Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1926. November (Jahrgang 53, nr. 16004-16028)
1926-11-02 / nr. 16004
Greiftleitung: Bermannstadt, Königin Marieste. Ar. 23, Verwaltung: Nr. 25 — Lernsprecher: Scheiftleitung Nr. 11; Verwaltung Nr. 481 — Zweigstelle Safarest, Ste. Salindar 6, fernsprecher 13728 Bezugspreis für einen Monat: Bermannstadt: ohne, önstellung Lei 90'—; mit Suftellung L 100 °—; mit Postversendung: Inland: L 100 °; Bukarest: L 105 °— ; Ausland: L 135: — bin BRN Nr. 16004 Hermannstadt, Dienstag den 2. November 1926 53. Saheganı EEE RER, u x W der Moskauer Parteitag. Siasko der bolschewistischen Propaganda. — Verurteilung der Opposition, Die Industrialisierung Rußlands, kürzlich gefaßten Reichstüsse der BVolleisung des Zentral- London, 1. November. Nach den festen Meldungen aus Moskau waren die Debatten des dortigen kommunistischen Kongresses diesmal um besonderem Interesse und jiar aus dem Grunde, weil sich zwei Strömungen gegenüber standen. Cine, vertreten duch Stalin, steht auf Dem Standpunkte, daß die Bisherige kommunistische Propaganda im ‚Ausland nicht Die wünschenswerten Stfolge gezeitigt habe. Man müsse daher die finanzielle Unterfrügung an die kommunistischen Organisationen entweder ganz einstellen oderenigstens beschränken und sich vorläufig in erster Linie auf eine moralische Unterfrügung beschränken. "Die zweite Richtung, verivetn duch Buchharin, sieht die Weltlage von dem kommunistischen Standpunkt aus bedeutend optimistischer an. Sie führt aus, daß gegenwärtig zvei schwere Wunden auf dem kapitalistischen Körper brennen und zwar die Bergarbeiterfrise in England und der Bürgerkrieg in China. Diese beiden Greifnisse bedeuten die Hoffnung des Kommunismus und könnten eventuell den Ausgangspunkt für Die SEINEN Weltrevolution bilden. Der Kommunistische Parteitag. Billigte nach einer Aussprache über das Referat Bucharins über die internationale Lage und die Tätigkeit der Kommunistischen Partei der Sowjetunion innerhalb der "nmunistischen Internationale, an der sein einziger Vertreter der Opposition teilnahm, in einer einstimmig angenommenen Entschließung die Tätigkeit der Vertreter der Partei, verurteilte auf das entschiedenste die fraktionelle Arbeit der russischen Opposition gegen die kommunistische Internationale und bilfigte weiter Beschlüsse einer Reihe von Sektionen der Kommunistischen Internationale sowie Die Komitees und der Zentralkontrollkommission über die Entschindung Sinowjews von der Arbeit an Dgg. fommunistischen Internationale. London, 1. November. Laut einer Meldung aus Moskau soll gestern gegen den Vizepräsidenten der Ruheimpolizei Rudiva ein Bombenatze worde sein. Die Bombe wurde in dem Augenblice gemobil geschleudert, als Racova ausstieg. Gr Feröft blieb underlegt, sein Chauffeur wurde getötet. Trophy — Bolichalter in Paris. Barfbau, +1. November. Nach Meldungen aus Moseau wird Trogki zum Pariser Gesandten Auslands ernannt. Rykow hielt ein Refemt über die Wirtschaftslage der Sowjetunion im Laufe des Jahns werden neue Krawmerke in Betrieb genommen werden,die weiter je 150.000 Kikowatt erzeugen sollen.ImDsowetzbeckerch hat in der letztenweisahrendiiewohlenförderung um 12.000 DIn« wen zugenommen.Der Industrieplan sieht eineÆ sdeththxgs« der Industrie im laufenden sabreumlstozsents undnnf mchsswnsabreumlszthwrsm verflossenen Wirtschaftsmhr hat die Indusme einen thragvion soo Millionen Rubel ergeben, wobei der Amortisierungsfonds nicht eingerechnet ist. Im Laufe des Jahres wird in der Industrie eine Milliarde Rubel für MIRENDIEER Erweiterungen investiert werden. Aftenrat gegen einen hohen Beamten ,der Moskauer Zicheke, BAUER-K Poincares bisherige Erfolge. Schweizer Brief, Genf, 24. Oktober. (.. ©) Die Entwicklung der Lage in Frankreich zu betrachten, ist für jeden politisch eingestellten Menschen interessant; für den Deutschen it sie zugleich sehr reich; er könnte viel für si aus ihr folgern. Sslt Poincare unzweifelhaft gelungen, den Zusammenbruch der französischen Währung wenigstens bar Körfig aufzuhalten. Als er die üger der Regierung vor ganz wenig Monaten übernahm, stand das englische Pfund auf 240 französische Franken und man gilt es schon einige Zeit 160 oder etwas Darüber. In der Schweiz ist der französische