Kaschauer Zeitung, Januar-März 1873 (Jahrgang 35, nr. 1-26)

1873-02-26 / nr. 17

XXXY. Jahrgang 1873. Raschau, Mittwoch, 26. Februar. Lokalblatt für Volkst, Haus­ und Landwirthschaft, Industrie und geselliges Leben. Erscheint jeden Mittwoch und Samstag. Pränumeration für Kaschau vierteljährig 1 fl. 25 jendung tr., mit Postver­­t fl. 50 fl. Pränumeration wird jeden Tag angenom­men bei der Administration der Kaschauer Zeitung, Hauptgasse Nr. 60, bei al­­len Postanstalten handlungen. u. Buch- Megjelen minden Szerdän &s Szombaton. Unfransirte Briefe an die Redaktion werden nicht angenommen. nn m Inserate, 5 Br. für eine fünfmal gespaltene Petit­­zeile. — Inseratenstem­pel 30 kr. für jede Anzeige. Bei größeren Ankündigung­­en und öfterer Einschaltung entsprechender Nachlaß. In Wien übernehmen Inserate für uns die Her­­ren A. Oppelik, Wollzeile Nr. 22, Haassenstein , Vogler, Neuer-Martz Nr. 11 und Rudolf Mosse Annoncen - Expedition. 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Wir leben, wie aus diesem Redeeifer deutlich hervor­ , geht, noch immer in der rhetorischen Periode des Parla­­mentarismus, welche in England unter Fox, Burke, den beiden Pitt und Sheridan ihren Glanzpunkt erreichte, unter dem eisernen Herzog und dem praktischen Peer bereits zur Neige ging, worauf dann die nüchterne Manchesterschule, als deren hervorragendste Vertreter Bright und Gladstone zu betrachten sind, zur Herrschaft auf der politischen Red­­nertribune Englands gelangte. Die praktischen Amerikaner haben zu keiner Zeit die Rhetorik in ihrem Parlamente auf­­kommen lassen, obschon sie das verwerfliche Parteimittel des Todes­ wätens — die Debatte ohne Ende — eigentlich er­funden haben. Der deutsche Individualismus sträubt sich, seine — wenngleich oft unwesentliche Sonderansicht der Parteidisziplin zum Opfer zu bringen, daher die Zahl der Wilden und der sonderbaren Käutze in den deutschen Kam­­mern keine geringe ist, allein die dort gehaltenen Reden sind durchwegs frei vom Pathos, vielmehr kritischen Snhalts und auf die Sache gerichtet; denn selbst in Süddeutschland ist der Rottek-Welker'sche Liberalism­us bereits8 ein überwunde­­ner Standpunkt, und seitdem die Zahl der Advocaten sich in den deutschen Vertretungskörperschaften erheblich vermin­­dert hat, verloren die Debatten immer mehr den Charakter­­ der professionellen Rechthaberei und des forensischen Wider­­spruches. Wenn bei den romanischen Völkern, bei den Franzosen, Spaniern und Italienern, die parlamentarische Rhetorik durch die politische Leidenschaftlichkeit fortwährend gepflegt wird und das edle Pathos eines Castelar, Gambetta und Mazzini wegen der Großartigkeit der Ereignisse und Ziele als ein natürliches erscheint, so ist dagegen der Ehrgeiz, als Redner aufzutreten und wieder von sich reden zu machen, ein verwerfliches Motiv, welches nicht strenge genug getadelt werden kann. Die politische Reife eines Parlaments besigt darin eines seiner sichersten Merkmale, daß in gewöhnlichen Zeitläuften die parlamentarische Arbeit zum größten Theile in den Sectionen verzichtet und die Debatte in den Plenar­­fügungen der legislativen Körperschaften auf­ das Wichtigste beschränkt wird. Das erkünstelte Pathos und die Absicht, im Parlamente ein oratorisches Pfauenrad zu schlagen, um sich