Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1931. július (78. évfolyam, 146-172. szám)
1931-07-01 / 146. szám
Einzelnummer an Wochentagen te, an Sonntagen 32 Heller. Abonnement: A Q f) Inseratenauinahme5 ________ 'A -U ! NV- I« BudapMt, in der Administration des B and Abendblatt*"^ M g MM MOBBÍ■■ MHai ~ Pester L1°yd und in den Annoneen•Vicrteljährlich18monatlich 6.40 R PBol “WS IIP W* f “KJ*! Vat^aJjl ‘‘iÄ ä äsä 1 -IN Pár H I HW 1 fl SSSrííí für Wie* auch durch Herrn. Goldschmidt. ■fllfflLi mWi«ES»—■ —$1TM imp- _!lsO| mWnlL rmwPrgLrJrRr Einzelnummer für Budapest und fflr Für das Ausland mit direkter Kreuzband- ^MBBB B^M^ BBHB BMHBB MBB Br HBSfiSfil MHBBB die Provinz: Morgenblatt an Wochentagen Sendung vierteljährlich: Für Oesterreioh 16 Heller, an Sonntagen 33 Heller, und Polen 30 Pengő, für alle übrigen Abendblatt 16 Heller. — Für Oesterreich: Staaten 30 Pengő. 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Der ungarische Staatsmann erklärte, Ungarn sei zwar noch weit davon entfernt, sich im politischen Einvernehmen mit seinen Anrainern zu befinden, und es könne auch gar nicht hoffen, daß dies über Nacht der Fall sein werde; dennoch sei Ungarn mit diesen Nachbarn in Verhandlungen eingetreten, die auf eine wirtschaftliche Kooperation zwischen den Donaustaaten abzielen. Heute, aus der historischen Perspektive der verflossenen Monate, darf mit Bedauern festgestellt werden, daß die mutige und hochherzige Entschließung der ungarischen Regierung keine Nachahmer fand. Nach wie vor ist das Wirtschaftsleben der europäischen Staaten von ausgesprochen politischen Zielsetzungen beherrscht, nach wie vor steht jeder rein wirtschaftlichen Initiative die Politik hemmend im Wege, und die Dämme, die Rachegelüste und politische Leidenschaften quer über den Kontinent gelegt haben, halten noch immer das freie Strömen der wirtschaftlichen Kräfte auf, und wie stets nach dem Zusammenbruch großer Wirtschaftseinheiten, erstrecken sich auch jetzt wieder über weite Gebiete der europäischen Landschaft Sümpfe, deren Ausströmungen alle lebendigen Kräfte des europäischen Menschentums zu ersticken drohen. Es gab Männer, die diese unheilvolle Entwicklung mit visionärer Begabung vorausgesehen haben. Es gab einen großen Gelehrten — Professor Keynes —, der auf das ehrenvolle Amt eines führenden Wirtschaftsexperten der britischen Friedensdelegation verzichtet hat, um an der drohenden Vergewaltigung der europäischen Wirtschaft nicht mitwirken zu müssen. In den Denkwürdigkeiten amerikanischer und englischer Staatsmänner findet man manchen Absatz, der weise und nüchterne Voraussagen alles dessen enthält, was später tatsächlich eintraf. Es gab aber keinen einzigen unter den führenden Staatsmännern der großen westlichen Koalition, der die Macht des Willens und die überragende Größe einer suggestiven Persönlichkeit besessen hätte, um die vorhandenen Gegenkräfte zu einer unwiderstehlichen Einheitsfront vereinigen und die Gefahr der drohenden Drosselung der wirtschaftlichen Entwicklung wehren zu können. Diese Entwicklung, die von der Pariser Friedenskonferenz bis zur Gegenwart führt, zeigt nun, von einzelnen geringfügigen Ausbuchtungen abgesehen, eine fast gerade Linie. Trotz Locarno, trotz Dawés- und Young-Plan, trotz Europakonferenz blieb die Vorherrschaft der Politik über die Wirtschaft fast unverändert bestehen. So oft auch