Neue Zeitung, 1983 (27. évfolyam, 1-53. szám)
1983-01-01 / 1. szám
1/1983 f „Schönen guten Abend, liebe Hörer. Heute meldet sich das letzte Monatskarussell. Sie können, uns .wie immer unter der Telefonnummer 10-424 oder 1Ö-666 erreichen...“ Programmleiter Lorenz Kerner fordert seine Zuhörer zum „Mitspielen“ auf, d. h. ermutert sie, recht fleißig von diesem Programm der deutschsprachigen Regionalsendung des Studios Pünfkirchen Gebrauch zu machen. Die Sendung „Hallo Studio — Hallo Hörer!“, die in dieser Form fast ein Jahr läuft, hatte natürlich Vorgänger. Der Anfang war eigentlich monatlich einmal eine Art Wunschkonzert, gefragt war hier fast ausschließlich ernste Musik. Dann wurden die Hörer aufgefordert, den „ehrenwertesten Gesprächspartner“, über den sie gern etwas erfahren wollten, vorzuschlagen. Der unmittelbare Kontakt mit den Hörern war also da, und so nahm die Sendung dann ihren gegenwärtigen Charakter an. Eine davon erlebten wir im Studio selbst. Doch da ist schon der erste Anruf, die inzwischen erklungene Musik bricht ab: Dr. Béla Szende, Leiter des deutschen Lehrstuhls an der Universität Janus Pannonius Fünfkirchen berichtet den Hörern von einer internationalen Konferenz in der BRD die für deutsche Lehrer an Auslandsschulen bzw. für Deutschlehrer im Ausland berufen war. „Ich sollte ursprünglich über den Unterricht in zweisprachigen Schulen sprechen, mußte aber das Thema ändern, da es ja bei uns keine solchen Schulen gibt. So sprach ich dann über den Unterricht deutscher Kinder an ungarischen Schulen.“ Nicht nur sein Vortrag erregte großes Interesse, wie er erzählte, sondern auch die individuellen Gespräche. Und immer kamen außer dem Positiven auch Probleme zur Sprache. Und noch etwas erwähnt er: Ein auffallendes Interesse und Hochachtung für die ungarndeutschen Ausgaben, den Deutschen Kalender inbegriffen, den er mitgenommen hatte. Den letzteren ließ man sogar ablichten. Der nächste Anrufer kurz darauf ist Paul Kerner aus Boschok/Palotabozsok, der ebenfalls von einer Reise des Chores aus Boschok Anfang November in die BRD erzählt und vom Studio erfahren möchte, ob der Chor wirklich zur nächsten Veranstaltung des Fünfkirchner Deutschklubs eingeladen wurde. Nebenbei bringt er eine kleine Beschwerde vor, nämlich: Warum werden die Musikstücke, die im Studio auf den Plattenteller kommen, nicht bis zu Ende gespielt? Die Antwort übernimmt der nächste Anrufer. Doch erst erklingt noch mal Musik, das Lied „Mit dir ist das so schön“ ist u. a. ein Gruß zu einem 63jährigen Hochzeitstag, zu einem Namenstag, zu einer Silberhochheit. Unterbrochen wird es von Otto Heinek, Student am deutschen Lehrstuhl in Fünfkirchen, der den Hörern vom Heimfunk im Studentenheim, der in deutscher Sprache gesendelt wird, erzählen möchte. Es handelt sich da um eine halbstündige Sendung, die immer einem bestimmten Thema gewidmet ist, z. B. deutschen und ungarndeutschen Dichtern. Eine schöne Initiative ! „Im allgemeinen haben wir uns ein Thema für die Sendung gewählt, z. B. Muttersprachunterricht, Literatur, kulturelle Fragen, Einschulung oder einfach abhängig von der Jahreszeit. Das wird natürlich vorher bekanntgegeben“, erzählt uns Lorenz Kerner anschließend. „Anfangs mußten wir unsere ungarndeutschen Hörer erst ge-winnen, doch jetzt können wir gar nicht mehr alle Anrufe entgegennehmen“, setzt er hinzu. Benachteiligt sind natürlich Anrufer vom Lande, die nicht ans Direktwählsystem angeschlossen sind. Manchmal kommen auch etwas ungewöhnliche oder, auch lustige Geschichten vor. So meldete sich einmal eine namenlose männliche Stimme, die den Diebstahl von 50 Schafen beklagte und nun den Rundfunk ersuchte, ihm zu seinem Eigentum zurück zu verhelfen... Ja, liebe Hörer, hebe Leser, wenn sie Lust haben, mitzuspielen und ebenfalls über sich, ihr Leben oder andere Probleme berichten oder ganz einfach Fragen stellen möchten, dann rufen sie zur angegebenen Sendung die 10-424 oder die 10-666! — dohndorf — Hallo Studio — Hallo Hörer! Progranimleiter