Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1900. Oktober (Jahrgang 27, nr. 8145-8170)

1900-10-26 / nr. 8166

Yedaarion und Aldministralion Herm­annstadt,Heltauergasse 23. Chronelion­to bei der k­.un­g.postsparkaffaulr.1305. Temphonanfchlu HULDL Erscheintmissen­ nannteE««auf zonns und Zielertage folgenden Yochertages täglich. Abonnement für Hermannstadt, monatlich 1 Kr. 70­9., vierteljährlich 5 Kr., Halb­­jährig 10 Kr., ganzjährig 20 Kr. ohne gs­ung in’3 Haus, mit Zustellung 28r., 6 Kr., 12 Sir. 24 Kr. Abonnement mit Dortversendung: Für das Inland: vierteljährig 7 Kr., Halbjährig 14 Kr., ganze jährig 28 fr. Für das Ausland: vierteljährig 7 M. oder 10 Fre­., Halbjährig 14 M. oder 20 Freß., ganzjährig 28 M. oder 40 Fred. Eine einzelne Nummer kostet 10­9. Unfrontierte Briefe werden nicht angenommen, Manuskripte nicht zurücgestellt. Pränumerationen und Anferate übernehmen außer dem Hauptbureau, Heltaiter- » gafse Nr. 23, in Kronstadt Heinrich Zeidner, Mediasch Johann Hedrich’s Erben, Schässburg Fritz Teutsch, Bistritz Arthur v. Schankebank, Mühlbach Josef Wagner, Kaufmann, Broos H. Graef, Reps Johanna Guiesch, Buchhandlung, Wien Haasenstein , Vogler (Otto Maas), Rudolf Mosse, A. Oppelik, M. Dukes, Nachfolger, Hein­­rich Schalek, J. Danneberg, M. Zitters Inseraten­­bureau „Die Annonze“, Budapest A. W. Gold­­berger, B. Eckstein, J. Blockner, Frankfurt a. M. G. L. Daube & Co. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garntondzeile fostet beim einmaligen Einraden 14 9., das zweite­­mal je 12 9., das drittemal je 10 9. = 8166. Hermannstadt, Freitag den 26. Oktober 1900. AXVII. Jahrgang. Moltke (Zu seinem 190jährigen Geburtstag, 26. Oktober.) H. W. Moltte im Dezember des S­ahres 1856 als Begleiter des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, als dessen Adjutant, Gast des Kaisers Napoleon in den Zuileh­en zu Paris war, schrieb die Kaiserin Eugenie über ihn an eine Freundin: „Des Prinzen Begleiter, ein Herr Moltke (oder so ähnlich), ist ein tmord­arger Herr, aber nichts weniger als ein Träumer, immer ges­­ponnt, immer frauerd; er überrascht durch die treffendsten Bemerkungen... Es is eine imponierende Rafse, die Deutschen! Louis sagt: „die Rafse der Zukunft." Bah! soweit sind wir wo nit!” Über 14 Jahre später — da erfüllte der Ruhm der bdeutschen Kriegsthaten die Welt; und Heute, nach weiteren dreißig Jahren, will das ahnungsvolle Wort Napoleons immer m­ehr Wahrheit werden: da geht Deutschland aus dem friedligen Wettkampf der Kulturhelfer der Erde in Paris, in demselben Baris, das er vor dreißig Jahren vor der Gewalt der deutschen Waffen demütigen mußte, als Sieger hervor, da gebietet im fernen Osten ein deutscher General über Truppen aller bedeutenden Kriegsmäc­hte. Aber jenes andere Wort des französischen Kaisers, das eine Proklamation unmittelbar vor dem Ausbruch des Krieges verkündete, daß nämlich das Schicksal der Freiheit und Zivilisation von den Erfolgen Frankreich abhänge, Hat sich als eitle Phrase ertwiesen. “ kann seine stärkere Gewähr für­ den Fortschritt der Menschheit geben, als die zu­­nehmende Ausbreitung des deutschen Geistes, der deutschen Art des Denkens und Fühlend. Der deutsche Geist ist in seiner Reinheit der Erbe Griechen­­lands: er strebt nach ruhiger Herrschaft über die Erbendinge und drängt zugleich immer­­wieder über sie weg, über sie empor nach dem Einigen; es ist der Geist, der alles Lebendige freudig bejaht und unerschütterlich an ein