Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1938. január (85. évfolyam, 1-24. szám)

1938-01-01 / 1. szám

• 4 • PESTER LLOYD Samstag, 1. Januar 193$ scheinungen in Europa und der übrigen Welt als Ant­worten auf die im Londoner Kommunique enthaltene Einladung auffaßt, so ist das Resultat nicht ermu­tigend. Der in jenem Kommuniqué enthaltene Satz über „die Zusammenarbeit aller Länder am gemein­samen Werk der allgemeinen Befriedung durch' die Methode freier und friedlicher Verhandlungen“: war nicht gerade kurz. Doch erscheint der Weg, der zu dieser Zusammenarbeit führt, ebenso wie der nach Tipperary noch länger. Gibt es eine Hoffnung, ihn zu verkürzen? Als halsstarriger Optimist möchte ich es glauben. Zwei Staaten haben ihr Wort noch nicht gesprochen. Wenn die ihnen bekundete — meiner Ansicht nach etwas übertriebene —• Diskretion des Außenministers Delbos ihnen noch nicht die Gelegenheit bot, sich zu erklären, wird sich ihnen dazu eine andere, bedeu­tend wichtigere Gelegenheit bieten anläßlich der be­vorstehenden Budapester Zusammenkunft der Sig­natarstaaten der römischen Protokolle. Wäre es doch möglich, daß wir nach dieser Konferenz auch etwas mehr erfahren könnten, als daß „eine allgemeine Prüfung der Lage zur Feststellung führte... usw.“l Könnten doch Ungarn und Österreich einen wohl­tätigen und befriedigenden Einfluß ausüben! Könn­ten wir weniger hören vom berühmten Ölzweig auf acht Millionen Bajonette gepflanzt, und vielmehr auf einmal die Friedenstaube selbst (wenn auch beschei­den und furchtsam) aufsteigen sehen! Es ist heute die Zeit der Wünsche. Darf man einem solchen Wunsche Ausdruck verleihen? Sir Aurel Stein in Budapest. Gespräch mit dem weltberühmten Gelehrten über seine Forschungsreisen und Reiseerlebnisse. Es war ein merkwürdiges Gespräch. Sir Aurel wurde oft ganz vom Bann der Erinnerung gefangen. Auf seine Worte erstanden wunderbare Schönheiten fernster Gegenden: das märchenhafte Indien, die Gletscher des Himalaja, die himmelwärts streben­den Spitzen, die kahlen Bergketten Chinesisch-Tur­­kestans, und jene sandbegrabenen Städte, die die Phantasie unserer Kindheit so oft erregt hatten. Es war auch von zahlreichen Tausende von Jahren alten Funden die Rede, griechischen Ruinentempeln und Tongefäßen in versteckten Tälern Persiens. Der Weg der hellenistischen Kultur nach Indien und Innerasien. verfallenen buddhistischen Heiligtümern, teils auf britischem Boden, teils außerhalb dieses, vor allem im östlichen Afghanistan. Es war jedoch klar, daß die auf indischem Boden begonnenen hellenisti­­sehen Nachforschungen nicht die dazwischenliegen­den Gebiete überspringen durften. Ich selber fand im Jahre 1916 in Sistan (Persien) Wandmalereien im reinen hellenistischen Stil. Und später, während meiner vier Reisen nach Persien in den letzten fünf Jahren gelang es mir auch, verschiedene Statuen aus dem Boden zu heben, die noch klarer als die Malereien die nachalexandrinischen Einflüsse der griechischen Kultur aufweisen. Diese Wirkungen lebten auch unter mohammedanischem Einfluß wei­ter und hinterließen ihre Spuren in den Kunstwer­ken der mohammedanischen bildenden Kunst. — Aber neben Persien beginnt man neuerdings auch in Mesopotamien, im Gebiet des heutigen Irak, die spätgriechischen Wirkungen zu erforschen. Die archäologische Forschung des vergangenen Jahr­hunderts interessierte sich hier nur für ganz alte Funde, Tafeln