner Bersen eine von Stunde zu Stunde wachsende Volksthüm­­lichkeit erworben hatten, von dem, was der Verbündete „des Königs von Ungarn” über seinen Budapester Aufenthalt, über die hier empfangenen Eindrücke, dann aber ins­­besondere über die Leistungen und politischen Eigenschaften des ungarischen Bolfes in vergangenen Jahrhunderten, sowie über die kulturelle Bedeutung des Magyarentums in der Gegenwart in schmeichelhaftester Weise aussprach, hat er sich als ausgezeichneter Menschen- beziehungsweise Wölferkenner eiiwiesen. Wenn aus seinen Worten das stark überschäumende Nationalgefühl und das Herrschaftsbegehren der turanischen Raffe bedeutend mehr Herausgelesen Hat, als mit ihnen bei aller Aufrichtigkeit gemeint sein konnte, so ist das Tein Berschulden des Kaiserlichen Toastredners. kommt aber doch der unendlichen Dankbarkeit zu gute, zu welcher sich ihm das gesamte Magyarentum vers­pflichtet fühlt. Und gerade der oppositionelle, chauvinistischere Teil der Presse ist in seinen Weußerungen des Entzüdens noch viel überschwenglicher als die offiziöse Journalistin. Im politischer Beziehung wird diesem Naufsche jeden­­­falls eine Ernüchterung folgen müssen. Denn die Ermutigung zum Ausbau der ungarischen Staatlichkeit auf Baten des Gefüges der Monarchie als Groß­­macht, zu einer noch stärkeren Geltendmachung der magyarischen Bestrebungen und Interessen, als sie jeit schon von den Völkern der westlichen Reichshälfte nur mit äußerstem Widerwillen empfunden wird, und auch zu einer noch schärferen Bethätigung der magyarischen Waffenpolitik auf dem Gebiete der Länder der Stefanskrone, wie sie in den ZToast des deutschen Kaisers von den hauptstädtischen Blättern gelegt wird, hat er gewiß nicht beabfitigt. Die Verpflichtung zu größerer nationaler Toleranz dem Deutschtum gegenüber, zu einer Milderung des unablässigen Heftigen Kampfes gegen die „Germanisation“ fühlt man leider nicht im mindesten, obwohl in den s­ämtlichen Zeitartikeln sehr entschieden betont war, daß sehr das Magyarentum starr genug sei, um vor der Germanisation ebenso wenig fürchten zu müssen, wie vor der Slavi­­sierung, gegen welche ja der Bund mit dem Deutschen Reich der beste Schuß sei. Den zweifellosen Namen, den der Dreibund beziehungsweise das deutsche Bündnis nicht bloß dem europäischen Frieden, der gesamten Monarchie, sondern speziell auch der Konsolidierung der magyarischen Hegemonie in Ungarn und in der Monarchie gewährt, ist man nun sehr geneigt zu genießen, aber von damit korrespondierenden Pflichten möchte man sich auch nach dem so glanz­­voll verlaufenen Kaiserbesuche am Tiefsten ganz entschlagen. Es wäre doc ehr angebracht, daß die in so bedeutungsvoller Weise markierte Anwesenheit Kaiser Wilhelms in Ungarn Anlaß böte, ein herzliches Verhältnis zwischen Deutschtum und Magyarentum auf Grundlage gegenseiiger genauer Kenntnis und Wert­­schätung konstatieren zu können, oder wenn wenigstend begründete Hoffnung auf Anbahnung eines solchen bestünde. Aber troß der überschwänglichen Aus­­lostungen, mit welchen die Person des kaiserlichen Gastes in der magyarischen Presse gefeiert wird, spricht aus denselben deutlich nur der brennende Drang, die politische, militärische und kulturelle Bedeutung Ungarns und der herrschen­­den Kaffe in möglichst helles Licht zu geben, und mit der gemeissermaßen heraus­­genötigten Anerkennung dann auch vor aller übrigen­­ Welt zu prünfen. „Budapesti Hirlap“ zieht aus der Thatsache, daß der aus Gründen inter­­nationaler