Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1930. április (77. évfolyam, 74-97. szám)

1930-04-01 / 74. szám

PESTER LLOYD „Mit aufrichtiger Freude habe ich die telegraphische Begrüßung entgegengenommen, die Ew. Exzellenz an mich nach dem Verlassen der ungarischen Grenze gerichtet haben. Der Besuch Ew. Exzellenz hat in der Seele des ungarischen Volkes und der Leiter der landwirtschaft­lichen Organisationen Ungarns unvergeßliche Erinnerun­gen zurückgelassen und in uns die Gefühle der histori­schen italienisch-ungarischen Freundschaft wachgerufen, die zu vertiefen Ministerpräsident Graf Bethlen und Ihr Duce bestrebt sind. Ew. Exzellenz haben mit scharfem Blick beobachten können, daß das ungarische Volk, un­gebrochen durch die Schicksalsschläge, von denen es be­troffen worden ist, im Interesse der Erhöhung der Pro­duktionsfähigkeit des ungarischen Bodens tätig ist. Es hat uns wohlgetan, anerkennende Worte aus dem Munde eines so hervorragenden Fachmannes zu hören, wie es Ew. Exzellenz sind. Ich kann kaum die Zeit erwarten, den denkwürdigen Besuch Ew. Exzellenz auf italienischem Boden zu erwidern, um mich aus eigener Anschauung von dem mächtigen Aufschwung zu überzeugen, den die italienische Landwirtschaft unter der Führung des Duce und unter der weisen Leitung Ew. Exzellenz genommen hat. Mayer, Ackerbauminister. * Der Staatsvoransdilag für 1930/31 vor dem Finanzausschuß. Der Honvcdetat. Der Finanzausschuß des Abgeordnetenhauses hat heute die Debatte über den Staatsvoranschlag für das Budgetjahr 1930/31 fortgesetzt. Auf der Tagesordnung stand heute das Budget des Ilonvcdministrriums. Die Ausgaben dieses Ressorts sind exklusive Ruhe­bezüge mit 101,050.600 Pengő veranschlagt; da sie hn Vorjahre mit 106,804.880 Pengő bemessen waren, ergibt sich eine Senkung des Voranschlages um 5,754.280 Pengő. Denn sind auch die Personalausgaben (63,388.390 gegen 58,267.970 Pengő für 1929/30) um 5,120.420 Pengő ge­stiegen, so konnten die Sachausgaben (35,762.210 gegen 46,536.910 Pengő) um 10,774.700 und die Investitionen (1,900.000 gegen 2,000.000 Pengő) um 100.000 Pengő ver­mindert werden. Die Ruhebezüge, die ja letzten Endes gleichfalls zu -den Personalausgaben zählen, steigen von 43,9/2.120 im Vorjahr auf 44,324.400, mithin um 382.280 Pengő, und so beträgt die Gesamtersparnis im Vergleich zum Budgetjahr 1929/30 im Endresultat nur 5,378.000 Pengő, indem die Hauptsumme der Ausgabenseile (Aus­gaben: und Pensionen) 145,375.000 gegen 150,747.000 aufweist. Die in Aussicht genommene Reduzierung des Budgets um 5 Prozent konnte also auch bei diesem Res­sort, das nicht ganze 16 Prozent des Verwaltungsbudgets und nicht ganze 11 Prozent des Hauptsummäriums (Ver­waltung und Betriebsbudget zusammen) ausmacht, nicht erreicht werden. Die elien erst erwähnte Steigerung der Personalaus­gaben hat ihre Erklärung in der Systemisierung einer or­dentlichen „Honvcdzulage“, die aus der Verschmelzung der nachher erfolgten Erhöhung der bisherigen provisorischen Zulage und des Ausrüstungsbeitrages entstanden ist. Die solcherart durchgeführte minimale Besserung der Bezüge des Offiziers- und Unteroffizierskorps ist nötig geworden, weil die Dienstzeit von 35 auf 40 Jahre erhöht und die Leutnantscharge wieder eingeführt worden ist, womit zugleich, angesichts auch der mit der Verlängerung dér Dienstzeit einhergehenden Verschlechterung der Avance­mentsverhältnisse ausgleichshalber auch eine Aufrundung der Bezüge stattfinden mußte. Die Erhöhung der Pensio­nen ist zum Teil darauf zurückzuführen, daß im Sinne des G.