Die neue Zeitung, Juli-September 1941 (Jahrgang 12, nr. 1572-1584)
1941-07-06 / nr. 1572
—- M - - w—· Eingetragen in das Register der Veröffentlichungen beim Hermannstädter Gerichtshof unter Zahl 51/1938 Nr. 1572 Hermannstadt, Sonntag, den 6. Juli 1941 Eigentümer und Direktor: Wilhelm v. Hannenheim Verantwortlicher Schriftleiter: Edmund Holly 12. Jahrgang Das Musische Gymnasium Die nationalsozialistische Führung in Deutschland hat immer wieder dem Gedanken Ausdruck gegeben, dass der heranwachsenden Jugend Raum für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit zu geben ist. Wie diese freie Entfaltung des Persönlichen im Rahmen der geschlossenen Jugendführung zu denken ist, und wie bei aller Bindung ganz neue Möglichkeiten der freien Entwicklung eigenpersönlicher Kräfte geschaffen werden können, dafür gibt es ein zweifellos in naher Zukunft über das Reich hinaus anregendes Beispiel: das „Musische Gymnasium". Die erste Stätte dieses aus der grossen kulturellen Erneuerung des deutschen Lebens heraus entstandenen Typs einer besonders ausgerichteten Erziehung ist während des Krieges in Buchenrode bei Frankfurt am Main eröffnet worden, und heute bereits ist die Gemeinschaft der „Buchenroder Finken“, wie der Volksmund die singenden und musizierenden Jungen nennt, dabei, auf ihrer ersten Konzertreise durch die deutschen Städte zu einem neuen Begriff der Musikerziehung zu werden. In den Bestrebungen, die zur Gründung des ersten „Musischen Gymnasiums” führten — dem übrigens bald zwei weitere Anstalten in Leipzig und Wien in enger Verbindung mit der Musiktradition dieser Städte folgen werden, — traf sich ein grosser kunstfördernder Gedanke des Führers und die von Jahr zu Jahr wachsende Musikfreude und »pflege der Hitlerjugend. Diese lebendigen Voraussetzungen in der deutschen Jugend bildeten den fruchtbaren Boden für die Verwirklichung der grosszügigen Anordnung des Führers zum Aufbau des ersten „Musischen Gymnasiums“. Antike Vorbilder liefern allenfalls gewisse Vergleichsmöglichkeiten für diese neuen deutschen Pflegestätten des künstlerischen Nachwuchses, freilich mit dem sehr wesentlichen Unterschied, dass die neue musische Erziehung in Deutschland als Zelle in den Gesamtorganismus des deutschen Kulturlebens eingegliedert ist. Die Aufgabe des „Musischen Gymnasiums” ist es, in einem Rahmen gemeinschaftlichen Lebens und Lernens, der in jeder Hinsicht elastisch genug ist, der persönlichen Begabung Raum zur Betätigung und Entwicklung zu bieten, musikalisch und bildnerisch künstlerisch begabte Jungen unter dem bestimmenden Gesichtswinkel ihrer besonderen Veranlagung zu erziehen. Der Aufnahme geht eine sorgfältige Auslese voran, über der als oberste Instanz das Reichserziehungsministerium wacht. Wie sich die Anlagen äussern, d. h. ob der Junge für dieses oder jenes Instrument, gesanglich oder kompositorisch begabt erscheint, ob er schon eine gewisse Höhe der musikalischen Praxis erreicht hat oder mehr allgemein musisch begabt ist, fällt zunächst weniger ins Gewicht als eine Harmonie der charakterlichen und geistigen Fähigkeiten mit dem erkannten musischen Sinn des Jungen. Dabei sprechen naturgemäss Schule und Hitlerjugend aus ihren Erfahrungen ein Wort mit, wogegen jedoch keinerlei Rücksicht auf die soziale Lage der Eltern genommen wird. Die Ausbildung bewegt sich auf drei organisch miteinander verflochtenen Linien, die sich auch äusserlich voneinander abheben: im „Haus der musischen Erziehung” erfolgt die gesamte musikalische