Pester Lloyd, November 1885 (Jahrgang 32, nr. 300-329)

1885-11-01 / nr. 300

EEE Budagert, 51. Oktober, — C3 ist in der Ausschuß-Sikungen der Delegationen wiederholt vorgenommen, Daß bezüglich der auswärtigen Angelegenheiten an­ den betreffenden Minister Fragen ge­­richtet wurden, bei­ denen jedem zurechnungsfähigen Politiker buchstäblich die Haare zu Berge stehen. Deren Effekt aber, nachdem der erste Schweden verflogen, beim Minister wie bei der Delegation sein anderer, als der einer stillen Heiter­­keit war. Es wird eben weder der Fragesteller noch seine Trage ernst genommen. Wenn man jedoch die Reihe Der­­jenigen überblict, welche in der heutigen Sitzung des ungarischen Delegations-Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten mit Tragen an den Minister hervortraten — durchgehends ernste Männer, welche eine ziemlich lange politische E­rfahrung hinter sich haben —, und wenn man sich die an einer andern Stelle des vorliegenden Blattes mit getheilten Fragen gegen­­wärtig hält, so wird man sie kaum der Erkenntniß ent­schlagen können, ob denn die Betreffenden wirklich auch mir einen Moment ernstlich erwarten konnten, daß der Minister Diese Fragen in der Heutigen Sigung beantworten werde. Wir glauben den Fragestellern nicht nahezutreten, wenn wir vorausfegen, daß sie eine solche Erwartung wenigstens bezü­glich der meisten von ihnen berührten Punkte niemals gehegt haben; allein das ist auch nicht der Stand­­punkt, von welchen ihr Auftreten in der heutigen Sigung zu beurtheilen i­. Diesen Standpunkt hat vielmehr Graf Andrasfy ganz richtig gekennzeichnet, indem er d­arauf hin­wies, daß der Zweck einer solchen Berathung ein doppelter sei : erstens, daß die Delegation und durch ihre Vermittlung auch das Land so weit als möglich über den Stand der auswärtigen Fragen Aufschlüsse erhalten. Dann aber auch zweitens, daß der Minister des Auswärtigen darü­ber ins Reine komme, in welcher Richtung er die ihm anvertrauten Angelegenheiten führen müsse, um auf die Zustimmung und Mitunterfrüsung, eventuell auch auf die Opferunwilligkeit der Bevölkerung rechnen zu können. Der reitere Zweck dü­rfte dur) die heutige Diskussion vollständig erreicht worden sein. Wenn Graf Kálnofy die aus den verschiedensten Partei­­lagern an ihn gerichteten Fragen einer ernsten Erwägung würdigt, wenn er dann sieht, daß sich aus all diesen Fragen, so verschiedenartig sie auch formulirt sein mögen, gewisse ganz gleiche Grundgedanken herauskristallisiren lassen, dann wird er ach willen, was die öffentliche Meinung in Ungarn winscht und was er zu thun hat, wenn er sich nach wie vor mit ihr in voller Harmonie befinden will. Namentlich sind es zwei Punkte, bezüglich­ deren der Knister des Auswärtigen nicht einen Augenblick im Uns Haven sein fangı. Das eine ist leer, daß, so sehr man auch bei uns wünscht, mit Nußland in Frieden zu leben und soweit er jer eigenes uteresfe gestattet, möglichst gute Beziehungen zu ihm zu unterhalten, eben vom Fondonntte untere cäinteresfen­ aus ein intimes B­ündniß mit dieser Macht nicht als wünschenswerth berachtet­ wird, daß man insbesondere jenes nahe V­erhältniß, welches nunmehr seit sieben Jahren zwischen uns und Deutschland beficht, nach wie vor als Die sicherste Grundlage unserer auswärtigen Politik betrachtet, und daß man nicht mitnicht, dasselbe doch den Hinzutritt Naßlands als besten gleichbethei­­ligten Faktor in seinem ganzen Wesen alternot zu sehen. Das Zweite, was sich mit aller Klarheit als Ausdruck der öffentlichen Meinung Ungarns erkennen läßt, ist, daß man bei uns allerdings das Festh­alten an den Bei­­trägen wünscht, aber nicht in blos mechanischen Sinne und am allerwenigsten in der Weise, daß unsere Monarchie das Odium auf sich nehme. Die berechtigten Aspirationen Der Balfanvdölfer in die Farbe Som eines interratintalen Veitrages einzuzwängen, in welcher zur­zeit, als er geschlossen wurde, immerhin den damaligen Bedürf­­nissen entsprochen