Ungarische Revue 1. (Budapest, 1881)

1881 / 1. heft - Literatur und Kunst - Gusztav Heinrich: Deutsch-ungarische Literatur

DEUTSCH-UNGARISCHE LITERATUR. 51 um so interessanter, da er die wiederholt aufgetauchte Legende vom Wieder­erscheinen Petöfi’s nach der Scliässburger Katastrophe zu erklären ge­eignet ist. Also gab es doch einen Doppelgänger Petőfi's ? Dies der Titel der folgenden Aufzeichnung Jókai’s : «Ich hatte dieser Tage das Glück, während eines archäologischen Ausfluges mit einem der allerältesten und vertrauenswürdigsten Freunde Petöfi’s zu reisen. «Es war dies Herr Franz Bathó, gegenwärtig Verwalter der Stom­­faer Herrschaft des Grafen Alois Károlyi. Bathó theilte sehr oft sein Brod mit dem Dichter, als dieser noch Wanderschauspieler in Waitzen war. Später, während des Unabhängigkeitskampfes, diente er mit Petőfi als Honvéd unter General Bern. Nach der russischen Invasion aber gerieth er, als flüchtiger Honvéd, zum alten Szendrey, zu Petöfi’s Schwiegervater. Und er blieb seither immer einer der vertrautesten Freunde der Szen­­drey’schen Familie und wurde später auch verwandt mit ihr. Mit Petőfi traf er zum letzten Male in Maros-Vásárhely zusammen, drei Tage vor der Schlacht bei Scliässburg (also am 29. Juli 1849). Er blieb die ganze Nacht mit ihm und widerrieth ihm, zu Bern zurückzukehren. Doch er vermochte nichts über ihn. Morgens drei Uhr stieg Petőfi in den Wagen lind fuhr ab. Nach der verlorenen Schlacht erkundigte sich Bathó überall nach Petőfi und sprach mit Vielen, die insgesammt aussagten, sie hätten ihn vor den Kosaken zu Fusse fliehen sehen. Wohin er jedoch gerathen sei, das wusste Niemand. Als Petöfi’s Gattin Julie allein in’s elterliche Haus zurückkehrte, gah der alte Szendrey seiner Tochter 200 Ducaten, damit sie sich aufmache. ihren Mann zu suchen. Das Resultat aller Nach­forschungen war, dass Frau Petőfi zu der Ueherzeugung kam, Alexander sei in der Schlacht gefallen. Bei ihrer Rückkehr stellte sie dem Vater so­fort Prof. Árpád Horváth als ihren neuen Gatten vor. Ihr Vater gewann diesen lieb und beruhigte sich über die neue Ehe. «Damals, Ende April 1850, kam eine Frau aus Hó 1-Mezővásárliely herauf nach der Puszta Mágócs, wo zu jener Zeit Szendrey wohnte, und begehrte Batlió zu sprechen. Dieser trug damals nicht mehr den ange­nommenen Namen, unter dem er geflüchtet war; der General Kende hatte nämlich auf eigene Verantwortung 34 Honvéds der L mgegend freigelassen. «Die Frau aus Vásárhely brachte Bathó die Nachricht, dass ein bei ihr w'ohnender flüchtiger Herr ihn persönlich zu sprechen wünschte. Ein mit ihr gekommenes kleines Mälchen sah in der Stube Petöfi’s Bildniss und sagte mit kindlich naiver Ueberraschung: «Ei, das ist ja das Bild des Herrn, der bei uns wohnt.» Daraufhin entschloss sich Batho sofort, mit jener Frau hinüber nach Vásárhely zu gehen. «Dort wies ihn diese nach einer Hofstube. Da lag auf dem Bette eine männliche Gestalt, die beim Erblicken des Gastes sofort aufsprang und ihm entgegeneilte. «Noch nie gab es einen Menschen, der einem andern Menschen so überaus ähnlich sah. Dasselbe Antlitz, dieselbe Haartour, die gleichen 4*

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