höheres Biel alles Lebens glaubt; er weiß wohl die Schönheit der Erde zu schägen und zu genießen und sehnt sich doch nach der Prast rätselhafter Gestirne. Aber mas will dies Hier jagen? So viel, daß, wenn irgend einer unserer Großen nach Goethe diesen deutschen Geist verkörpert hat, e8 — Moltke gewesen is. Bismarck durchaus nit. An dem bricht die wilde germanische Urkraft immer wieder durch, immer wieder zerreißt das Temperament die Zügel und tobt frei hinaus. Moltke aber ist ganz der Sohn einer reichen, einer reifen Kultur, der Sohn jener Kultur, die einen Kant und Goethe her­vorgebracht hatte und die sich alles, tund vergangene Beiten Großes und Schönes gedacht und gefühlt, zu eigen gemacht hatte. Ya, der verschloffene, als troden und nüchtern verseriene Mann war nicht einseitig der fühle, wägende Schlachtendenker, und der fühne, wagende Heerführer; er war vor allem ein ganzer, ein harmonischer Mensch. Treu aller Mühen, troß aller trüben Erfahrungen seiner Jugend ist er zeitlebend im Gemüte frisch und jung geblieben. Sonst hätte der A2jährige Mann auch nicht ein 16jähriges Kind als Gattin heimgeführt, font wäre diese Ehe nicht so ungetrübt glückich gemesen. Seine Herzensgüte war allbekannt. Ghrgeis war ihm fremd; er hot fig nie vorgedrängt, hat still gewartet, bis man seine überlegenen Fähig­­keiten erkannte und ihn an den Pla­ntellte, für den er berufen war. Er hat nie in den Wirkungskreis eines andern hinübergegriffen, dafür mit um so größerer Pflichttreue an dem gearbeitet, was er als seine Aufgabe ansah.­­ Moltte war eine ästhetisch empfängliche Natur. Er liebte die Musik, zeichnete und verstand so wohl auf bildende Kunst, besonders auf Gemälde und Architektur. Als er im Jahre 1846 auf der Heimreise aus Rom, die ihn duch Spanien geführt hatte, nach Köln kam, widmete er troß der Eile, mit der er zu reifen gezwungen war, einen ganzen Vormittag der Besichtigung des Domes und bemerkte bei dieser Gelegenheit: „In dem kurzen Zeitraum von drei Monaten habe ich den Stefan in Wien, den Dom in Florenz, St. Peter in Rom, die Kathedrale von Cordona, Notredame von Paris und den Kölner Dom gesehen und kann versichern, daß schon der jegt vollendete Chor dieses leßteren mir einen größeren Eindruck machte, als alle übrigen.” Während der Belagerung von Bari im Jahre 1870 besuchte er bei ungünstigem Wetter fast regelmäßig die berühmte Gemäldegalerie im Versailler Schloß und zwar, trug aller Warnungen und anonymen französisgen Drohungen immer allein, um sie dem Kunstgenusse ungestört hingeben zu können. Wie sehr er die Natur liebte, davon zeugt man die schöne Stelle in seinen Briefen. Die Sähigkeit, das Gesehene und Beobachete, plastisch darzustellen, besaß er in hohem Grade. Die Schilderung, die er von dem Kampf bei Alsen gegeben hat und die damals für alle Zeitungen ging, ist an einzelnen Stellen von unübertrefflicher poetischer Src­he. Seine Schriften zur Völkerkunde („Briefe über Begebenheiten und Zustände der Türkei“ u. a.) sind Eassische Leistem jen. Die rege Phantasiethätigkeit, die unter anderem in künstlerischen Be­­­ürfnissen, künstlerischen Aeußerungen offenbar wird, ist nicht etwa nur eine schöne Zierde des Menschen Moltke, sondern sie ist mit eine der Vorauslegungen des großen Feldherrn Moltse; sie zeichnete die großen Feldherren aller Beiten aus: Napoleon so gut wie Cäsar und Alexander. Sie befähigt den Heerführer, im Geiste alle möglichen­ Situationen, zu denen der Gang der friegerischen