-A. XV: 1929 jetzt zum ersten Male auch die Ab­fertigung für die aus dem Dienst scheidenden Mannschaf­ten (insgesamt etwa 1300 Mannschaftsperonen) in der Höhe von 983.950 Pengő bereitgestellt werden mußte. Der Endbetrag der Ausgabenseite verteilt sich auf die Hauptabschnitte folgendermaßen: Zentralverwaltung 8,617.000 Pengő (gegen 9,119.590 Pengő); Kommandos und Behörden 6,060.100 (5,488.130) Pengő; Trup­pen 80,788.900 (85,602.120) Pengő; Bildungs- und sonstige Anstalten 4,947.300 Pengő (5,915.150 Pengő); Leibgarde und Krön wache 636.800 Pengő (679.890 Pengő); Ruhebezüge 44,324.400 (43,942.120) Pengő. Die Einnahmen des Budgets sind mit 294.000 (wie im Vorjahref vorgesehen, dieser Betrag ergibt sich aus der Verwertung der Produkte der ärarischen Güter, unbrauch­bar gewordener Ausrüstungsgegenstände, Verpachtung von Kantinlokalitäten usw. Zur Verhandlung dieses Budgets hatten sich seitens der Regierung Honvédminister Gömbös und Finanz­minister Wekerle eingefunden. Nach Eröffnung der Sitzung richtete der Vorsitzende Abgeordneter Dr. Kenéz an den Honvédminister herzliche Begriißungsworte aus dem Anlasse, daß der Minister im Finanzausschüsse zum ersten Male den Honvédetat vertritt. Referent Abgeordneter Dr. Hegedüs machte die Mit­glieder des Ausschusses mit den wichtigsten Budget­posten bekannt und bemerkte unter anderem, daß der vorliegende Etat eine Regelung der Offiziersbezüge be­zwecke. Diese befriedige vorläufig alle in Betracht kom­menden Faktoren, und der Honvédminister werde im Zu­sammenhang mit der Verbesserung der Lage der Pen­sionisten zweifelsohne ebenfalls eine Lösung finden, wenn dies die finanzielle Lage des Landes gestatten werde. Man müsse die finanzielle Erstarkung Ungarns mit Geduld ab­­warten und die Regelung dieses Problems vertrauensvoll der Einsicht der Regierung überlassen. Abgeordneter Baron Parányi sagte unter anderem, daß man sich über die Herabsetzung def Ausgaben im Etat nicht freuen dürfe, denn es sei eine Lebensfrage, daß Ungarn ein schlagfertiges Heer besitze, ein Heer, das sich nicht in abenteuerliche Unternehmungen einlassen, dafür aber das Land gegen innere und äußere Gefahren be­schützen werde.. Man müße dahin streben, daß sich die wahren militärischen Tugenden, Pflichterfüllung, Disziplin und Opferbereitschaft entwickeln. Wir müssen uns nicht nur auf wirtschaftlichem, sondern auch auf militärischem Gebiet kräftigen. Die Kategorisierung der Pensionisten sei ungerecht, denn man dürfe auch nicht die Altpensionisten vergessen, die ihr Leben und ihre Gesundheit aufs Spiel gesetzt, haben. Abgeordneter Elemér Farkas betonte, daß die unga­rische Nation die größte Freundin des Friedens sei. Wir dürfen aber nicht so schwach werden, daß wir nicht imstande seien, unsere Neutralität gegebenenfalls zu ver­teidigen. Der Regelung der Offiziersgehälter stimme er zu, es wäre jedoch wünschenswert, wenn auch die Kautions­­frage und die Wohnungsgelder geregelt würden. Ferner müßten die Familienzulagen jener Offiziere erhöht wer­den, die ihre Kaution in Kriegsanleihen angelegt haben. Abgeordneter Dr. Kállay gab der Ansicht Ausdruck, daß die Bezüge der Offiziere nur in dem Falle hätten geregelt werden sollen, wenn ähnliche Verfügungen auch im Interesse der staatlichen Angestellten hätten getroffen werden können. Die Herabsetzung der Familienzulagen gebe zu Befürchtungen Anlaß, sie hätten vielmehr erhöht werden müssen. Durch die Regelung der Pensionisten­­bezilge treten gewisse Unverhältnismäßigkeiten noch kras­ser hervor. Die Bezüge der Altpensionisten sollten, wenn hiefiir irgendeine Deckung vorhanden sei, unbedingt geregelt werden. Abgeordneter ' Várnai brachte die Ernennung des Honvédministers Gömbös, der bisher den Rang eines Generalstabshauptmannes bekleidet hat, zum General zur Sprache und erinnerte daran, daß vor einiger Zeit von maßgebender Stelle der Wunsch geäußert worden sei, die Avancements von Offizieren außer Dienst sollten einge­stellt werden. Es tauche nun die Frage aflf, weshalb dieses Prinzip im Falle des Honvédministers Gömbös durchbrochen worden und ob nicht zu befürchten