Lorenz Kerner belebt die Sendung auch mit vielen eigenen Beispielen Foto : Éva Bozóki NEUE ZEITUNG 3 Zum Muttersprachunterricht in der Baranya Immer wieder und immer häufiger steht der Mutter Sprachunterricht unserer ungarndeutschen Kinder im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Dabei sind die Bemühungen, nach einer erfolgreichen quantitativen Zunahme sich jetzt mehr der inhaltlichen Entwicklung, der Qualität des Unterrichtes zuzuwenden, nicht zu übersehen. Die Ergebnisse in den einzelnen Komitaten sind dabei recht unterschiedlich. Über Stand und Entwicklungsmöglichkeiten des Muttersprachunterrichts in der Baranya unterhielt sich NZ-Mitarbeiterin Beate Dohndorf mit Josef Lantos, stellvertretender Leiter der Abteilung für Volksbildung beim Komitatsrat, Mitglied des Landesrates, des Unterrichtsausschusses des Deutschen Verbandes sowie des Nationalitätenausschusses der Baranya. NZ : Herr Lantos, ich habe hier zwei Listen, eigentlich zwei Statistiken. Nach der vom Verband herausgegebenen Liste gibt es in der Baranya über 110 Gemeinden, in der Ungarndeutsche leben. Laut einer kürzlich aufgestellten Erfassung des Unterrichtsausschusses wird aber nur in 40 Gemeinden die deutsche Muttersprache in Grundschulen unterrichtet. Josef Lantos : Die Zentralisierungsbestrebungen waren auf diesem Gebiet in der Baranya sehr stark. Viele Schulen wurden zusammengezogen, so daß die Schüler aus kleinen Gemeinden jetzt in einer Zentralschule weiterhin am Muttersprachunterricht teilnehmen. So gehen z.B. die Kinder aus Bischofsmarok-Erdösmárok und Sier/Szür nach Nimmersch/Hímesháza. Die vorhin erwähnten Zahlen bedeuten also keineswegs einen Rückfall, ganz im Gegenteil, wir können von einer steigenden Tendenz sprechen. So erhöhte sich die Anzahl der ihre Muttersprache lernenden Kinder heuer um 300 Schüler auf 5123 (Grundschulen), die Zahl der Gruppen stieg von 260 auf 274. Außerdem wurden 13 neue Lehrer eingestellt. Auch qualitätsmäßig können wir von einem Fortschritt sprechen, denn gerade aufgrund dieser Zentralisierung wird in immer weniger zusammengezogenen Klassenstufen unterrichtet. Hatten wir voriges Jahr nur 187 Klassen, wo Deutsch in einer Klassenstufe unterrichtet wurde, sind es jetzt schon 206. NZ : Welche Möglichkeiten sehen Sie, Herr Lantos, außer der eben erwähnten Tatsache der Gruppenteilung für eine weitere qualitative Entwicklung ? Josef Lantos : Allem voran möchte ich da mit einer neuen Initiative im Komitat beginnen. Im September dieses Schuljahres haben wir in der Grundschule in Bohl/Bóly in einer der 1. Klassen mit der Einführung zum Übergang der Zweisprachigkeit begonnen. Das bedeutet soviel, daß in dieser ersten Klasse die Fächer Heimatkunde, Musik und die Fachausdrücke in Mathematik in Deutsch unterrichtet werden. Die Anzahl der in Deutsch unterrichteten Stunden liegt so wöchentlich bei sechs bis sieben. Diese Unterrichtsform soll bis zur achten Klasse kontinuierlich fortgesetzt werden. Ziel ist, ein ähnliches System wie in den ungarndeutschen Gymnasien zu erreichen. Die Voraussetzungen sind in dieser Klasse auch deshalb gut, weil die Anzahl der Schüler nur bei 16 liegt. Außerdem soll auch das deutsche Schülerheim günstige Bedingungen schaffen. Jedes Jahr wird dann in einer weiteren ersten Klasse dieses neue System eingeführt. Ab neuem Schuljahr wird sich sicher auswirken, daß die ersten am Versuchs- Programm im Kindergarten teilgenommenen Kinder in die Schule kommen. Wir beabsichtigen, dieses System bis 1990 auch in den Grundschulen von Gereschlack/Geresdlak, Nadasch/Mecseknádasd, Wieland/ Villány und in einer Schule in Mohatsch einzuführen. Zur Verbesserung gehört außerdem die Einführung des Deutschunterrichtes in weiteren Schulen, heuer zum Beispiel in Senglasl/Szentlászló, Kumlau/Komló und in zwei Schulen in Fünfkirchen. Auch die außerschulisch arbeitenden Fachzirkel in 16 Orten, Sprachwettbewerbe und deutsche Wandzeitungen unterstützen den Muttersprachunterricht wirksam. NZ : Wie schon