Belitit gegenwärtig von der europäischen Presse viel kommentierte Besuch Kaiser Wilhelms bei seinem hohen Verbündeten auch die Erörterung ungarischer Verhältnisse — meist in nicht unorientierter Weise — zur Folge hat, den Schluß, daß jei endlich Europa die Bedeutung Ungarns unwürdige, wobei selbstverständlich angesichts des in allen­ magyarischen Zeitungen verkündeten „Beifalles von Oesterreich" die östliche Hälfte der Monarchie als eigentliche Basis und Kraftquelle eingestellt wird. Natürlich darf dieses Verhältnis in der Duote nicht zu adäquatem Ausdruck kommen. Andererseits läßt sich die reichsdeutsche Pfesse von dem Hochgeschwellten Selbstgefühl des Magyaren­­tumes imponieren und betet gläubig die wohlklingenden Schlagworte von der politischen Neffe, den parlamentarischen Talenten und dem unvergleichlichen Liberalismus der lediglich mit deutscher Kultur überfirm­ßten herrschenden Rofje nach. Der Panegyritus der „Nationalzeitung“, welcher die politische Kapazität der Ungarn so Hoch über jene der Oesterreicher stellt und in den Budapester Blättern natürlich wohlgefällig abgedruckt worden ist, hätte in einem deutschen Blatte nicht vom Stapel laufen sollen. Und bei diesem Spiele sind beide Zeile betrogene Betrüger. Denn weder ist er mit der Dreibunds­­freundlichkeit der Magyaren so glänzend bestellt, wie man sich in Berlin ein­­zureden sucht, noch Hat man im Deutschen Neiche oder sonst in der Welt die Welterzeugung von der hohen Bedeutung des Magyarentu­zes für die inter­­nationale Politik gewonnen, an die der Budapester Enthusiasmus glaubt. Der „NReichpsbote” bringt unter anderem folgende Bemerkungen zum Toaste des deutschen Kaisers: „Das Bewußtsein von der wachsenden Bedeutung Ungarns für den Donau-Kaiserstaat sehmeichelt dem magya­­rischen Nationalstolz, aber um so mehr wäre es am PBlade, den Magyaren gerade jet zu Gemüte zu führen, daß sie diese Rolle nur so lange spielen können, als sie am Deutschen Reiche einen starren Rüchalt haben, und daß auch in Ungarn selbstt, namentlich in Siebenbürgen, daß Deutschtum die zuverlässigste Stube gegen das Hereinbrechen des Slawentums­ bildet. Gerade der jegige Moment wäre geeignet, die Magyaren darauf hinzumweisen, in welch schreiendem Widerspruche es­teht, daß sie jegt in so enthusiastischer Weise den deutschen Kaiser und das Bündnis mit Deutschland feiern und darin den Halt Oesterreichs sehen, während sie doch im eigenen Lande in der Hauptsache dasselbe gelhban haben und thun, was die Tschechen in Böhmen und die anderen Slawen in anderen Provinzen thun.“ „Die Magyaren — Heißt es an anderer Stelle — halten am Drei­­bund fest, keineswegs freilich aus Freundschaft für Deutschland und das Deutschtum, denn dieses Hafen und verfolgen sie in ihrem eigenen Lande gerade so mie die Tschechen in Böhmen, sondern lediglich deshalb, weil sie willen, daß, mein Desterreich an dem Dreibund tritt, dann das Slaventum zur Herrschaft kommt, Desterreich ein flavischer Staat wird, die Slaven aber die erbittertesten Feinde der Magyaren sind und das Slaventum dann von allen Seiten über die Magyarenherrschaft hereinbrechen wird. Deshalb feiern sie mit dem ganzen feurigen magyarischen Enthusiasmus den deutschen Kaiser ° Pränumerationen und Anferate übernehmen außer dem Hauptbureau, Heltauters Waffe Nr. 23, in Kronstadt Heinrich Zeidner, Mediasch Johann Hedrich’s Erben, G. A. Reissen­­berger, Schässburg Fritz Teutsch, Bistritz Arthur v. Schankebank, Mühlbach Josef Wagner, Kauf­­mann, Broos H. Graef, Reps Johanna Guiesch, Buchhandlung, Wien Otto Maas (Haasenstein - Vogler), Rudolf Mosse, A. Oppelik, M. Dukes, Heinrich Schalek, J. Danneberg, Inseraten­­bureau „Die Annonze“, Budapest A. V. Gold­­berger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. G. L. Daube & Co. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile fortet beim einmaligen Einrücen 7 fr., das zweites mal je 6 fr., das drittemal je 5 fr. d. W. ex­­klusive der Stempelgebühr von je 30 fr. in Buddapest, das sie aus einer deutschen Stadt ebenso in eine magyarische verwandelt haben, wie die Tschechen Prag in eine slavische; aber sie feiern ihn, weil sie troß ihres Deutschenhafjes im eigenen Lande wissen, daß sie am Me Reihe den einzigen Halt vor der drohenden flavischen Hochflut üben.‘ Politische Heberi­cht. Hermannstadt, 25. September. Die Kommentare der Berliner Tagespresse zu dem Budapester Toaste Kaiser Wilhelm zeigen den tiefgehenden Eindruck, den die rhetorische Musterleistung des temperamentsvollen Monarchen auch in der deutschen Bevöl­­kerung hervorgerufen hat. Die „Vorsu­che“ schreibt nämlich: „War der Trinkspruch des ungarischen Königs auf den treuen Freund und Verbündeten berechnet, verherrlichte er den beharrlichen Mitarbeiter an dem großen Friedenswerke, so schlug der kaiserliche Gast Saiten an, von denen er wußte, daß sie in jedem ungarischen Herzen freudigen Wiederhall finden würden. Die Rede des Kaisers ist­ eine Huldigung an die ritterliche Nation und ihre große Geschichte. Die politische Bedeutung des Kaiserbesuches konstatiert die „WVofsi­che“ mit folgendem Satz: Die Budapester Tage sind eine öffentliche Befestigung des Dreibundes und ein Beweis, daß er wie den Lyuteresfen der verbündeten Staaten, so auch den innersten Nei­­gungen ihrer Völker entspricht. Das Bismarck-Organ, die „Neuesten Nacrichten”, knüpft an den Kaiser- Toast folgende Bemerkung : Daß der deutsche Kaiser im Magyarentum einen besonders wertvollen Stoßpunkt des Dreibundes betrachtet, hat er in den Tagen seines Aufenthaltes im Bereich der Stefanskrone wiederholt Tund gethan. Die Auffassung dürfte außerhalb der Donaumonarchie allgemein geteilt werden. Die hohe Anerkennung der magyarischen nationalen Eigenschaften und der kulturellen Fortschritte ent­­spricht den indrüden, die der wahrhaft glänzende Empfang seitens der Ungarn bei den erlauchten Gästen des Landes Hinterlassen hat. Mögen die Harmonien der Gegenwart auch im Verhalten der Ungarn gegen­­über dem Deutschtum dauernd fortklingen. Die Begeisterung und das Selbstgefühl, welches in der ungarischen Breite bei der Auslegung des Kaiserzonftes zu Tage tritt, erwedt in der öster­­reichischen Journalistik zum Zeil bittere Empfindungen. Selbst die „NR. Fr. P.“, welche den Ungarn einen kleinen Triumph gönnt, kann fi der Besorgnis nicht entschlagen, daß Ungarn sich überflagen und durch ein irregeleitetes Gelbstbemußtsein zu dem Glauben verleiten lassen könnte, daß der Teil mehr sei als das Ganze. Um dem vorzubeugen, erinnert das genannte Blatt daran, daß Ungarn nur im Gefüge der Monarchie sich zu der Stufe emporarbeiten konnte, auf der er heute steht. Das „Vaterland“ meint und dies wohl mit Recht: In Ungarn selbst wird wohl am besten Groß aller überschwänglichen Aeußerungen in der P­resse nach dem Ü­erraushhen der Festtage in Budapest erkannt werden, daß der kaiserliche Redner in der Ofner Burg nur die Lichtseiten sehen und besprechen konnte und daß es hier ernster Arbeit bedarf, um in Ungarn