Die neue Zeitung, April-Juni 1933 (Jahrgang 4, nr. 484-554)

1933-06-11 / nr. 539

Nr. 539 u 4 % ER TARER: § Ler­tlel­ung : Bermannstadt, Gen. Mosoiugalle (Kleine Grde) Dr. 4 / Fernsprecher Dr. 7 Verwaltung : Sporergalle Dr. 13. Baruaspreis für ein Monat 58 Lei, mit Zustellung 65 Lei, Einzelnummer 3 Lei, Bezugspreis fürs Postihekkonti: Leipzig 8937, Wien 93133, Prag 79629. Ausland 110 Lei monatlich. Anzeigen übernehmen unsere Derichleißstellen und alle Anzeigenagenturen des In- und Auslandes, für bestimmte Plätze und Termine kann keine Verantwortung übernommen werden, werden auf keinen Fall zurückgesc­hickt. Unverlangte Manuskripte Hermannstadt, Sonntag, den 11. Juni 1933 4. Jahlgang Uinparteiisches Tageblatt für die freie Meinung der deutschen Bevölkerung Rumäniens Was Der Beobachter beobachtet (H) vor einigen Tagen b­esuchte unsere Schriftleitung ein Bekannter und gab seiner Freude darüber Ausdruck, daß Die neue Leitung sich mit der Selbsthilfe zu bes freunden beginne. Er wies die Nr. 22 des Ostdeutschen Beobachters vor, in welchem nachstehendes zu lesen ist: „Die verschiedensten prächtigen Stilblüten und die sonderbarsten Gedankengängen machen den Artikel zu einem der amüsantesten, der in feßter Zeit in der hei­mischen Presse erschienen ist. Und da wir Geibsshilfe­­leute an auf dem Standpunkt siehen, daß es nicht auf die „äußere Gewalt“, sondern auf den inneren Gehalt ankomme, wünschen wir der „Neuen Leitung“, in der von ihr gehandhabten Berichterstattung nur so weiter fortzufahren.“ Mit eigentümlichem Lächeln mußsen wir unseren Bes­pannten darüber aufklären, daß dies ja nur ein Teil des Artikels sei, der uns in sinnloser und unfachlicher Mt angreifen will. Die Schlußbemerkung soll doch febsivers fändlich ironisch gemeint sein. Der geehrte Beifasser hat eben vergessen, daß seine Milikel mit den Worten „Schandblatt, „Schandblatt“, „Leitungsschmierer“ und ähnlichen Worten aufhören miülsfen, damit der größte Teil seiner Parteigenossen sie versteht. — In seiner Nr. 23 von heute, greift uns der Ostdeutsche Beobachter aus anderer Leder an, die erst jet­­ piß ges worden ist, seitdem er einen Vorreiter gehabt hat. Er mach uns zum Vorwurf, dab wir vor einigen Wochen einen Artikel eines führenden K Hermannstädter Juden vers­öffentlicht haben. Wir halten es für unsere Pflicht, wenn die Formen eingehalten werden, auch den nichtdeutschen Mitbewohnern unserer Stadt, die Spalten unseres Blat­­tes zu öffnen, wenn sie kein eigenes Organ haben. Das gleiche tut auch das S. 9. Tageblatt, die Aronstädter Leitung, das Bukarester Tageblatt und die Banater deutschen Leitungen. Warum werden gerade wir ankra­­kelert? Und diesmal nur mit Schlagworten, wie: „talmus diftlich gelarnter Weise“, „Barmat, Sklarek u. Antisker“, „Schmus“ an. Es wäre doch richtiger gewesen, den Artikel fachlich zu widerlegen, gerade heute, wo in Deutsch­­land die Judenfrage bei weitem nicht mehr so barn ges­tandhabt wird. Wir verweisen nur auf die Pfingstnum­­mer des gleichgeschalteten Berliner Tageblattes, das in seiner Beilage „Die Brücke“, eine ganze Reihe von Ar­­tikeln veröffentlicht, die auf eine V­erständigung mit den deutschen Juden hinarbeiten. Sollte