Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1897. Oktober (Jahrgang 24, nr. 7234-7260)

1897-10-28 / nr. 7257

Redaktion und Administration Hermannstadt,Heltauergasse 23. Ehequenontobeider k.ung.ponsparkassakk­.1305. Telephanausschlußkl­.SL Etseint mit Ausnahme des aufzotmsund­en folgenden W­ochentages täglich. Abonnement für Hermannstadt: monatlich 85 kr., vierteljährlich 2 fl. 50 kr., Halb« jährig 5 fl., ganzjährig 10 fl. ne Bustellung in’3 Haus, mit Zustellung 1 fL., 3 fl., 6 fl. 12 fl. Abonnement mit Postversendung: · Für das Inland: vierteljährig 3 fl. 50 Kr., Jelbjährig TIL, ganz» jährig 14 fl. Für das Ausland: vierteljährig 7 M. oder 10 Frcs., Halbjährig 14 M. oder 20 Fres., ganzjährig 28 M. oder 40 Fres. Eine einzelne Nummer testet 5 Fr. d. W. Unfransierte Briefe werden nicht angenommen, Manuskripte nicht zurückgestellt. RN 7257. XXIV. Jahrgang Siebenbürgisch-Deutsches Hermannstadt, Donnerstag 28. Oktober 1897 Pränumerationen und Inferate übernehmen außer dem Hauptbureau, Heltauters­gafse Nr. 23, in Kronstadt Heinrich Zeidner, Mediasoh Johann Hedrich’s Erben, G. A. Reissen­­berger, Schässburg Fritz Teutsch, Bistritz Arthur v. Schankebank, Mühlbach Josef Wagner, Kauff­mann, Broos H. Graef, Reps Johanna Guiesch, Buchhandlung, Wien Otto Maas (Haasenstein - Vogler), Rudolf Mosse, A. Oppelik, M. Dukes, Heinrich Schalek, J. Danneberg, Inseraten­­bureau „Die Annonze“, Budapest A. V. Gold­­berger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. G. L. Daube & Co. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile fortet beim einmaligen Einrücen 7 r., das zweite mal je 6 fr., das drittemal je 5 fr. d. W. ex­­klusive der Stempelgebühr von je 30 fr. zur Geschichte des 1867er Ausgleiches. I. Mit der Abreise de Grafen Andraffy aus Wien schienen die Ver­­handlungen und Stoden geraten zu sein. Vergebensd drängte „Beiti Naple“ zur Ernennung de Ministeriums. Vorläufig wurde auch die Einberufung des Reichstages unter dem Vorwande der Cholera auf ungeriehrte Zeit vertagt. Die Ungunst der Ver»­hältnisse verstimmte die selbstlosen Mitglieder der Deak-Partei, und Baron Sigmund Kemeny warf im „Besti Naple” die Frage auf, ob die Deaks Partei si nicht zurückziehen sol, da sie sieht, daß ihre Bemühungen erfolglos bleiben. Die Sachlage änderte sich, als am 30. Oktober Baron Beust zum Minister der Weißern ernannt wurde. Beust hielt es für seine erste Aufgabe den Ausgleich mit Ungarn durchzuführen. Am Tage seiner Ernennung zum Minister des Auswärtigen wurde der Neichttag auf den 19. November ein­­berufen. In dem in versöhnlichem Tone gehaltenen allerhöc­hsten Restrikt wird dem Claborat des Fünfzehner-Komitees Anerkennung gezollt und dasselbe als geeigneter Anschlußpunkt zur Herstellung des Ausgleichs dargestellt. G­leich­­zeitig wurden jene Punkte bezeichnet, im betreff welcher noch keine Weberein­­stimmung erzielt wurde und der Wunsch ausgesprochen, daß diese Schwierig­­keiten je früher behoben sein mögen, damit die verfassungsmäßigen Ansprüche Ungarns duch die Ernennung des verantwortlichen Ministeriums, die Wieder­­herstellung der Autonomie befriedigt und die 1848er Gesee revidiert werden künnen. In Budapest war