dann von der Parteipresse beräuchern zu lassen, werden von politisch reifen Volfsvertretungen bald erkannt und nach Gebühr gewürdigt, wodur< sich dann­ die Prunk- und Pomp­­redner zur Enthaltsamkeit selbst veranlaßt sehen. Während es daher ernstlich mißbilligt werden muß, daß in unserem Abgeordnetenhause während der Budgetdebatte wurde, finden wir die Art, wie auf Kosten des Landes so viel leeres Stroh gedroschen ein neuer Minister, wie Graf Zichy, in der Ordnung, “wenn die Verhandlungen in unserem Unterhause über das Gelderforderniß für sein Res­­sort zum Anlasse nimmt, seine Verwaltungs­grundsäße sichtigt, öffentlich darzulegen, und bringen beab­­Unser neue und verhältnißmäßig jugendliche Handels­­minister entwickelte in der von ihm am 21. d. M. Rede den erfreulichen Beweis, daß fige ungewöhnlicher theoretischer auf sein ho<wichtiges Amt befindet, diese Kenntnisse und seine See- und Handelsstadt Fiume, reihen Erfahrungen auf die eigenthümlichen, von ihm richtig hervorgehobenen Ver­­hältnisse unseres Landes anzuwenden. der obersten Regierungsbehörde stand in der aufblühenden er an der Spike Würdigung seiner dort bewährten Tüchtigkeit in­sterium des Landes berufen wurde, mußte sich in ihm aus den täglichen Wahrnehmungen die Ueberzeugung befestigen, daß die Ursache unseres Zurückbleibens auf allen Zweigen der Cultur in der mangelhaften Pflege der industriellen Arbeit und jener Mittelklasse besteht, in dem Abgange auf weln er die Mat und die Größe der modernen Staaten beruht". Ganz treffend bemerkt unser Handelsminister, daß es die Pflicht des Staates ist, für den Gewerbeunter­­richt und die Fachbildung, für welche er bisher so viel wie nichts gethan hat, zu sorgen und dieselben zu heben, und wie die die wenigen Industrieschulen im Lande, welche aus der I­nitiative einiger Corporationen hervorgingen, damit beschäftigt sind, die Mängel unserer Volksschulen einigermaßen wieder gut zu machen. Was er weiters über die Nothwendigkeit der Errichtung über Handels- und Zollpolitik, über eines Industriemuseums, die großen Transport­­anstalten und deren Aufgaben, über die Handels­gesetgebung und über die besonderen Interessen Ungarns bei diesem Anlasse sagte, ist ebenso wahr und richtig, als es treffend dargestellt wurde. Graf Zichy gibt in seiner Rede­­ zu, daß die Landwirth­­schaft in Ungarn sekt der wichtigste Productionszweig ist und noch für lange Zeit bleiben wird, allein er beweist zugleich die Nothwendigkeit für Ungarn, aus einem Agriculturstaate in einen solchen von gemischter Production so rasch als möglich überzugehen, und hebt hervor, wie die Regierung auf die Land­­wirthschaft den wenigsten direkten Einfluß nehmen dürfe, sondern sich auf die Förderung des Fachunterrichtes und auf die Ans­eiferung der Landwirthe zur Association zu beschränken habe. Das Versprechen unseres Handelsministers, die Gestaltung von landwirthschaftlichen und gewerblichen Vereinen in jenen wenigen Comitaten, in denen sie jetzt noch fehlen, zu unterstoßen und zu begünstigen, sollten wir im Abaujvater Comitate nicht unbeachtet lassen, sondern hierin eine dan­­kenswerthe Ermunterung erkennen. Wir haben zwar schon vor mehreren Monaten diese Angelegenheit in unserem Blatte besprochen, auch wurden die ersten Schritte zur Verwirklichung gemacht, allein seither ist dem raschen Entschluß wieder die Actionschwäche angekränkelt worden, daher eine erneuerte Anregung zur Bildung eines für unser Comitat von berufener landwirthschaftlichen Vereins und einflußreicher Seite gegenwärtig auszugehen hätte, was wir hiermit auf das Angelegentlichste empfehlen. Der Voranschlag zur Wirthschaft der hiesigen Stadtgemeinde im Jahre 1873. (Fortlegung.) VI.