Bukarester Gemeindeblatt, 1908 (Jahrgang 4, nr. 1-52)

1908-01-06 / nr. 1

3 würdigster Weise die Villa Aisenmann zur Be­nutzung angeboten. So wird er denn dort gleich nach den Feiertagen sein Domizil auf­­schlagen, wenn nicht inzwischen das Pfarrhaus fertig gestellt ist. Was nun die Deckung der Baukosten anbe­langt, so hat die Gemeinde durch den Ver­kauf des halben Platzes 12.000 Lei erzielt, die schon an den Unternehmer gezahlt sind. Durch eine kürzlich veranstaltete Sammlung hat sie hierzu noch gegen 2.500 Lei erhalten. Endlich hat die «Steaua Romana» uns 3.000 Lei zum Bau bewilligt, was wir auch an dieser Stelle dankbar erwähnen. Wir hoffen zuversichtlich auch von einigen anderen Gesellschaften bal­digst eine Unterstützung für den Bau zu er­halten, damit auch die Malerarbeiten, deren Kosten noch zu den 20.000 Lei hinzukommen, baldigst vergeben und bezahlt werden können. So haben wir die Aussicht, in Kürze ein schönes, solides Pfarrhaus mit geräumigem Bet­­saal in der schönsten Lage der Stadt unser eigen nennen zu können. Wir hoffen zu Gott, dass er das Wirken des jungen Geistlichen seg­nen möge, damit die junge aber schon so grosse, weitverzweigte Gemeinde im rechten Sinne des Wortes eine evangelische Gemeinde immer mehr werde. E. Geschichte der Deutschen in den Karpathen­ländern *) von Raimund Friedrich Kaindl. (Schluss). Wurde so die Walachei in erster Linie von Kronstadt aus mit den Gütern deutscher Kul­tur versorgt, so spielte in der Moldau das säch­sische Bistritz die gleiche Rolle. Sollte Neamţu tatsächlich schon von den deutschen Rittern begründet worden sein, so erhielt es doch später immer wieder deutschen Zuzug aus dem nördlichen Siebenbürgen. Insbesondere machte die deutsche Kolonisation seit der um 1350 erfolgten Begründung des Fürstentums der Moldau grosse Fortschritte, indem jetzt auch aus Galizien-Polen deutsche Ansiedler in die Moldau zogen. Wieder war es der rege Han­delsverkehr, den Kronstadt, Hermannstadt, Bis­­tritz und Lemberg mit den Donaufürstentümern führten, und der durch zahlreiche Privilegien gefördert wurde, der diese Entwickelung mit sich brachte. Doch wurden vielfach auch Ge­werbetreibende (Goldschmiede, Uhrmacher, Bäcker etc.) sowie Schreiber, Lehrer, Soldaten aus Siebenbürgen hierher berufen. Im 16. Jahrhundert macht sich unter den Deutschen der Donaufürstentümer auch eine reformato­­rische Bewegung bemerkbar. Dieselbe wurde in der Moldau von Heraklides bedeutend ge­fördert, der sogar ein humanistisches Gymna­sium begründet hatte und zahlreiche deutsche Gelehrte in sein Land brachte. Die Revolution gegen Heraklides und das gewaltige Vordrin­gen der Türken brachten aber als unmittel­bare Folge der jetzt entbrennenden verheeren­den Kämpfe den Niedergang des Deutschtums in den Fürstentümern und damit zugleich die fast völlige Vernichtung des evangelischen Glaubens mit sich. (Man vergleiche hierzu die interessanten Berichte des päpstlichen Visita­tors Bandini von 1646 und Quirinis von 1599). Kein Wunder, war doch gerade das 16. Jahr­­auch für das Deutschtum in Ungarn und in Galizien ein überaus schweres und verderbli­ches gewesen. Erst als im 18. Jahrhundert der Umschwung zum Bessern eintrat, erfolgte auch in der Walachei und Moldau eine neue Stärkung des Deutschtums. In ausführlicher Weise wird gerade die neue deutsche Ansied­­im 18. Jahrhundert besprochen. Fast noch interessanter als die Schilderung des äussern Ganges der deutschen Kolonisa­tion ist das kulturelle Bild, welches Kaindl vor uns entwickelt. An der Hand zahlreicher Da­ten führt er uns die Verbreitung der deutschen Gemeinwesen, die Herkunft der Kolonisten, sowie die wichtigsten Berufsarten vor, welche von Deutschen ausgeübt wurden. An dem Bei­spiele der Kolonie Philippen und der evgl. Ge­meinde Bukarest lernen wir auch die ersten nach­haltigem Versuche zu organisiertem Zusam­menschluss kennen. Den schlagendsten Beweis für die Bedeutung der deutschen Kulturarbeit bietet jedoch das 3. Kapitel, das uns die grosse Ausbreitung des deutschen Stadtrechtes in der Moldau und Walachei klarlegt. Selbst im Gerichtswesen und in der Verwaltung, in der Einrichtung von Zünften sowie in der rumänischen Sprache (man vergi, die zahlreichen deutschen Lehn­wörter in Rumänischen!) erkennen wir den *) Bedauerlicher Weise konnte der Aufsatz wegen Raummangels nicht in der letzten Nummer des vorigen Jahrganges zu Ende ge­führt werden.

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