die deutsche Regierung hievon keine Kenntnis haben? — In einer Hinsicht muß man der Selbsthilfebewegung recht geben, die Zeit drängt zu Entscheidungen, da die Meinungsverschiedenheiten so groß sind, daß auf eine Einigung in der Form von Kompromissen nicht mehr zu denken ist. Der politische Kampf muß begonnen werden und jeder soll seine Anschauungen vertreten wie er sie vor unserem Volk und seinem Gewissen verantworten kann. »Politische Amlbau Ministerrat unter Borfik des Königs Gestern, Freitag,­mittag fand unter dem Borfit G. M. des Königs ein Ministieiret fett. Außenminister Zitulesen hat infolgedessen seine für Donnerstag angejegte Abreise nach London verschoben. 3. 6. Duca abgereist Der Borfigende­ der liberalen Partei 3. 6. Duca hat Mittwoch abends mit seiner Gattin Bukarest verlassen und sich ins Ausland begeben, wo er bis Ende des Mo­­nats zu bleiben gedenkt. Deutsches Transfermoratorium verkündet Als Ergebnis der Beratungen der Gläubiger der Reichsbank hat die deutsche Regierung, wie von uns fen vorausgesehen, das Transfermoratorium verkü­ndet. Die Gläubiger haben sich mit dieser Bek­ü­ndigung abgefunden. Die Schuldner zahlen in die Konversionstafia ihre Schul­­den in Mark, die den Gläubigern zur Verfü­gung gestellt werden. Die Begrü­ndung der Reichsbant lautet, daß die Gold- und Devisendedung der Mark so erschöpft sei, daß ein weiterer Abzug die Tätigkeit der Notenbant unmöglich machen würde. Die Gläubiger werden in der nächssten Mode in London neue Besprechungen abhalten. Aus dem Ausweis der Reichsbant geht hervor, daß die Gold­­und Devisenbestände der Reichsbant von 3078 Millionen im Jahre 1930 auf 280 Millionen im Juni dieses Jahres gefunden sind. Die Abrüstungsfrage Das erweiterte Präsidium der Abrüstungskonferenz hat beschlossen, seine Arbeiten bis zum 27. Juni zu un­­terbrechen. Die Arbeiten der Abrüf­tungskonferenz werden inzwischen vollständig ruhen. Der Präsident der Abe­rüstungskonferenz, Senderson, begibt [im Ende der Woche nach London, um dort in Zahlungnahme mit dem dort anläßlich der Weltwirtschaftskonferenz anwesenden Außen­­minister und dem Regierungschef die endgültigen Ents­­cheidungen der Abrüstungskonferenz, die für Juli vor« gesehen sind, vorzubereiten. Am 27. d. wird das er­­weitere Präsidium in Genf wieder zusammentreten, um auf­grund der von Henderson inzwischen in London geleisteten Vorarbeit die zweite Zeiung des Abrüstungs­­konventionsentwurfes vorzubereiten.­­Henderson begründete in der nichtöffentlichen Sagung die Befragung bis zum 27. Juni mit dem Hinweis, daß er Besprechungen, mit denen er vom Hauptausschuß zur weiteren Förderung der Arbeiten der Konferenz beaufs­tragt worden sei, zunächst nur in London führen könne. Er deutete an, daß er eventuell auch in der Zwischenzeit nach Paris geben werde, um dort Verhandlungen zu führen. Er ließ sogar durchblicken, daß unter Umständen das erweiterte Präsidium der Abrüstungskonferenz in der Zwischenzeit bis 27. Juni nach London einberufen werde. Der deutsche Vertreter, Botschafter Nadolny, untersfüßte den Vorschlag Kendersons, der schließlic einstimmig aus­genommen wurde. Kommunistenverschwörung in Ungarn aufgedeckt In Szillaghegy