man von dem Inhalt des allerhöchsten Reskriptes nicht befriedigt; in Wien machte die auf das Reskript verfaßte Adresse des Reichstages, welche die vollständige Rechtskontinuität als Bedingung des Aus­­gleiches verlangte, einen schlechten Eindruck. Die offizielle „Wiener Abendpost“ erklärte, dies stehe in Widerspruch mit dem eigentlichen Anfrage Deals. Auch im Klub der Deal-P­artei herrschte große Niedergeschlagenheit. &o fehlten die Berührungspunkte mit der Krone und sowohl Deal, wie die Partei nahm mit Freuden die Anregung Longays auf, daß sich wie üblich, auch diesmal eine Deputation nach Wien begeben möge, um Ihrer Majestät am 24. Dezember zu ihrem Wiegenfeste zu gratu­­lieren, wobei man sowohl mit Sr. Majestät, wie mit Beust in Berührung treten könnte. Der Iehrere Wunsch sollte jedoch früher in Erfüllung gehen, al man dies geahnt hat. Am 20. Dezember kam nämlich Beuft mit Majlath nach Budapest und Sennyey gab ihm zu Ehren ein Diner, zu welchem auch Andrafiy, Lonyay, Graf Georg Apponyi, Baron Edtvds, Somfjid und Graf Ferdinand Zicay geladen waren. Nach dem Diner zogen ih Andrafiy, Edtvds, Somffid mit Beuft und dem Hausherren zu einer Be­­sprechung zurück, welche jedoch nur von kurzer Dauer war, da Majlath den Minister Beust um 8 Uhr abholte, um ihn zu Denk zu führen. Ueber die Begegnung der beiden Staatsmänner haben sich unter den Hinterlassenen Schriften Anton Chengeryd auf Grund der Mitteilungen Deals gemachte interessante Aufzeichnungen gefunden. Majlath stelle Deal den Minister vor, wobei sie die Herren nicht die Hände reichten. Deak ließ seinen Gast auf den Divan legen, nahm dann selbst in einem gegenüber stehenden Fauteuil Play und alsbald ent­­pann sich eine anfangs schwerfällige, später lebhaftere Konversation. Dieselbe wurde von Beu­st eröffnet, der mit Anspielung auf den außerordentlichen Einfluß Deals auf den Reichstag sagte, er sei Haupts­­ächlich deshalb nach Budapest gekommen, um mit Deak zu konserieren. Dieser gab den Einfluß zu, doch erklärte er, derselbe gehe nicht so weit, die Ansichten in Ungarn bilden zu künnen, wo jeder seine eigene bestimmte Meinung in den öffentlichen Angelegenheiten habe. Beust bemerkte, die Regierung mwünsche aufrichtig den Ausgleich und habe sn Ungarn stark genähert. Darauf gab Deal dieselbe Versicherung seitens der Nation ab, welche, um den Ausgleich zu fördern, alles gethan habe, was sie vor Wiederherstellung der Verfassung thun konnte. Beust erklärte, die Regierung sei geneigt, das Ministerium zu er­­nennen, wenn vorher ihre Bedingungen erfüllt werden, worauf Deal er­­widerte, die Wiederherstellung der Verfassung sei nicht mit der Regelung der gemeinsamen Verhältnisse zu verguiden. Die rebtere bilde wohl Gegenstand der Vereinbarung, die erstere aber sei eine rechtmäßige Forderung und seine Konzession. Beust machte Denk sodann darauf aufmerksam, daß sich unter den wiederherzustellenden Gelegen auch die 1848er Schöpfungen befinden, welchen die Revolution folgte. Deaf aber wies auf die Umtriebe der Reaktion hin und meinte, daß es nicht ratsam sei, solche Dinge Ungarn gegenüber als Vorwurf vorzubringen. Nunmehr ging Beust auf das Heerunwesen über und führte aus, es sei