erwähnt sind Sie Mitglied des, Unterrichtsausschusses des Verbandes und des Nationalitätenausschusses der Baranya. Welche Aufgaben haben Ihrer Meinung nach diese Körperschaften und wie können sie konkret zur Förderung des Muttersprachunterrichtes beitragen ? Josef Lantos: Die Hauptaufgabe des Unterrichtsausschusses liegt meiner Meinung nach im Politisieren und im Untersuchen der Lage auf diesem Gebiet. Er kann dann die Aufmerksamkeit höherer Organe wie die der Verbände und die des Ministeriums darauf lenken, daß unterbreitete Vorschläge durchgeführt werden. Gut war zum Beispiel die in der letzten Sitzung besprochene Statistik, die einen genauen Überblick über den Stand des Muttersprachunterrichtes in den einzelnen Komitaten gab. Der Unterrichtsausschuß soll sich nicht auf individuelle Interessen beschränken, sondern er ist der Wächter, der Verantwortliche über bzw. für den Unterricht überhaupt. Beim Nationalitätenausschuß des Komitats ist die Lage etwas anders. Da er erstens über ein bestimmtes Geldkontingent verfügt und zweitens dem Komitatsrat unterstellt ist, kann er ganz konkrete Hilfe leisten, sei es nun durch materielle Unterstützung z.B. bei der Anschaffung von Unterrichtshilfen oder aber durch direkte Beeinflussung einzelner Orte auf Ratsebene. Da die Sitzungen außerdem oft in Nationalitätengemeinden abgehalten werden, kann die Lage an Ort und Stelle untersucht und eventuell gleich Abhilfe geschaffen werden. Der Ausschuß hat außerdem die Möglichkeit, Vorschläge u.a. auch für Auszeichnungen höheren Grades auf Nationalitätengebiet zu unterbreiten. NZ : Worin liegen die meisten Schwierigkeiten ? Josef Lantos: Auf dem Gebiet der Lehrbücher, Arbeitshefte und Handbücher, teilweise auch bei den Anschauungsmitteln. Obwohl wir in bezug auf Personal an der Quelle sitzen, haben wir hier ja die Fakultät für Lehrerbildung, ist es immer schwer, ausgebildete Lehrkräfte für kleine Orte zu finden, da die Absolventen lieber in Städten oder größeren Orten arbeiten möchten. Das Problem des Mutterschaftsurlaubes hoffen wir nun, mit Hilfe der neuen Verordnung, nach der diese Mütter eine gewisse Stundenanzahl unterrichten können, lösen zu können. Sie werden dann nur für den Deutschunterricht eingesetzt. Nicht immer günstig ist der Einsatz von unqualifizierten Pädagogen, doch werden es glücklicherweise immer weniger, da viele ein Fernstudium aufnehmen. Damit hoffen wir auch dem Zustand abzuhelfen, daß es nicht mehr zur vorübergehenden Einstellung, ich möchte dabei vorübergehend betonen, des Muttersprachunterrichts kommt, wie es jetzt leider in einigen Schulen infolge von Pädagogenmangel der Fall war. NZ : Ich treffe Sie bei sehr vielen sich auf das Leben der Nationalität beziehenden Veranstaltungen, Sitzungen usw. Was können Sie persönlich für die Sache der Ungarndeutschen tim ? Josef Lantos: Ich bin ja Mitglied verschiedener Ausschüsse und viele Fäden laufen auch in unserer Abteilung beim Komitatsrat zusammen. So bin ich in der Lage, daß ich aktiv zur Verwirklichung unserer nationalitätenbezogenen Anliegen beitragen kann. Als Vertreter der deutschen Nationalität habe ich mich schon immer für alles damit im Zusammenhang Stehende interessiert und sehe nicht nur Zahlen und Statistiken, sondern unsere Nationalitätenpolitik. In allen Funktionen, die ich bekleidete, vertrat ich dieses Ziel. Wir beim Komitatsrat greifen Anregungen auf, ergreifen Initiativen, treffen Maßnahmen und achten auf die Verwirklichung derselben. So war ich z.B. Leiter jenes Ausschusses, der den langfristigen Entwicklungsplan des Komitats für die Nationalitäten aufstellte, in dem es auch um die Förderung des Muttersprachunterrichtes ging. Jetzt sind wir dabei, an der Realisierung unseres Vorhabens zu arbeiten, dazu gehört auch die eingangs erwähnte Initiative zum Übergang zur Zweisprachigkeit an einigen Schulen. NZ : Wir danken für das Gespräch. Alles ist im Plan festgelegt Foto: Eva Bozóki Körpernahe Begegnung mit’rn Hirsch Gewöhnlicher Dezembermorgen, kalt