Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1898. Oktober (Jahrgang 25, nr. 7537-7562)

1898-10-28 / nr. 7560

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Reissen­­berger, Schässburg Fritz Teutsch, Bistritz Arthur v. Schankebank, Mühlbach Josef Wagner, Kaufe­mann, Broos H. Graef, Reps Johanna Guiesch, Buchhandlung, Wien Otto Maas (Haasenstein - Vogler), Rudolf Mosse, A. Oppelik, M. Dukes, Heinrich Schalek, J. Danneberg, Inseraten­­bureau „Die Annonze“, Budapest A. V. Gold­­berger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. G. L. Daube & Co. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile fortet beim einmaligen Einraden 7 fr., das zweites mal je 6 fr., das drittemal je 5 kr. d. W. ex­­klusive der Stempelgebühr von je 30 Er. 1898 zur Reorganisation der hiesigen ev. Mädchenfchule. Bor nicht allzu Langer Zeit Hat auf dem Frauen-Kongreß zu Dresden unsere liebenswürdige Landsmännin Frau Bacon-Stritt für Frauenrecht und Frauenstudium, fast hätte ich gesagt , gar „männiglich”, gestritten und es darf angenommen werden, daß sie auch im Kreise der Familie mit derselben Begeisterung für ihre Sdeen eingetreten is. Denn jene ehrwürdige Frau in Schäßburg, welche in so anmutender, aber deshalb nicht minder entschiedener Weise vor etwa 3 Jahren für die L­ehrerinnenfrage öffentlich Stellung ge­­nommen hat, ist wohl die Mutter der Kongreß-Rednerin, und ich vermute, daß hier die Tochter die beredte Lehrerin der Mutter geworden ist. Denn sonst sind so warme Ampulse für moderne Sdeen bei den Frauen seiner Landstädte nicht ganz gewöhnliche Erscheinungen und wir mwissen gerade aus jenem Streit über unsere Lehrerinnenfrage nur zu genau, wie oft auch hochgebildete Männer, deren Blick die Kulturentwickklung der Völker bezüglich der Vergangenheit vollständig übersieht, den Fragen der Zukunft gegenüber — wir wollen nur sagen, hochkonservativ sich verhalten, obis vielleicht in einer guten Stunde sich auch ihr Herz der neuen­dee erschließt, und man dann oft gar nicht mehr recht eruieren kan, wer eigentlich den Fortschritt gehemmt hat? So lange sie aber Gegner der Frauenbewegung sind, reden sie gar schon von der einzig wahren Bestimmung des Weibes und thun so, als ob sie auch das dazu gehörige Heiratöburenu besäßen, wo jedem liebensw­ürdigen Mädchen der passende Freier vermittelt wird, denn das Flannen sie als Spealisten so nicht verlangen, daß ein anständiges Mädchen den ersten Besten, der ihm gerade in den Weg läuft, zum Lebensgefährten erwählt. Dabei ist eines recht merkwürdig: unter den Gegnern der Frauenfrage mehren sich die Renegaten in auffälliger Weise und fallen von dem Glauben an die einzig wahre Bestimmung des Weibes zum großen Xerger ihrer früheren Gesinnungsgenossen Schmählich ab, weil sie ehrlich genug sind, den Thatsachen gegenüber, die die Frauenbewegung fon geschaffen, ihr Auge und Ohr nicht mehr zu verschließen. So ist au vor ganz kurzer Zeit ein geistesstarrer Mann und Gegner des Frauenstudiums zum abtrünnigen Julian geworden und hat in öffentlicher Rede die Berechtigung des Frauenstudiums anerkannt. — Das war aber nicht in Siebenbürgen! — wird mir der aufmerksame Zejer entgegenhalten und ich muß ehrlich antworten: Nein, dieser Geistesberog lebt in Berlin, ist der Professor der Medizin Waldeyr und hat als