sei, daß auch andere derartige Ansprüche befriedigt werden müssen. Dann verwies Abgeordneter Várnai noch darauf, daß die vorgesehene Regelung der Bezüge der Polizei­­j beamten unter dem Konzeptspersonai große Bestürzung I hervorgerufen habe, da durch die geplante Regelung die I Polizeiinspektoren in eine viel günstigere materielle Lage I als die Konzeptsbeamlen kommen. j Honvédminister Gömbös reflektierte in einer längc- I ren Rede auf die Ausführungen seiner Vorredner. Zu- I nächst betonte er, daß sich alle Mitglieder des Ausschusses , ohne Rücksicht auf ihre Parteizugehörigkeit einer objek­­< liven Kritik befleißigt hätten. Auch ich, sagte der Minister weiter, werde mich bestreben, volle Unparteilichkeit wal­ten zu lassen, «vie ,cn /a auch während meiner bisherigen Tätigkeit unparteiisch gewesen hin. Uie Nachbarstaaten befolgen auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht eine I gesteigerte Rüstungspolitik, die weit den Rahmen tiber- I schreitet, den der Trianonvcrtrag Ungarn auferlegt hat. I Wir haben die Pflicht, innerhalb der Honnédarmee zu­­! mindest die Verfügungen zu treffen, die uns der Trianon­­! vertrag gestattet. Es ist die Pflicht eines jeden Honvéd­ministers, innerhalb jenes kleinen Rahmens, der den Interessen dieses Landes nicht entspricht, das meiste zu produzieren. Von allem Anfang an war ich bestrebt, die überflüssigen Ausgaben einzuschränken und zu rationa­lisieren, im allgemeinen eine Politik zu befolgen, die sich der allgemeinen Wirtschaftspolitik des Landes anpaßt. Die fünf Prozent betragende Reduktion mußte aus höhe­ren budgetären Interessen angenommen werden. Welche Forderungen ich auch erheben würde, ich wäre nicht imstande, die Bedürfnisse der Honvédarmee zu erfüllen, wenn sich die Forderungen nicht an die allgemeinen Interessen des Staates hielten. Abg. Dr. Rassay: Das heiße ich klug gesprochen! Honvédminister, Gömbös: Aus diesem Grunde habe ich der Reduktion zugestimmt npd sie auch durchgeführt. Die materielle Lage des Offizierskorps ist sehr prekär. Die Regelung der Bezüge war deshalb dringend, weil es j den Offizieren ermöglicht werden soll, ihre Schulden zu I tilgen; diese Schulden sind übrigens nicht so hoch. Durch die Rationalisierung ist die Regelung der Gehälter er­möglicht worden. Ein gewisses Offizierskontingent soll nicht besetzt werden, und die dadurch erzielten Erspar­nisse werden-zur Verbesserung der materiellen Lage der Offiziere verwendet werden. Dadurch ist eine neuerliche Belastung des Staates vermieden worden. Es ist nicht zweckmäßig, wenn alle Mitglieder des Offizierkorps ver­heiratet Sind, denn es liegt nicht im Interesse des Dienstes, wenn die Offiziere Familiensorgen haben. In der alten österreichisch-ungarischen Armee war die Zahl der Ehe­schließungen limitiert. Es wäre sehr wünschenswert, wenn die Offiziere unter günstigeren Umständen heirateten. An­dererseits sollen die Eheschließungen der Offiziere durch Erreichung einer gewissen Altersgrenze eingeschränkt werden. Die außerordentliche Erhöhung des Pensionisten­kontingents ist dadurch hervorgerufen worden, daß man seinerzeit aus purer Gutherzigkeit sozusagen jedermann als ungarischen Staatsbürger betrachtete, auch dann, wenn die Betreffenden den ungarischen Staat nichts an­gingen. Nach Österreich werden unter dem Titel von Militärpensionen jährlich etwa 2 bis 3 Millionen Pengő gesendet. Es geht schwer an, die im Auslande lebenden Altpensionisten zu veranlassen, ihren gegenwärtigen Wohnort aufzugeben, doch sind Schritte eingeleitet wor­den, um jene Altpensionisten, die Kinder haben, dazu zu zwingen, sich wieder in Ungarn anzusiedeln, da sonst für die Erziehung ihrer Kinder nicht Sorge getragen werden würde. Was das Avancement des Honvédministers anbe­­) langt, so haben es gewisse Gründe notwendig gemacht. Wenn der