haben mochte, der aber Fein Dogma ist, welches selbst dann Feine Aenderung gestatten würde, wenn eine solche die Zustimmung aller jener Faktoren fände, welche bei dem AZustandeformen des Vertrages mitgewirkt haben ; daß vielmehr, wenn sie das Verhältniß in einem Punkte fo ron habe, daß die Bestimmungen des Vertrages den erechtigten Wiünschen der Bevölkerung nicht mehr ent­­sprechen, eine Henderung — allerdings nicht auf r­evolu­­tionärem, sondern auf legalem Wege — nicht nur zulässig, sondern auch geboten erscheint. Nur dürfte diese Aenderung seine einseitige sein und nicht blos die Winfhe und sontereffen Derjenigen wü­rdigen, welche sich mit kühner Hand an dem Bertrage vergriffen haben, sondern and Derjenigen, welche ihn­ gewissenhaft einhalten und von dem gerechten Gefühle der Mächte die Erfü­llung ihrer begründeten Ansprüche erwarten. Wenn dies der Standpunkt it, welchen die ungarische Delegation bezü­glich der beiden wichtigsten Fragen unserer auswärtigen Polität einnimmt, und somit Der eine Awed der heutigen Berathung erfüllt ist, nämlich den Minister des Auswärtigen über die Bielpunkte der öffentlichen Neennung Ungarns aufzuklären, so taucht daneben selbstverständlich auch die Frage auf, inwiefern auch der andere Zıved, näm­­­lich der Delegation und dur­­fte dem Lande über die Nich­­tung der auswärtigen Politik Aufschlüsfe zu erteilen, erreicht wurde und ob diese Politik, insofern sie sich aus der heuti­­gen Erklärung des Grafen Kálnoky erkennen läßt, si mit den Wünschen der Nation im Einklange befindet ? Auf den ersten Blick wird es nicht leicht sein, aus den überaus knappen und vorsichtig gehaltenen Aeußerungen des Grafen Kálnoty die Antwort auf diese Frage herauszulesen und dennoch glauben wir, daß wenn auch der Meinister auf manche sehr wichtige Frage jede Direkte Antwort ver­weigerte, in seinen Worten sehr wichtige Andeutungen über die Richtung unserer auswärtigen politik zu finden sind. Was speziell unser Verh­ältniß zu Rußland betrifft, so út Graf Kálnofy anfänglich­ einer direkten Heußerung darüber, ob zwischen diesem Verhältnisse und jenem, welches zwischen uns und Deutschland besteht, ein Unterschied obwalte, sorgfältig aus dem Wege gegangen . Er meinte, sich aber unser Verhältnis zu Deutschland bereits in früheren Jahren zur Genüge ausgesprochen zu haben und daher war die Vereicherung wiederholen zu müssen, daß Dieses Berdältnik nicht auf kurze Zeit geschaffen, sondern auch. Für die Zukunft seit begründet sei, während er vom Verhältnisse zu Rußland be­­merkte, daß dasselbe auf internationalen Verträgen haffte. Erst auf weiteres Drängen, als ihm vorgehalten wurde, daß ja auch das DVerhältnis zu Deutschland » auff den inter­­­nationalen Verträgen beruhe,daß es also zwischen uns und Deutschland doch auch noch­ etwas ganz Spezielles geben wsse, was den Minister veranlaßt hat, zu wiederholten Malen gerade Dieses Verhältniß zu Deutschland als die Basis unserer auswärtigen Bolitit zu bezeichnen und als in Die bestimmte Trage gestellt wurde, ob etwas vorartig Spezielles auch zwischen uns und Ausland bestehe, gab der Minister die Erklärung ab, daß zwischen uns und Rußland sein anderes Verhältniß bestehe, als jenes, welches auf den internationalen Verträgen baffre. ‚_ Wir haben seinen Grund, dieser Erklärung des Mi­­nisters mit Mißtrauen zu begegnen und müssen daher alle jene Gerüchte, welche von speziellen Abmachungen zwischen ung und Kurland wissen wollen, so lange nicht positive Beweise dafür vorliegen, als unbegründet betrachten, umso mehr, als Graf Kalnoky kurz vor Schluß der Sigung neuerdings auf dieses Thema zurü­ckkam, indem er bemerkte, daß allerdings eine gewisse Nivalität zwischen uns und Rußland im Orient bestehe, und daß dies in der Natur der Sache gelegen sei, daß es sie aber, da Rußland einmal unser Nachbar­n­, immerhin empfiehlt, mit ihm gute Beziehungen zu unterhal­­­ten und Die anstauchenden Schwierigkeiten mit ihn, wenn ««äsr"c­j«ffkchk«mkt"«khinalle­kn,sdndekjrgentkins ans Un­tszsmis cknderen Mächten zu lösem . Ueber die soeben in Konstantinopel Infantitten tretende Konferenz verweigerte Graf Kálnotfy aus nahe­­liegenden Grü­nden jede Auskunft. Der Delegierte &8­er­nátony­­ bemerkte ganz treffend, es füge sich eben un­glücklich, daß diese Konferenz gleichzeitig mit der Delegation tage; denn wenn sie noch in weiter Ferne ftinde, oder wenn wir sie bereits hinter uns hätten, wü­rde sich der Minister in Diesem Punkte sicherlich weniger zugef­dpft zeigen. Hier hielt Graf Kalhory allem Drängen gegenüber tapfer Stand und als der Delegirte Fall bemerkte, er wünscte nicht zu mwissen, was die Mächte unter­einander verabredet haben und was­ sie in Konstantinopel zu beschlichen gedenken, auch nicht, welche Mittel sie für die Duchführung ihrer Beschlüsse ins Auge ge­faßt Haben, er frage nur, ob man überhaupt einig sei über Die Art und Weise, wie die Beschlüffe der Konstantinopler Konferenz im Falle eines Widerstandes gel­tend gemacht werden sollen, erklärte der Minister, auch diese Trage nicht beantworten zu können. Dagegen haben zwei andere, auf­ denselben Gegenstand bezügliche Fragen eine sehr präzise Beantwortung gefunden. Die eine war die, ob es wahr sei, daß die Türkei in ihrer Konferenz-Einladung ausdrücklich bedungen habe, daß nur die ostrumelische An­­gelegenheit den Gegenstand der Berathung bilden dürfe und ob Graf­ Kälnoly diese Beschränkung acceptirt habe ? Der Graf verlas hierauf den betreffenden Raffus der türki­­schen Note, in welcher es in der That heißt, die Konferenz werde fid­­erälnsive mit der ostnumesischen Trage zu beschürf­tigen haben, und er fügte Hinzu, daß er, nachdem er Die Kor­ferenz angenommen habe, selbstverständlich auch diese Be­­schränkung angenommen habe. Daraus geht hervor, daß es sie in Konstantinopel einfach nur um die Frage handeln könne, in welcher Weise der Status quo ante wiederherzustellen sei; von einer Abänderung des Berliner Vertrages, von einer Modifikation der vertragsmäßigen Stellung DOf­­rumelieng und einer dadurch noth­­wendig werdenden Kompensation an andere Dalfanfanten fann und wird sonach in Konstantinopel absolut nicht die Nede sein Wie unsererseits sind damit vol­kommen zufrieden, denn es­­t dadurch die gegenwärtige Ungewißheit auf eine möglichst kurze Reitdauer beschränkt. Ob der Status quo ante wiederhergestellt­ werden könne oder nicht, wird eben binnen Fürzester Zeit rar werden und wert eine solche Wiederherstellung aller Wahrscheinlichkeit nachh nicht möglich ist, dann werden Diejenigen, welche aus dieser Sachlage ihrerseits die Konsequenzen ziehen wollen, voll­­ständig freie Hand haben. Und noch auf eine andere Trage hat Graf Kälnoky mit großer Klarheit geantwortet. Es war nämlich in den jüngsten Tagen die Ansicht verbreitet, man werde allerdings an dem Buchstaben des Berliner V­ertrages nichts ändern, weil Dieser Vertrag die Situation Ostenmelsens ohnehin nur in großen Zügen kennzeichnet, sondern man werde durch Abänderung 98 auf Grund Dieses Vertrages ge­­schaffenen organischen Statut für Os­rumelien die Union mit Bulgarien einzuschuggeln versuchen. E83 wide daher an den Grafen Kál­­nofy die Frage gerichtet, ob er bei der Wieder­­herstellung des Status quo ante lediglich den Buchstaben des Berliner­­Bertrages, oder auch das vorganische Statut ver­­standen wissen wolle. Die Antwort lautete dahin, daß auchb an allen wesentlichen Prinzipien des Statuts, namentli­ch der Tren­nung Ostrumeliens und Bulgarien, jowie dem Berh­ältinisse beg­erteren zur Zarlei festgehalten werden |wEl Die Taliews des Prices vom 18. September hoben so seine Aussicht auf einem Schleifwege ihre Ziel zu auf, nachdem sie es auf Drängen der K­onferenz seheinbar aufge­geben hatten. Sie werden entweder pur et simple den Gang der Dinge vom 18. September d. h. wieder herstellen müssen, oder die Konferenz wird resultatlos auseinandergehen ud dann werden