neuer Rektor der Universität die Frauenbewegung zum Thema seiner akademischen Antritterede gemacht. Er gab zu, früher ein Gegner der Frauenbeiwegung gewesen zu sein, sei aber Hat er eingesehen, daß die Frauenbewegung nicht etwas fünftlich Gemachtes und Erhab­enes sei. .. . So so! — also in Berlin, denn bei uns giebt es solche Rektoren nicht ! bere­ich mit großer Befriedigung konstatieren, muß aber dem wieder mit dem Einwande begegnen, daß die Rektoren und Direktoren bei und zu Lande viel­­leicht verschiedene Meinungen haben dürften, und daß sich vielleicht, doch mancher freut, schon beim Beginn der Frauenfrage, vor einem guten Viertel» Jahrhundert, derselben seine Aufmerksamkeit zugewendet zu haben und man, mit einer gemissen Genugthuung, si immer neu erfüllen sieht, ma8 er zur Fortentwickelung dieser Frage ersehnt und erhofft Hat. Aber zur Beruhigung aller Gegner der Frauenbewegung sei e3 gesagt: nicht hier in Hermannstadt ist diese Entwickklung bemerkbar, denn wir sind in dieser Frage trog manchen guten Anlages weit zurücgeblieben, und wenn hier der Hauch modernen Geisteslebend nicht lebendiger anzufachen ist, dann bleiben wir in der Frauen­­bildung au noch ein weiteres Vierteljahrhundert zurück Was?! — mir hier sollen das Universitätsstud­ium der Frauen be­sonders fördern und Helfen und die Lehrerinnenfrage von kurzer Hand zu höfen suchen? Höre ich zornige Rufe erschallen und gebe deshalb mit mög­­lichster Raschheit die vielleicht beruhigende Antwort: Nein, das können wir gewiß nicht im Handumdrehen vollbringen, aber vorbereiten müssen wir beides, sicher, mit warmer Hingebung vorbereiten, wenn nicht eine ungeheure Kluft zwischen unserem Denken und Fühlen und dem des großen deutschen Boltes Diese Vorbereitung liegt zunächst in einer Vertiefung und Erweiterung der Mappenbildung, damit die heranwachsenden Töchter zur rechten Selbst­­erkennuu­g kommen können, ob sie nach Absolvierung der niederen und höheren Rohschulen sich der alten wahren Bestimmung des Weibes widmen, oder vieleicht erst auf Ummegen, tüchtiger Bildung und Mitarbeit im Leben, im Hafen der Ehe, der ja gewiß auch seine lauschigen Bläschen Hat, landen, oder dann gar immer auf hoher See, in ernstem Lebensberufe, kreuzend, dem Bier alles Lebens zufahren wollen! Und damit komme ich endlich auf das Schmerzensfind unserer Richen­­gemeinde, die Mädchenschule, die zur Mädchenbildung in erster Reihe berufene A­nstalt, die zwar in et­wa drei Jahrzehnten gericiste Fortschritte gemacht, aber, dem Schwachen Bergsteiger an jäher Felsenwand gleich, die rechte Höhe und damit ihr Bier noch immer nicht erreicht hat und noch lange nicht erreichen wird, wenn wir eine Bemerkung bei Gymnasialdirektors Albrich in der rechten Gemeindevertretung richtig verstanden haben, daß zu der geplanten Neu- Organisation der Mädchen-Elementarschule bloß zwei neue Lehrerstellen zu systemisieren seien. Insoferne aber die ganze Sache dem Zernstehenden etwas dunkel er­­scheinen könnte, möchte die folgende kurze Darstellung die nötige Aufklärung bieten : € 3 hat gewiß selten eine Stadtschule gegeben, Die dürftiger und Leben trat als unsere Mädchenschule, als man sie zu diesem Leben vor bald 30 Jahren neu erstehen ließ und es giebt wohl im ganzen Gadsenlande seine Schule, die so „frühweise” entstanden ist, daß