Honvédminister zum Beispiel an einer Truppenschau teilnimmt, dann macht es einen eigen­tümlichen Eindruck, wenn er einen niedrigeren Rang be­kleidet als die übrigen führenden Persönlichkeiten der Honvédarme, noch eigentümlicher wäre es, wenn ihm nicht die gleichen Ehrenbezeigungen geleistet werden müßten, wie den übrigen höhen Militärs. Um auf die im Auslände lebenden Pensionisten zurückzukommen, möchte ich darauf hinweisen, daß, wie gesagt, irgendwelche Zwangs­maßnahmen ihnen gegenüber, nicht eplanl sind. Der überwiegende Teil der im Auslande wohnenden Pensio­nisten lebt in der Mentalität der alten österreichisch- I ungarischen Armee, einer Mentalität, die uns nicht sympathisch ist. Es hätte also wenig Zweck und Sinn, die Vertreter dieser Mentalität nach Ungarn zu ver­pflanzen. Was die Wohnungsfrage betrifft, wäre es am zweck­mäßigsten, wenn man den Offizieren Dienstwohnungen zur Verfügung stellte. In den Kasernen, die dem Staate gehören, müßten Offizierswohnungen gebaut werden, 1 ebenso in jenen Kasernen, die städtisches oder Komitats­­cigentufn sind. Ungarn hat die aus dem Zusammenbruch sich ergebenden Pensionsverpflichtungen in übertriebenem Maße übernommen. Die Zahl der Pensionisten wird sich j in Hinkunft durch die Hinausschiebung der Dienstzeit auf 40 Jahre verringern. Ersparnisse sollen außerdem dadurch erzielt werden, daß das Avancement nach dem Range eines Oberstleutnants erschwert werden wird. Was übrigens meine Ernennung ,zum General anbelangt, so handelt es sich um einen Allerhöchsten Gnadenakt. Im übrigen erhalte ich als General außer Dienst keine Be­züge. Meine Ernennung war eine Auszeichnung, auf die ich stolz bin. Im Zusammenhang mit der Regelung der Bezüge der Polizeiinspektoren kann von einer Militarisierung über­haupt nicht die Rede sein, hat doch die Armee ganz andere Aufgaben zu erfüllen als die Polizei. Schon mit Rücksicht auf diesen Unterschied wäre es höchst un­zweckmäßig, wollte man diese beiden Körperschaften einer einheitlichen Leitung Unterstellen. Bei der Fest­setzung der Bezüge der Polizeiinspektoren habe ich nur deshalb interveniert, weil man mich darum ersucht hatte. I Die ungarische Honvéd, die der Nation gehört, wird für I die Nation wirken. Eine Armee, die den Parteien gehört, j wird immer nur im Interesse der Parteien handeln, ist ! also zur Erfüllung großer Aufgaben ungeeignet. Die I Honvéd, die von einem starren Fanatismus erfüllt ist, j will die Armee der ganzen Nation sein, I Finanzminister Dr. Wekerle, der nach dem Honvéd­minister das Wort nahm, betonte, daß die Ersparnisse, die dank der Standesermäßigung und der Vereinfachung der Verwaltung erzielt werden können, zur Aufbesserung de Beamtenbezüge verwendet werden sollen. Am richtig­sten wäre, sagte der Finanzminister, diese Frage durch, die Familienzulagen zu regeln, da man seinerzeit in erster Reihe für die Beamten mit zahlreicher Familie sorgen wird müssen. Lassen sich durch den Standesabbau und die Rationalisierung der Administration tatsächlich be­deutende Ersparnisse erzielen; so wird die Regierung an’ i die Regelung der Beamtengehälter schreiten können. Nach dieser Rede des Finanzministers wurde der Etat in erster Lesung einstimmig angenommen. In der Spezialdebatte machte der Finanzminister in Erwiderung einzelner kritischen Bemerkungen des Abge­ordneten Dr. Wolff zur Beamtenfrage noch folgende weitere Mitteilungen: Von einem großangelegten Standes - äbbau könne erst'nach einer allgemeinen Verw altungs­reform die Rede sein, bei der das größte Gewicht auf Sicherung der Qualitätsarbeit in den unteren Instanzen gelegt werden müßte, damit möglichst wenig Angelegen­heiten an die oberen Instanzen gelangten. Auch der Ver­kehr der einzelnen Verwallungsressorls untereinander sollte erleichtert und beschleunigt werden, zu welchen* 1 Zweck die