die Ereignisse ihren Lauf nehmen. Was ihrieglh Serbien betrifft, welches ebenfalls in allen Fragen wiederkehrte, so trat ab hier der Minister anfänglich ziemlich Teife auf. Allein als die Diskussion ant mirter and die Haltung unserer Monarchie gegenüber dem Reinen Nachbar-Königreiche imm­er eingehender erörtert wurde, sah sich auch Graf Kálhory veranlaßt, nochmals auf den Gegenstand zurückzukommen und er sprach bei dieser Gele­genheit von Serbien mit einer Wärme, für welche ihm­ die Anerkennung nicht versagt werden darf. Daß er sich trogdem auch Hier innerhalb jeder enger Grenzen hielt, das wird Yedersmann begreiflich finden, der bedenkt, daß man doc nicht gleichzeitig eine Konferenz mit dem Status quo ante als H­ielpunkt acceptiven und von Kompensation für den Fall vn Nichtwiederhertellung Dieses Status quo ante sprechen dure. Wenn man vor alldem das Urtheil über die heute abgegebenen ministeriellen Erklärungen dahin zusammmen­­rassen wollte, daß D­ieselben nichts Neues enthalten, so­ll dies ebenso wenig richtig, als es unrichtig wäre, ihnen Des­halb jeden Werth, absprechen zu wollen. Es ist eben, wie Graf Andrasfy, der in der Regel den Nagel auf den Kopf trifft, auch Heute bemerkte: Jede solche Enunziation des Ministers über die gesam­mte auswärtige Situation, nament­­lich in Britischen Reiten sei beiläufig so, als wenn man vor ein Kolossalbid einige Kerzen einstellt. Einen genauen Ueberbild über das Ganze, einen Haren Totaleindruck wird man durch eine solche Beleuchtung nicht gewinnen; allein die Kerzen erhellten denn doch eine oder Die als dere, wenn auch nie kleine Bartie, welcher ihre Flamme zunächst Legt und einen gewissen Schimmer werfen sie auch darü­ber hinaus. Das ist in der heutigen Sibung des ungarischen Delegations-Ausschasfes für Auswärtiges erreicht worden. Mehr konnte vernünftiger Weise in diesem Augenblicke nicht erwartet werden. Daraus folgt allerdings nicht Dasjenige, was ein oppositioneller Delegirter daraus ableiten will, daß sie Die Delegation mut mehr ihr Urtheil über die Bolität des Grafen Kathofy nicht aus jenen Antworten ableiten künne, welche theils sehr knapp gehalten, theils gänzlich verweigert wurden, sondern daß selches anscchließlich auf die Zeitungsnachrichten baffren mise. Wohl aber folgt daraus, daß in Diesem Augenblice BEeDErT [arc eine Billigung, wo@ TET eine Mißbilligung unserer aus­wär­­tigen Politik das notabwendige Ma­­terial vorhanden sei, daß man immerhin der Berson des Grafen Kálnofy volles Vertrauen entgegen­­bringen künne, daß aber eine Rechtfertigung des Vertrauens oder das Gegentheil erst von dem weiteren DBerlaufe der Ereignisse abgewartet werden muß. Budapest, 31. Oktober, = Dich Die Aufnahme der Konferenz­­beratsbungen ist unbestreitbar eine gewisse Beruhigung in Europa eingetreten. Mean sieht für's Erste die formelle Einigung der Mächte gesichert und hofft, daß dieser auch die Einigung in den fachlichen Fragen folgen werde. Allein das Gefühl, daß sich den definitiven Entscheidungen noch zahlreiche Schwierigkeiten in den Weg stellen werden, wird dadurch nicht gänzlich unterdrüct. Die neuesten Nachrichten aus Sophia melden von einer starren Gährung, die sich in Mazedonien zu zeigen beginnt. Gleichzeitig hat die Opposi­­tion in Athen der hellerischen Bewegung eine feste Richtung angewiesen, indem sie ihr die Aufgabe der Beihaltung Mazedoniens zuerkannt. Die Negierung hat ihren stärksten parlamentarischen Gegner zu " Spezialität, dem nationalen Chauvinismus der Griechen EM", A ausgefäjlsiten­­­ Dänisch-bulgarischen Grenze bestätigen sollte, bestimmteres Ziel zu geben, mit Wärme beglück­niegt. Von allen Seiten wird Mazedonien in den Vordergrund gestellt. Man sollte allerdings denken, daß die Vertheidigung Dieser­­ Provinz Sache der Türkei sei und die Pforte scheint selbst dieser Ansicht zu sein, wenn sichh anders die Nachricht von nicht unbedeutenden Truppenkonzentrirungen an der magze- Aber Karame­­low