in Keilschrift und assvrisch-babvlo­­nische Funde. Man gräbt jetzt mit Hilfe und Geld der Universität Yale und unter Leitung der Profes­soren Cumont (Belgien) und Rostowtscheff (Ruß­land), die Ruinen einer mazedonischen Siedlung „Dura Europos“ genannt, aus, wo während der Feldzüge Alexanders des Großen und auch später unter römischer Herrschaft die griechische Kultur fünf Jahrhunderte lang geblüht hatte. Die unerhörte Verbreitungskraft dieser Kultur beweisen jene far­bigen, gobelinartigen Stoffreste, die ich schon vor 25 Jahren im chinesischen Turkestan aus dem Sand um den See Lop herausgrub, und welche genau mit den Funden der eben genannten Expedition in den Gräbern von Palmyra und in Dura Europas über­einstimmen. -— Die sich nach dem Osten hin verbreitende hellenische Kultur verband sich in Indien mit der buddhistischen. Die beiden eroberten gemeinsam die jetzt Russisch- und Chinesisch-Turkestan ge­nannten Gebiete des innersten Asien und erreichten die Grenzen Japans. Die Fresken, die ich in den Ruinen Mirans fand und Hunderte von Bildern, die im westlichen China in den „Höhlen der Tausend Buddhas“ entdeckt wurden, verraten klar ihre Ver­wandtschaft mit jenen aus der Parther-Zeit stam­menden Malereien, die am östlichsten Ende des heu­tigen Persien, in einem der verfallenen Paläste Sistäns vor 20 Jahren entdeckt wurden. Erinnerungen an die Eltern Kiplings. ___ Sir Aurel hatte noch am vorigen Tag erwähnt* daß er während seines Aufenthaltes in Lahore mit den Eltern Rudyard Kiplings bekannt gewesen war. Ich bat ihn. uns seine diesbezüglichen Erinnerun­gen mitzuteilen. — In Labore lernte ich den Vater Kiplings im Jahre 1888 kennen. M. Lockwood Kipling war dort Direktor der Kunstgewerbeschule und des Museums und lebte seit Jahren mit Frau und Tochter in La­hore. Ihr Dichter-Sohn, der früher Redakteur der dortigen „Civil and Military Gazette“ gewesen war, hatte Indien damals bereits verlassen. — Meine längere Bekanntschaft mit dem Ehe­paar Kipling, und später die genaue Kenntnis der Seit einigen Tagen weilt Sir 'Aurel Stein in Budapest, wie dies in der Weihnachtsnummer des Pester Lloyd bereits erwähnt wurde. Der welt­berühmte Gelehrte, den die wissenschaftliche Welt Englands im November aus Anlaß seines 75. Ge­burtstages feierte, befindet sich gerade auf einer Forschungsreise nach Osten. Er hält sich nur eine kurze Woche in Budapest auf, um die Erinnerun­gen seiner in unserer Hauptstadt verbrachten Kind­heit aufzufrischen. Sir Aurel Stein ging gleich nach Beendigung seiner Mittelschulen ins Ausland, an deutsche Universitäten, und später, zum Zweck sei­ner orientalischen Studien nach England. Im De­zember waren es genau 50 Jahre, daß er den Boden Indiens das erstemal betrat, wo man Ihn im Fe­bruar 1888 zum Leiter des Oriental College in La­hore ernannte. Es ist ein seltenes, beinahe allein­stehendes Phänomen, daß er nach fast 60 im Aus­land verbrachten Jahren seine ungarischen Sprach­­kenntnisse vollkommen bewahrt hat. Dies ist nur einem Menschen möglich, der sein Vaterland und seine Rasse mit jener schlichten Innigkeit liebt, die das ganze Wesen und jedes Wort Sir Aurel Steins durchdringt. Unser jetziges Gespräch spielte sich an zwei aufeinanderfolgenden Tagen auf der verschneiten, feenhaft schönen Margareteninsel ab, Im Foyer des Palatinus-Hotels, wo Sir Aurel Stein mit seinen bei­den Budapester Verehrern, dem Leiter