Versetzung der Beamten von einem Ressort zum anderen zu ermöglichen wäre. Honvédminister Gömbös hatte im weiteren Verlauf der Spezialciebattc noch Gelegenheit zu Mitteilungen über , den Gasschutz und über die Verteidigung gegen Luft­­j angriffe, wobei er erklärte, daß Ungarn wohl keine mili­tärischen Flugzeuge verwenden, sich jedoch von der Erde aus gegen Fliegerangriffe verteidigen dürfe und könne, zu welchem Zwecke es auch Gasschutzmasken besitze, ferner zu Erklärungen, daß die Frage der Medaillen­zulage dermalen aus finanziellen Gründen nicht gelöst werden könne, daß aber die Besitzer der goldenen Tapferkeitsmedaillen zu welcher Zeit immer mit ihrem alten Range in die Honvéd aufgenommen werden. Nach Erledigung des Etats in zweiter Lesung wurde die Beratung abgebrochen und auf morgen vertagt. Mor­gen gelangt das Budget des Ministers des Innern zur Ver­handlung. ___________ • 4 • Dienstag,. 1. April 1930 Die Seeabrüstungskonferenz. (Telegramm unseres Korrespondenten.) Paris, 31. März. Die Konferenz in London scheint im Laufe der gestrigen Beratungen sich aus der Sackgasse, in der sie sich seit über einem Monat befindet, nicht befreit zu ha­ben. Die Korrespondenten der Pariser Blätter sind pessi­­' mistisch gestimmt, und betonen in ihren Kommentaren j besonders, daß es sich nicht darum handle, eine ver- I schwommene Formel zu finden, sondern ganz genau zu j bestimmen, welche Haltung die Signatarmächte des Völ­­; kerbundes in gewissen, im Völkerbundpakte unzureichend I umschriebenen Fällen einzunehmen haben. In Frankreich herrscht die Meinung, erklärt Le Ma­lin, daß die gegen alle Angreifer zu fassenden Beschlüsse des Völkerbundrates imperativer Natur seien, und man verlangt von England, daß es öffentlich erkläre, ob es ebenso wie Frakreich den Standpunkt vertrete, daß der Völkerbundrat berechtigt sei, die, Mitwirkung seiner be­waffneten Kräfte zu fordern, um die gegen den Angreifer beschlossenen Sanktionen durchzuführen, damit in jedem gegebenen Fall die Ausartung des Konfliktes verhindert werde. Wenn England und auch Italien sich dieser Inter­pretation anschließen, so wird Frankreich, in der Über­zeugung, daß die Konfliktsgefahr gebannt sei, sich nicht mehr einer Herabsetzung seines Flottenbauprogramms verschließen. Lehnt indessen England diese notwendige Interpretierung des Völkerbundpaktes ab, so wird Frank­reich in der Überzeugung, daß die Unsicherheit in bezug auf die Interpretierung des Völkerbundpaktes seine Be­sorgnisse vollauf rechtfertigt, die Effektivstärke seiner Landarmee und seiner Flotte aufrechterhalten. Le Matin I fügt dem noch hinzu, daß Briand entschlossen sei, die I Frage in Genf aufzuwerfen, denn hievon hänge ja nicht I bloß das Prestige, sondern auch das Bestehen des Bun- I des ab. Der Völkerbund werde dann entscheiden müssen, wer eigentlich die Verantwortung für die Hintänhaltung der Weltabrüstung trage. Macdonald erklärte in seinem gestrigen Kommunique, daß England nicht geneigt sei, an Operationen teilzunehmen, ohne die Situation kontrollie­ren zu können, aus der sich der Konflikt ergeben habe. Die französischen Kommentare wenden ein, England und Italien vergäßen, daß sie als Mitglieder des Völkerbund­rats an den Beratungen im Falle der Verletzung des Pakts durch einen der Signatarstaaten teilnehmen und solcherart I die Lage kontrollieren würden, die den Konflikt herbei- I geführt hat. Andererseits zitiert Matin die von Chamber- I lain und Mussolini Unterzeichnete Note, die die Antwort auf die Anfrage Deutschlands an die Locarnomächte hin­sichtlich der Interpretierung des Art. 16 der Völkerbund­satzung enthält. Diese Note erklärt, daß die Mitglied­staaten des Völkerbundes verpflichtet seien, dem Pakt in loyalem Geiste und wirksam Geltung zu verschaffen und

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