Oedenburger Zeitung, 1883. November (Jahrgang 16, nr. 250-274)
1883-11-01 / nr. 250
Se >; ;»».... ».. She EEE RR ...s-«-1.--. i· sah-; « « -«.«i««2Us»-jig: (vormals „Bedenburger Nachrichten“) Organ für Politik, Kandel, Industrie und Landwirtschaft, dann für soziale Interessen überhaupt. Motto: „Dem Fortsepritter Ehr? — Berrachten zur Wehr! — Der Wahrheit eine Gaffe.“ _XVI. Jahlgang. — ’ Ar. 250 BE Hiezu ein halber Bogen Beilage. SINE ;;"1 -jährig . Alle für das Blatt bestimmte Sendungen, mit Ausnahme von ‚Inseraten, Prämumerations= und Insertionsgebühren, sind an die Redaktion portofrei einzusenden. Das Blatt erleint täglich, mit Ausnahme des auf einen Run=-oder Feiertag folgenden Tages. W Pränumerations:Preise: Güe Soco: Ganzjährig 9 fl., ar eng 5 fl, Bierteljährig Administration, Bering und Insernienaufnahme: Feindwärte Samyni 3 , Daflinig TR, Bierter, Buchdruherei &, Nomitvalter &K Sohn, Grabenude 121, BI Einzelne Nummern Rotten 5 Steujer. U Inserate vermitteln: In Wien: Hafenstein & Vogler, Walls ragaffe 10, A. 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Das alte Spiel in der Natur, welches von Tausende oder Hunderttausende von Generationen gesehen, wiederholt sich mit derselben Regelmäßigkeit wie vor ungezählten Milliaden auch gegenwärtig vor den Augen der heute zufällig auf unserm Planeten herumkrabbelnden Erdenwürmer, und auch dasselbe Gefühl, welches sentimental angelegte Naturen jederzeit beim Herannahen des Spätherbstes überkommt, wird si Sgener bemächtigen, deren geistiges Wesen oder Gemüthsleben von den Vorgängern in der Natur ganz besonders beeinflußt zu werden pflegt. Aber die auf der Erde wohnenden, sogenannten „Herren der Schöpfung“ ‚haben denn am Ende doch no eine andere Bestimmung, als inh sentimentalen Gefühlen hinzugeben oder von denselben figar, beherrschen zu lassen. Denn wäre ta, lepiere im Großen und Ganzen der Sal, so würde ja thatsächlich, wie es in vielen Dingen wirklich ist, jener Titel „Herr der Schöpfung" eine Chimäre sein. Wahrsceinlich nur, um sich Diesem Titel würdig zu zeigen, erfanden unsere Vorfahren vor Jahrhunderten oder vielleicht an Jahrtausenden die Kaften-Unterschiede, und nannten die Mitglieder der obersten Meenschenklaffe: „Herren“, diejenigen der niederen Karten aber Diener oder Sklaven. Heute ‚existirt diese Eintheilung der Staub» gebornen thatsächlich wal nur noch in den Diversen Gehirnen der sich blaublütig oder sonst von der Natur bevorzugt dünfenden Individuen, wenn au nit zu leugnen ist, daß, wenigstens in Mitteleuropa, die deukende Menschheit auf Schritt und Tritt daran erinnert wird, daß wir in einer Zeit leben, wo auch je noch die mittelalterligen ledermäuse bei hellem Zage, die Köpfe der, nach vollem Lichte ringenten Erdbewohner umschwirren. Nun ist uns nicht bekannt, ob die Einsicht, daß Solches der Fall, auch andere Staubgeborne gerade beim Nahen des Spätherbstes mehr ergreift als zu anderen Zeiten und dann in ihnen eine gewisse Allerseelen-Stimmung erzeugt. Uns dagegen wird jedesmal bänglich zu Deutshe, wenn diese Jahregepoche eintritt. Und das hat feinen triftigen Grund. Denn wenn der Blätterschmuch im Herbste von Baum und Strauch verschwunden, wenn die Gräser weit und vergilbt, wenn die Blumen in Feld und Wald, im Thale und auf den Bergen als Dumgmittel längst ihren