Die Karpathen, April-September 1912 (Jahrgang 5, nr. 13-24)

1912-09-15 / nr. 24

738 Liebe zu mir. Er meint, ein armes Mädchen gefreit zu haben. Er soll und darf nicht wissen, wie unser Haus bestellt ist. Ich aber will sein karges fos mit ihm teilen, zum Zeugnis heffen, daß ich eher bereit bin, mit ihm zu darben, als mit jedem andern in Glanz und Reichtum zu wohnen. Ich muß es tun um seiner Ehre willen — allen zum Beweise, daß mein Vertrauen keinem Unwürdigen gegolten. “, hilf mir dazu!* „Und wenn der Beweis mißlingt“, warf die Mutter ein. Melitta atmete tief. „Dann ist mein Weg ein Irrweg gewesen“, erwiderte sie, „und doch einer, den ich gehen mußte, wie den Weg von Kindheit an zum Tode“. Betroffen schüttelte die Mutter das Haupt. Sie wußte, wie wenig Jie an dem Ernste dieser Worte zweifeln durfte, und vermochte ihre Bewegung nicht zu verbergen. „Wie konnte dies die geschehen, mein Kind!“ klagte Jie. „Warum mußte das sein, warum habe ich dich von mir gelassen, warum in diese ver­­hängnis­volle Reife gewilligt ?* Melitta [chwieg, dann neigte sie sich vollends zur Mutter. „Laß di die Jenge nicht quälen“, sagte sie lächelnd. „Vielleicht riet es die der Himmel, dich einer alten Sorge um mich zu entheben, — vielleicht geschah es, weil man das Leben zwar durchdenken kann, aber schließlich doch durchleben muß, Jo oder Jo! —* * * há Gegen Ende des Sommers fand in dem Kirchlein, des Ortes, wo In Mimi und Melitta gefunden hatten, eine stille Hochzeit statt. Den Gästen war niemand anwesend, außer Heren und Frau Eneska, Mielittas Mutter und deren Bruder, sowie dem alten Erdmann, der nun in schwerer Sorge um die­se des jungen Freundes Zeuge der Handlung war. Sein einziger Troft blieb, daß die wohlhabenden Verwandten der Braut seinen Liebling nicht ganz würden sinken lassen. Bevor das junge Paar in Mimis Unterhaus einzog, wurde dieses von den neuen Verwandten an Stelle anderer Hochzeitsgaben ein wenig aus­­gestattet. Die beiden Luxuspferde verkaufte Mimi selbst und stellte dafle ein kleines Steppenpferd ein, das zu dem alten Wägelchen paßte. Die Kalerd­e fand troß allen Bemühungen keinen Käufer und blieb darum vor­­läufig in der Scheune, steh­ttas Öheim Raab einiges Nußvieh bei und forgte insbesondere den Geflügelhof. Als er dann durch das Wirtschafts­­ebäude schritt und das schadhafte Dachwerk sah, meinte er überdies ächelnd, es müsse doch auch daran gedacht werden, daß nicht allzuviel Bauseglen in den jungen Bausstand blicke, und ließ die Zimmerleute das­ötige vornehmen. Nachdem dies alles geschehen war, sagte Melitta zu Mimi: „So und jegt genug! Keinen Heller dürfen wir sie von nun an mehr kosten, wenn ich zufrieden sein soll und frei!" „Ich habe es nicht begehrt, Liebe*, erwiderte Mimi beklommen, „und es bedrückt mich ohnehin. Ich habe mir immer gedacht, das mache ich, ehe der Winter kommt, [chon noch selbst mit dem Knecht zurecht. Da es aber einmal geschehen it, ist es mie um deinetwillen lieb. Es bleibt mie nun mehr Zeit zu andern Dingen. So kann ich jegt das Gebinde zurichten, den Keller instandfegen und dabei soviel auf dem Weingut besorgen als der Tag zuläßt. Die Lese stand nahe bevor, und da Mimi im Frühjahre viel versäumt hatte, lag ihm daran, noch in legter Stunde nachzuholen soviel er vermochte. Wollte er alles bewältigen, was es in die­sen Herbsttagen auf dem An­­wesen zu verrichten gab, so blieb ihm für sein junges Glück wenig Zeit

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