Sranien von zehneinhalb Gentimes auf fünfzehneinhalb gestiegen und ist der tsbechischen Krone gleichwertig geworden. Das ist nun einmal ein Erfolg, wenn man auch nicht weiß, um welchen Preis er herbeigeführt wurde und wie lange er sich halten mag. Der Ankauf eigener Bordfranten in Rapierfranten zum Börsenturs it ein gewagtes Mittel; die französischen Steuerträger müssen im nächsten Finanzjahre statt 34 Milliarden 47 aufbringen und man weiß nicht, ob selbst dann das Defizit vermieden werden kann. Man weiß zur Stunde nicht, welche Wirkungen für den französischen Geschäftsmann die stairen Kursschwanfungen haben müssen und die Teuerung, Die noch, rehhr weit von den Weltpreisen entfernt ist, nimmt ohne Rücksicht auf den schwanfenden Geldkurs ständig zu. ‚In der Frage, der ausländischen Schulden ir nichts geschehen; noch meiß niemand, ob der jebige Herr. Hans Stanfrelc. Die Konvention mit England und WAmerifa von seinem Parlamente ratifizieren lassen will und man weiß ebensowenig, ob er hiefür eine Mehrheit erzielen würde, auch wenn er dieertrauensfrage stellt. Aber der sich rasend schnell entwidemmde Transensturz it tatsächlich gebremst und einiges von dem alten französischen Selbstvertrauen ist sogar zurücgekührt. Ebenso groß ist die Unklarheit auf außenpolitischen Gebiete. Hier hält sich PBoincare jedoch demonstrativ abseinem Außenminister Briand anscheinend völlig freie Hand. So ist Deutschland in den Berferbund eingetreten und in Shoiry hat Driand mit Stresemann etwas gesprochen. Die Mehrheit der Deutschen jammert fo gern an Illusionen und nun hoffen viele Deutsche, Briand wolle wirklich frieden und Steundschaft. Boincare, der seinen Briand seit Jahrzehnten fennt, läßt ihn begreiflicherweise gewähren; weiß er doch, wie sehr Briand vor dem Weltkriege an der Verlängerung der zweijährigen Militärdienstpflicht in Frankreich auf die dreijährige beteiligt war, weiß er Doch besser als jeder andere, warum DBriand während des Krieges so habsburgfreundlich rehilterte. Derselbe DBriand. Der den Ruhreinbruch begann, der die Altersklasse 1919 gegen Deutschland inmobilisierte und ‚der in der Kammer versprach, er wolle „Deutschland beim Kragen nehmen!“ Poincare weiß also fest wohl an, Wie ernst es Briand mit der „Gesamtlösung von Thoirh“, mit der vorzeitigen Befreiung der Rheinlande und des Saargebietes ist. Die „Rückwir‚Iungen von Locaris“, deren Bater der gleiche Briand ist, müßten Herrn Poincare beruhigen, wäre er seines „Aristides, Monstrum der Anpassung“ nicht ohnehin sicher und vermöchte er als Regierungschef es nicht, Denselben Briand sofort unschädlich zu machen, falls es der poincaristische Staatszweck erforderte. Trogden Deutschland » DBölfer- Bundmitglied ist, stehen die „alliierten“ Suppen auf deutschem Boden, regieren „alliierte“ Beamte deutsches Land, spigelt Die „alliierte“ Militärkommission in Berlin und sendet die „alliierte“ Botschafterkonferenz dem Völkerbundsgenosser ihre Noten. Gibt es no „Alliierte*? Der Kommandant Der „alliierten“ Rheinlandstruppen ist Der Kantine General Guillaumat; der Borjigende der „alliierten“ Militärkonmiliion in Berlin ist der französische General Walsch; der „alliierten“ Botschafterkonferenz präsidiert in Vertretung des französischen Ministerpräsidenten der französische D Botschafter Sambon und an der Spitze des „alliierten“ Militärkomitees steht der fransösische Marshall Fo. Die „alliierte“ N Rheinlandbefeßung leitet der französische Staatskommissär Tirard. Gnakische, belgische, italienische, japanische Perönlichkeiten und selbst Truppen unter französisfcher Leitung arbeiten weiter, als ob es nie Locarno, Genf und Thoirh getrnt hätte. Gerade in Genf sieht man es am beufücten, in der militärischen Untekkommission der vorbereitenden Abrüstungskommission fest unter Führung des französishhen Delegierten Paul-Boncour der französische Militärbund seine alten Ziele fort, Frankreich und seine „regionalen“ Bundesgenossen möglichst angriffsfähig und Deutschland möglichst entwaffnet und wehrlos zu halten. Sich wenn die Franzosen der Abrüstungskommission und der Berliner Militärkommission einig sein werden, wird der Belferbund die Militärkontrome in Deutschland übernehmen; der französische General Deithler wird seinen Kameraden Walsch