des Fernöst­lichen Museums Zoltán v. Felvinczi-Talcács und sei­nem ungarischen Übersetzer Julius Halász plau­derte. Wir waren zu Viert. Auf dem Tisch lag eine englische Landkarte vom Mittelorient und Photos von verschiedenen archäologischen Funden, und einer bronzenen Monumentalstatue, die Sir Aurel Stein bei einer seiner letzten Forschungsreisen in Persien gesehen hatte. Er sprach über die Bilder gebeugt mit Zoltán Takács über archäologische und Stilkritische Fragen. Julius Halász aber erwähnte hie und da ein genaues Datum der wichtigsten Rei­sen Sir Aurels nach Nordindien oder Innerasien. Keszeg Veszelka winkt mit dem Kopf gegen das Moor: — Von Vásárhely. Dann ist’s richtig. Sie wissen wohl, daß Keszeg Veszelka nicht gekommen ist, um sich zu wärmen, sondern anderetwegen, aber er wird’s schon sagen, wenn er will. Am stillen Feuer kocht das Abendessen. Rózsa Sándor blickt in den aufsteigenden Rauch. Er wartet, dann spricht er. Er sagt nichts, sondern fragt: — Dorther? — Dorther.I t— Geradeswegs? f ■— Geradeswegs. Stille. Jetzt richten sich alle Augen auf Keszeg „jzelka. Denn er schweigt. Nun ist’s klar, daß er nicht vor dem Abendläuten in die Puszta hin­­ausgezoigen ist. Doch sagt keiner etwas. Sie warten, daß Sándor dem Keszeg auf den Zahn fühlt. Der läßt auch die Pfeife auf einen anderen Stoßzahn hinüberwandem. — Und drin? wirft er Keszeg Veszelka einen Blick zu. Veszelka prüft erst forschend den Boden, d'ann schnauft er mächtig durch die Nase. — Gestern hat’s geschneit. — Hm. Das ist schon was. — Morgens? — Nein. Abends. — Stark? — So zwei Finger hoch. Nur so viel, daß die ijlutspur drin sichtbar war. Das Feuer prasselt unter dem Kessel. Der Knoten löst sich schon. Er löst sich, und so meint Sándor jetzt nur wegen des Schnees: — Also mehr ist nicht gefallen? — Nein. Stille. Sándor heftet jetzt, zum ersten Male, seinen Blick auf Keszeg Veszelka. _ Und wer denn? Der blatternarbige Aracsi? —. Der. Zwei Kinder. Weil sie das Krippenspiel romgetragen haben* hat er. gedacht Geld muß bei Ich erhielt am nächsten Vormittag eine Ein­ladung Sir Aurel Steins, um, insofern dies im Rah­men eines gezwungenermaßen oberflächlichen Zei­tungsartikels möglich sei, ein kurzes Bild über die größten Werte eines langen, in ununterbrochener Arbeit verbrachten Lebens wiedergeben zu können. Es war tatsächlich nicht leicht, die Fragen und Themata auszuwählen. Doch erleichterte meine Ar­beit jene absolut einheitliche Richtung, die die Ar­beit Sir Aurel Steins, wde das Leitmotiv das Werk eines großen Künstlers, zusammenfaßt. Dieses Motiv ist in den asiatischen Forschungen Sir Aurels die Verfolgung der Spuren hellenistischer Kunst und Kultur in ihrem Vordringen nach Osten. Diese Spu­ren führten ihn einerseits nach Indien, andererseits durch die gebirgigen wüstenhaften Gegenden Inner­asiens nach China und bis zu den japanischen Inseln. — Noch während der elf im Verband der Universität Lahore mit oft schwieriger Arbeit verbrachten Jahre lernte ich die an der nordwestlichen Grenze Indiens entdeck­ten gräco-buddhistischen Statuenfunde kennen, — begann Sir Aurel seine Erzählung. — Solche ge­langten in großer Anzahl schon in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts ans Tageslicht, teils aus ihnen sein. Beim Gewehrscbuppen hat er ihnen auf­gelauert, und wie sie dann hinkamen, hat er sich vor sie hinges teilt. Hat ihnen eins auf den Schädel