Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1929. Juni (Jahrgang 56, nr. 16771-16795)
1929-06-01 / nr. 16771
Taxele plätite in numärar ord. Dir. Gen. P. T.T. 223720/926 Allgemeine Volkszeitung Nr. 16771 für das Deutschtum in Rumänien Schriftleitung: Hermannstadt, Honterusgafe Nr.11, Verwaltung: Königin Mariastr. Nr. 25. — Ternsprecher: Schriftleitung Nr. 11, Verwaltung Nr. 431. Bezugspreis für einen Monat: Hermannstadt: ohne Bustellung L 90—; mit Eins DE 100 °—; mit Bostversendung: Inland: Lei 100 °—; Ausland: L 135 ° — ; Einzelnummer L &—; Sonntagsnummer L 6— Hermannstadt; Sonnabend den 1. Juni 1929 56. Jahrgang Rede des Abg. Dr. Hans Otto Koch zum Bakkalaureats geseh. (Schuß.) Meine Herren Abgeordneten! Die Einführung des Baffalaureates stellt den größten formalen Konflikt dar, der durch Die Schulgeseßgebung der letzer Jahre zwischen der Unterriätsverwaltung und den Minderheiten entstanden ist. Herr Abgeordneter Andrei hat heute über die Bedeutung der Minderheitsflausel des Friedensvertrages gesprochen und aus diesen internationalen Verträgen gewisse Schlaffolgerungen gezogen, zu denen es meine Pflicht ist, hier ebenfalls kurz Stellung zu nehmen. Der Artikel elf des Vertrages vom 9. Dezember 1919 hat die Autonomie der Sachsen und Stefler bekamntlich unter den besonderen Schuß des Völkerbundes gestellt. Diese Rechte der GSelbstbestimmung sind loglscherweise auch auf die übrigen Teile der Minderheiten auszudehnen. Das GSelbstbestimmungsrecht unserer Kirche in Schulfragen it in seiner geschichtlich übernommenen Form, die es zur Zeit des Abschlusses des Friedensvertrages hatte, unabänderlich und duch das Instrument eines internationalen Vertrages geschürt. Das Recht auf Abhaltung der Reifeprüfungen dur ‚Professoren der eigenen Anstalten haben mir im Jahre 1919, also im Zeitpunkt der Unterzeichnung im Friedensvertrages no) in vollem Maße bereifen und bis zum Frühjahr 1925 auch weiter unverändert aufrechterhalten. Daher fällt gerade dieses Not der Selbstverwaltung unter allen Umständen unter den Schub des Vertrages vom 9. Dezember 1919. Der Engländer Templery fobt in seinem großen Werke „History of the Peace-Conference” ausdrücklich von der „Comunitas Saronıum“, die als öffentlic-rechtliche Korporation in Gestalt der sächsischen Kirche die Nechtzträgerin für die im Friedensvertrag verbürgte Schulsautonomie darstellt. Der Begriff der Autonomie, im Friedensvertrag englischen Nechtsvorstellungen entnommen, schließt eine unmittelbare Verwaltungstätigkeit in Angelegenheit der Schule und Kirche völlig aus. Dem Staat ist nach dem Begriff der Autonomie und auch nac dem Wortlaut des Artikel 11 des Friedensvertrages nur das Recht der Kontrolle vorbehalten. Die Einführung des Bakkalaureates stellt aber in Wirklichkeit nicht die Ausübung eines Kontrollrechtes, sondern die Inanspruchnahme entscheidender Verwaltungsrechte dar. Es ist a priori klar, daß es für die Kontrollbefugnis des Staates bestimmte Grenzen geben muß. Bern Die Bestimmung des Artikels 11 des Friedensvertrages nur die Bedeutung hätte, daß N Rumänien der Gemeinschaft der Sachsen und Szefler jemweit Autonomie zugestehen kann, als unser Staat diese Autonomie selbst für zweckmäßig hält, so wäre der Artikel 11 völlig sinnlos. Wir finden im zweiten Abjah des Artikels 2 der Minderheitsflaufel einen genauen Anhalt für die Grenzbestimmung der Autonomie E3 ist dort ausgesprochen, daß die freie und zwar ebenso die öffentliche wie Die private Ausübung der Religion nicht unvereinbar sein darf mit der Öffentlichen Oröhnung und den guten Sitten. Dasselbe muß nach der Tertierung des Artikels 11 konsequenterweise auch für Die Kirchenschulen gelten. Die Betätigung der autonomen Körperschaften darf also, wie die französische Ausdruchsweise lautet, nicht im Widerspruch stehen zur Corde public, jalubrite et transquillite. Nur, wenn die Sicherheit des Staates nachweislich gefährdet erscheint, hat der Staat das Net, in die Befugnis der autonomen Körperschaften einzugreifen. Nie aber darf Der Staat unmittelbare Verwaltungstätigkeit ausüben oder al nur für sich in Anspruch nehmen. Darum sahen wir das uns