selbst hat sich gerühmt, einen mazedonischen Aufstand in wenigen Tagen organisiren zu können und ich dabei auf das erprobte Konspirationstalent der Bulgaren berufen. Das steht einigermaßen im Widerspruche mit der Vereicherung, daß man in Sophia die Fäden aller mazedonischen Vorgänge in Händen Halte, zu beherrschen den festen Willen habe und erst dann besorgen müsse, den mäßigenden und der Erhebung Halt gebietenden Einfluß Dort zu verlieren, wenn die Mächte nicht zu einer befriedigenden Lösung der bulgarischen Kontro­­verse gelangen sollten. Dagegen steht es seineswegs im Widerspruche mit der Angabe, daß sich zahlreiche Komites daselbst gebildet haben, um die Fragen der im Berliner Vertrag in Aussicht gestellten Autonomie dieser Provinz in die Hand zu nehmen. Und um die Verwirrung vollständig zu machen, wird bald von einem vuffischen, bald von einen englischen Antrage gesprochen, welcher gleichfalls den Fred haben soll, die Pforte an ihre Verpflichtungen bezüglich der in ihren europäischen Provinzen durchzuführenden Admini­­strativ- Reformen zu mahnen. Hinter der bulgarisch- ostrumelis­chen Frage kündigt sich daher eine mazedonische an und die Mächte werden sich ent­schließen müssen, sie den Gang ihrer Berathungen ein festes Programm einzuhalten, wenn nicht durch die Beimen­­gung aller möglichen Balkanfragen ein heillose Konfusion entstehen soll. Zunächst it die Dringlichkeit des mazedoni­­schen Problems nicht im mindesten erwiesen. Von den offiziösen Meldungen aus Sophia und Philippopel wird ein starrer Perzentrah von Tendenz und ein noch stärkerer Verzentjah frommer Wünsche abzuziehen sein. Allen Cr­­essen nach sind selbst die Bulgaren Bulgarien­ und Ost­rumeliens tief entmuthige. Nicht einmal die M­öglich­­keit der P­ersonal-Union hoffen sie noch aus dem Schiff­brüche ihrer nationalen Wünsche und Aspirationen retten zu künnen. Die Haltung des Fürsten Alexander näht seinem Zweifel mehr Raum, daß er sich allen Beigriffen der Mächte mit Resignation unterwerfen wird und die Nation wird sie weder stärker, noch unfügsamer e­rweifen, als ihr Sürft. Bei dem tief gefundenen Niveau aller Hoffnungen in Bulgarien selbit, tt nicht anzunehmen, daß die Bulgaren Osteumeliens plößlich einen Thatendrang an den Tag legen werden, der ihnen in einem weit günstigeren Momente gänze sich gefehlt hat. Die furchtbaren Gewaltafte, mit welchen Die Pforte in früheren Fällen die revolutionären Erhebungen der Bulgaren unterdrückt hat, stehen uod in frischer Er­innerung. Es ist klar, welchen Nahdruch solche Neminis­­zenzen durch Die Anwesenheit einer taken türkischen Bejagung im Lande erhalten müssen. Augendbliclich seheint so ziemlich in allen Bulgaren die Zucht das Dominirende Gefühl zu sein: die Furt vor einer tirfischen Invasion in Ostrumelien, vor einem militä­­rischen Handstreich Serbiens, vor einem fortgefeßten Unwil­­len Rußlands. Der Gedanke, aus eigener Initiative und durch eigene Kraft verrichten zu können was Europa der Nation verweigern zu müssen glaubte, isn Hinweggeschwinns­­chen, wie Frühlingsschnee. Von den großbulgarischen Soeen findet sie nur das bescheidene Nefiouum der stillen Hoff­nung, daß die Mächte in eine durchgreifendere Revision des organischen Statuts im Sinne einer Erweiterung der auto­­nomen Selbstregierung des bulgarischen Stammes in Ost­rumelien willigen werden. Sofern nir alle Anzeichen tru­­­gen, wird Europa nicht abgeneigt sein, den Wü­nschen Der Bevoliterung auf diesem praktischen Gebiete Rechnung zu tragen. Schwerlich bestehen bei irgend­einem Kabinet vor­­gefaßte Meinungen in Betreff der Vorzüge der türkischen Ver­­waltung. Wenn die Osten meb­oten den Wunsch legen, die Nechte und die Stellung des Generalgommerneurs in einer Weise umschrieben zu sehen, welche gewisse Bürgschaften Fü­r ihre nationale Administration enthält, so wird man Dies nicht unbillig finden können. Nicht weniger billig ist ihre Auffassung, daß das Statut nur in einer Weise