Tribut an die Erdfrume abgegeben und höchstens nur noch die Herbstzeitlose ein ephemeres Dasein lebt, dann ist an die Zeit erschienen, wo — — um das „Wohl des Volkes“ in dem verschiedenen Parlamenten gestritten, in Wahrheit aber dem „Degen Egoismus“ Weihrauch gestreut und gleichzeitig der immer neue Derfuh unternommen wird, diesem Göten nicht nur Tempel zu bauen, sondern auch das Wohl des Bolfes aufs Gründlichste zu opfern. Diese Errungenschaft rannten, bis auf die alten Griechen, die längst vom Erdball verschwundenen Völker und Generationen iit. Erst dem vorigen Jahrhunderte war es vorbehalten, eine von den Hellenen erfundene Anstitution mit europäischen Anschauungen zu verguiden und dann das ganz Neues, dadurch erhaltene Produkt als etwas noch nie Dagewiesenes, hinzustellen. Wahrscheinlich nur deshalb, weil die altgriechischen Wolfsversammlungen, Z Tribunale und beziehungsweise Parlamente nicht unverändert in unsere Zeit hinübergenommen wurden, haben diejenigen der heutigen Zage in Europa auch nicht den vollen Werth erringen können, den jene in Hellas beseisen. Und nicht nur, das, sondern auch die Widerstandskraft, die den hellenischen innegewohnt, wenn es sich darum handelte,, den „Ziyranıya“, oder Solden, die es werden wollten, den Stand»punftbar zu machen, ist den Parlamenten auf unsere Kontinente, vornämlich aber in Mitteleuropa, total unbekannt. Und auch die großen Redner, die Hellas gezeugt, haben in unseren Tagen und parlamentarischen Volksversammlungen nur „matte Adklatihe“ gefunden. Denn — „geredet wird zwar genug, aber sein Donner des Demosthened vermag für das hungernde Volk aus Steinen Brod zu machen.“ Kommt bei uns in Mitteleuropa aber das Volk überhaupt in Betracht? Gewiß nicht! In unseren Parlamenten führen die Meinister und deren Brabanten das große Wort. Al diese wollen nicht für das Volk Brod, sondern für sich. Sie nehmen im Gegentheile Denen, welchen sie geben sollten, das Brod, und reichen ihnen dafür — — Steine, nämlich die unerhörten, das Dorf entnervenden und zur Verzweiflung treibenden Steuern. Und wenn das geschehen ist, dann reiben sie si seelenvergnügt die Hände und rufen mit Pathos: „Wir haben wiederum eine grandiose „konstitutionelle" That vollbracht it — — Und nun it wieder „Allerseelen“ da. Die Natur ist ihres Schmudes entkleidet, die Singvögel schweigen, die wandernden Segler der Lüfte genilieten. Für ewig versteht. (Bortregung ) Dieser war ein liebenswürdiger Mann von sympathischem Reußern, dessen ehrenhafter, rechtlicher Charakter ihm die allgemeine Achtung erzwang. Er war hochgebildet, aber bescheiden, als ob er der Umwissendste wäre. Wohlthätig ohne Oftentation,weich ohne Geldstolz. Gleichwohl hatte er einen großen Fehler, der mit seinen zahlreichen, guten Eigenschaften im grellsten Widerspruche stand. Er war nämlich schon seit seiner Kindheit äußerst mißtrauisch, was indeß seine Menschenliebe, wenigstens in den Resultaten, ant fchädigte, da es ihn niemals von einer guten That abhielt. Er hatte schon früh im Leben trübe Erfahrungen gemacht und wollte den Charakter vom Antlig seiner Mitmenschen lesen — und las mur zu-oft-falseh. Hedwig, seine Braut, Hatte er mnerkwürdigerweise geliebt und ermwählt, obwohl, seiner Lesart nach, ihre Physiognomie Falschheit und Undank verrieth. Aber in diesem Falle