Neue Zeitung, 1988 (32. évfolyam, 1-53. szám)
1988-01-02 / 1. szám
1 (1988 Nationalitäten-Fachabend in Szekszárd Deutsch-Kindergärtnerinnen der Zukunft Noch singen sie fröhlich ihre deutschen Lieder, tragen lustige Mundartgeschichten vor, spielen aufgeschlossen wie kleine Kinder oder richtige Schauspieler, reißen das Publikum — ihre eigenen Lehrer, und Kommilitonen — mit. Die etwa 25 zukünftigen Deutsch-Kindergärtnerinnen — zur überwiegenden Mehrheit im letztenStudien j ahr —genießen anscheinend noch voll das unbesorgte Studentenleben. Der Schein trügt aber. Die meisten von ihnen schauen besorgt drein, wenn sie danach gefragt werden, wo und wie weiter? Nur die wenigsten wissen nämlich, in welchem Kindergarten mit deutschen Beschäftigungen sie im September 1988 anfangen können . .. Dies soll aber nur eine Randbemerkung sein, denn Ziel und Zweck des Nationalitäten-Fachabends an der Szekszárder Hochschule mit Lehrkräften und Studentinnen der Deutschfakultäten der Kindergärtnerinnen-Ausbildungsanstalten war nicht dieses Thema. An diesem Treffen am 3. Dezember nahmen an dem bereits Studentinnen von drei Institutionen teil: außer den Veranstaltern von der Szekszárder Hochschule Gäste aus Ödenburg und Frankenstadt/Baja. Die Szekszárder pflegen übrigens mit Ödenburg enge Kontake, denn die Studentinnen des zweiten und nur noch in diesem Schuljahr letzten Studienjahres (ab 1988/89 erstreckt sich die Ausbildung auf drei Jahre) beider Institutionen verbrachten im Herbst eine zweimonatige Teilausbildung in Halle (DDR) in Organisation des Partnerinstituts der Szekszárder. Mit der Ausbildung von Deutsch-Kindergärtnerinnen in Frankenstadt wurde — wie wir darüber bereits berichteten — erst im September 1987 begonnen: von 21 Studentinnen erhalten hier neun Mädchen eine Ausbildung als Deutsch-Kindergärtnerin. Dieses Treffen nutzten auch die Lehrkräfte zu einem Erfahrungsaustausch. Frau Agnes Szauter und Gábor Köpeczi-Nagy aus Ödenburg, Lehrstuhlleiterin Frau Zsuzsa Petöcz und Dr. Dorothea Wolff auB Frankenstadt sowie Frau Katharina Hauth, Dr. Otto Kleininger und Dr. Béla Horváth, Leiter des Lehrstuhls für Sprache und Literatur in Szekszárd, des weiteren Kindergärtnerinnen aus dem Übungskindergarten der Szekszárder Hochschule, besprachen Probleme und Fragen der Ausbildung. Und davon gibt es genug, denn die Deutsch-Kindergärtnerinnenausbildung in Ungarn hat noch keine traditionsreiche Vergangenheit. Die Studentinnen aus Ödenburg und Szekszárd freuten sich in erster Linie über das Wiedersehen, wobei natürlich auch Fotos über den gemeinsamen DDR-Aufenthalt die Runde machten. Es blieb aber auch reichlich Zeit, Bekanntschaft und Freundschaft mit den Frankenstädterinnen zu schließen. Zum offiziellen Programm gehörte ein Vortrag des Autors mehrerer Bücher und Studien zur Geschichte der Ungarndeutschen: Dr. István Fehér, Lehrstuhlleiter an der Fünfkirchner Universität „Janus Pannonius“, über die „Siedlungspolitik in Mittelund Osteuropa nach dem Zweiten Weltkrieg“. Es wurden viele Fragen gestellt, vor allem im Zusammenhang mit der Entschädigung, der Befreiung vom Aussiedlungszwang sowie der heutigen Einschätzung der Ein- und Aussiedlungen nach 1945. In dem bunten und recht lustigen Abendprogramm stellten die Studentinnen der drei Institutionen unter Beweis, wie sie sich in den vergangenen anderthalb bzw. halben Jahr auf ihren zukünftigen Beruf vorbereitet haben. Denn singen, rezitieren, Märchen und Geschichten erzählen, spielen und schauspielern gehören eng mit dem Beruf der Kindergärtnerin zusammen. Und nicht zuletzt gaben sie auch Zeugnis von ihren Deutschkenntnissen. Die Ödenburger zeichneten sich besonders im Gesang, die Frankenstädterinnen beim Rezitieren und Flötenspielen aus. Die Gastgeber zeigten Dias über den DDR-Aufenthalt, stellten die „Dumme Liesl“ — vorgetragen von Erika Stehr aus Tschatali/Csátalja und Helga Kühn aus Gara — vor. Erstere erfreute uns auch mit einer Mundartgeschichte und bewies damit einmal mehr, wie natürlich aus dem Munde einer Jugendlichen die Mundart klingen kann. Den größten Erfolg erzielten