Neue Zeitung, 1961 (5. évfolyam, 1-52. szám)

1961-01-06 / 1. szám

Budapest, 6. Januar 1961. Sylvesterfeier bei den Schwaben in Törökbálint Der schöne Kultursaal in Tö­rökbálint war am letzten Abend des Jahres schon gegen halb acht Uhr mit bunten Lampions, viel­farbigen Girlanden und Blumen reichhaltig geschmückt. Die vor­zügliche deutsche Kapelle mit Georg Heiler und dessen 13-jäh­rigem Sohn stimmte bereits, die Tische waren mit blütenweissen Tischtüchern gedeckt, die Kell­ner kamen und gingen und die Dorfbewohner kamen zahlreich. Bald war der Saal erfüllt von ihrem lebhaften Gespräch in ver­schiedenen Sprachen. Es gab äl­tere Ehepaare, die Frauen in Schwarz, während die jungen Mädchen und Frauen bunte Kleider trugen. Genau um 8 Uhr begann die Musik zu spielen und gab den Auftakt zum lustigsten Sylvester­rummel der letzten Jahre. x Die Musik musste auf Wunsch viele Walzer und Polkas spielen, aber auch die modernen Tänze ka­men zu ihrem Recht. Die vielen Scherze und Spässe trugen zur frohen Stimmung bei, in der das alte Jahr verabschiedet und das neue begrüsst wurde. Die ver­schiedenen Tischgesellschaften überraschten einander, indem eine für die andere Getränke bestellte, was dann erwidert wurde. Das Wunschkonzert begann mit einem Gruss an die 85-jäh­­rige Grossmutter Bandt und dem Tanzlied „Schwiegermutter jetzt geht’s guat..Dann verbeugte sich der stattliche Schwiegersohn vor der Alten und bat sie zum Tanze. Sie erhob sich frisch, rückte ihr Kopftuch zurecht, strich sich die Kleider glatt und begann mit zierlichen Schritten den Walzer. Die schönen Lieder und Tanzweisen folgten aufein­ander, einer begrüsste seine Braut, ein anderer seine junge Ehegattin, ein anderer . wieder ein schönes Mädchen mit den schönen Weisen. Die Tombola bildete einen Höhepunkt des Abends. Erst gegen Morgen leer­ten sich die Säle, die Leute zo­gen lustig singend durch die Strassen, weithin tönte das Lied „Mach das Fenster auf . ..” Bei den Schwaben in Soroksár In Soroksár, vor allem bei den Deutschen, hielt die Feststim­mung auch noch am zweiten Tag des neuen Jahres an. Man war halt so richtig ins Feiern hinein­gekommen. Der Sylvesterball hatte bis 6 Uhr morgens ge­dauert. Und gleich am 1. Januar gab es den Ball der LPG „Arany kalász”. Diese deutsche Ge­nossenschaft, die am 12. Februar 1960 gegründet wurde, hat sich so rasch entwickelt, dass der Vor­stand bereits mitteilen konnte: 50 Forint werden auf jede Ar­beitseinheit entfallen. Zu Ehren der guten Ergebnisse wurde nun die Unterhaltung veranstaltet und es ging dabei hoch her. Un­ter anderen nahmen auch 30 Gäste teil, die für die Feiertage zum Besuch ihrer Verwandten aus dem Ausland gekommen wa­ren. Ihnen zu Ehren spielte die Blechmusik der Kapelle Heidin­­ger den Donauwalzer und die „Rosen aus dem Süden”. Es wur­den aber auch viel Ländler, Schnellpolkas und moderne Tän­ze getanzt, bis zum Morgen. Es gab auch Speis und Trank in Überfülle. Die LPG lieferte das beste Kalbfleisch und köst­liche Weine. Zwei Kellner be­sorgten die Bedienung all der vielen Menschen. Sie stellten ganze Batterien von . Flaschen auf die Tisch, setzten den Gästen schmackhafte Gerichte vor. Es war ein richtiggehendes Fest nach alter Tradition, wie es schon bei den Vätern und Grossvätem Brauch gewesen. Es wurde manches Hoch ausge­bracht und manchem zugetrun­ken. Während des lustigsten Pol­kas erhob sich der 66-jährige Jo­sef Kreiss und rief: „Einmal hoch!” Die Musik brach ab, blies einen Tusch und