Neppendorfer Blätter, 1924 (Jahrgang 22, nr. 1-53)

1924-04-27 / nr. 18

Verzicht. Soll ich mich um Äußre Ehren, Gunst und Neigung fremder scheren ? Ihre bösen Zaunen tragen kraftlos in den schweren Tagen ? Nein! Ich will mich künftig weihen mehr dem eignen Wohlgedeihen, will, was ich erhasche, effen, effend meinen Gram vergeisen. Effen! Denn die Trinker alle gehn dem Trübsinn in die Falle, während meist die Gatten, Dicken, leichter sich ins Leben schicken. Than Nr. 18 Hermannstadt, 27. April 1924 22. Fahr Preis 3 Sei ei­ n Wochenschrift für = Humor und Satire Smeiter Dffener Brief an Seren 9. ©. (Sacharzt für Sprachenreinigung.) Mediaid Sehr geehrter Herr Doktor ! Zunächst meinen herzlichen Dank für Ihren auf­­klärenden Brief. Es war mir eine große Beruhigung, von Ihnen zu erfahren, daß nicht alle von mir als überjeßungsbedürftig angeführten Worte auch in der Tat im Rahmen der deutschen Sprache törend wirken. Einige der von Ihnen mitgeteilten V­erdeutschungen waren mir auch schon bekannt; ich hatte sie jedenfalls schon gelesen, offenbar aber vergessen. Neu war mir dagegen die V­erdeutschung des Wortes „Dame“, das Sie kurz und treffend mit „Herrschafts-Frau“ überseßen. Bei dem nächsten Vortrag, den ich hier halten werde, will ich jedenfalls versuchen, mit „Meine Herrschafts- Frauen und Herren!“ zu beginnen. Auch die­­ Ver­­deutschung des Sofas mit „Lotterbeit* gefällt mir ausnehmend? — obwohl es mir jeßt immer einiger­­maßen peinlich ist, wenn ich mich zu meiner Gietta niederlege. Denn die muß i­h­ießt eigentlich als „Lotter- Schlaf“ bezeichnen. Bedenklicher — da leicht Berwechs­­lungen vorkommen können — erscheint mir das Wort „Gtadhalter“ für Thermometer, wenn ja auch nicht zu leugnen it, daß das Thermometer die Grade enthält. Daß Sie das Wort „Ab­jel­papier“ als gut deutic bezeichnen, wundert michh. Und dabei war mir gerade für das Wort kurz nach Absendung meines vorigen Briefes ein so treffliches deutsches Wort eingefallen ! So werde mir erlauben, es Ihnen demnächst einmal persönlich vorzulegen, da es Jich so auf dem Papier vielleicht etwas zu kräftig ausnimmt. Aber nun von Anderem. Sie willen vielleicht, ehr geehrter Herr, daß hier die Srage der Errichtung einer deutschen Mittelschule stark die Gemüter erhißt. Auch ich befinde­ mich in einem mit dem Gladium dieser Srage betrauten Ausschuß. Wir erörtern soeben den Lehrplan. Und da stoße ich mich denn Tag für Tag an den „humanistiisch“ gefärbten Fremdworten. Was aber ist zu tun gegen Physik und Chemie, gegen Algebra und Analytik , gegen Grammatik und Syniar? Möglich, daß Leul­ aus einer jüngern Generation (do weh!) diese Dinge schon mit deutschen Namen be= nennen gelernt haben. Ich gehöre noch der Zeit an, wo man selbst in der deutschen Grammatik mit der „Deklination“, der „Konjugation“, dem „Nominativ“ und „Akkusativ“, dem „Perfektum“ und „F­ulturum“ arbeitete. Es war geradezu schmählich! Heute hat man doch dafür die „Beugung“ und die „Abwandlung“, den „VersFall“ und den „Men-Fall“, die „Vergangen­­heit“ und die „Zukunft“. Allerdings muß ich bemerken, daß ich dann, als ic mit 15 Jahren anfing, Englisch zu lernen und französisch und als ich mit 30 Jahren anfangen mußte, auch Rumänisch zu lernen, mit all diesen Benennungen, die ja zwar gottlos andeutlch sind, indem sie aus dem Lateinischen stammen, dafür aber in so ziemlich allen Pflegnis-Sprac­hen der Welt wieder­­kehren, nicht die geringsten Schwierigkeiten hatte. Aber — laß’ fahren dahin! Hauptsache ist: deutsch fein! Und wir können uns eigentlich an den Ungarn ein Beispiel nehmen. Die haben einfach Alles überseßt. Der gute Ungar weiß nit, was Universität ist, was Blätter |

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