interpre­­tirt werden dürfe, welche die Bedingungen der geistigen und materiellen Entwickung sehr erheblich beeinträchtigt. In dieser Richtung hat sich die Pforte allerdings nicht nur Mitgriffe, sondern selbst Verationen aller Art zu Schulden kommen lassen. Man braucht mi­an Die Haltung der Zürfer in der Eisenbahnfrage, an die zahllosen Konflikte, die sie in den Hollfragen hervorgerufen, oder an den Wider­­stand zu denken, den sie der Errichtung einer Offenmeh­rschen Dant entgegengestellt hat, um den Beschwerden der Bevöl­­kerug nicht jede Berechtigung abzusprechen. Daß die Wie­derherstellung des Status quo ante nicht den Sinn haben kann, alle verlotterten Zustände türkischer Mißregierung für fafvojanít zu erklären, sollte seines Beweises bedürfen. Immerh­in wird die Revision des ostrumelischen Statuts die Einlei­­tung für jene Arbeiten sein füh­uen, die sich bezüglich einer Administrativ Reform für Mazedonien ergeben wer­den. Su Dieser Beziehung liegt allerdings in den Vorschlä­­gen, welche unmittelbar nach dem Kongresse von einer in Konstantinopel eingefegten europäischen Konmission entworfen wurden, ein umfassendes Material vor. Allen der Bor­­wing, der schon Damals gegen die Kommission erhoben wurde, daß sie sich allzu sehr von dem Geiste des ostru­­melischen Statuts Habe erfüllen und beherrschen lassen, er­­scheint jept, wo die Mängel des legteren so unverkennbar hervorgetreten sind, als ein Doppelt fehmerwiegender. Man wird bei einer unbefangenen Beurtheilung der Verhält­­nisse allem Wurcheine nah daran festzuhalten Haben, daß der Bollgewalt der türkischen Administration in Mazedonien mitmöglich jene Einschränkungen auferlegt werden können, wie in Ostenmelien. Und zwar nicht deshalb, als ob an der türkischen Verwaltung viel zu Toben wäre, sondern deshalb, weil Die Bevölkerung Mazedoniens das komplizivterte Namengemenge unter allen türkischen Pro­­vinzen aufweist und die türkische Administration ftär­ere Garantien der nationalen Unparteilichkeit d­arbietet, als jede andere. Krche vernünftige Organisation Mazedoniens muß in erster Linie den Belfer-Minoritäten Schuß D darbieten und die Sprengítttete der verschiedenen Nacen-Elemente gegen die Gefahren gewaltsamer Zerreibung sicherstellen. M­a­z­ez d­onische Institutionen werde sich auf die Vorherrschaft des bulgarischen Stammes finden würden, wären für Serbien und Griechenland kaum eine geringere Bedrohung, als die bulga­­rische Union Der Gedanke liegt nahe, wie leicht durch die mazedonische Reform wieder verdorben werden kann, was d­uch die Wiederherstellung des Status quo ante einigermaßen gut gemacht worden­ wäre. Allerdings wille es der Würde der Mächte nicht ganz entsprechen, wenn sie jeden ihrer Besschlüsse erst der Begutachtung der Kleinen Balkanstaaten vorlegen und einer wohlmolfenden Aufnahme von Seite der Tepteren empfehlen wollten. Allein wenn es der europäischen Diplomatie nur die Erhaltung und Sicherung des Friedens im Orient ernst­et, wird sie allerdings mit den Vorstellungen und Gefühlen jener Belfer zu rechnen haben. Es hat nicht geringer Anstrengungen bedurft, um Serbien und Griechen­­land zurückzuhalten. Beide Staaten stehen gerüstet da und­­ die Möglichkeiten der Friedensstörung sind noch immer nicht . Alerdings hat Europa seine Autorität um­, sein Höchstes Entscheidungsrecht in Die Waagfehale zu­­­ werfen. Allein Beide werden, an Gewicht und Wirkung, nicht verlieren, wenn sie sich auf irgend­einen erfolgreichen Schritt auch zur fachlichen Befriedigung berechtigter Wünsche der­­ verschiedenen Balkanstaaten, oder zum­­indesten zu einer Un­gleichung‘ und DVerführung ihrer divergirenden Ansprüche berufen Eaten. Die Bahnen bhiezn liegen offen vor der Konferenz, wahrscheinlich wird sich weder eine Evolution in Ostrumelien noch sonst irgend­ein gewaltsames Eingreifen als nothwendig herausstellen. Um­so weniger wird es nöthig sein, in den Serben und Griechen und in den Bulgaren selbst