schon stimmten alle ein: „Steht auf, steht auf, das Glas in die rechte Hand und sauft aus.” Da liess man alle hochleben, die im Ja­nuar geboren sind, es folgten der Reihe nach die Kinder der zwölf Monate. Dann wurde jedem Jo­sef zugetrunken, jedem Anton, jedem Johann, der Reihe nach, und jedesmal sangen alle mit voller Stimme: „Es geht ein Rundgesang um unsem Tisch — Es dauert aber lang, bis der Sylvesterabend kommt — sagten die jungen Leute in Budajenö. Die Ungeduld ist wohl begreiflich, galt sie doch der letzten grossen Tanzunterhaltung des alten und zugleich der ersten des neuen Jahres. In den Tagen, die der Veran­staltung vorangingen, erteilte der Direktor des Kulturhauses, István Kiss, seine Anordnungen, wie ein Schiffskapitän auf der Komman­dobrücke. — Der grosse Saal wird ausge­räumt. Gegenüber der Eingangs­türe wird das Büfett aufgestellt und mit allen erdenklichen guten Speisen und Getränken beladen. Es soll genug Raum für die Tan­zenden sein, aber auch an die Leute müssen wir denken, die sich bei den Tischen vergnügen. Die Tische werden im Kreis auf­gestellt. Das ganze Haus wird mit Lampions und vielen bunten Blumen geschmückt. Nach all diesen Vorbereitungen ist es kein Wunder, dass bei den Klängen der fünfköpfigen Kapelle bis 5 Uhr morgens gefeiert wurde. Um Mitternacht wurde ein Fer­kel verlost. István Derzsanics, der glückliche Gewinner, hätte es sich auch nicht träumen lassen, dass er für 3 Forint ein Ferkel bekom­men wird. Die Kleider der Frauen müssen eigens erwähnt werden. Denn die standen in nichts den Toiletten der Budapesterinnen nach. Die Mädchen der Familien Weber und Baumgartner trugen kleine Abendkleider aus Taft, die jun­gen weiblichen Mitglieder der Häuser Wist, Tafner und Telher Nylontoiletten, während die älte­herum, Hörst Bruder, was ist das, ein leeres Glas. Das sieht man an der Nas’n an, dass unser Bruder saufen kann ...” Es schien kein Ende zu neh­men. Dann eilten jene fort, die in der Stadt arbeiten, um sich schnell umzukleiden und den Zug oder den Bus zu erreichen. Aber die LPG-Bauern sassen auch noch am Nachmittag um den liebenswürdigen Agronom Josef Zwick herum und tranken einander zu. Elisabeth Somody re Generation in dunkel gehalte­nen Farben dem Tanze huldigte. Die höheren Semester be­schwerten sich darüber, dass all­zu viele moderne Tänze und zu wenig Walzer und Polkas gespielt wurden. In Telki Auch in der Gemeinde Telki liess der Sylvesterrummel nichts zu wünschen übrig. Es ging hoch und lustig her. Der Elternbeirat hatte den Ball veranstaltet und sich dabei viele Mühe gegeben. Unter Leitung der 65-jährigen Frau Baumstock wurde aus fünf verschiedenen Fischarten die Fischsuppe gekocht. Sie fand bis zum letzten Tropfen Absatz, wie auch Berge von Würsteln und marinierten Heringen im Hand­umdrehen vertilgt wurden. Ein riesige, schöngeschmückte Punschtorte wurde ausgelost und bildete den Höhepunkt der Ver­anstaltung. Pista N. der glückli­che Gewinner, gab sie jedoch grossmütig zurück, damit sie un­ter den Schulkindern verteilt werde. Die ganze Einnahme wurde der Kasse des Elternbeirates zuge­wiesen. Von diesem Geld wird es wohl für die Sommercampings der Pioniere reichen. Sie wissen noch nicht, ob sie die Ferien an der Donau oder am Balaton ver­bringen werden, aber eines ist ge­wiss, dass sie mit Dank an den Sylvester von 1961 zurückdenken werden. E. G. M. Sylvesterfeier der Schwaben in Budajenö und Telki Kennedy: Präsident, die Zeit ist um! Eisenhower: Gut, gut, ich gehe schon, aber drängen lass ich mich nicht. 