Ereignisse in Verbindung mit politischen Verschiebungen und Wechsel­­fällen führen kann, zu sehen und auf jede von ihnen gerüstet zu sein. Diese phantasie­­volle Beweglichkeit des Geistes tritt bei Moltke in der unerschöpflichen Fülle der Kriegspläne, die er geliefert hat, hervor, sie ermöglichte ihm, hie und da den Berlauf der Dinge deutlich vorherzusagen. Ueber die Schlacht von Königgräß er­­zählt er selbst: „Seit fünf Stunden standen die Truppen im lebhaften Feuer des Feindes, ohne Verpflegung, da zum Kochen ,keine Zeit. Einiger Zweifel über den Ausfall der Schlacht mochte sich bei manchem regen, vielleicht auch bei Graf Bismarc, als er mir die Bigarrentasche bot. Wie ich später erfahren, hat er es für ein gutes Zeichen gehalten, daß ich ihm s­chon zwei Bigarren faltblütig Die beste wegnahm. — Der König fragte mich um diese Zeit, was ich von dem Verlaufe des Gefechtes Halte. Ich erwiderte: „Euere Majestät gewinnen heute nicht nur die Schlacht, sondern den Feldzug­­“ Mit derselben Bestimmtheit sagte er später den gewaltigen Erfolg der deutschen Waffen bei Ledan voraus. „Das Gardekorps greift jeßt ein“, lautete dort seine Meldung an den ungeduldigen König: „Ich gratuliere Eurer Majestät zu einem der größten Siege dieses Jahrhunderts.“ So Sehr die Grundzüge der einem großen Heerführer notwendigen Eigenschaften zu allen Zeiten bieselben gewesen sind,­ so meiden doch die Be­­dingungen, unter denen die Seldheren in früheren Zeiten zu Handeln hatten, von denen, die beide beachtet werden müssen, stark ab. Diese Versc­hiedenheit teift besonders Har in der Leitung der Schlachten hervor. Bei Napoleon finden wir no; Züge jener Herd­igen Bor­ämpferschaft, in der die Feldherrn­­thätigkeit des Altertums zum großen Teil bestand. Damit, mit allem physischen Eingreifen in den Gang des Schlacht ist es heute endgültig vorüber. Heute entwickeln sich alle bedeutenden Kämpfe auf Schauplänen von unge­­heuerer A­usdehnung und nehmen Heeresmassen in Anspruch, denen gegenüber dem Zeldheren ganz andere Aufgaben zufallen. Das hat Moltke erkannt. Er ist in mehr als einer Hinsicht der erste moderne Heerführer. Er ist der er­ste gewesen, der die modernen Verkehrsmittel, Eisenbahn und Telegraph, in vollem Umfang für den Krieg ausgenügt hat. Er war sich dessen bewußt, welche gesteigerte Wichtigkeit angesichts der neuen Verkehrs­­mittel der erste Aufmarsch der Heere habe und äußert darüber: „Beim ersten Aufmarsch der Armee kommen die vielseitigsten politischen, geographischen und saatlichen Erwägungen in Berieht. Ein Fehler der ursprünglichen Ver­­sammlung der Heere ist im ganzen Verlaufe des Feldzugs kaum wieder gut zu machen. Über diese Anordnungen der Truppen lassen sich lange vorher erwägen und, die Bereitschaft der Truppen, die Organisation des Transports­wesens vorausgejegt, müssen sie unfehlbar zu dem beabsichtigten Resultate führen.” Breilich ist Dies „vorher Erwägen” feine Mleinigkeitl Der Bes­­chränkung, die da Operieren mit riesigen Heeresmasfen dem persönlichen Eingreifen des Oberfeldherrn während der Schlacht auferlegt, suchte Moltke dadurch zu begegnen, daß er den Unterfeldherrn größere Freiheit ließ. Das hätte er aber nicht thun können, wenn diese Unterfeldheren nicht zum großen Teil seine Jünger gewesen wären. Er hat — im Unterschied etwa zu Napoleon — eine ganze Schule tüchtiger Offiziere herangezogen. Daß Motte endlich durch die Aufstehung des Grundlages vom „Getrenntmarschieren und Bereinsichlagen” der