und Pomaz, zwei in unmittelbarer Nähe der Hauptstadt gelegene Gemeinden, hat die Polis­zei eine geheime kommunistische Agitationszentrale aus­­gehoben. Achtzehn Nädelsführer wurden in Last genom­­men. Auch in der Nähe von Debreczin sind mehrere Verhaftungen vorgenommen worden. nn ee NSZTENNENYN MENTE EMNMENSEMMEKNENEMN ENE OT OTET, Wir wünschen gute Unterhaltung ! An. Auf der Zerafse seiner vornehmen Billa in Hers­mannstadt W. [ab Rechtsanwalt Dr. N. in einen be­­quemen Korbjessel wohlig geschmiegt und sah den blauen ARaubringerin, die er seiner ägyptischen Ligareite ent« Iod­e, traumverloren nah. — Es war nach 5 Uhr nach­­mittags. Ein Tag ausgefüllt mit Arbeit und Aufregungen, aber auch gekrönt von Erfolgen ging zur Neige. — Hatte er doch einen langwierigen, schweren Prozeß, von dessen Ausgang nicht bloß sein Ruf als Rechtsanwalt, sondern auch sein weiterer Wohlstand nicht wenig berührt ward, nun endlich gewonnen. — Zufrieden lächelnd warf er die ausgebrannte Zigarette in die Archenschale. Nun schweiften seine Blicke hinab in den wunder­­vollen, gepflegten Garten, dessen Pracht einzig in ihrer Art im ganzen Billenviertel, ihn mit berechtigtem Stolze erfüllte. Berauschend duftete der Glieder. In den Wipfeln der in den zu beiden Seiten der Zierafje zwitscherten Sinken und Meisen um die Wette,­­ Bienen und Mühs­­en summten und schwirrten durcheinander. Alles freute si der lebenspendenden Wärme unserer lieben, alten Sonne, die sich nach einem ungewöhnlich langen Winter und nassem, kalten Frühling endlich ihrer Pflichten zu entfinnen begann. — Na, die angekü­ndigte neue Eiszeit schien ja doc noch in weite Ferne gerückt, dachte bes­ruhigt Dr. N. und ergriff die vor ihm ,auf dem Tischchen liegende „Neue Seilung“ um zu sehen, was auf dieser bulligen Erde und besonders im armen, närrischen Europa­chon wieder los­tet. Den Leitauffaß übergehend, — er las ihn grund» fäglich niemals — streifte er flüchtig die „Politische Um­schau“. — Völkerbund — Kasperltheater und Abrü­stungs­­schwindel etelten ihn von lange an. — Die romänische Polität bot weder Neues, noch Erfreuliches. — Die Ereig­­nisse in Deutschland, denen seit Monaten des Rechtsan­­walts ganze außerberufliche Anteilnahme gehörte, nahmen seit Hitlers Machtergreifung weiters ihren folgerichtigen Lauf. Für die Tagesneuigkeiten mit ihren mehr oder weniger fetten Zeitungsenten, für naive Gemieter berechnet, konnte der Rechtsanwalt bloß ein mitleidiges Lächeln auf­­bringen. — Auch die in großer Aufmachung gelernten Auffäße wie „Ein unheimliches Abenteuer“, „Einbrecher-Romantik“ und sonstige Schauermärchen ließen ihn vollständig fast. — Bei den Sofalnachrichten angelangt, fesselte seinen Blick die Mitteilung: „Wir wünschen gute Unterhal­­tung.