versetzt. Erst dem einen, dann dem anderen. Darauf sind sie liegen geblieben. Samt dem Krippen­spiel. Tot. Auf dem frischen Schnee. In Rózsa Sándors Mund erkaltet die Pfeife. Er wartet. Wendet sich wieder dem Feuer zu. Sieht in die Flammen. — Und er war’ wirklich? Aracsi? Veszelka zuckt mit den Achseln: — Kein anderer konnt’s sein. Bakacsi, der Viehhirt, hüstelt. Na, das ist also schon wieder nicht recht. Denn der blatternarbige Aracsi arbeitet schon seit einem halben Jahre auf das Konto der Leute von Sándor. Wieder ist er hinter­rücks gegen sie vorgegangen. Akkurat so einer. Just Kinder, die die Krippe trugen. Das ist wirk­lich nichts für rechtschaffene Männer. Rózsa Sándor ist bereits aufgeslanden. In sei­nen kleinen Augen sitzt eine dunkle kalte Flamme. Seine Brauen huschen sich, sein Gesicht ist hart wie Feuersteinstahl. Dann geht er hinter die Hürde. Das Feuer schrumpft, als er wiedier hervortritt. Mit seinem Pferd. Die Zügel in der Hand. — Ich komm’ nachher wieder! sagt er und faßt die Zügel kürzer. Veszelka antwortet: ■— Wir warten hier. Das Pferd reißt den Kopf hoch, dann springt es an. Beginnt zu galoppieren und beruhigt sich erst nach einer Stunde, als es wegsame Gegend er­reicht. Ringsumher fast undurchdringliches Dun­kel. Auf dem Weg liegt Stille, so frostig-schwere und tiefe Stille, als geisterten Schatten hinter den Hufschlägen. Schaumbedeckt erreicht das Pferd das Röhricht, das sich unterhalb der Stadt hinzieht. Die frostige Welt schweigt auch hier, drüben schlummert die Stadt. Sándor reißt an der Kandare, das Pferd biegt v,om Wege ab. Zittert am ganzen Körper, trabt mit ITi SííTmíTüimí íTi~iBii iiTi~ iTi» . , i, " In'T"■~wTiTi?~''3»Ul*» MŰÍl«r»_.i j[ I schlenkernden Beinen und schnuppert schnaubend in der Luft. Hier ist es noch nie gewesen. Irgendwo beginnt ein schlafloser Welpe zu bel­len, von der entgegengesetzten Richtung her ant­wortet Geheul, dann ertönen die heiseren und tiefen Laute einer ganzen Meute. Sándor ruft von ungefähr ins Dunkel: -— Heh! Bodri! Wütendes Gekläff, dann verstummen sämtliche Köter beruhigt. Sie glauben, jemand sei heim­gekehrt. Das Pferd greift wieder aus, gelangt auf die Böschung. In eine Straße. Es wiehert auf. Sie sind in der Hauptstraße; der Vásárhelver Haupt­straße. Nur sind sie von der Theißseite hieher ge­langt. Die Straße ist voll Morast, fängt aber wenig­stens den Schall auf. Obwohl schon alles schläft. Und die Kate, vor der Sándor sein Roß anhält, ist geradezu stumm. Er pocht an das kleine mit Quereisen versehene Fenster. — Mihály? Schweigen. — Mihály?! Drin im Haus regt sich nichts. — Hörst du, heb? Ich bin’s. Nur Dunkelheit stürzt aus der Höhe. Sándor schwingt sich über den niederen Zaun. Tastet sich unter die Traufe. Sucht etwas. Schließ­lich, nach langer Zeit schilägt seine Hand oberhalb des Kobens an einen Teller. Er hat’s. Er hebt den Teller an die Nase. Beriecht das gefrorene Paprika­­geriebt. Kein Zwiebelgeruch daran zu spüren. Das hat also heute niemand berührt. Dann ist Aracsi wirklich nicht zu Hause. Man braucht nicht die Tür zuzudrücken. Sándor geht zum Pferd zurück. •— In die Hajdia. Dann ist er dort, sagte er dem Pferd leise. Die Hufe des Rosses schleudern den Morast. In einer Viertelstunde sind sie hei der Ilajda. Dort an der’ Lehne des Dammes steht die Csárda. Diesseits wird säe durch’s Wasser abgesperrt.

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