war die Liebe mächtig, und Arnold wollte trog alledem das arme Mädchen als seine Gattin heimführen und glücklich machen, aber auf Dankbarkeit ihrerseits verzichten. Wir kennen nun den Mann, welchem Hebdwig, die seit Jahr und Tag ein Liebesverhältnis auf Wunsch und Befehl ihrer Eltern, um ihren Geschwistern eine Stüge zu sein — zum Altar folgen sollte, und lioß ihrer Liebe, war das brave Mädchen fest entbhlosfen, so zu handeln, daß der Mann, dem sie ihre Hand reichte, nie ihr, Herz vermissen würde, und ihn seinen Reichthum und ihre Armuth niemals entgehen zu lassen. Dog fahren wir in unserer Erzählung fort: Schloß Weiherstein war eine jener mittelalterlichen Burgen, welche jeden Beschauer, der einen Gran Porfie Hefigt, entzoden. Auf einem hohen Marmorfelsen erbaut, der wie vom Himmel gefallen mitten in einem reizenden Thale, auf einer smaragdgrünen Wiese lag , beherrschte , nach der einen Seite eine wundervolle Aussicht auf nahe, waldgefrönte Berge, durch welche sich ein rauschender Waldstrom wand, der eine Mühle trieb — nach der anderen duch ein von zwei Bergen gebildetes natürliches Thor eine duftige Fernsicht auf weite von Dörfern und Flechen überfäete Ebene Das Schloß bildete einen sechseitigen Stern, dessen Mittelpunkt im ersten Stodwerfe ein großer Saal war. Seine Wände waren mit slebensgroßen Bildern früherer Befiger geziert. Die Strahlen des Sternes waren Erkeraltane, wahre alterthümtiche Luginsland. Im zweiten Stocwerke befanden siche Wohngemäuer, mit riesigen Marmorlaminen, flandrischen Tapeten, alterthümlichen Kleiderspinden und damastener Himmelbetten reich möblich. Da der alte Schlagaufseher vor einigen Wochen das Reitliche gesegnet hatte, so machte der Schaffner der mit einem jungen Offizier, Lothar, unterhielt . Ihm und seiner Ehehälfte trug Herr Arnold auf, die mitgebrachten Mundvorräthe im großen Saal zu servigen, wo sich die Gesellschaft, nachdem sie das Schloß und dessen Umgebung besucht hatte, nun um die riesige Tafel zum fröhlichen Male reihte. Bon Hedwig’s Antlig war jede Spur von Migmuth, der es am Morgen verdüstert hatte, geschwunden. Sie plauderte, scherzte, aß und sprach sogar dem goldfunfelnden Weine zu, welchen ihr der Verlobte fleißig kredenzte. Als das Mahl vorüber war und die Gesellschaft sich beriet, womit sie die Zeit bis zur Heimfahrt zubringen sollte, rief Hedwig fröhlich: „DO, laßt uns Derstedlen spielen; ich habe es so oft mit meinen jüngeren Geschwistern gespielt. Dieses Schloß scheint eigens dazu erbaut, mit feinen zahllosen Winkeln, Eifern und Himmelbetten.“ Der Borschlag fand allgemeinen Beifall. Selbst der ernste Arnold schien zum Finde geworden, und man kam überein, daß abwechselnd jedes Mitglied der Gesellschaft die Uebrigen, welche sich im ganzen Schlosfe zerstreuten, suchen sollte. Das gab viel Spaß und die hochgemwölbten Gemächer widerhallten von fröhlichem Lärm, dessen sie gewiß in Jahren nicht so viel gehört hatten, als heute in wenigen Stunden. Nun traf die Neihe des Suhens den Schlafherrn, und seine Braut rief ihm wehend aus: „Nehmen Sie sich zusammen, mich finden Sie gewiß nicht.“ Die jungen Leute zerstreuten sich nach allen Nichtungen, und auf ein gegebenes Signal, daß Alle verstect seien, begann Arnold zu sußen. Wirthchhaftsgebäude die Honneurs im Schlosse. (Eortiegung folgt.) we