die Szekszárder mit ihremStück,, Schneewittchen und die sieben Zwerge“, frei nach den Gebrüdern Grimm umgeschrieben, mit DDR-Erlebnissen und Scherzen aus dem Studentenleben gewürzt. Besonders amüsierte sich das Publikum über die Hexe, das war in dem Fall Nora Kuszmann aus Budapest. Der zweite Nationalitäten-Fachabend in Szekszárd klang bei Schmalzstullen und Kakao mit einem gemütlichen Beisammensein aus. Gy. V. Großen Beifall ernteten Erika Stehr und Helga Kühn mit »Die dumme Liesl“ »Schneewittchen und die sieben Zwerge“ — mal anders, Torgetragen von den Szekszárder Studentinnen Neue Zeitung3 „Ich bin nach Hause gekommen...“ Beim neuen Ratsvorsitzenden von Saar „Der Toni, wo ist er denn? Vor kurzem war er noch bei seinem Bruder, aber jetzt...“, schaut mich Frau Pats unsicher an. Da hören wir aber schon seine Stimme: „Sucht Ihr mich?“ Und er kommt mit einer Nylontüte in der Hand, drin noch ein paar Kalender, denn er war gerade auf Kalenderverkauf in Neudörfl/Ujbarok. Seit Mitte Juni ist er zwar Ratsvorsitzender des Gemeinsamen Rates von Saar/Szár mit den Partnergemeinden Szárliget und Neudörfl, doch ist er weiterhin ein aktives Landesratsmitglied des Verbandes und Mitglied des Nationalitätenarbeitsausschusses des Komitatsvorstandes der Patriotischen Volksfront Weifienburg/Fejér und noch dazu Sekretär der Volksfront in seinem Heimatort Neudörfl. „Letztere Funktion kann ich vielleicht übergeben, als LR-Mitglied möchte ich aber weiterhin tätig bleiben“, so der 46jährige Anton Pats, der zum Ratsvorsitzenden gewählt wurde, zwar mit einer Gegenstimme. Er betrachtet diese neue Aufgabe sehr ernst, wobei er betont: „Nicht des Geldes wegen werde ich meine Arbeit gewissenhaft verrichten! Ratsvorsitzender zu sein hat nämlich viele finanzielle Nachteile: Ich kann keine Nebenbeschäftigungen annehmen, was früher beim Institut für Berufswahl des Komitates Komorn in der Totiser Kolonie (Tatabánya) natürlich möglich war. Aber ich bin halt nach Hause gekommen, und das ist auch nicht zu unterschätzen: gefühlsmäßig vor allem.“ Bevor er zum Ratsvorsitzenden gewählt wurde, war er schon lange Jahre hindurch Ratsmitglied und zuletzt Gemeindevorsteher von Neudörfl sowie Mitglied des Vollzugsausschusses des Gemeinsamen Rates, so hatte er einen Einblick in die Arbeit des Rates. Nicht zuletzt stützt er sich in seiner Arbeit auf seine Mitarbeiter, die seit etwa 15—20 Jahren im Apparat tätig sind und die nötigen Erfahrungen besitzen. Ratssekretär Michael Nágl war sein Klassenkamerad im Gymnasium: Er sei zuverlässig, kenne sich sehr gut in allen Verordnungen und Regeln aus, und Anton Pats hat volles Vertrauen zu ihm. Im Schul-und Gesundheitswesen Dies alles genügt natürlich zur täglichen Arbeit nicht. Anton Pats hat sich gut auf seine Aufgaben vorbereitet : Er kennt die größten Probleme und versucht, diese zu lösen: „Je einen Wasserblock in der Schule von Saar und Szárliget müssen wir bis Ende dieser Fünfjahrplanperiode unbedingt ausbauen“, erklärt er. „Es ist nicht mehr haltbar, daß die Kinder zu Hause und auch im Kindergarten schon moderne Toiletten haben, in der Schule aber noch immer nicht. Das kostet natürlich viel. Auch der Siedlungsentwicklungsbeitrag (TEHO) der Einwohner wird fünf Jahre lang für den Zweck genutzt. Das sind insgesamt 1,5 Millionen Forint. Dem steuert auch der Rat seine Finanzen bei, und auch vom Komitatsrat erwarten wir eine materielle Unterstützung. Und selbstverständlich rechnen wir mit der aktiven Mitarbeit der Einwohner, die schon bei der Errichtung des Kindergartens vor ein paar Jahren gezeigt haben, daß sie gerne mitmachen, wenn es um die Kinder geht.