man sie wohl mit einem Bau­­wert vergleichen darf, dessen Grundbau ein armseliges Häuschen gewesen, und an bat man bald zu Zwecken der Wirtschaft, dann wieder eines bescheidenen Komfort immer neue Räume angefügt hat, so daß der Bau dem Bedürfnis der Bewohner im ganzen zu entsprechen scheint, dem Kenner aber eine Unzahl von Mängeln offenbart und als ein sonderbares Flidwerd erscheint. In acht Elementarklassen ehren nur vier Lehrer, natürlich in unzu­­reichender Stundenzahl für die einzelne Klaffe; zum Handarbeitsunterricht wandern die Kinder zumeist aus ihren Schulzimmern in andere Lokale, weil jene von einer andern Klaffe belegt werden; in der Unterstadt sind kleine Wohnzimmer mit Balkendeche — Schulräume geworden und ein stetes Sehnen nach der Oberstadtschule macht sh im Publikum bemerkbar, obgleich auch diese Oberstadtschule nur wenige wirklich gute Schulräume zur Verfügung hat. Die einzelnen Klassen beginnen nicht zu gleicher Zeit dem Unterricht des Taged — mur ein gar künftlich zusammengefügter Stundenplan ermöglicht die Unterbringung von 15 Straffien, 12 Y Handarbeiten­ und 9 Heichen- Abteilungen der Elementar- und Bürgerschule. In dieser legieren Lehren in 6 Abteilungen 4 Lehrer und müssen des­­halb viele Stunden suppletorisch versehen werden — eine einzige Erkrankung hier, sowie in der Elementarschule, und die Ordnung ganzer Klassen ist ge­­stört, die überbürdeten Lehrer können nicht weiter zur Aushilfe herangezogen werden — die Kinder werden still beschäftigt, aber wie diese „Stille“ auf­­zufassen ist, das m weiß der Kenner der Mädchennatur. Das ist das Aeußere der Hermannstädter evangelischen Mädchenschule; nur minder schwer sind die inneren Hemmnisse, die der Lösung ihrer Auf­­gabe entgegenstehen. dast seinem Gegenstande sind genug Stunden zugemiesen ; in jedem Lehrgegenstande muß der Lehrer fort jagen, will er das Ziel des Unterrichts äußerlich erreichen; darunter leidet die Korrektheit und die Tiefe; die Repetition, die bei dem flüchtigen Gedächtnis der meisten Mädchen so nötig wäre, muß vielfach eingeschränkt werden, für die so wichtig gewordene mechanische Fertigkeit im Schreiben bleibt fast seine Zeit, mit einem Wort: bei der vollsten Hingebung an die Sache ist die Oberflächlichkeit nicht zu ver­­meiden, eine rechte Vertiefung nicht zu erreichen. Da thut denn eine vollständige Reorganisation not; Lehrkräfte und Lokale, sowie die Stundenzahl der Klassen, sie müssen erweitert und vermehrt werden und es ist eine ganz natürliche Forderung, waß auch Hier jede Ele­­mentarklasse ihren eigenen Lehrer und ihr besonderes Schulzimmer befit, auf dieser sichern Grundlage der Elementarschule dann die Bürgerschule, mit der genügenden Anzahl von Lehrern versehen, dem viele wirklicher, allgemeiner Bildung zuzustreben hat und so dem Bedürfisse unserer besten Familien, die ihre Kinder bis zur Konfirmation der Schule und ihrer Arbeit anvertraut sehen wollen, Rechnung getragen wird. An diesen berechtigten Forderungen widerspricht aber der Inhalt der Bemerkung des Gymnasialdirektors C. Albrich, daß bei der Neuorganisation der Mädchenelementarschule nur zwei neue Lehrerstellen zu systemisieren seien, wenn wir auch hier darauf Verzicht leisten müssen, den­­ Weiterstehenden die großen Mängel, die im Gefolge einer solchen Neuorganisation