im Frrebensvertrag zugesicherte N Recht der Autonomie von Schule und Kirche auch als verliebt an und erhoben gegen den Bakkalaureatsentwurf im Jahre 1925 auf dieser Rechtsgrundlage entschteene Einsprache. Wir bedauern es aufs Tiefste, aß der vorliegende Gelegentwurf den schon on Angelescen unternommenen Einbruch in Dieutonomie unserer Schule in seiner Weise wieder gutmacht und so der fikivere formale Konflikt zwischen Unterrichtsverwaltung und Minderheit auch weiterhin offen bleibt. Die Einigung in Paris, Das Rheinland bis 1. September 1929 geräumt? Paris, 31. Mai. Im Zusammenhang mit der am Mittwoch erzielten Einigung der Sacherständigen über die Ziffernfrage wirft die in Paris erscheinende amerikanische Bresse die Frage der Rheinlandräumung auf. „New Herald“ schreibt, der Satsache werde großer Bedeutung beigemessen, daß in dem Abkommen vom Muttod seine Belagungszahlungen nach dem 1. Januar 1930 mehr vorgesehen seien. Das bedeute die völlige Räumung des Rheinlandgebietes bis zu diesem Termin. Die Klausel für die Ausgaben der Rheinlandberatung teilt fest, diesen Posten am 1. September 1929 aufhören sollen, daß aber wie bisher die Posten für alle jene Truppen bis 1. Januar 1930 zu Teisten sind, die bis zu diesem Tag noch nicht aus dem Rheinland abtransportiert werden konnten. Es sei, wie das Blatt erklärt, ein stillschweigendes Lebereinkommen erzielt worden, dod, wenn die Sachverständigen zur endgültigen Lösung gelangen und diese in Kraft gelöst wird, die alliierten Schritte unternehmen müßten, um ihre Sruppen aus dem belegten Gebiet zurückzuziehen. Das Rheinland würde also 5 Jahre vor dem im Persailler DVBertrag vorgesehenen Datum vollständig geräumt sein. Die „Chicago Tribune“ meint, daßs die deutschen Sachverständigen auf Grund der nunmehr erzielten Einigung große Hoffnung hegen, daß die Räumung des Rheinlandes bis 1. September 1929 durchgeführt werde. Mittdad Die Hauptzahlungen für, noch abend sei berichtet worden, eine der alliierten Hauptmächte hätte sie ebenfalls für die N Rheinlandräumung bis zu diesem Datum eingeseßt. London, 31. Mai. Nach einem Bericht der „Times“ aus Paris beruht die gegenwärtige Einigung der Sache verständigen auf der Vorauslegung, dass das Rheinland bis 1. September d. J. geräumt wird, und seine weiteren Vorfehrungen für die Bejabungskosten nach diesem Zeitpunkt notwendig seien. Die englische Regierung habe die französische von ihrer Absicht in Kenntnis gerecht, die englischen Suppen auf jeden Fall zu einem früheren eitpunkt als dem 1. September 1929 zurückzuziehen. Das Uebereinkommen zwischen den Aliierten-Sachverständigen hänge daher nicht zulegt von der Räumung des Rheinlandes bis 1. September 1929 und der besonderen Regelung der belgischen Markforderung ab. Es sei wenig wahrseeinlic, daß irgendeine der alliierten Regierungen noch weiter eine Weigerung Belgiens unterfragen würde, sich zu gesonderten Verhandlungen mit Deutschland zu verstehen. Die Räumung des Rheinlandes müsse natürlich von den Regierungen beschlossen werden; im ganzen könnte jedoch die Aussicht auf eine Einigung in Paris nach dieser Wendung sehr günstig bezeichnet werden. Auch einer der Führer der alliierten Sachverständigengruppen habe dieser Ansicht bereits öffentlich. Deutlich Ausdruck verliehen. Kkritik der Einzelbestimmungen. Meine Herren Abgeordneten! Aus meinen bisherigen Ausführungen geht ungweideutig hervor, Daß die Deutsche Partei die Wiederherstellung der alten Art der Reifeprüfung und damit die völlige Abschaffung des Ballalaureates verlangt. Aber selbst wenn wir von Dieser unverrüdbaren, grundtäglichen , Einstellung für einen Augenblick absehen und in die Einzelerörterung des vorliegenden Entwurfes eintreten, kommen wir zu einem vollkommen ablehnenden Standpunkt. Es sind vor allen Dingen drei Fragen, die unsere Kritik herausfordern. Die wesentlichste Menderung des Entwurfes besteht wohl darin, daß in die Prüfungskommission für das Bakfalaureat in Zukunft auch PVprofessoren derjenigen Anstalten aufgenommen werden, an denen die Kant- Didaten erzogen worden sind. Der Herr Minister begründete Diese Neuerung im Unterrichtsausschuß