­ ­ genommen werden dürfte, die Beschaffung der Mittel für Unter den Ueberresten, welche aus der Feudalzeit und aus der Verquickung der hiesigen Stadtgemeinde mit den Cultusangelegenheiten der römisch-katholischen Glaubens­­genossenschaft gegenwärtig hier noch wahrnehmbar sind und sich noch fühlbar machen, nimmt das Patronat der Stadtgemeinde mit Bezug auf die Stadtpfarre die erste Stelle ein, indem die Auslagen beträchtliche Summe von 12.925 hiefür im Jahre 1871 die fl. 81 kr. betrugen, wäh­­rend sämmtliche übrigen religiösen Cultusgemeinden zusammen nur 1464 fl. 75 kr. aus dem Säbel der Stadt als Bei­­trag erhielten. Es wurden daher, indem man das Getreide­­relutum für den Dominikanerconvent mit 57 fl. 90 kr. zu dem Betrage von 12.925 fl. 81 kr. addirt, für den römisch­­katholischen Cultus 12.983 fl. 71 fl. von Seite der hiesigen Stadt ausgegeben, und es müßte demgemäß die römisch­­katholische Bevölkerung 90 Percent der hiesigen Gesammt­­bevölkerung ausmachen, um diesen Beitrag aus der Pro­­portionalität rechtfertigen zu können. Es ist uns nicht bes­kannt, auf welchen Rechtstiteln diese Ansprüche der Cultus­­gemeinden beruhen, allein wir hoffen, daß­ die gesetzliche Regelung des Patronats nicht mehr lange auf sich wird warten lassen, und daß nach vollzogenem Ausgleiche, be­­treffend das Eigenthum der Cultusgemeinde, welches aus­­ dem Titel des Patronates für dieselbe etwa in Anspruch ihren religiösen Cultus künftighin von dieser Gemeinde selbst zu besorgen sein Ueberhaupt wird, wird die geseßliche Ordnung des Ver­hältnisses zwischen der politischen Gemeinde und den in ihr vorhandenen religiösen Glaubensgenossenschaften die Grund­­lage bilden müssen für das unaufhaltsame Reformwerk betreffend wie und der Kirche­ rechtlichen Beziehungen zwischen dem Staat. Ebenso scharf tritt dieser Uebelstand bei dem Kosten­­­aufwande für das städtische, noch gänzlich den confessionellen Charakter an sich tragende Volksschulwesen hervor, indem im Jahre 1871 für die römisch-katholisc­hen Schulen 22.972 fl. 82 kr., für die gr.-kath. 1400, für evang. augsb. 1817 fl. 75 tr, für. helv. reform. 924 fl. 35­4.200 israelitische Schulen 2100 fl., zusammen 29.244 fl. 82 kr. von Seite der hiesigen Stadtgemeinde ausgegeben wurden. Da übrigens, wie auch in einer diesbezüglichen Note der Finanzcommission bemerkt wird, die Regelung des städtischen Schulwesens mit Bezug auf die bereits zu Recht bestehen­­den Landesgesetz demnächst zu gewärtigen steht, so enthalten wir uns vorläufig der eingehenderen Bemerkungen über diesen Budgettitel und fügen hier nur noch an, daß die Stadt Kaschau 4 Schulstipendien a 105 fl., zusammmen 420 fl. dem Schulzweckk widmet. Zwecke Zu den städtischen Beiträgen für allgemeine Bildungs­­gehören auch: der Unterstoßungsbeitrag für den Selbstbildungsverein der Gewerbsleute per 110 fl. und die­­ Subvention des städtischen Theaters im