sich zeigen würden, nachzumessen. Jedenfalls aber ist jedem Gemeindevertreter durch die Bemerkung des Herrn Gymnasialdirektors bekannt geworden, daß eine Neuorganisation der Mädchenschule im Zuge ist und gewiß giebt jeder Denkende zu, daß diese­r Organisation wirklich dringend geworden und daß sie, nachdem sie Jahre lang immer wieder hinausgeschoben worden, jeit gewiß nit mehr auf halbem Wege stehen bleiben darf, sondern unter kräftiger Führung endlich zum Ziele gelangen, also eine „vollständige Neuorganisation“ sein muß. Der Erreichung dieses Zieles aber stelt sich nicht eigentlich der Mangel zielbewußter Führung — leider aber ein großer , schmerzlicher Mangel an materieller Mithilfe entgegen und zu des­seterm siegreicher Ueberwindung bedarf es der freudigen Mitarbeit aller Einsichtigen unserer Kirchengemeinde, an die wir una deshalb hier Hilfe suchend wenden müssen. Selbst auf die Gefahr Hin, der bedenklichsten Gedankenplattheit geziehen zu werden, betritt der Verfasser dieser Zeilen zuerst freilich den ver­gewöhn­­lich gewordenen Weg der Hilfe durch die Löbl. Sparkasiagesellschaft, obgleich ihm die Empfindung dafür nie gefehlt hat, wie sonderbar es ist, alle Forte­schritte unseres sozialen Lebens mit den großen Mitteln der Sparkasjie anzu­­bahnen. Aber die Hundertmänner der Sparkassagesellschaft sind ja zugleich die angesehensten Bürger Dieser Gemeinde und ihre Bereinigung hat ja selbst für folge Schöpfungen Mittel bewilligt, die mehr als lururiöse, denn als not­­wendige bezeichnet werden dürfen. Neben dem Kurhaus auf Inftiger Höhe und dem Kiosk im Erlenpark, die mehr nur dem Bedürfnis und der Unterhaltung bevorzugter Stände dienen, darf ein Institut von allgemeinem Nuten in seiner Not gewiß noch reichlichere Unterfrügung, als ihm fon zu Teil wird, erbitten, und Die Spender überschreiten damit sicher nicht den Rahmen der Statuten ihres Vereines, der vor 30 Jahren sofort 10.000 fl. zur Neuein­­richtung der Mädchenschule bereit hatte. Ohne jene 10.000 Gulden wäre die Gründung der Mädcenschule unmöglich gewesen, ohne weitere Unterstü­ßung wird ihre Vollendung zum mindesten in weite Ferne gerückt. Und doch müßte ich wieder nicht alles, was die Mädchenschule zu ihrer Vollendung bedarf, von der Löblichen Sparkassa geseslhaft allein — ich darf sagen: geopfert sehen. Denn gewiß fühnten auch andere Institute, die mit ihren Reingewinnen öffentliche Bwede zu fördern pflegen, zur Deckung des Bedarfs für die Neuorganisation der Mädchenschule dautenswerte Beiträge leisten. Als im Jahre 1874 das ärmliche Budget der Mädchenschule mit einem Defizit von zirka 282 fl. d. W. absc­hloß, da war es der Hermannstädter Borschußverein, der dies Defizit großmütig deckte, bis dann der Frauenverein zur Unterfrügung der Mädchenschule entstand, der diese Sorge statutengemäß auf sich nahm und der Schule seitdem immer reichere Förderung zu Zeit werben ließ. Auch an die Hilfe der Bodenkreditanstalt darf hier gedacht werden. Denn wenn diese Anstalt ihren Reingewinn auch nicht nur zur Unterftügung Lokaler Institutionen verwenden darf, so liegt es doch nahe, daß sie die füh­­rende Sachsenstadt, in deren Mauern sie wirkt, bei ihren kulturellen Auf­­wendungen nicht übersehen wird, und wie sie in ihrer Sibung vom 4. April 1898 das Lehrlingsheim, das Seminar, die