Damit, daß es psychologisch und pädagogisch und haltbar sei, in der Bakffalaureatstommission sein einziges Mitglied zu haben, das die Kandidaten aus eigener Erfahrung als Lehrer schon von früher her fenne. So richtig und überzeugend diese Erwägung ist, so muß es die Minderheiten Doch aufs Höchste in Erstaunen verlegen, aß der Herr Unterrichtsminister mit der Nusanwendung dieser pädagogischen Erkenntnis, die wir selbst immer wieder in den Vordergrund gestellt haben, ausgerechnet vor den konfessionellen Schulen der Minderheiten Halt macht. i Unsere Mittelschulen genießen Doc, auf Grund des ihnen auch neuerdings Iinnieder zuerkannten Deffentlichkeitsreätes in jeder Beziehung volle Gleichberechtigung mit den staatlichen Lehranstalten. So möchte betonen, daß Die Aufnahme eines einzelnen Vertreters der konfessionellen Minderheitsschulen in Die Baklalaurestskommission unsere grundjägliche Stellungnahme zum vorliegenden Gejegentwurf in seiner Weise ändern würde. Aber ich muß andererseits dem Standpunkt "der geieglich und verfassungsmäßig verbürgten Gleichberechtigung gegen diese offensichtliche Degradierung und Herablegung unserer konfessionellen Lehrenstalten da in entschiedenster Weise Einspruch erheben. (Lebhafter Beifall bei den Parteien der Minderheiten.) In Dieser grundlegenden Frage stellt der vorliegende Entwurf gegenüber dem bisher in Geltung befindlichen Gefes juristisch und politisch eine Berihiehterung dar, die für uns außerordentlich schmerzhaft. Leider bringt der Entwurf den Minderheiten ich in der Frage der Prüfungssprache seine Erleichterung. Erst immer noch der Initiative der Kandidaten überlassen, in Den Realjächern die Abhaltung der Prüfung in der Unterrichtssprache Der eigenen Anstalt zu verlangen. Ich sehe eine große Ungezeugteit darin, hat das Net auf den Gebrauch der Muttersprache bei den Antiworten aus den Realjächern im Geses nit imperativ festgelegt wird. Der Gesehgeber darf doch eine so heiffe Entscheidung nicht dem Kandidaten überlassen, dessen Gemütszustand in der Prüfung sowieso in hohem Maße überreizt ist. Weiterhin muß ich mit Bedauern feststellen, daß ji das Recht auf den Gebrauch der Muttersprache nur auf die Realfächer und nut au auf Französise und Latein erstrebt. So müssen die Minderheitskandidaten die Niederregungen in Latein und Französisch aus rumänischer Sprache, beziehungsweise im umgekehrten Falle ins Rumänische vornehmen. Darin liegt eine ganz unerhörte Erschwerung des Bakfalaureates und eine evidente Benachteiligung der Minderheitskandidaten gegenüber ihren rumänischen Kollegen. Uebrigens trift das Recht auf den Gebrauch der Muttersprache für diejenigen Minderheitskandidaten, die sich für Latein an Wahlgegenstand entscheiden, infolge dieser Bestimmungen auf einen einzigen Gegenstand herunter. Sehr bedauerlich ist es weiterhin, daß auch der vorliegende Entwurf die Prüfung der Bürgerfunde in rumänischer Sprache vorschreibt. Schon die Prüfung von heimischer Geschichte und Geographie in rumänischer Sprache ist eine Beeinträchtigung unserer Sprachenfreiheit, Deren Wiederherstellung wir eigentlich vom gegenwärtigen Ne=grime erwartet haben. Trotzdem das Privatschulgeseh ausdrücklich vorsieht, dag die Bürgerfunde an den Mittelschulen in der Unterrichtssprache der Anstalt zu unterrichten ist, verlangt auch der vorliegende Entwurf beim Baffalaureat die Ablegung der Prüfung in rumänischer Sprache. Aber das neue Gefäß geht auch darüber Hinaus und schreibt die Ablegung der neueingeführten Prüfung aus Der Geographie der Rumänien benachbarten Länder ebenfalls in rumänischer Sprache bor. Das bedeutet wieder ein unwesentliches Fortschreiten der Romanisierung des Baklalaureates, gegen das wir und entschieden zur Wehr regen müssen. 8. Bopescu: Wie nennen Sie im Geographieunterricht ihre sächsische Metropole: „Hermannstadt“ oder „Sibiu?" Sm Bonnert: Wenn wir Deutsch sprechen immer nur „Hermannstadt“, Wenn wir rumänisch sprechen „Sibin“. Dr. Hans Otto Roth: Die rechte Frage, die ich in diesem Zusammenhang behandeln möchte, ist die weitere Aufrechterhaltung des Französischen als werhflich- ” 2 }, ; ” 4 sulastern {4 IR ö art