“ Unter diesem Titel findet am 17. Juni im Stadt­­theater ein richtiger bunter Abend statt. Die musikalische Zeitung besorgt Dr. W. Schönherr. Mitwirkende sind: Frl. Hilda Holbe, Frau Angela Popesceu, Frl. Mizzi Stumm­­vol, Frl. Liebicch, Alfred Eichner, Ditmar Greasfer, Egon Bod, Ludwig Neumayer und viele andere. Die Girltänze sind von Tanzlehrerin — — — — weiter konnte er nicht lesen, denn ein süßes kleines Mädel, die fünfjährige Heide, sein Slingstes und Liebstes fam ft äh­mlsch auf ihn zugelaufen. Bapaden, Bapadien, was sol denn das heißen, Mutti, Sraute und ihre Freundin Ilse und alle Leute sagen immer „Wir wünschen gute Erhaltung.” — Wozu denn Bapadien ? Glüclich 309 Dr. N. die Kleine an sich und strich ist liebe fofend über das blonde Lodenköpfchen. „Wir wünschen gute Unterhaltung“ ist eine Theateraufführung, Heiderl, sagte er erklärend. — Darf ich da auch hingehen? fragte die Kleine, Nein, Liebling, dazu bist Du noch viel zu Hein. Während Dr. N. sich bemühte sein ob dieser Ant»­wort schmollendes Tüchterchen zu trösten, öffnete sich die Flügeltüre zum großen Speisezimmer und des Aedhisan­­walts Gattin, seine achtzehnjährige Tochter Traute samt ihrer Freundin Life heiraten die Terasje. Mit der Frage „Bapa hast du fon gelesen von dem bunten Abend am 17. Juni?“ begann Traute die große Nederhlacht. Da müssen wir unbedingt hingehen. Bedenke doch, wer da alles mitwirkt. Lilda Kolbe, diese hervorragende Sängerin, die in Berlin bei der berühmten gula Myß-Gmeiner ftun­diert hat und seither in verschiedenen Operettenaufführun­­gen wie „Fledermaus“ , Goldne Meisterin* u­m die Zu­­hörer entzückte. Dann die raffige, hübsche Frau Angela Popescu, die vor Jahren in „Zigeunerliebe“ und „Clare­dasfürstin“ ungeheure Erfolge errang. Weiters Mizzi Stummovoll, als Darstellerin des „Friedl“ in „Die gol­­dene Meisterin" noch in schönster Erinnerung. Ja, Herr Doktor und erst die Herren, fehle Trautes Freundin Lise fort. Der herzige Dttmar Strasser, der beliebte Gesangs­­und Tanz­ fomiker. Egon Bock, unser bekannter und berühmter, schneidiger Tänzer, weiters Alfred Eichner, der glänzende Tenorist der in f­onzerten des Männergesang­­vereins sowie in der Operette „Die Csikosbaronesse“ allsz gemein sehr gefiel, sowie Ludwig Neumayer der draffische Komiker ebenfalls von früher her bestens bekannt. Dann eine Schar Tanzgirls mit Sr­. Xieblich) an der Spike. Und zum Schluße gibt’s noch eine großartige Modes­chau . Die Leitung des musikalischen Teiles hat unter Hr. Wilhelm Schönherr übernommen, wodurch im Bors hinein die Gewähr für eine glänzende, auf künstlerischer Höhe stehende Veranstaltung gegeben ist, warf des Redhis» anwaltes Gattin ein. — Dieser Abend verspricht ja tatsächlich sehr nett zu werden, brachte nun Dr. N. nach Bersiegen des Rede= ihwalles der 3 Frauen unübhsam hervor. Ich werde mir die Sache überlegen. V­orläufig muß ich noch um 8 Uhr in eine dringende Sißung gehen. — Als Dr. N. nach dem Abendessen Hut und Mantel nahm um sich zur Sigung zu begeben, —­­holt es ihm entgegen: „Wir wünschen gute Unterhaltung.« — Na, von der Unterhaltung in dieser Sigung würde i­hr Schwerlich sehr begeistert sein, entgegnete er spöttisch. Der Rechtsanwalt der bereits die Türklinke in der Hand hielt, überlegte einen Augenblik, dann wandte er sich um und sagte feierlich: Wir gehen am 17. Juni zu dem bunten Abend. Traufe, lasse möglichst bald eine Loge im I. Rang für uns vormerken. " Gute Nacht! Die jubelnde Freude, die seine Worte ausgelöst hatten, tönte ihm durch die geöffneten Senster noch lange nac. — — — — .

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