Ausbildung auf der Grundlage eines gediegenen Klavier- oder Violinunterrichts und entsprechender musiktheoretischer Unterweisung, sinnvoll unterbaut durch vorwiegend rhythmischgymnastische Leibesübungen. Hier ist auch die Stätte der Orchester- und Chorpraxis, in die die Jungen rasch hineinwachsen. Mit Stolz kann der Leiter der Frankfurter Anstalt, der bekannte Komponist und Musikerzieher Professor Kurt Thomas, auf zwei Schülerorchester und einen Schülerchor verweisen, die bereits ein schönes konzertmässiges Können besitzen. Im anschliessenden „Haus der Geistesschulung“ werden die Jungen nach dem Lehrplan der Oberschule ausgebildet. Dem „Schülerheim“ endlich ist die Ergänzung der musischen und geistigen Ausbildung durch die kameradschaftliche Gemeinschaftserziehung vorbehalten. Der eigentliche Sinn des „Musischen Gymnasiums” ist es, musikalische Anlagen unter staatlicher Förderung zu Höchstleistungen auf breiter Basis zu entwickeln und Begabungen, die früher einer von den verschiedensten Zufälligkeiten und oft harten materiellen Notwendigkeiten abhängigen ungeregelten Entwicklung überlassen blieben, in einer planmässigen Gemeinschaftserziehung zu sammeln. Das „Musische Gymnasium“ dient nicht so sehr der pfleglichen Führung gesialer Begabungen als vielmehr der Heranbildung eines menschlich-charakterlich wie künstlerisch gleich nachhaltig erzogenen Stammes tüchtiger Musiker. TETTER S NO TOT Impfstoffe gegen Keuchhusten Unter den ansteckenden Krankheiten, die in den ersten Lebensjahren des Kindesalters die meisten Opfer fordern, steht an erster Stelle der Keuchhusten. Die Ausbreitung geschieht besonders durch Tröpfcheninfektion beim Sprechen, Husten und Niesen von Mensch zu Mensch — sowohl vom erkrankten Kind als auch durch Gesunde, die Träger dieser Bakterien sind. Die deutsche bakteriologische Forschung hat sich in den letzten Jahrzehnten mit diesem Fragenkomplex befasst, sie hat die ursächliche Bedeutung des Keuchhustenbazillus, eines feinen Stäbchenbakteriums, endgültige bewiesen und damit die Voraussetzungen zu spezifischen Abwehrmassnahmen geschaffen, die in dem Keuchhustenimpfstoff vorliegen. Die Herstellung eines einwandfreien und wirksamen Impfstoffes ist jetzt möglich. Solcher Impfstoffe hat man sich schon seit vielen Jahren bedient, doch war wegen der häufigen Schwierigkeiten eine einwandfreie Diagnose zu stellen und die Keuchhustenbazillen von nahen Verwandten abzutrennen, die richtige Auswahl des zur Impfung notwendigen Materials meist nicht gegeben. Darum waren die Erfahrungen mit den alten Impfstoffen so widerspruchsvoll: Ja nach dem verwendeten Impfstoff sah man günstige oder weniger günsige und zum Teil sogar völlig mangelhafte Resultate. Aber die heute gegebene einwandfreie Herstellung der Impfstoffe liess bessere Resultate erwarten, die in der Tat sowohl aus Deutschland als auch aus manchen andern Staaten berichtet wurden. Während einer Behandlung der akuten Keuchhustenerkrankung mit einem Impfstoff nur verhältnismässig wenig Aerzte positiv gegenüberstehen, mehren sich die Stimmen sehr stark, die für den Impfstoff zur Verhütung des Keuchhustens sprechen. Die statistische Beurteilung ist aber vielfach schwierig, weil sicherlich nicht alle angesteckten Kinder auch an Keuchhusten erkranken. Des weiteren ist es schwierig, beim Vergleich gesimpfter und ungeimpfter Kindergruppen den Grad der Aussetzung gegenüber dem Keuchhustenbazillus so klar zu umreissen, dass statistisch einwandfreies Material gewonnen werden kann. Wenn