mit der Einheit der Armee unvereinbar, daß Ungarn sein Rekrutenkontingent selbst votiere und das Honvensystem selbst regele. Gegenüber den Militär-Autoritäten, auf welche Beust sich berief, verwies Deak auf die Erfahrungen von 150­0­ahren, während melcher Zeit Ungarn diese Rechte ausgeübt und die Monarchie besser verteidigt habe, als dies in jüngster Zeit mit der einheitlichen Armee geschehen sei. Auf diese Garantien ihrer Verfassung werde die Nation nie verzichten. „Stauben Sie — fragte Beust — daß dieser unser Wunsch auch im Siebenundsechziger­­ Ausschuß nicht erfüllt werden kann?" — „Wenn Em. Erzellenz unter dem Ausdrude „unser Wunsch” auch meinen Wunsch verstehen — ermwiderte Denk — so muß ich mich dagegen verwahren”, worauf Beust bemerkte: „Dann begreife ich, daß er nicht durchführbar sein wird.“ Nach Tanger Baufe kehrte Beust wieder auf die Versicherung zurück, daß die Regierung nicht abgeneigt sei, Konzessionen zuzugestehen, doch verlange sie Garantien von der Nation und­­ verlangen sie auch die transleithanischen Länder. „Wofür?“ fragte Deak: „Daß wir nicht abfallen werden? Eine bessere Garantie dagegen giebt es nicht, al die pragmatische Sanktion, welche den „indivisibiliter“ und „inseparabiliter“ zu führenden Befug ausspricht. Wie für die Nation neuerliche gejegliche Garantien bieten, insolange ihr der Weg der Gesebgebung verschlossen it? Man giebt der Nation ihre Verfassung nicht zurück, bevor sie nicht neuere Garantien bietet, und versperrt ihr den Weg der Gesebgebung, auf melche solche geboten werden könnten. Das ist ein circulus vitiosus, aus welchem er sein Entrinnen giebt... Und die Erbländer verlangen Garantien? Sie sprechen ja auf ihren Landtagen und in ihren Rettungen offen von der Möglichkeit ihres Abfalles.. Es wäre für­­wahr an uns, Garantien von ihnen zu verlangen, daß sie nicht abfallen und jene Bande aufrecht halten werden, welche für und eine Lebensfrage bilden.” € 3 war bereits Halb 11 Uhr, als Beust sich erhob und Deaf die Hand reichend bedauerte, Sr. Majestät seine günstige Antwort bringen zu können. „Und ich — sagte Deat — bedauere noch mehr, wenn die An­­sichten, welche ich entwickelte, Sr. Majestät nicht angenehm sind.” So schieden die beiden Staatsmänner nach ihrer ersten Begegnung. Ueber den Eindruck, den sie auf­einander gemacht, äußerten sie sich ver­­schieden. Deak sagte — wie es im Tagebuche Drczys heißt — Beust sei ein feiner Diplomat. Er habe bloß den Gefahren seine Aufmerksamkeit aus­gewendet, welche aus der Wiederherstellung der Verfassung entstehen können, aber seinen Chancen für den guten Ausgang der Wiederherstellung Raum gewährt. Trotzdem wollte Deak nicht glauben, daß Beust nur gekommen sei, um zu ruhen, welches der plausibelste Vorwand sei, um die Erfüllung der Win­de der Nation zu verweigern. Diese Vermutung hatte nämlich Andrasfy ausgesprochen, welcher es umso begreiflicher fand, daß Beuft ein Heftiger Gegner des Rekrutenbewilligungsrechtes Ungarns sei, als Se. Majestät dem Grafen Andraffy schon im Sommer 1866 gesagt hatte: „In­­­ieser Frage werden Sie mich unerbittlich finden.