nachzuholen, was so lange Zeit hindurch versäumt wurde. Der „Zemps“ meint, die Unmwesenheit des deutschen Kaisers in Ungarn bedeutet die Anerkennung des politischen Vorranges der Ungarn in Angelegen­­heiten der österreichisch-ungarischen Monarchie. Die Ungarn schöpfen aus dieser Unerkennung neuen Eifer, um diese Stellung nach innen und außen zu verteidigen. Wie aus Agram telegraphiert wird, entstanden die Unruhen im Bezirk Piparovina infolge der Agitation einzelner Unruhestifter, welche behaupteten, es werden an den serbischen Kirchen ungarische Fahnen ausgehängt werden und wenn Diese 24 Stunden ausgehängt bleiben, müssen alle Serben dieses Kirchensprengels Ungarn und Katholiken werden. Infolge­dessen rettete si Henilfetsn, Schwer gebüßt. Kriminalroman von Th. Schmidt. (74. Bertiehung.) „Ihre Frau wird Ihnen sicherlich verzeihen”, tröstete Maring weiter, „denn Sie erschließen ja durch Preisgabe der Geheimnisse in Ihrer und der Wolfsburg’schen Familie zweien Bersonen die Pforte des Glüdd. Und sie, die jet noch ahnungslose Mutter, gewinnt dadurch zu dem Sohne eine gute, edle Tochter, auf die sie mit Mutterstolz bliden kann. Ich aber möchte Ihnen als Trost das Bibelwort zurufen: ‚Ihr gedachtet es böse zu machen, Gott aber Hat e3 gut gemacht!! Ich muß Sie jeßt verlassen. Es ist meine Absicht, den Baron Wolf morgen Nachmittag um fünf Uhr auf dem Gericht zu verhaften, da er, wie ich vorhin in der Gerichteschreiberei erfuhr, um diese Stunde zur Unterzeichnung eines Kaufvertrages dort zu erscheinen hat. Bis zu der eben bezeichneten Stunde mache ich Ihnen die tiefste Verschwiegen­­heit über alles, was mit Ihrer Angelegenheit zusammenhängt, zur Pflicht. Ich werde ferner nach der Verhaftung de Barons über Ihre Angelegenheit dem Gericht Bericht erstatten und dabei diese Unterredung erwähnen. Ich werde besonders hervor­heben, daß Sie mir freiwillig Ihre Mitschuld an der Kindesunterschiebung bekannt hätten, mit dem ausdrüdlichen Wunsche Ihrer­­seits, das Gericht möge Hinsichtlich der Ordnung des Familienstandes der beiden in ihren Kindesrechten Geschädigten thunlichst bald das Erforderliche veranlassen, Sie würden si auf Verlangen jederzeit dem Gericht zur­­­er­­fügung ftelen und sich Ihrer Bestrafung nicht durch eine Flucht entziehen. Sind Sie Hiermit einverstanden ?* Statt einer Antwort erhob sich Meiners schnell, ergriff die Nechte des Kommissärs und preßte sie mit dankerfülltem Bli! zwischen seine Hände: „So danke Ihnen, mein Herr, daß Sie mit mir Unglücklichen Mitleid fühlen. 9. Sie ahnen nit, wie Ihre Worte mir wohltfun. Ich werde Sorgen Nachmittag zu der bezeichneten Stunde meiner Frau gegenüber mein Gewissen entlasten und gleichzeitig den beiden Betrogenen brieflich alles das, was zur Klarstellung der Sache erforderlich ist, mitteilen.” Mehr für sich, feßte er Hinzu: „Du Gott, wäre diese Stunde erst vorüber!" Dann sank er wieder in den Sessel zurück und seufzte schwer. Ehe der Kommissär ging, berührte er leicht die Schulter des starr dor s ih einblidenden Handelsheren., „Die Stunde wird vorübergehen, Herr Meiners, besser vielleicht, ald Sie glauben. Soweit meine Menschenkenntnis reicht, werden Ihnen die Ihrigen alles verzeihen und das Urteil der Welt brauchen Sie nicht mehr zu fürchten, wenn diese e­rst die Beweggründe Ihrer Handlungsweise erfährt. Leben Sie wohl, wir werden uns vielleicht niemals n­ieder­sehen, denn ich habe hier meine Arbeit gethan und reife morgen Abend ab. Sollte ich Ihnen trotdem no einmal im Leben begegnen, so Hoffe ich, daß er bei einer freudigeren Gelegenheit sein möge und daß dann der Friede und die Ruhe in Ihrer Brust eingezogen sind, nach denen Sie sie so lange Sahre gesehnt haben. Leben Sie wohl und­­ thun Sie morgen Ihre Pflicht.