nur ein schüchternster Versuch unternommen wurde, die Schwierigkeiten, in deneri sich das wirtschaftliche und finanzielle Leben des Kontinents windet, aus dem Wege der freien Entwicklung zu räumen, wurden politische Bedenken geltend gemacht, die sich oft zu leidenschaftlichen Gegensätzen verdichteten. ln der Maitagung der europäischen Studienkommission trat diese Unfähigkeit der europäischen Staatsmänner, das unheilvolle seelische Erbe des Weltkrieges abzuschütteln, besonders kraß zutage. Von dem Hintergründe der langen Diskussion hob sich mit scharfen und klaren Zügen der Kerngedanke der Friedensverträge ab, auf denen der heutige Status Europas beruht: der Gedanke, die besiegten Staaten in ihrer Entwicklung zu hemmen und die Hörigkeit, in der sie sich belindcn, bis in die weite Zukunft zu verlängern. Aus der chaotischen und niederdrückenden Diskussion mußte jeder unvoreingenommene Zuhörer die Überzeugung schöpfen, daß liier stärkere geheimnisvollere Kräfte walten, als bloße politische Leidenschaften, daß in der Seele dieser Staatsmänner, die 300 Millionen weißer Menschen, die zivilisiertesten und fähigsten Rassen der Erde, vertreten, ein komplizierter, dämonischer Prozeß sich abspielt, der ihre Gedanken mit hypnotischer Macht beherrscht und ihre Fähigkeit, zu handeln, lahmlegt. Einer der führenden Nervenärzte Deutschlands, Geheimrat Friedländer von der Freiburger Universität, bezeichnet als die Quelle der europäischen Verwirrung die zwangsläufigen seelischen Veränderungen, die mit der Ausübung einer unbeschränkten, überragenden Macht verbunden sind. In einer seiner Vorlesungen führt der Gelehrte aus, daß den Einzelmcnschcn stets das Machtstreben erfülle, ihm selbst oft unbewußt. „Das Machtstreben erzeugt den Haustyrannen. den gefürchteten Lehrer, den unfehlbaren Arzt, den allwissenden Gelehrten, Richter, Vorgesetzten. Der Wille zur Macht, der nicht durch die Macht des Willens gesteuert wird, verführt zur Ungerechtigkeit. Ein ungerechter Mensch ist meist auch; unwahr — sich und der Umwelt gegenüber. Ein unwahrer Mensch ist unfähig, Einkehr in sich zu hallen. Er bleibt darum — verkehrt. Verkehrtes Denken höheren Grades kann zur Ver-Rückung, zur Ver-Rücktheit (Para-nous, Para-noia) führen.“ Um noch einen Absatz aus der bemerkenswerten Vorlesung des hervorragenden Nervenarztes anzuführen; „Der seelisch oder geistig schwächere Teil flüchtet zuweilen —• wenn er keinen anderen Ausweg findet — in die Krankheit. Es kommt zu den Erscheinungen der Neurose, die man fälschlich als eine Krank« heit für sich, als Hysterie, bezeichnet.“ Im Lichte dieser Ausführungen betrachtet, springen gewisse Züge und Erscheinungen der europäischen Nachkriegspolitik mit zwingender Eindeutigkeit ins Auge. Die übermäßige Macht der Sieger erzeugte einerseits ein schrankenloses Machtbewußtsein und in der Folge eine Ver-Rückung des gesunden Maßstabes, mit dem politische Dinge und Zusammenhänge stets gemessen werden sollen. Bei den Besiegten dagegen rief die ununterbrochene Reizung des unterdrückten Machtstrebens, verbunden mit der fortschreitenden seelischen und der in immer wiederkehrenden Wellen auftretenden materiellen Depression einen Seelenzustand hervor, den man als Massenneurose bezeichnen könnte. Beide nervösen Erscheinungen, die bei dem Einzelmenschen auf den engen Kreis seines individuellen Lebens beschränkt