“ Außerdem möchte man die Grundschule in Saar — die auch die Kinder aus Neudörfl besuchen — um zwei Klassenzimmer erweitern. Zur Zeit wird auch im Ratsgebäude, im Beratungssaal unterrichtet. Ein anderes Problem ist, daß Saar gegenwärtig keinen Kreisarzt hat. „Schulund Gesundheitswesen — auf diesen beiden Gebieten muß Ordnung geschaffen werden“, meint der Ratsvorsitzende. Von den drei Gemeinden liegen Saar und Neudörfl drei km voneinander entfernt und waren auch in der vergangenen Zeit ziemlich eng verbunden. Es besteht kein Zweifel, daß für die Kinder aus der Partnergemeinde in Kindergarten und Schule in Saar bessere Umstände und höheres Unterrichtsniveau gesichert werden können als sagen wir in einem Dörflein mit 370 Einwohnern. Anders steht es um Szárliget, das ist eine neue Siedlung, die sich seit den 30er Jahren dynamisch entwickelt hat und nach Selbständigkeit strebt. Szárliget zählt 1800 Einwohner, hat eine eigene Schule, einen Kreisarzt. 1988 wird auch über ihr Schicksal entschieden. Ich sehe ihre Zukunft auch in bezug auf Selbständigkeit gewährleistet. ’’Wir erwarten unsere Kinder zurück___” Ende November fand in den zwei, auch von Nationalitäten bewohnten Gemeinden Saar (zu etwa 50 Prozent Ungamdeutsche) und Neudörfl (zu etwa 70 Prozent Ungarndeutsche) ein von der Patriotischen Volksfront initiiertes Nationalitätenforum statt. Daran nahmen alle Zuständigen — Pädagogen, Leiter der Singegruppen mitinbegriffen — teil. Im Fokus der Gespräche standen Muttersprachunterricht und Kulturarbeit. Im Saarer Kindergarten — wo auch die Kinder aus Neudörfl untergebracht sind —, läuft der Muttersprachunterricht, zwei Kindergärtnerinnen, Frau Elisabeth Rózsa und Frau Magdi Laub-Grosz, betreuen die Kleinen, Anikó Szdmann studiert zur Zeit in Ödenburg, also wird auch für den Nachwuchs gesorgt. Genauso ist es auch in der Grundschule. Der Muttersprachunterricht läuft von der ersten Klasse an. Es wurde festgestellt, daß in Saar sogar schon erste positive Zeichen des Muttersprachunterrichtes zu verbuchen sind: Zur Zeit studieren Ildi Metzger in der DDR, Monika Glósz und Eszter Kovács auf der Universität und Christine Pats in Fünfkirchen Deutsch-Ungarisch bzw. Deutsch-Russisch. Alle Weiterlernenden werden zurückerwartet, denn Deutschlehrerin Frau Klara Szekeres schafft die Arbeit allein sowieso nicht. Sie leitete früher auch einen Deutschkurs für Erwachsene. In Zukunft möchte sie diese Arbeit fortsetzen. Vor allem kommen Eltern, deren Kinder in der Schule Deutsch lernen, aber auch andere Interessenten, denn auch Saar hat Kontakte zum Ausland, und Sprachkenntnisse werden hoch geschätzt. Ebenfalls unter Leitung von Frau Szekeres möchte man einen Deutschklub im Kulturhaus starten, die Lehrerin hat sogar vor, mit Hilfe ihrer Schüler in der Gemeinde die Volkskundeforschung zu beginnen. Am 7. Mai erwarten wir aus Dingolfing (Bundesrepublik Deutschland) zum zweiten Male einstige Saarer, die bei Verwandten und Freunden untergebracht werden. Die Singegruppe, der Kindergarten und die Schule werden sich natürlich eifrig auf dieses Treffen vorbereiten. Wie auf dem Forum festgestellt wurde, wirken die Singegruppen aus Saar und Neudörfl zwar seit langen Jahren sehr erfolgreich, aber es genügt nicht, nur zu singen. Es wäre gut, eine Kapelle und eine Tanzgruppe zu gründen, um ein abgerundetes Abendprogramm geben zu können. Traditionsgemäß werden zum 20. August abwechselnd in Saar, Neudörfl und Boglár/ Vértesboglár das neue Brot und Tag der Verfassung gemeinsam gefeiert, diese Tradition möchte man fortsetzen, denn sie spornt zur regelmäßigen Arbeit an und sichert den Amateurgruppen der drei Gemeinden Auftrittsmöglichkeiten. Ab dem 1. Januar werden die Gemeinden direkt vom Komitat verwaltet. Welche Änderungen bringt das im Leben der Gemeinde und der Staatsbürger? Jeder Gemeinderat im Komitat Weißenburg, so auch Saar, wird eine Telexmaschine erhalten, womit die direkte Verbindung mit dem Komitatsrat gewährleitet werden kann, die Gemeinden werden sich mit Personalcomputern und Terminals ins zentrale Computernetz des Komitates einschalten können, vor allem, was die Steuerangelegenheiten und Bevölkerungsregister anbelangt. In der Ratstätigkeit beginnt eine neue Etappe auch mit technischen Neuigkeiten, die aber nur ein Mittel dazu sind, die inhaltliche Arbeit zu verbessern: Gute Kontakte zu den Einwohnern, offene Gemeindepolitik, rationale Selbständigkeit in der täglichen Arbeit im Dienste der drei Gemeinden Saar, Szárliget und Neudörfl. —may er— Ratsvorsitzender Anton Pats