ablösen und wenn diese neue Kontroffe auch nicht in Deutschland fißen wird, bleibt die Tatsache bestehen, daß Deutschland (mit Oesterreich, Ungarn und Bulgarien) unter Kontrolle bleibt, wobei die wichtigsten Sragen (ob die Berferbundskontrolle auf Grund eines Mehrheitsbeschlusses im Nat fungieren darf oder ob Einstimmigkeit nötig ist, dann ob zu dieser Einstimmigkeit die Deutsche Stimme als beteiligt mitgezählt wird oder nicht ungelöst sind. Angesichts Dieser Lage künnte es scheinen, daß Die Dinge, die so lange für Deutschland günstig, für Staatreich ungünstig gelassen sind — Diese beiden Kennzeichen der Situation hängen innigst zusammen —, eine Entwicklung nach rückwärts genommen hätten. Die Lage hat sich insoferne geändert, als im französischen Parlament eine Verschiebung eingetreten ist. Das Linkskartell hat offen verjagt; die Radikalsozialisten — Die Stärfste Partei in Stanfuel, bestehend aus dem streng republikanischen, kirchenfeindlichen, ehr patriotischen Heinen Bürgertum — fokettierten mit rechts und bösen wenigstens, vorübergehend den engen Zusammenhang mit den echten Sosialisten, die wie überall auch in Frankreich staatsvernichtend sind. Dieselben Radikalsozialisten waren im Kriege und bis zu den Neuwahlen 1924 Äußerst Friegerisch und imperialistisch; sie zählten as Bäfte zum Nationalen Blod. Solange es sich um imperialistische oder militärische Fragen handelt, gehören sie Provicare wie irgendeine Rechtspartei, selbst einschließlich die Monarchisten Daudeis. Sie fallen erst ab, wenn es sich um Die Kirche oder Die religiöse Erziehung handelt und sie werden feindlich, wenn Steuern bezahlt werden sollen. Aber es um Zahlungen handelt es sich! Die Erziehungsfrage und das Verhältnis zum Batifan Tiepen' ji Teicht zurückterren. Die Stage der Auslandsschulden werde unter viel größeren Schmierigkeiten gleichfalls zurückgeschoben. Washington und London waren auf die Ratifikation derBerträge Mellon-Berenger und Shurdill-Gaillaut. Sie haben den früheren Verbündeten zwar einen Großteil der Schulden geschenkt, aber sie haben noch immer so viel gefordert, daß Frankreich auf jeden Imperialismus und Militarismus verzichten und durch 62 Jahre arbeiten müßte, wie Deutschland arbeitet. Am Staafreih von Ueberfällen auf Peutschland abzuhalten, haben sie ihm weder die Verknüpfung seiner Zahlungen mit den deutschen Daweszahlungen noch den Schuß des Stanfen bewilligt. Stanfreih soll sahlen und arbeiten. Die französischen Parteien sind in größter Überlegenhheit. Poincave, der sein Finanzfachmann ist, weiß selbst nicht, ob ohne die Konventionen Frankreich seine Finanzen in Ordnung gegen fan; ohne Konventionen bekommt es. Fein frühes angefährliches Geld und ohne angelsährliche Zustimmung sind auch die deutschen Eisenbahnobligationen nicht bezenibar. Die Auslieferung an die angeljährliche Schuldfrecitschaft widerstrebt Boincare; den finanzierten Zusammenbruch will er natürlich gleichfalls bermeiden. Eigenes Urteil hat er nicht. Briand hat die Idee der deutschen Eisenbahnobligationen in dieWS gesett. Abhängen von deutscher Hilfe will Poincaré auch nicht, auch wenn sie nicht an die amerikanische Zustimmung gebunden wäre. Daher neigt er eher zur Ratifisation. Wenn er der Mehrheit sicher wäre, würde in die Ratifikation höchstwahrscheinlich Sofort Dortschlagen. Sozialisten, Kommunisten, Linfsvadilate sind gegen Die Ratifikation und wollen das französische, Kapital allein . De Monarchisten sind aus Brestigernd Auf sie alle fann Bor zahlen Iafien. fichten gegen die Ratifilation, incare nicht rechnen. Beeinflußen Tassen sich von ihm die Masse der Radikalen, die Freinen Mittelparteien und die katholischen Republikaner, denn sie bilden das „nationale“ Ministerum. Unklar sind die nichtkatholischen nationalistischen N Republikaner, Da ihr Führer Millerand von der Regierung ausgeschloffen ist, in Stanfreich schiecht, wer ingendivo seinen Vorteil wittert, desertiert. Ohne die Mitgerandisten ist die Mehrheit für die Ratifikation sicher nicht zu haben, von dem Katholiten und Radifaten fünfen stets eine Anzahl nach ints oder reis ausspringen. Freilich SDRNER auch A. Bitten zu Poincaré desertieren. So ist die ‚Krisenlage im Auge nötie Bethoffen. jeits und überläßt Die Parteidisziplin it » erhalt I «