3 Hauptstadt — Frontstadt Als ich vor einigen Wochen in Budapest den mit allem Komfort ausgestatteten Diesel-Express der Deutschen Reichsbahn nach Ber­lin bestieg, dachte ich, ich hätte von den Verhältnissen in der ge­spaltenen Hauptstadt klare Be­griffe und werde nunmehr an Ort und Stelle all das zu Gesicht bekommen, wovon die gesamte Weltpresse seit vielen Jahren Tag für Tag Nachrichten, Kommen­tare, Beiträge und Reportagen veröffentlicht. Der Leser ahnt vermutlich schon nach dieser Einleitung, dass ich das Gegen­teil gestehen muss. Tatsächlich verhält es sich so. Denn verge­bens habe ich vor der Abreise unzählige Male die Landkarte der Viermillionenstadt vor mir ausgebreitet, vergebens stellte ich fest, dass die künstliche Grenze, welche das demokrati­sche Berlin von der Frontstadt trennt, einen wahnsinnig-mörde­rischen Dolchstoss darstellt, der durch die Schlagadern dringt. Auch genügte es nicht, dass ich wusste: es gibt Strassen, an deren beiden Seiten die Güter mit ver­schiedener Währung erworben werden müssen, dass diese in der ganzen Weltgeschichte beispiel­lose Situation von zynischen Gangstern und charakterlosen Kleinbürgern zur schnellen, ehr­losen Bereicherung benützt wird. All meine Vorstellungen hatten mir nur ein verschwommenes Bild der Wirklichkeit gegeben. Ermessen kann man es nur, wenn man sich, den Bleistift in der Hand, beim Brandenburger Tor niederlässt, und sowohl die Er­fahrungen des zweiwöchigen Aufenthaltes als die Geschichte vor sich heraufbeschwört. Der Wiederaufbau Linkerhand erstreckt sich zwi­schen Ebert- und Wilhelmstrasse ein grosser Park, in welchem stellenweise noch Trümmer lie­gen. In der Mitte erhebt sich ein Hügel. Vor dem Krieg befanden sich hier die Ministerien, sowie das Reichskanzleramt. Auf den Trümmern dieser Gebäude erhebt sich der Hügel aus Trümmern von Hitlers Bunker. Der Park ist ein Symbol dessen, dass nach Vernichtung des III. Reiches alle Vorbedingungen für den mate­riellen und geistigen Wiederauf­bau gegeben waren. Die Baugrün­de gähnten leer und es lag an der Art des Wiederaufbaus, wie das Antlitz der neuen Welt beschaf­fen sein soll. Um beim Vergleich zu bleiben, setzten sich vier gro­sse Baumeister an den Verhand­lungstisch, um das deutsche Volk beim Aufbau seiner Fabriken, seiner Hauptstadt und seines gan­zen Lebens zu beraten. Wie wur­den sie dieser Aufgaben gerecht? Ich sehe von hier aus die rie­sige Kongresshalle, die nach den Plänen eines amerikanischen Ar­chitekten, Hugh A. Stubbins’, grösstenteils von amerikanischem Geld gebaut wurde und die Auf­schrift trägt: „Ein Ort der Be­gegnung und freien Meinungs­äusserung für alle Menschen gu­ten Willens”. Ein schöner und er­greifender Spruch. Aber der Weg, der zur Halle führt, trägt den Namen des Aussenministers der USA John Foster Dulles und kein Mensch vergisst, dass der Be­griff: „Frontstadt-Berlin” an den Namen dieses Herrn geknüpft ist. Dieses Gebäude sucht mit seinen trügerischen Kulissen aus Glas und Beton den Schauplatz der Kabalen und Atomkanonen zu verdecken. Aber auch französische und englische Architekten haben die Spur ihrer Hände in Berlin hin­terlassen. Die Franzosen bauen noch am Flughafen von Berlin- Tegel, der sich auch für schwere Bombenflugzeuge eignen wird. Man soll nicht vergessen, dass der Flugplatz einige hundert Ki­lometer weit von der französi­schen Grenze entfernt liegt, je­doch kaum drei Kilometer vom Gebiet der DDR. Der