Strategie und duch seine Umfassungsmethode in den Schlachten der großen Taktik das Gepräge seines Geistes aufgebracht hat, ist allgemein bekannt. Heute, am Humbersten Geburtstage des Helden erneuert er die Erinnerung an die großen Siege, zu denen er die deutschen Heere führte; Die Tage von Met und Sedan feuchten Heller herüber und lassen jedes deutsche Herz stolzer schlagen, — an die Herzen derer, die fern vom Mutterlande für deutiche Art kämpfen und leiden und sich an deutscher Art freuen — und die nach einer mißgünstigen Logit an den Großthaten Deutschlands eigentlich seinen Zeil hätten. Denn sie sagen sich, daß sie wohl daran teil haben, daß Deutschlands Ehrentage alldeutsche Ehrentage sind, weil sie von den Erfolgen des deutschen Geistes reden, der nicht an die Grenzen des Deutschen Reiches gebunden ist, sondern überall in der Welt je nach Ums­tänden thätig ist und nach seiner Art Ewigkeitswerte zu schaffen sucht. Das österreichische Wahlrecht. Angesichts der nahe bevorstehenden Neuwahlen für den österreichischen Reuderat scheint es uns zeitgemäß, unseren Lesern nacstehend an der Hand einer Wiener Korrespondenz des „P. LI.” eine kurze Skizze bed Österreichischen Wahlrechtes zu bieten. Oesterreich hat ein gemischtes Wahlrecht, d.h. die Abgeordneten werden teils dire, teils indirekt gewählt. Von den 425 Abgeordneten, aus denen das österreichische Abgeordnetenhaus nach dem Wahlgejege von 1896 besteht, werden nämlich nur 253 unmittelbar von den Urmählern ges­wählt, 172 jedoch indiziert, nämlich von den durch die Urmähler gewählten Wahlmännern. Von den fünf „Rurien“, aus denen die Abgeordneten gewählt werden, wählen die Surien des Großgrundbesißes, der Handelslammern und der Städte durchwegs direkt, die der Landgemeinden und die „allgemeine Rurne“ teil Direkt, teils indirekt, je nach dem in dem betreffenden Kronlande die Landtagsabgeordneten direkt oder indirekt gewählt werden. Das erstere ist bis jegt nur im Niederösterreich und in Krain der Fall, in diesen beiden Provinzen werden also auch die Reichsratsabgeordneten an der vierten und fünften Kurie direkt gewählt; außerdem hat das Geld für die elf Reichsrats­­abgeordneten aus der allgemeinen Kurie von Wien, Prag, Triest, Graz, Lem­­berg und Krasau die direkte Wahl angeordnet. Unter den 253 Abgeordneten, die durch die direkte Wahl gewählt werden, sind 85 Abgeordnete des Grof­­grundbesiged, 21 der Handelskammern, 118 der Städte, 8 der Landgemeinden Niederösterreich­, 5 der Landgemeinden rain und 16 der Allgemeinen Wähler- Kaffe. Durch Wahlmänner dagegen, also indirek­, werden 172 Abgeordnete gewählt, nämlich 116 Abgeordnete der Landgemeinden aller Kronländer mit Ausnahme Niederösterreich und Krainch und 56 M Abgeordnete der allgemeinen Wählerklasse. In Oesterreich besteht ferner kein gleiches Wahlrecht. Nach den amtlichen Ausweisen der Statistischen Zentralkommission über die Reichsratsmahlen im Jahre 1897 repräsentieren nämlich die 253 direkt gewählten Abgeordneten rund 1­5 Millionen Wähler, während die 172 indiret gewählten Abgeordneten 54 Millionen Wähler vertreten. Das kommt daher, weil unter den 253 direkt gewählten Abgeordneten 85 Abgeordnete des Großgrundbefiges sich be­finden, die zusammen nicht mehr als 5280 Wähler haben, ferner 21 Abge­­ordnete, die von zusammen 591 Wählern, den Mitgliedern der Handelskammern (Kam­merräten) gewählt werden, weiter 118 Abgeordnete der Städte, die zu­sammen zirka 04 Millionen Wähler