den Eindruck Hervorzurufen, "als ob sich die Konferenz in grundläglicher und fiderlegter Feinseligkeit gegen diese Stämme erhebe. Den Verträgen soll ihr volles Necht werden, aber auch den Bedingungen geistiger und materieller P­rosperität der Balkanwölfer, dem ‚gegen das geschichtliche Geset anzusämm­en. Das diesen Völ­­kern troß alledem und alledem die politische Zukunft auf der Balkan-Halbinsel zumweist, wäre vergeblich und eine Zhorheit, die sie nur allzu bald durch die Mitachtung der europäischen Verfügungen und durch Die revolutionäre Auf­lehnung gegen die Sabungen des allgemeinen­­ Vertrags­­rechtes rächen würde.­­ Die Nentmahlen für den preußischen Landtag haben mit einem bedeutungsvollen Siege der freisinnigen Partei in Berlin ihren Anfang genommen. Allerdings find­en bei dem indirekten Wahlsystem in Preußen exit die Wahlmänner, die aus der Abstim­­mung der Urwähler hervorgegangen sind, da es aber längst zur Uebung geworden ist, die Wahlmänner noch vor der Wahl auf bestimm­te Kandidaten der Partei zu verpflichten, so ift das Resultat in allen vier Berliner Wahlkreisen bereits mit Sicherheit voranzu­zusehen. Der Erfolg it umso höher anzuschlagen, als die vereint marsöirenden konservativen Parteien, die Hochkonservativen mit der „Kreuzzeitung“ im Schilde und die gemäßigten Tieffonservativen, dem­ Ansturm gegen die „Hochburg des Fortschritts” mit einem ganz un­gewöhnlichen Aufgebot altkonservativer Findigkeit organisirt hatten. 63 sollte, nach dem Programm der Konservativen, einen Kampf der „Bürger-Bartei“ gegen den „Fortigrittlichen Ring“ gelten, der die öffentliche Verwaltung der Reichshauptstadt umschlossen hält und zu diesem Behufe ward das Schlagwort der , Berliner Bewegung” ausz gegeben, welche alle fortschrittfeindlichen Elemente in sich vereini­­gen wide, also auch die zwischen Konservativen und Freisinnigen eingekeilten Nationalliberalen, die wohl mit der Fraktion der Freis. Konservativen vereinzelt Fühlung genommen hatten, von den Hochkon­­servativen dagegen durch eine tiefe Kluft getrennt sind. Ein Kompromiß zwischen den Nationalliberalen und den Konservativen it Tomit für Berlin nich­t zu Stande gekommen, troß der beweglichen Schmer­­zensrufe von konservativer Geste nach einem Zusammenhalten aller nationalen Parteien. Ein Haupthinderniß der Vereinigung­ bildete die Kandidatur Stö­ders, den die in der Wolle gefärbten Konservativen bereits für genügend purifizirt halten, um mit ihm Staat machen zu können, während die Nationalliberalen fi beharr­­lich von ihm abwenden, wenn nit ans innerem Triebe, so doch in Huger Erwägung der Dinge, die da Tonnnen Füns­ten und Tommen müssen, wenn einmal die Windfahne amt. königlichen Schloffe fi) nach einer anderen Richtung dreht, CS graut ihren vor dem antisemitischen Agitator, seit den sie wissen, haß der deutsche Kronprinz die von Stöcker geführte Bewegung mit den­ Worten gebrandmarkt hat, daß er diese Agitation als eine Schmach: betrachte, deren sie Deutschland zu behämen habe. Die „Kreuze­r Zeitungs”-Bartei aber will von dem Manne nicht lasfen, der ihr gewaltigster Nuter im Streite gewesen is. So ward der Traun einer großen, mächtigen Mittelpartei zunichte, die den fortschrittlichen Ming zermalmer zu können wähnte. Selbst die maßlos heftige Sprache der offiziösen Stimmungsmacher verfing nicht, die denun­­ziatorische Kundgebung der „Nordd. Allgemeinen Ztg.