Flugplatz bedroht mit allen Errungen­schaften der neuesten Technik einen friedliebenden deutschen Staat, die DDR. 7 4 Die Strasse des Neofaschismus Unter den 8—10 Stock hohen Zinshäusern im modernen Hansa- Viertel wurden einige von briti­schen Architekten erbaut. Kann man ohne Empörung an die Auf­traggeber dieser Ingenieure den­ken, mit deren Zustimmung und Beifall der Senat der Frontstadt die ehemalige Charlottenburger Chaussee „Strasse des 17. Juni” benannt hat? Die Engländer be­kennen offen, dass sie mit allen jenen neofaschistischen Aktionen einverstanden s|ind', deren auf den Plakaten und in den Millionen­auflagen der Zeitungen verkün­detes Ziel der Sturz der Arbeiter- Bauern-Macht ist. Alldies geht mir durch den Kopf; es sind nur einige Randbe­merkungen des Betrachters, der über die Ingenieure und ihre Auftraggeber meditiert — ohne den Anspruch auf Vollständig­keit, in aller Eile herausgegrif­fen — und ich will’s nicht leug­nen, nicht unbeteiligt. Denn es ist unmöglich, Berlin, die Haupt­stadt, und einige Minuten von hier entfernt die Frontstadt mit kühler Sachlichkeit zu betrach­ten, es ist unmöglich, den Mass­slab des Ästheten anzulegen und kühl zu erklären, dies hat mir hier gefallen und dieses dort we­niger. Dazu hat das in seinem Geiste alte, allzu alte West­deutschland gemeinsam mit den ihm bedingungslos verbündeten Westmächten viel zu viele und allzu bunte Kulissen aufgestellt. Noch niemals wurde bewusster mit Licht und Pracht Betrug ge­übt, wie innerhalb der Wände dieser Frontstadt. Und wir — ich schreibe dies voller Glück und solidarisch mit unserem Berlin, der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik — es steht uns ferne, den Betrug durch Betrug zu übertrumpfen. Das demokratische Berlin Der vierte Berater, die hilfrei­che Sowjetunion, riet den deut­schen Arbeitern nicht, dass sie die Trümmer der Vergangenheit durch Trug verschwinden lassen und vergessen machen sollen. Das demokratische Berlin ist die Stadt des auf Arbeit, auf ehrliche, so­lide, historische Perspektiven di­mensionierten Aufbaus. Und wenn hier auch nicht so viel grel­les Licht leuchtet wie drüben, wenn auch nicht so viele reich­beladene Schaufenster prangen, nicht so viele Autos durch die Strassen rasen, tritt uns hier Wahrheit entgegen und aus alle­dem strömt der Geist erhabener, neuer Ideen. Ich schreibe aus Berlin und betone bewusst, welche Ver­pflichtungen im Sommer 1945 zu Potsdam die drei Grossmächte und das später angeschlossene Frankreich übernahmen. Die bei­den deutschen Staaten gehen nunmehr ihren eigenen Weg und bestimmen selbst das eigene Schicksal, die eigene Zukunft. Westberlin ist aber kein Teil der Deutschen Bundesrepublik: dafür, was dort geschieht, haften bis zum heutigen Tage die Vereinig­ten Staaten, Grossbritannien und Frankreich. Adenauer ist schon Herr im eigenen Hause, aber Willy Brandt ist bloss der allzu willfährige Handlanger der West­mächte und führt einfach ihre Weisungen durch. Dem muss ein Ende bereitet werden! Die deutsche Arbeiterklasse, die die Macht nicht nur diesseits der Spree, sondern auf dem ge­samten Gebiet der DDR — dem auch Westberlin angehört, fest in die Hände nahm, kann es nicht lange dulden, dass in der Mitte ihres Vaterlandes nazistische Gangster im Schatten amerikani­scher Atomgeschosse grassieren. Westberlin soll „Freie Stadt” werden: dies ist die unwiderruf­liche Forderung des ganzen Frie­denslagers. Hajdú

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