Transsilvania - Beiblatt zum Siebenbürger Boten, 1842 (Jahrgang 3, nr. 1-102)

1842-01-28 / nr. 8

38 Ihnen aus dem Sinne zu jagen; wollen Sie aber, daß keine Erschütterung Sie in dem ruhigen Abfluß Ihrer behaglichen Gefühle störe, so wählen Sie den längern Weg über Talmatsch. Die Strasse von Her­­mannstadt bis Talmatsch ist chauffirt und der Feld­­weg der von hier aus durch ein allmälig sich schlies­­sendes fleißig bebautes Thal führt, ist bei trocnem Wetter recht bequem. Mein Freund und ih­r A propos des Freundes! Wissen Sie auch, daß die Herren x und y, denen ich diese Ferienlau­­nen mitgetheilt habe, durchaus heraushaben wollen, wer der Freund sei, mit dem ich neulich über Öffent­­lichkeit und Magyarisirung und allerlei verwandte Gegenstände verhandelt. Treffen Sie die guten, so melden Sie Ihnen viel Liebes und Schönes, und sagen Sie Ihnen, der Freund sei eine =­ Ferienlaune, ein Zweifel, der sich von meiner Seele losgerissen, und sich als Object - Subject mir leibhaftig entge­­gen gestellt habe, und das sei tiefgelehrt und hoch­­philosophisch gesprochen, und darum müssen die Her­­ren x und y mir's glauben, wenn sie's auch nicht verstehn. Mein Freund begleitete mich auf dem Spazier­­gange in die Gebirgsschlucht, in deren Öffnung das walachische Dorf liegt. In der Ebne war er heute ungewöhnlich heiter und guter Dinge, sah festen Au­­ges in den dicht unter den Füßen strömenden Zood­­fluß und scherzte sogar selber über seine Besorgnisse von gestern und ehegestern und über den närrischen Einfall Bölkfer und Bäche und Natur - und Wil­­lenskraft zusammen geworfen zu haben. Wenns nur so bliebe! dachte ich bei mir selbst und ging weiter aufwärts am Fluße. So wander­­ten wir an der neuen Pulvermühle, die eben gebaut wird vorbei, und näherten uns allmälig unserm Ziele. Vor dem Dorfe begegnete uns eine Procession, voran zwei Popen im geistlichen Ornate , hinter ihnen ein langer Zug von walachischen Weibern und Männern und Kinder. Sie zogen in frommer Andacht zu ei­­nem Kreuze vor dem Dorfe von dem Himmel N Re­­gen für ihre von anhaltender Dürre verschmachtenden Felder zu erflehen; inbrünstige walachische Bittge­­sänge tönten aus ihrem Munde. Aber mein Gott, begann der Freund, warum beten und singen denn diese Leute nicht walachisch ? Loben Sie doch seit Jahrhunderten als Colonisten von Heltau auf sächsischem Boden. Wahrscheinlich haben Sie bei ihrer Ansiedelung sich das Recht der eignen Muttersprache urkundlich versichert. Narrischer Einfall, erwiderte ich, der Leser aber nicht nun, nachdem er die Person des Freundes kenne, wohl den Grund, warum ich ihn manchmal etwas derb anführe. Närrischer Einfall! weil die Theorie, daß in dem Nechte auf den Boden auch das Recht auf die Sprache seiner Bewohner enthalten sei, und eine Sprache nach Art der sieben magern Kühe Pha­­raonis alle andern verschlingen müsse, damals noch nicht erfunden war, und weil es Nechte gibt, die auch ohne Pergament und Siegel gelten. In dem Bewußtsein des Walachen wohnt das Gefühl des unantastbaren Nech­­tes auf die Sprache seiner Väter und wir Deutsche achten dasselbe eben so heilig als unser eignes. S< glaubte meinen Freund von seinen fixen Besorgnissen ganz geheilt, als ihn das Geklapper der Walken und der Hirsestampfen und der Getreide­­mühlen und das Nauschen der vielen Wehren im Dorfe wieder auf seine Symbolik vom Felsabhang bei Talmatsch zurübkrachte. Nein! rief er endlich aus; es ist unbegreiflich, wie Sie bei diesem Getöse so gleichgültig bleiben können! Diese Kraft, dieser Ungestüm — wie wird, wie kann das ohnmächtige Deutschthum endlich sei­­nem Untergange ausweichen! Kraft? erwiderte ich. Allerdings­ nur nicht eine natürliche Kraft. Was ist's auch? Ein paar Menschen hemmen den natürlichen Lauf des Flußes, scheiden einen Arm davon aus, heben hin durch künst­­liche Wehren in die Höhe zwängen ihn in enge Kanäle und machen sich ihn dienstbar und Sie glauben nun, der Fluß sei es, der all den Lärm macht. Aber der andere Arm zieht ungenirt und ruhig sei­­­nen Weg fort, und die Leute siedeln sich ohne Angst an den Wasserfällen an und wohnen friedlich daneben und die Abwehr des Stromes, wenn er Gefahr droht, erhält sie wachsam und macht sie kräftig. Unter dem Dorfe aber rinnen beide Arme wieder Man und fließen sich selbst überlassen in stiller Größe weiter. Deuten Sie mir das Bild, auf St. Helena aber bleiben Sie mir mit allen Gedanken von einer uns widerstehlichen Macht des Unrechtes fern. Auf St. Helena­ verfegte der Freund, St. Helena und Zood , wie kommen diese zusammen ? “Durch eine Ferienlaune des ersten Besitzers viele leicht, oder durch einen Zufall, — aber das Thor, welches vor uns steht, öffnet uns St. Helena. Hat auch seine Geschichte, dieses St. Helena, mein Lieder. Eine Wollspinnerei war zu Anfang dieses Jahrhun­­derts mit großen Unferten auf diesem Plage errichtet worden, gerieth aber bald, nachdem sie ungeheure Summen verschlungen ins Stocken. Seit der Zeit haben diese Gebäude ihre Eigenthümer öfters ge:

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