Dienstbotenschule in Hermannstadt, dann das Mägdeheim in Kronstadt, sowie die Vorstadtschule in Bistris unterfüßt hat, so dürfte sie auch der Hermannstädter Mädchenschule, deren obere Klassen jähriiche Mädchen aus allen Zeiten des Landes besuchen, ihre Hilfe mehr nu­ versagen, wenn sie um solche im rechten Wege angegangen wird, Benilletoen Wahre F Liebe. Roman von B. vd. d Lansen. (6. Fortlegung.) Die Ader auf seiner Stirn schmoll und sein zorniges Empfinden wich nicht, so oft sich auch zu ihrer Entschuldigung eine Stimme in seinem Sinnern regen wollte; mehr als er sich eingestand, hatte sie ihm meh gethan, e3 kam so vieles zusammen, was ihn gegen sie erregt hatte. — Schon vorher.­hr Benehmen dem jungen Eid gegenüber — warum verharrte sie darin, troß seiner unverhohlen gezeigten Mißbilligung? — Warum duldete e8 ihre Mutter? Sobst Becher achte kurz und Bitter auf. Ihre Mutter? — warum sie’s duldete? Nun, weil sie für da dasselbe Ziel im Auge hatte, wie einst für Franzissa, und weil Alfred von Erdl ein nicht weniger schädenswertes Eroberungsobjekt war als einst er selbst. Mochte nun Iola glücklich werden oder mochten zum zweiten Mal in ganz ähnlicher Weise zwei Menschen Seiff­­bruch leiden, was lag ihr daran? — Wenn nur die äußeren Verhältnisse reich und glänzend waren. Der Kommerzienrat war seit langer Zeit nicht derartig verstimmt im Kontor erschienen, wie an diesem Vormittag. Der Disponent sowie der alte Oberbuchhalter schüttelten verwundert die Köpfe; denn bei allem Ernst und aller Zurückhaltung, die Becher eigen, zeigte doch sein Wesen im allgemeinen eine Gleichgiftigkeit, die selten erschüttert wurde. Während des Mittagessens richtete der Kommerzienrat sein Wort an da, nicht einmal sein Auge traf sie, und als man sich „gesegnete Mahlzeit” unwünschte, wußte er es zu vermeiden, ihre die Hand zu weichen. Eine Blut­­welle stieg ihr in die Wangen und sie biß die Zähne fest in die Unterlippe, was sie immer that, wenn sie innerlich erregt war. Alfred v. Erd war der einzige Unbefangene. Er gab sich in seiner Netten, liebenswürdigen Manier und erreichte dadurch, daß die Stimmung bald eine allgemein bessere wurde, obgleich von Seiten des Kommerzienrats­­­­ nicht gang z­wanglog. Ida war stiller als sonft, sie fand nicht den Mut zu einer einzigen Teen Bemerkung, regte sich in eine der tiefen Fensternischen und hörte anscheinend den lebhaften Schilderungen Alfreds zu, der von seinem Aufenthalt in Paris erzählte Als der Kommerzienrat sie unter den halb­­gesenkten Wimpern hervor mit einem flüchtigen Blick streifte, bemerkte er, daß sie die Stirn in die Hand gestüßt hatte und, von dieser beschattet, ihre herrlichen dunkeln Augen traurig auf ihn gerichtet waren. Dieser Blic­ke« rührte ihn seltsam; — gleichviel, sie hatte eine Strafe verdient. Mit der Aufforderung, ihn auf einer kurzen Spazierfahrt zu begleiten, wandte er sich an den jungen Mann. Der Befehl zum Anspannen wurde gegeben und wenige Minuten später empfahlen fi die Herren. Fa stand Halle Hinter der Gardine verborgen und sah dem Hohen Selbstfahrer, mit den leichten eleganten Füchsen bespannt, nach, als er aus der Einfahrt des Hauses auf die Straße rollte. Der Kommerzienrat lenkte selbst die feurigen Tiere, — wie vornehm er aussah! — Alfred v. Erd streifte die Fenster mit den Augen