Gesammtbetrage per 1182 fl. 97 fl., welche beide Posten unter dem Titel XXVIII: „Wohlthätigkeitsanstalten" aufgeführt sind, wohin sie wie Pontius ins Credo gekommen sein mögen. Der städtische Beitrag zur Armenpflege im Gesammtbetrage von 12.526 fl. 90 kr. ist wahrlich ein geringer zu nennen, und mit Recht hebt die Finanzcommission in ihrer diesbezüglichen Note die Dringlichkeit hervor, die städtische Armenpflege neu zu organisiren und vor Allem eine Zwangsarbeitsanstalt zu errichten. Bedauer­­lich ist dabei die Mahnung an das hiermit betraute Comité, endlich an die Arbeit zu gehen und sein Operat der Ber meinvevepräsentang vorzulegen, denn hiedurch offenbart sich neuerdings der Abgang jenes hohen Pflichtgefühles und regen Gemeinsinns, ohne welche die Autonomie der Ge­­meinden eine Gefahr und nicht einen Vortheil für die Wohl­­fahrt des Gemeinwesens bedeutet. Der Strakenbettel zeigt sich in Kaschau nicht sehr entwickelt und befleißen sich des­­­selben beinahe ausschließlich einige halbna>te Zigeunerkinder, allein der Haus- und insbesondere der Freitagsbettel ist dagegen in einem belästigenden Grade ausgebildet. Um­ solange die unverschuldete Armuth und das arbeitsunfähige Elend nicht „durch eine entsprechende Armenpflege die Aus- und Abhilfe finden, erscheint der Bettel in allen Formen als eine zu rechtfertigende Nothwehr gegen­ den Hungertod und das physische Verkommen ; der erwerbsmäßige Gewohnheitsbettel arbeitsscheuer "Strobhe mit feinem Gefolge von Entsitt­­lichung muß dagegen unter allen Umständen als ein sociales Uebel bekämpft werden, was mit Erfolg nur in Verbindung mit einer Zwangsarbeitsanstalt erfahrungsmäßig erzielt werden kann. Wir behalten uns vor, auf diesen­ wichtigen Gegenstand dann­ wieder zurückzufommten, wenn­ das vor­­erwähnte Comité seine diesbezügliche Vorlage der hiesigen Gemeinderepräsentanz wird übergeben haben und die Reform des hiesigen Armenwesens auf die Tagesordnung jener Körperschaft gelangt sein wird. Die Einkünfte der Stadt Kaschau haben jedoch, wie die vorliegende bedauerliche Thatsache beweist, schon seit mehreren Jahren zur Deckung der Auslagen nicht mehr hingereicht, und die städtische Verwaltung hat, statt die Auslagen thunlichst zu beschränken oder mittelst einer Com­­munalsteuer das Defizit zu deben, zu dem zwar bequemen, aber höchst bedenklichen Mittel gegriffen, Schulden zu machen, wovon die Zinsen und Capitalsrüezahlungen im Jahre 1871 die Summe von 38.848 fl. ausmachten, was den sechspercentigen Zinsen eines Passiv - Capitals von 647.466 fl. gleichkommt. Das Defizit mußte unter Bei­­behaltung derselben Verwaltungsgrundsätze ein <ronisches werden, die Schuldenlast sich von Jahr zu Jahr ver­­größern, und die wirthschaftlichen Zustände der hiesigen es dagegen ganz er dieselben seiem Abgeordnetenhause Rede mit einfachen und Verwaltungsprogramm, triot nur wünschen kann, daß möge, steht, Graf Zichy in Anwendung zu­­ gehaltenen von welchem er in un­­einundeinhalbstündigen er­st nicht nur im Be­­gemeinverständlichen Worten sein ungarische Pa­­te eher verwirklicht werden liefert nemlich durch den Inhalt seiner jeder Fachkenntnisse sondern in welcher und von | in das Mini­­­­mit Bezug e8 auch vers wo er / Kaschau, 25. Februar. -

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