repräsentieren. Dagegegen sind unter den 172 indirekt gewählten Abgeordneten 116 Abgeordnete von Landgemeinden mit 135 Millionen Wählern und 56 Abgeordnete der allgemeinen Wähler- Kasse mit über 4 Millionen Wählern. Al­ drei Viertel der Wähler üben ihr Wahlrecht indirekt aus und wählen nur die Hälfte aller Abge­­ordneten; die zweite Hälfte wird donn jenem Viertel der Wählerschaft gewählt, das sein Wahlrecht direkt ausübt. Die Ungleichheit des Wahlrechts in Oesterreich, beziehungsweile die Be­­deutung des priviligierten Wahlrechtes erhellt auch aus folgenden, gleichfalls auf amtlichen Erhebungen beruhenden Ziffern, die den Ergebnissen der Wahl­­kampagne im Jahre 1897 entnommen sind. Im Jahre 1895 betrug die Bivil- Seulleton. Die Irre von Sankt Rochus. Kriminalroman von Gustav Höder. (7. Sortlegung.) „Ich habe den stenographischen Bericht über die Schwurgerichtsver­­handlungen bei mir, und will Ihnen denselben zurücklasfen“, sagte Gerth, die Broschüre aus der Zafche ziehend, „Wann darf ich mir erlauben, wiederzu­­kommen ?"* Der Detektiv antwortete auf diese Frage mit. Er nahm die Brotchlire aus Gerths Hand, überschlug sie rasch von Anfang bis zu Ende, indem er die Blätter an seinem Daumen abgleiten ließ, sehnte sich in seinen alten Sessel zurü­ck und begann von der ersten Seite an zu lesen, — als wäre sein Besucher gar nicht vorhanden. Seine wasserblauen Augen flogen sehr schnell, aber mit gespannter Aufmerksamkeit über die Zeilen. Zumeilen ließ er die Schrift finten und schien ein paar Augenblick­ nachzudenken. Ober ob er nun a3 oder nachdachte, — seine Miene blieb unbeweglich wie Stein, und ver­­geben, strengte sich der junge Arzt an, aus derselben irgend einen Eindruch herauszulesen. So verging eine geraume Zeit, denn die Broschüre war ziemlich um­­fangreich. Endlich legte sie der Detektiv vor sich auf den Tisch. Er war zu Ende damit. Gerths Augen gingen an dem Munde dieses Mannes. „Der Fall Liegt verzweifelt”, sagte der Detektiv. Dann trat ein längeres Schweigen ein. „Der Verteidiger hat zwar einige Punkte aufgegriffen, aber damit sein Arsenal volständig ertöpft“, unterbrach Alram endlich die Pause, indem er wieder nach der Broschüre griff und darin blätterte. „Punkt eins: Wie das Blut an die Hand der Angekragten gekommen sei, das ließe si einfach damit erklären, daß diese durch eine unmilitärliche Bewegung des Schredens, welcher sie si selbst nicht bewußt gewesen, mit den Wunden des Ertragenen in Berührung gekommen sein könne. Viel unerklärlicher erscheine es dagegen — und das ist Punkt zwei — daß an dem Mordinstrumente selbst feine Blutspuren entdeckt werden konnten. Hätten diese fs von dem eisernen Hammerkopf an leicht abwaichen Lassen, so sei doch anzunehmen, daß, als der ganz neue, offenbar frü­h aus dem Laden gekommene Hammer zu dem mörderischen Zmede gebraucht wurde, der Stiel einige Blutspriger davongetragen habe, die aus dem un weißen Holze nicht spurlos entfernt werden konnten. Der Stiel sei aber glatt, rein und unversehrt gewesen. Dean könne daher die Frage als eine offene betrachten, ob die That mit diesem oder mit einem anderen Hammer von gleicher Größe ausgeführt worden se. Daß derartige Beweis­­funde, wie hier der Hammer,­­con vor Ausführung eines Verbrechens unter das Eigentum Unschuldiger praktiziert worden seien, um auf diese den Ver­­dacht zu lenken, sei schon Häufig dagewesen. — Das ist richtig!” Der Detektiv blätterte weiter und fuhr fort: „Bunst drei betrifft die