man aber zum Beispiel hört, dass in einer Keuchhustenklinik von 600 keuchhustengeimpften Kindern 98 einer Ansteckung ausgesetzt waren und keines dieser Kinder erkrankte, während in der gleichen Zeit von fünf Jahren 174 von 192 nichtgeimpften Kindern keuchhustenkrank wurden, dann sprechen diese Zahlen doch eine recht eindeutige Sprache. Wenn wir auch über die Dauer des Impfschutzes — eben wegen der statistischen Schwierigkeiten — noch nichts Genaueres wissen, so ist doch jene Beobachtung bemerkenswert, wonach in einem Kinderheim fünfzig Kinder geimpft und fünfzig Kinder nicht geimpft wurden und nach einer zwei Jahre später erfolgten Einschleppung von Keuchhusten alle nicht geimpften Kinder in mittelschwerer Weise an Keuchhusten erkrankten, während die Erkrankung bei geimpften Kindern einen sehr leichten Verlauf nahm. Wir dürfen heute feststellen, dass durch derartige vorbeugende Impfungen bei Verwendung guten Impfstoffes und richtiger Dosierung ein Schutz vor der Keuchhustenerkrankung durchaus möglich, wenn auch nicht hundertprozentig sicher ist. Dieser kurze Bericht mag zeigen, dass die Probleme der spezifischen Behandlung und Verhütung Keuchhustens nicht endgültig gelöst sind. Es liegen mancherlei Möglichkeiten zur Verbesserung Keuchhustenserums vor. Man wird sich auch mit allem Ernst dieser Aufgabe widmen, denn die Erkrankung und an Schwereeingebüssigung hat, noch der Impfstoffe und auch zur Herstellung eines hat bis heute zahlenmässig in ihrer Bedeutung keineswegs Da zudem der Keuchhusten die Nei= anderer Bakterien besonders leicht zu einem ungünstigen Ausgang zu führen, hat man dem Keuchhustenimpfstoff andere Impfstoffe zu Verhütung dieser Komplikationen beigefügt. Man hat also Mischimpfstoffe hergestellt. Während sich Mischimpfstoffe zum Beispiel zur gleichzeitigen Verhütung von Diphterie und Wundstarrkrampf oder Diphterie, Typhus und Paratyphus zum Teil schon recht gut bewährt haben, kann dies hinsichtlich der gleichzeitigen Verhütung von Keuchhusten und Lungenentzündung oder Grippe noch nicht gesagt werden. Gerade diesen beiden Krankheitsgruppen können wir leider mit unseren heutigen Methoden auf spezifischem Wege noch nicht erfolgreich genug zu Leibe rücken, da ihre bakteriologische Ursache zu vielgestaltig ist. Bei der Behandlung der Lungenentzündung hat uns nur die moderne Chemotherapie in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte beschert, die wir umso dankbarer besprüssen, als die Lungenentzündung eine der wichtigsten Todesursachen ist. Von Impfstoffen selbst ist aber nach dem heutigen Stand der Forschung weniger zu erwarten, wenn auch in vielen Laboratorien daran gearbeitet wird. Die Hygieniker und Bakteriologen sind also im grossen und ganzen von dem heutigen Stand der spezifischen Keuchhustenverhütung und „behandlung noch keineswegs voll befriedigt. Wir glauben aber, im Hinblick auf den Ernst der Keuchhustenerkrankung, dazu raten zu sollen, keuchhustengefährdete und der Ansteckung ausgesetzte Kinder mit den modernen Keuchhustenimpfstoffen zu schützen. Einzelne Versager dürfen uns nicht abhalten, auf diesem Wege weiterzugehen, da auch schon die bei geimpften Kindern auftretenden Keuchhustenerkrankungen, im algemeinen wenigstens, sehr viel leichter sind als bei ungeimpften Kindern. Für Massenimpfungen gegen Keuchhusten sind heute noch nicht die Voraussetzungen gegeben es kommt also nur auf den Schutz des einzelnen Kindes bei Ansteckungsgefahr an. Professor Dr. Gundel (Wien) des durch Mitwirkung