“ Je­an Andraffy war damals von Beust überhaupt nichts weniger als entzüdt. In einem intimen Schreiben äußerte er sich über Beust, ohne dessen Namen zu nennen, folgendermaßen: „Er hat von der Sache nicht den geringsten Begriff. Er ist ein leichte­sinniger, eitler, kluger, aber einsichtsloser Mensch. Wenn nicht ein anderer heraushilft, wird er diese Monarchie unbedingt zu Grunde richten, w­ie er das andere Land zu Grunde gerichtet hat. Davon aber sprechen Sie kein Wort, denn ich möchte nicht, daß man es weiter gebe. Die Aussichten sind sehr schlecht; es ist jede wenig Hoffnung dafür vorhanden, daß etwas aus der Sache werde.” Was den Eindruck betrifft, welchen B eu­st gewonnen, so schrieb er über seinen Besuch bei Deak in seinem Werke „Aus drei Vierteljahrhunderten” folgendes: „Ich kann nicht sagen, daß ich jeder zuvorfommend empfangen murde. Die Art und Weise, wie Deak sich ausdrückte, war eher schroff; aber sein Verhalten war sein abstoßendes und in seinen Ausführungen war er sehr offen. Als wir fortgingen, sagte Majlath zu mir: „Sie haben ihn schwerlich übertrieben höflich gefunden.” „Do — erwiderte ich — er hat mir selbst esse Uebertod umgegeben.” „DO! — sagte Hierauf Majlath — das ist ehr» viele vor. Nach Wien zurückgekührt, wurde der Minister sofort zum Kaiser berufen, der ihn ungeduldig erwartete. Beust b­at mehr, als die ungarischen Politiker von ihm erwarteten. Er sagte zu Sr. Majestät ganz offen: „Seitdem ich hier bin, sehe ich nicht, wie ein erfolgloses Wechseln von Reskripten, die nach Pest abgehen, und von Beichlüffen und Adressen, die von Beft heraufkommen. Auf diesem Wege kommen Ew. Majestät nicht vorwärts. Evo. Majestät sind entschlossen unter gewissen Bedingungen das ungarische Ministerium zu er­nennen, und haben auch die Personen auserlesen, aus welchen er bestehen sol. So berufen sie Ew. Majestät also Her, damit wir mit ihnen verhandeln.“ Der Kaiser beherzigte au diesen Rat und ließ bald darauf Andrasfy, Eötvds und Lonyay nach Wien berufen. „Das war — schreibt Beust in seinem erwähnten Buche — der Beginn, ich darf sagen, der entscheidende Beginn des endlich zu­stande gekommenen Ausgleiches, und in den Jahren 1867 und 1868 sagte Andraffy gar oft zu mir: „Wenn Sie nicht gekommen wären, hätten wir den Ausgleich nie zu­stande gebracht.“ Am Schlusse des Jahres 1866 hatten indes sowohl Graf Andraffy als auch Deak wenig Hoffnung. In einem Schreiben vom 21. Dezember äußerte sich ersterer: „Die Aussichten sind schlecht; es ist wenig Hoffnung vorhanden, daß aus der Sache etwas werden, und Deal bemerkte in seiner­ Antwort auf die Begrüßungsansprache der Partei am 1. Januar 1867: „Ich sage nicht, daß alle Hoffnung geschwunden ist, sondern nur, daß die Entwirrung schwie­­riger isst, als vor einem Jahre.” Am 8. Januar 1867 empfing der Kaiser die Huldigungsdeputation der beiden Häuser des Neid­etages. Während des Rundganges erfundigte sich Se. Majestät bei Longay, ob Deak sehr böse sei? Auch mit Andrafiy sprach er von Deaf. Hinsichtlich dessen Graf Andrafiy sagte: „Ich würde es nicht für zweckmäßig und rationell halten, etwas zu thun, wozu der alte Herr nicht mindestens seinen Segen hergeben würde.