Thür, welche aus dem Empfangssalon des P­rofessord auf den Korrivor führt, stets sorgfältig von innen verriegelt war und dennoch vom Kriminalkommissär underschlosfen gefunden wurde. Das Dienstmädchen Therese Beidler giebt zu, daß sie die Thüre in der ersten Bestürzung selbst aufgeriegelt haben künne. Sie künne sich hierin aber auch geirrt und die Thüre bereit offen gefunden haben, meint der Verteidiger. Beruhte es auf einer V­ergeßlichkeit, daß der Riegel nicht vorgeschoben war, so traf er fi­doc seltsam, daß gerade mit dieser ganz ausnahmsweisen Vergeblichkeit der Mord zusammenfiel. War der Thäter eine andere Person als die Angek­agte, so mußte er für ihn von Wichtigkeit sein, die Thüre offen zu finden, denn sein Eindringen durch dieses, dem Entree zunäch­t gelegene Zimmer in das Schaffabinet war viel weniger der Gefahr ausgejegt, bemerkt zu werden, als wenn er den Weg zu seinem Opfer durch den Sammlungssaal hätte nehmen müssen, dem gegenüber sich das Zimmer der Vorleserin befand. — Mit Recht Hat der Verteidiger Diese Punkte hervorgehoben, aber sie erscheinen neben dem Belastungsmaterial unwesentlich.“ Doktor Gerth seutzte schwer auf: „könnte man nicht auf den Gedanken kommen, daß irgend­eine Person ein Interesse gehabt habe, das Leben des Professors abzukürzen ?” trug er, sich seines ersten Gesprächs mit Fünftanze erinnernd, „Hm“, machte Allram, „daß jemand seinen Tod herbeigewünscht hätte ? Meinen Sie dad mit Ihrer Frage ?“ „Es kommt ganz auf dasselbe heraus”, erwiderte der Jerenarzt. „Semnwöhnlich pflegen ed ungeduldige Erben zu sein, die so etwas herbei« wünschen“, bemerkte Allram troden. „P­rofessor Georgi Hatte seine Leibe gerben”, fuhr Gerth fort. „Seine Sammlungen hat er der Universität vermacht. WileS Uebrige aber,­­der Sprechende dämpfte hier plöglich die Stimme), sein bedeutendes Barvermögen alte Haus ist testamentarisch seiner Wirtschafterin Fran Bruscer zus gefallen.“ „Ich verstehe“, nichte der Detektiv. „Aber Hier ist beiläufig erwähnt“, fügte er Hinzu, auf die Brojegüre deutend, „daß Georgi an einem unheilbaren Brustübel mit, welches ihm nur noch eine kurze Lebenddauer vergönnt hätte. Ein paar Jahre früher oder später, — das hätte sich schwerlich verlohnt, si einen Mord aufs Gewissen zu laden und das Risiko, dafür um einen Kopf kürzer gemacht zu werden, zu tragen.” „Das ist freilich auch meine Ansicht”, gab Gerth zu, ruhe ich nach einem anderen Grunde, geben.“ „D ja“, verjegte Allram, „z. B. die Furcht vor einer Abänderung des Testaments zu Gunsten eines anderen,“ „3a, ja”, rief der Arzt lebhaft, „zu Gunsten eines anderen! Das wäre ein Gedanke —, „wen wir wo weiter ausspinnen können, da wir nun einmal dabei sind, den Prozeß zu revidieren“, sagte der Detektiv lächelnd. „Es ist ja seine Seltenheit, daß Junggesellen im Alter des Professors sich plößlich heftig ver«­lieben und die Welt doch eine Heirat in Erstaunen fegen. In den Rettungen stand es, und in dieser Brosgüre steht es auch, und Sie, Herr Doktor, können es vielleicht aus eigener Umihanung bestätigen, daß biese Konstanze Herbronn eine ungewöhnliche Schönheit ist. Zu diesen äußern Vorzügen kam noch eine geistige Bildung, die einen feinsinnigen Gelehrten unwohl hätte an« ziehen können. Wer weiß ob —* Er zuchte die Achseln. „Sie meinen —* Berth wagte den Gedanken nicht auszusprechen. Sein Unflig erglühte plöglich in dunklem Rot: „Bergebens und do muß ed einen solchen -

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