und lüftete den Hut; er mußte Ida erspäht haben, — sie errötete unter feinen lachenden, leuchtenden Bliden, — der V­ormund neigte nur leicht die Peitsche, ohne aufzusehen. „Ein bildschöner Mann!” sagte die Stimme der Mutter neben ihr. „Wer ?" fragte Fda zerstreut: „Wer? — Sonderbare Frage! Alfred v. Erd! —* Der Wagen fuhr um eine Ehe, Ida neigte den Kopf unwillkürlich vor, — Afred sah zurück, er grüßte noch einmal — fort waren sie, da schlug es ihrer Mutter ab, sie auf einem Spaziergang zu bes­gleiten. Sie hatte zu nichts Luft, war traurig und verstimmt. Als Frau vo. Mölheim das Haus verlassen, eilte sie in Fräulein Wohlfahrts­zimmer, das, wie schon bemerkt, neben dem Lobbys lag und mit seinen einfachen, steifen altertümlichen Möbeln dem jungen Mädchen immer wie ein Stück Vergangenheit vorkam. Auf der Fensterkant standen Töpfe mit Ephen, dessen üppige Ranten das Fenster mie mit einem Kranz umschlangen, ein einer Nähtisch, ein Sorgenstuhl, altmordisch, aber sehr bequem, der Sig mit rotem, stark ver­­blichenem Plüshh bezogen, die Lehne besticht, einen Nittermann mit feinem Sohne darstellend. In diesem Lehnstuhl saß das alte Fräulein, wie immer, so auch heute Nachmittag, die Brille auf der Nase, mit Nähen beschäftigt, ver Heine Zobst spielte auf dem gleichfals im Kreuzstich gesu­chten Zeppich. Nach leisem Klopfen trat Iola ein. She Besuh war eine Seltenheit, und das alte Fräulein sah sie erstaunt über die Brillengläser hinweg an, besonders freundlich war dieser Blick juft nicht. „Berzeih, Tante Emerenz, ich störe wohl?" fragte Joa mit einer ihr sonst fremden Schüchternheit. Was manjhest du?" Die „Stören? nein “ stören eigentlich nicht. Worte fangen nicht sehr einladend. „Tante Emerenz“, fuhr das Mädchen, durch diesen Empfang nicht eben ermutigt, noch zaghafter fort. „Tante Emerenz, ich wollte di um Rat bitten.” „Du? — Mich? — Ei, wie kommt denn dad? Ich bin ja so eine alte, unmoderne Person, mit so alten, unmodernen Ansichten . . .* „Sputte nicht, Tante, — ich bin todesunglückiig — Hilf mir’, — und in Thränen ausbrechend umschlang Ida Fräulein Emerenziad Hals. Sehr war diese aber doch allen Exrnftes erschrochen, somhhl über die schwerwiegenden Worte als auch über die stürmische Umarmung. Das „Kind“ schien ja wirklich unglücklich, was mochte es nur gegeben haben ? „Zante Emerenz, du bist mir böse, der Vormund auch — ihr alle beide. — Ic bin ein naseweises, rücksichtsloses Geschöpf, sage mir, was ich thun sot um den Vormund wieder zu versühnen .“ „Ahh so, — da liegt der Hase im Pfeffer! — Na freilich war ed nase­­weis und rüdsichtslos, aber wenn du’s einsiehst, dann ist es immerhin etwas. Und was du thun sollti? — Sa, ed wird wohl nicht? anderes übrig bleiben, als von V­ormund um Verzeihung zu bitten. . ." „Bitten? Ich einen Mann um Verzeihung bitten? — Stein, Tante Emerenz, das kann ich nicht, das ihn ich nicht­ rief Jon, mit plöglich wieder erwachten Treu und Stolz, den Kopf von der Schulter des alten Fräuleins Hebend, „bitten Tonnte ich nie, — wenn’ s einen andern Weg giebt, dann . . ." „Bleibt es wie ed ist”, vollendete Emerenzia Wohlfahrt den Gab: „Meinetwegen, — du wolltest meinen Rat; wenn du ihn befolgst, ist es gut, läßt du eh, mir schadet e8 nichts.” (Fortlegung folgt.)

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