“ „Nur Bourage, Kourage solen Sie haben” meinte der Kaiser, worauf Graf Andraffy bemerkte: „Ich mag meine Fehler haben und habe sie, allein gewiß gehört zu bieten nicht der Mangel an Bourage; ich habe aber auch den Mut, nit etwas zu übernehmen, was ich für undurchführbar halte.“ Bald darauf erhielt Andrafjy den von Majlard und Sennyey ausge­arbeiteten „GSefegentwurf über die gemeinsamen Angelegenheiten und deren konstitutionele Behandlung“, ein Operat, das Andrasfy a limine zurücwies, indem er forderte, daß die Verhandlungen auf Grund des Operates des Fünfzigerkomitees des ungarischen Abgeordnetenhauses geführt werden sollen. Und so geschalt­en. Lonyay überbrachte die in diesen Konferenzen getroffenen Vereinbarungen Deat — Lonyay berichtet in seinen Memoiren hierüber — doch verhielt sich der „alte Herr“ denselben gegenüber sehr ablehnend, so daß Andrasiy, der ihn am 16. Januar in seiner Wohnung aufsuchte, ziemlich darf wurde und erklärte, daß, wenn Deaf die Unterftügung des Ministeriums a­ benilleten. Der eigene Dreg. Bon Hand Richter. (7. Fortlegung.) „Vielleicht ist auch mir dieser Tag bereit erschienen“, murmelte Dengern. Ein Schatten glitt über seine Züge und bliggleich flog sein Blid zu dem schweigenden Mädchen hinüber. — „No vor einem halben Jahre begriff ich nicht, mic­h Breitenfeld in seinem engen Kreise auszuharren, sich In glücklich zu fühlen vermöge. Heute beneide ich ihn und sage mit Frau artha: In walhen Jahren geht’ wohl an, So um und um frei durch die Welt zu streifen; Doch sommt die böse Beit heran, Und si als Hagestolz allein zum Grabe schleifen, Das Hat no seinem wohl gethan.* E8 Tag etwas unverkennbar Erzwungenes in diesem Humor, der sehr statt einem direkten Vorstoß glich. Die Geheimrätin beeilte fr, ihn abzuwehren. „Ich vermag nicht wörtlich zu zitieren, doch, wenn ich nicht irre, deutet Frau Martha bald darauf an, daß ein Hagestolz schwerlich zu bes fehren sei.“ „Schwer vielleicht, doch nicht unmöglich !" „Run, auf jeden Fall eine sehr undankbare Aufgabe, deren ‚Lösung Ihnen selbst sehr bald arg mißfallen würde. Man tauscht nicht auf die Dauer ungestraft die zügellose­reiheit gegen die Sklaverei eines hübschen Lärbehens ein, Medrigens im Vertrauen, mein merter Herr Kammerherr, das klingt wie der renommierende Wunsch der alten Soldaten, noch einmal in den wa­rt zu können — — 0, die Braven denken im Ernst gar nicht aran!” Das war fast mehr als deutlich, und Dengern bedauerte, die erstere, feinere Zurücweisung mißachtet zu haben. An seine Gewandtheit bot er auf, den üblen Eindruck zu verwischen, und er mußte ihm dies mehr gelingen, denn als er sich verabschiedete, wurde er sehr freundlich zum Wiederkommen eingeladen. Sobst von Dengern befand er nicht in der Lage und Stimmung, der­­gleichen als bloße Höflichkeitsform zu betrachten. Er kam oft, fast täglich, bisweilen mit Billi oder Breitenfeld, meist jedoch allein. Ein fast freund­­schaftliches Verhältnis entwickelte er zwischen ihm und der Geheimrätin. Er gefiel ihr, nicht a8 Men, sondern als Original. Er ergößte sie, mit welch verschlagener V­orsicht er sich in ihr Vertrauen einzuschleichen suchte, wie er den bizarrsten ihrer Gedanken beistimmte und sie sogar mit den aus­­geflügeltesten Sophismen zu begründen mußte — dabei jedoch durch gelegentliches