und neblig, es friert. Die Traktoren tuckern bereits im Hofe des Jagdhauses, die Anhänge sind vollgepfercht mit Treibern und deren Hunden. Auf die Jäger und Begleiter warten Gespanne und Landrover, die sie zum „Tatort“ fahren werden. Pferde scharren die Erde und wiehern, Hunde bellen ungeduldig, startbereite Jäger treten von einem Fuß auf den anderen — die Luft vibriert vor lauter Aufregung. Alle warten auf den Wink des Jagdleiters — es kann losgehen! Unser Weg führt in den berühmtberüchtigten „Tschöner“, nach einem deutschen Jäger benannt, der vor 20 Jahren seine erste Sau hier geschossen hat. Berühmt-berüchtigt, da es eine Marathonstrecke von drei Stunden in kilometerlangem, fast undurchdringbarem Dickicht ist. Mit meinem kleineren Bruder, der seit einigen Monaten stolzer Besitzer eines Gewehres ist, gehe ich mit den Treibern, um das zurückbrechende Wild zu fangen. Da ich in einer Jägerfamilie auf die Welt kam, war ich, seit ich mich besinnen kann, immer mit auf Jagd. Anfangs nur als Begleiter und Munitionsträger meines Großvaters, später — seit etwa 15 Jahren — auch öfters als Treiber. Obwohl ich alles mitgemacht habe, wie an einem milden Jännertag im Schneematsch, kniehohem Schlamm, kilometerlange, steig’ende und abschüssige Ackerfelder nach Hasen zu durchtreiben oder sich in einer jungen Akazien- und Waldbrombeerdichtung durch Tausende Dornen vorwärtszukämpfen, galt ich nie als „echter“ Treiber, weil ich nicht wilde Geschichten erzählen konnte ; weil ich nie vor einem „angreifenden“ Keiler auf einen Baum klettern mußte, weil noch kein rennendes Hirschrudel aus mir „Palatschinken“ machen wollte... „Hej, raus mit euch Sauen!“ schreien die Treiber und klopfen mit ihren dicken Stangen an die Bäume, und in wenigen Minuten dröhnen schon aus allen Richtungen Gewehre. Hin und wieder sehen wir auch den für eine Sekunde aufleuchtenden schwarzen Rücken einer Sau, die vorwärts, also genau richtig vor die Nase der Jäger läuft. Später hört man den Ruf der Treiber „Hirsche zurück!“, und wie leichtes Erdbeben rennt das Rudel davon. Dreizehn Schüsse habe ich gezählt, wir näherten uns bereits dem Ende des Tschöner, als der eine Treiber in unserer unmittelbaren Nähe„Hirsch nach links!“ brüllt. Vorläufig ist nur das sich rasch nähernde Hundegebell und der fürchterliche Lärm zu vernehmen, wie sich der Hirsch mit seinem schweren Geweih zwischen den dicht zugewachsenen Bäumen und Büschen vorwärtskämpft. Aus einer Entfernung von zwei-drei Metern erblicken wir ihn endlich — genau auf uns zukommend! „Komm schnell!“ schreit mein Bruder und macht zwei Schritte, ich aber rutsche im nächsten Moment aus und muß mich bücken, damit ich nicht hinfalle. Der kapitale Hirsch aber ist schon da, seine vor Angst geweiteten Augen habe ich direkt vor mir, und ich weiß, daß er nun nichts sieht und nichts anderes im Kopfe hat als nur die Flucht. Wie gelähmt auf der Erde hockend, kann ich nur denken: Wenn er mit seinen 200 kg auf meinen Rükken springt, ist es aus mit mir... Dann weiß ich nur, wie ich automatisch aufspringe und die beiden Treiber erblicke, die rechts und links von mir der Szene zuschauten. Trockenen Halses stieß einer der beiden hervor: „Der ist zehn Zentimeter über deinen Kopf über den Weg gesprungen!“ Ich kann noch an gar nichts denken, nichts sagen, halte mich bloß zitternd am Arm meines Bruders fest und schau dem Davonrennenden nach. Zuerst bin ich dem Weinen nahe, aber das Treiben geht weiter, und ich reiße mich zusammen. Nach einer Stunde kann ich darüber schon lachen: Noch gut, daß ich ausgerutscht bin... noch gut, daß Wildtiere die Gewohnheit haben, Wege zu überspringen, wenn sie gejagt werden! Jetzt bin ich endlich auch ein „echter“ Treiber, habe auch meine Geschichte, habe auch keine Angst mehr... Wenn ich aber ganz ehrlich sein möchte, müßte ich wenigstens mir selber eingestehen, daß ich in Zukunft jedesmal, wenn die Treiber „Hirsch!“ rufen, sicherlich blitzschnell einen dicken Baum suchen werde. . . Gyöngyi Vizi