“ Der Kommissär entfernte sich und Meiner war mit seinen Gedanken allein. As er sich nach einer Stunde erhob und mit schwankendem Gang das nach der Gartenseite gelegene Wohnzimmer erreichte, warf die scheidende Abendsonne ihre lechten Strahlen durch die Senfter und auf das totenbleiche Antlig des Handels hören. Draußen kehrte eben seine nimmer rastende Frau in Begleitung der Magd aus dem Garten zurück, in der Hand einen Korb mit reifem Gemüse tragend. Befriedigten Blides betrachtete Frau Charlotte die reifenden Früchte auf den Beeten und an den unter der Laft des Obstes fi beugenden Zweigen der Pyramidenbäume zu beiden Seiten des Haupt­­weges, in welchem sie oft mit dem ernsten Garten gewandelt und ihn zu erheitern gesucht hatte. Heute kam dem mit müdem Eid am Senfter stehenden Manne alles fremd und verwandelt vor; ihm, dem Gebrandmarsten, bot die Natur draußen nichts mehr, an dem sich sein Auge erfreuen konnte. Morgen um diese Zeit­ würde sie, die heute noch mit glücklichem Lächeln alles be­­trachtete, was der beiderseitige Fleiß geschaffen, am Ende eines Lebens­­abschnittes stehen, auf den sie nur mit gerechtem Zorn und tiefster Entrüstung zurückbliden konnte. Betrogen, getäuscht, ihres Heiligsten Rechts, des Mutter­­rechts, beraubt; von ihm, den sie heiß, den sie abgöttlsch geliebt hatte, mußte die Kenntnis von seiner That sie mit Esel vor seiner Person erfüllen. Meiners trat fehner vom Fenster zurück; er war ihm nicht möglich, fest dem VJ seiner noch ahnungslosen Frau zu begegnen. So ging er denn wieder in sein Arbeitszimmer, fechte sich an den Schreibtisch und schrieb mehrere Briefe, die er bis zum Abend in ein Fach einschloß und später selbst auf die Bast trug, XXII ALS Meineid an diesem Tage zum Abendessen erschien, fiel seiner Gattin die tiefe Bläffe seines Gesichts auf; auch die scharfen Linien seines Gesichts traten heute noch um vieles schärfer Hervor als früher, und ebenso lag in seinem Wesen eine auffällige Unruhe, besonders wenn der ernste, besorgte Blid seiner Gattin auf ihm ruhte. Und als Frau Charlotte ihn nach dem Abendessen teilnahmsvol fragte, ob er sich nicht wohl fühle? da antwortete er ihr, daß er den ganzen Nachmitttag eifrig geschrieben habe und etwas abgespannt sei; ein Gang ins Freie werde ihn erfrischen. In der folgenden Nacht schlief der Inselmüller wenig, troßdem mar er früh wieder auf und äußerte im Laufe des Vormittags gegen Franz, daß er die Einladung zu der am Nachmittage stattfindenden Jagd — b dieselbe mal am gleichen Tage eröffnet — annehmen wolle. Darüber war der Sohn sehr erfreut. „Du m wisst wohl meine neue Büchse einschießen, Papa ?” meinte Franz. „Sa, die schöne Büchse hat meinen Jagdeifer wieder geweht“, antwortete Meinerd, ohne seinen Sohn anzusehen. Auch Frau Charlotte freute sich sehr über den plößlichen Entschluß ihres Mannes. „Das ist einmal ein gescheiter Gedanke von dir, Mann, Das foltest du nur häufiger thun“, sagte sie, froh darüber, daß der Gatte m wieder Gefallen an Zerstreuungen fand. Gleich nach Tisch holte sie ihres Mannes blidverstaubte Tasche aus der Bodenkammer, reinigte dieselbe und versah sie mit einem schmadhaften Jagdimbiß. (Bortfegung folgt.)

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