Widersprechen in Nebensächlichkeiten den Anschein fester eigener Ueberzeugung mahnte. Hedwig blieb diesem Doppelspiel unverständlich. Was sie scherzend der Freundin vorgeworfen hatte, wurde an ihr selbst zur Wahrheit: Sobst von Dengern erschien ihr wie ein verrappter Prinz aus dem Märchenlande — wie die Verkörperung der großen, weiten, herrlichen Welt, von der sie­­ ihrer stetigen Abgeschiedenheit die buntesten phantastischen Traumbilder ersonnen. Er hatte Löwen gejagt und eine gefangene Bajadere befreien Helfen, mit Köntgen gesprochen und mit Prinzessinnen getanzt — — bisweilen erschien es ihr als eine unverdiente Gnade, wenn er in seiner fühl verbind­­lichen Weise das Wort an sie richtete. Je weniger er, dem Unschein nach, ihr zu gefallen strebte, desto mehr fesselte er sie. Gegen ihren Willen sogar. Ihr Trog bäumte sich auf gegen die Kette, welche er unmerkbar um sie geschlungen — er war doch nur ein Mann, wie jeder andere auch, einfach ein aristokratischer Müßiggänger, — eine Null, die einst niemand vermissen würde, Oder da? — Das heiße Klopfen des jungen Herzens, die seltsame Beslemmung, die ihr die Brust zusammenzuschnüren drohte, wenn Bengerns leichter, elastischer Schritt auf der Berandatreppe hörbar wurde, belehrten sie eines Betlern, — — Mit brennender Scham, unter heißen Thränen gestand sie si ein, daß er im wenigen Tagen ein Stück ihres Lebens ge­worden war. Den legten Rest ihrer Willenskraft bot sie auf, ihren Gemütszustand zu verbergen, und Denge und unveränderliche kühle Höflichkeit kam ihr darin unwesentlich zu Hilfe. Sie ahnte ja nicht, daß er diese Gleichgiltigkeit mit vollster Ueberlegenheit heuchelte, daß gerade daran ihr eigenes Feuer immer heftiger entbrannte. So nur konnte er geschehen, daß die sonst so scharfsichtige Geheim­­rätin sich durch ihre äußerliche Ruhe täuschen ließ und Tehomw gegen­­über triumphierend bemerkte, das Kind sei weit verständiger, als er ange­­nommen habe, Tehomw ziete sleptisch die Achseln. „IH traue dem Wolfe am uwenigsten, wenn er das Schafsleid über» gezogen Hat.“ nd, der Dengern täuscht mich nicht”, erwiderte die Geheimrätin. „Erst hat er mit Eili anzubandeln versucht — wie sie’ auch leugnet, ist er doc nicht minder wahr —, dann erschien ihm Hedwig als die günstigere Partie, aber er ergeht ihm mit dem Hunde, der zu gleicher Zeit Hinter zwei Hasen jagt.“ „Sind Sie Hedwigs so ficher? Mir erscheint sie verändert, stil und in si gelehrt.” „Sie langweilt sich. Wir Haben ihr den Kammerheren schon zu oft serviert — ganz wie ich, ihnen jagte. Morgen verreist er auf einige Tage. Schade, er wird mir fehlen; ein interessanter Bursch ist er doch!“ Dengerns mehrtägige Abwesenheit wurde für Hedwig zu einer schier unerträglichen Dual. Was war ihr dieser Mann geworden, was sie ihm? Sie wußte es nicht, erkannte in ihrer Unerfahrenheit noch immer nicht die Art und Gewalt des Befühls, das sie an ihn rettete. Nur eins ward ihr deutlich: sie würde sterben, wenn sie ihn nicht wieder sah. Noch regte sich sein Hauch des Begehrens, sein nach Besiß strebender, selbstsüchtiger Wunsch in dem jungfräulichen Herzen. (Gortregung folgt.)

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