bleiben, erzeugen, sobald sie die Massen ergreifen, krankhafte Symptome im öffentlichen Leben, die die Haltung und die Gedanken der Staatsmänner zwangsläufig beeinflussen. Die suggestive Wirkung der beiden krankhaften Symptome im Völkerleben — der durch übermäßige Macht erzeugten Ver-Rückung und der infolge der endlosen Depression auftretenden Massenneurose — ist außerordentlich groß und erläßt nach und nach alle Bezirke der Politik. Diese gereizte und krankhafte Atmosphäre ist der Nährboden der Furcht, dey Panik und des sinnlosen Hasses. Verfolgt man nun diese dämonische Kette vom ersten bis zum letzten Gliedc, so findet man am Anfang die Friedensverträge, die eine völlig unbegründete und unnatürliche Vergrößerung der Macht einer Staatengruppe Europa aufgezwungen haben. Das zweite Glied der Kette bilden die unvermeidlichen seelischen Veränderungen, die die einseitige und unbeschränkte Machtverteilung bei den Besiegten erzeugt hat. Und als drittes Glied schließt sich die Feuilleton* Technik des Reisens. Von MORIZ SCHEYER. Ihre Fsychologie. Es scheint paradox, aber es ist nicht anders: vor dem Krieg unternahm man eine Reise, weil es einem zu gut ging. Zweck der Reise war: der süßen Langweile des Wohllebens zu entgehen. Ziel der Reise: das in der Langweile verlorengegangene Ich wieder zu entdecken. Die Reisen von damals waren seelische Entdeckungsreisen; man reiste, um sich zu finden; man reiste, um sich zu erinnern. Heutzutage begibt man sich auf Reisen, weil cs einem zu schlecht geht. Die Vergnügungsreisenden von heute sind Nomaden ihres bitteren Mißvergnügens; sic fliehen vor dem eigenen, von Sorgen, Befürchtungen und Ärger belagerten Ich, das sie am liebsten irgendwo unterwegs verlieren möchten, um es nicht wieder zu finden. War früher das Ziel: sich erinnern, so heißt es jetzt: sich vergessen. Im Reiseleben die Verdrießlichkeiten der Existenz, der Lebensreise zu vergessen. Früher einmal war es die zeitliche Distanz, die allmählich Vergessen brachte. Kam Zeit, kam Trost. Heutzutage haben wir keine Zeit mehr, den Trost der Zeit abzuwarten; die räumliche Distanz soll die zeitliche ersetzen, soll mit einem Schlag eine Betäubung schaffen, die vergessen macht. Wir versuchen die Zeit mit der Feme, den Rhythmus mit dem Tempo, das Genießen mit Genüssen zu betrügen. War einmal Reisen eine Angelegenheit des Gefühls, so ist es heute zur Angelegenheit unserer Nerven geworden. Zwischen uns und unsere innere Unsicherheit legen wir keine Sentimentalitäten mehr, sondern Kilometer. Und jeder glaubt, er werde imstande sein, alle seine Unannehmlichkeiten aus der Heimat auszuführen, ohne sie zugleich mit sich selbst in die Fremde einzuführen. Jede Reise ist wie ein Mittel, das nicht den .Ursprung, nur die Symptome einer Krankheit bekämpft. Wir verändern höchstens unsere Gewohnheiten und meinen, uns selbst zu verändern. „Der Langschläfer“, sagt der große Reisende Paul Morand, „steht dann bei Morgengrauen auf, der Appetitlose ißt mit Heißhunger, der Gcizhalz schaut nicht auf den Kreuzer . . . Magische Stunden, aber Stunden ohne Konsequenzen.