Der Spiegel, 1840. július-december (13. évfolyam, 53-105. szám)

1840-08-08 / 64. szám

ohne doch jemals ihrer natürlichen Sanftmut!) und jungfräulichen Sittfamkeit das Geringste zu vergehen. Auch vermochte nicht Einer ihrer Bewerber ihr we­gen ihrer Sprödigkeit zu zürnen; im Gegentheil beeiferte sich Jung und Alt bei Tänzen und Spielen, bei Kindtaufen und Hochzeiten, Thallieschen stets gleiche Aufmerksamkeiten zu beweisen. Mancher mochte wohl immer noch wähnen, den Preis zu erringen und das Mädchen heimzuführen. Aber wenn ihr Vater (die Mutter war vor mehreren Jahren gestorben) und ihre Verwandten in sie drangen, einem der Bursche die Hand zu reichen uud vorzugsweise d e n zu wäh­len , der des Schwiegervaters Wirthschaft übernehmen und so dem Greise in sei­nen alten Tagen wohlverdiente Ruhe verschaffen werde, eilte Lieschen erröthend und schmollend davon, und ihre einzige Antwort war: „ich mag nicht heirathen; es geht mir so gut bei meinem lieben Vater, daß der beste Ehemann mir den­selben nicht ersezen wird." Der gute Alte, welcher sein einziges Kind zärtlich liebte und nur mit Schmerzen an eine Trennung von ihr dachte, fühlte sich ge­schmeichelt und beruhigt durch solche Worte und sagte kurz abbrechend zu den drängenden Freunden: „kömmt Zeit , kömmt Rath; wenn der Rechte erscheint, wird sie schon zugreifen!" — So vergingen einige Jahre, und noch blieb ihr Herz unberührt von den Pfeilen des gefiederten Gottes. Morgens, wenn die Sonne die Gipfel der hohen Berge wie mit einem goldenen Saume einfaßte, sprang sie von ihrem bescheidenen Lager auf. betete in kindlicher Unschuld und Inbrunst ihr Morgengebet, wusch sich im klaren Waldbach, der durch ihren klei­nen Garten murmelnd lief, kleidete sich an, besorgte die nö'thigen Arbeiten, füt­terte daS Vieh und vor Allem ihr zartes Lamm und das schmuke Federvieh, wel­ches schon lange vorher durch die verschiedenartigsten Töne seine Ungeduld an den Tag legte und die mit dem Fruchtkörbchen erscheinende Herrin mit munterem Geschrei hewillkommnete, und lauschte dann vorsichtig und leise, oh der Vater schon erwacht und angekleidet sei, damit sie das in Milch und Vrod bestehende Frühstük hereinbringe. Nach einem herzlichen Morgengruß sezte man sich zum Imbiß und besprach dabei wirthschaftliche Angelegenheiten. Das arbeitsame und verläßliche Lieschen horchte gespannt auf die Befehle des Alten und war nach aufgehobenem Frühftüke sogleich besorgt, mit flinker Thätigkeit meist Alles selbst zu ordnen, oder mit Hilfe des Knechtes verrichten zu lassen. Denn der sechzig­­jährige Vater, welcher in seiner Jugend und in seinem Mannesalter im Schweiße seines Angesichts sich Vrod geschafft und durch seiner Hände Fleiß sich Haus, Hof und Feld erworben hatte, war jezt schwach und kränklich. Deshalb gestattete es die brave Tochter nur selten, daß der Vater anstrengende Arbeit, Gänge auf das Feld oder in den Wald unternehmen durfte. Lieber unterzog sie sich der be­schwerlichsten Arbeit, versagte sich in der Woche und an Feiertagen die kleinste Erholung , — nannte sie doch dafür der Vater wohl hundertmal des TageS sei­ne liebe, gute Tochter. Aber nein! sie hatte ja auch ihre Freuden und Genüsse. Ein Gang durch daS anmuthige Thal zur Wiese, in Begleitung ihreS treuen, munteren LammcS, oder auf die Felder, die an den Bergen lagen, oder ins Gebirge, um nach dem Vieh zu sehen, oder zur Mühle, um das Mehl zu be­sorgen, — das waren auch Erholungen für das fleißige Thalmädchen. Da sam­melte sie Blumen, band sie zum bunten Strauß und schmükte damit ihres Va­ters kleines Zimmer; da wand sie Kränze, um das über ihrem Bette hängende Muttergottesbild zu verzieren; da rupfte sie die saftigsten und wohlschmekendsten

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