“, welche die Mitglieder des Fünfzigen Abgeordnetenhauses einfach in Wölfe und Schafe eintheilte, in „nur zwei Gruppen“, von welchen die eine „mit der Regierung des Königs in Frieden zur leben bereit ist”. Die andere aber „nicht den Frieden im Innern will, sondern den Streit”. Die Wählersraft von Berlin hat sich in geradezu verblüffender Anzahl,­­ nahezu in Dreiviertel-Majorität — nicht für den Streit, aber für den Fortschritt und sehr entschieden gegen den Unfrieden erklärt, den die konservative Agitation in die Bevölkerung hineinzutragen verstanden­ hat. Von unmittelbar praktischen Folgen wird dieses bedeutsame Er­gebniß allerdings erst dann werden, wenn die Provinz das Beispiel der Hauptstadt für ihr Votum ratifizier, aber die in Berlin troß aller Bertuchungsversuche har zu Tage getretene Scheidung der Nationalliberalen von den Konservativen darf immerhin als ein beruhigendes Symptom dafür gelten, daß die Herrschaftsgelüste der Konservativen in Preußen noch weit vom Ziele entfernt sind. Ohne Zweifel verdanken die Deutschfreisinnigen ihren Wahlsieg zum Theil auch­ der Untersu­ung des Zentrums, welches in der Erkenntniß sei­­ner eigenen Ohnmacht mit allen Mitten gegen die Konserva­­tiven und für den Fortschritt zu kämpfen gefonnen ist, wo es nicht seine eigenen Kandidaten durchbringen kan. — Was von den Wahl­­ergebnissen in den Provinzen bisher bekannt geworden ist, gewährt wohl seinen vollständigen Webterbild, doch berechtigen die bis zur Stunde eingelaufenen Meldungen zu der Annahme, daß der Zus nach, den die Nationalliberalen auf­weisen, auf Kosten der Konfere vativen erworben wırrde. Die nationalliberale Mittelpartei ist sos mit gekräftigt aus dem Wahlkampf hervorgegangen und wird aug in dem fünftigen Abgeordnetenhause den Grundstoß der Regierungs­­partei bilden, welchen die konservativen Fraktionen nach wie vor ums­chwärmen werden, wenn es sich darum handelt, die fü­nftliche Majorität ad hoc bei den Abstimmungen zu Stande zu bringen. Der Traum einer großen, allumfassenden Mittelpartei, deren Uebermacht die bei­den extremen Richtungen, die des Fortschritts und die des ultramone­tanen Zentrums, lahmgelegt hätte, ist nun so nichte geworden, die Zersplitterung der Parteien in Fraktionen und Frak­­önchen ist durch die Neuwahlen nicht im Mindesten behoben worden. In dem preußis­­chen Abgeordnetenhause werden sich mindestens vier große Parteien gegenüberstehen. Konservative, Nationalliberale, Deutschfreisinnige,­ Zentrum (mit den Boten) und selbst innerhalb dieser Gruppirung werden sich bei konkreten Fragen erhebliche Divergenzen ergeben. Die Bildung der Parteien auf Grund von großen Prinzipien, wie sie ss in den parlamentarisch regierten Musterstaaten vollzieht, gehört noch immer zu den from­­en Wiünschen im Preußen und im ganzen deuts­­chen eich, dieser neuesten . Das vom serbischen Kirchen-Kongrefje entsendete Komite, dessen Aufgabe es ist, das vom Kongres-Ausschhifse und vom Schulrathe dem Kongreffe unterbreitete Material zu sichten und zur Verhandlung vorzubereiten, hat sie wie , Srb." meldet, bereit3 Ton« stituiet, indem er Seren Dr. Elias Bucsetics zum Präsidenten und Herrn Lazar Obrenovicad zum Schriftführer wählte. Das Komite vertheilte unter seine Mitglieder ab­ ihm zur Berichterstat­­tung zugewielenen Gegenstände und wird jedes Mitglied über den iom zugetheilten egenstand sowohl im Komité als im Kongresse refeh­ven Sobald die Referenten mit ihren Arbeiten fertig sind, soll das Komite zu einer Gigung einberufen und die Verhandlung über jeden Gegenstand einzeln eingeleitet werden. Sea N 1% re Ans Den Delegationen, Original-Telegramm des „Reiter Lloyd”) 3 Wien, 31. Oktober. A Der Husschuß der auswärtigen Angelegenheiten der ungarischen Delegation hielt heute von 2 bis 5 Uhr eine Sagung, in welcher die äußere politische Lage zur Erörterung gelangte. Der Listing präsidirte Graf Franz Zi 9, als Referent fungirte Mar Falk. Seitens der gemeinsamen Regierung waren an­wesend : Minister des Yeußern Graf Kálnoty, Kriege­minister Graf Bylandt, gemeinsamer Finanzminister 8 & [9­lay, G Sektionschef Szög­yén­y, Sektionschef Baron Falke und Hofrató D­ó­c 31; seitens der ungarischen Regierung Minister Präsident Tiba, Finanzminister Graf Yulus Szápáry , Minister Baron Orczy und Kommunikations-Minister Baron Kemény. Die dem Ausschhsse nicht angehörenden Mitglieder der­ ungarischen Delegation waren bei der Verhandlung fast vollständig anmwesend. s-

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