“ Wir haben den Ort gewechselt, aber der Platz, der Platz, an den uns das Leben geschraubt, ist unverändert geblieben. Der gleiche Zug, mit dem wir aus dem Alltag flüchten, befördert andere Menschen wieder in ihren Alltag zurück, und umgekehrt. Während die einen sich berauschen, erwachen die andern aus ihrer Betäubung. Unsere Trunkenheit ist ihr Katzenjammer. Schließlich läuft a'les auf eins hinaus. Jede Fahrkarte ist eine Fahrkarte in die Illusion. Aber noch niemand ist es gelungen, sich für diese Strecke auch eine Rückfahrkarte zu sichern. Auf der Hinfahrt ist die Fahrkarte eine unendliche Hoffnung; auf der Rückfahrt ein Stückchen durchlochter Karton. Die Abreise. Das Schönste an einer Reise ist das Vorgenießen: „die Wollust der Vorbereitungen“. Ich möchte versuchen, zu diesem Kapitel einige praktische Anregungen zu geben. Trachten Sie vor allem, mit den Angelegenheiten Ihres Berufes, Ihrer alltäglichen Verpflichtungen nicht bis zum letzten Moment beschäftigt zu sein. Bringen Sie die Tretmühle rechtzeitig zum Stillstand. Erledigen Sie alles, aber dann machen Sie auch gleichsam einen dicken Strich unter Ihre bisherige Existenz. Schalten Sic sich ab. Versuchen Sic, mindestens einige Stunden planloser Müßigkeit, losgelöster Entspannung vor der Abreise für sich zu haben. Flanieren Sie und Sie werden entdecken, daß Sie die gewohntesten Dinge dann plötzlich mit neuen Augen sehen. Noch in der Heimat bereits die Optik der Fremde: die Empfänglichkeit. Vermeiden Sie es, sich von Angehörigen oder Freunden auf den Bahnhof begleiten zu lassen. Begleitpersonen sind immer eine Störung oder zumindest eine Verlegenheit, mit der man nichts anzufangen weiß. Begleitpersonen sind der Bazillus, j der Reisefieber hervorruft. Entweder man ist ge« j zwungen, sich vor wildfremden Zuschauern in sei« I neu intimsten Gefühlen gehen zu lassen, oder man fühlt sich verpflichtet, Klischeegefühle des Abschiedes wenigstens zu heucheln und holt mechanisch die gewissen banalen Phrasen hervor: beides ist peinlich und geschmacklos. Nehmen Sic von Damen Ihrer Bekanntschaft keine Aufträge auf Besorgungen entgegen: Sie wer* den immer das Verkehrte mitbringen. Kaufen Sie daheim alles ein, was Sie zur Reise benötigen: es ist fast niemals richtig, daß man „draußen alles billiger bekommt“. FUhren Sie nur so viel Handgepäck mit, daß Sic cs im schlimmsten Falle selbst tragen können. Ziehen Sie sich zweckmäßig an. aber lassen Sie den „praktischen“ Ehrgeiz, aus falscher Sparsamkeit auf Reisen Ihre ältesten und ungeeignetsten Anzüge „aufzutragen“: man macht sich nur lächerlich damit und nichts kommt auf Reisen so teuer zu stehen, wie sich vor Menschenkennern, wie Hoteldirektorcn, Portiers, Oberkellnern, lächerlich zu machen. Man setzt sich der Gefahr aus, schon aus reiner Opposition nach jeder Richtung hin „geneppt“ zu werden. Nehmen Sie genug Geld mit: mindestens um zehn Prozent mehr, als Ihr nach oben abgerundeter Kostenvoranschlag beträgt. Die Romantik der Geldverlegenheit auf Reisen gehört in den Film. Endlich: Reisen Sie allein. Oder nur mit Menschen, die Ihre Freiheit respektieren. Geteiltes Schauen ist zumeist halbes Schauen. Besser noch eine Gesellschaftsreise als eine Reise in größerer Gesellschaft. Unterwegs. Lehnen Sie es prinzipiell ab, privat zu wohnen, selbst bei guten Freunden: Sie laufen Gefahr, der Gefangene der Rücksichten zu werden, die Sie auf Ihre Gastgeber und die Ihre Gastgeber auf Sie nehmen müssen. Was Sie in einem Privathaus an Komfort gewinnen können, werden Sie an Bequemlichkeit verlieren. Vor lauter gegenseitigem Takt wird bei beiden Teilen die ganze Einteilung aus dem Takt geraten. Wohnen Sie im Hotel!