Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1929. November (Jahrgang 56, nr. 16901-16926)
1929-11-26 / nr. 16922
tur. acKulkan Pflicht, Stadtpark----- - —-— | —— un usum Allgemeine Volkszeitung für das Deutschtum in Rumänien Schriftleitung: Hermannstadt, Gonteruegafie Nr.11, Verwaltung: Königin Mariastr. Nr. 25. — Fernsprecher: Schriftleitung Nr. 11 und Nr. 130, Bezugskreis für einen Monat: Hermannstadt: ohne Zustellung L 90’—; mit ee L 100 ° —; mit Bestverwendung: Inland: Lei 100’; Ausland: L 135’—; Einzelnummern 5—; Sonntagsnummer L 6 Nr. ma sjbmssicsmannJ tadt _ Hermannftadt, Dienstag 1 ben 26. November 1929 56. ISahrgang Kriegsnadhwehen Desterreichische Vermögen in Rumänien werden liquidiert Bukarest, 24. November. Auf Grund der Friedensverträge und des Gesethes vom 13. Juni 1923, durch die dem Staat das Recht zuerkannt wird, die Vermögen ehemals feindlicher Untertanen zu liquidieren, hat Finanzminister Mapdgearu beschlafen, da k jänte sie Nechsansprüche, Vermögen und Interessen österreicischer Untertanen ununverzüglich liquidiert werden sollen. Bukarest, 4. November. Die Entscheidung des Finanzministeriums, das die Liquidierung des Vermögens ehemals feindlicher Österreichischer Untertanen verfügt, it gestern im Amtsblatt veröffentlicht worden. Bezüglich der Liquidierung der ungarischen Vermögen verbreitet die halbamtliche Telegraphenagentur Rador folgende Dfenperter Meldung: Die ungarische Telegraphenagentur berichte, daß Die von deutschen Blättern veröffentlichte Meldung, wonach Rumänien die Liquidierung der auf seinem Boden befindlichen Vermögen ungarischer Staatsangehöriger beabsichtige, in der ungarischen Breite eine ungewöhnlich heftige gegen Rumänien gerichtete Polemik entfesselt habe. Die Blätter heben hervor, daß eine derartige Maßnahme im Widerspruch zum internationalen Recht und zum Artikel 250 des Friedensvertrages zu Trianon stünde, der die Liquidierung ungarischer Vermögen in den Nachbarstaaten ansschließt. — Und die ungarischen?. Der Lastepillsient (8. ©) Republisaner von heute sind merkürdig mißtrauisch. Man kann patentrepublitanisches Misetrauen den Anhängern einer gestürzten legitimen Mo-nardjie gegenüber verstehen, da doch wenigstens ein Teil der heutigen N Republikaner den verfassungswidrigen Sturz der Monarchie (neben den eigenen Fehlern dieser egieren!) herbeigeführt hat, obzwar es auch Republikaner gibt, die heute byzantinis Dem neuen "System ebenso schmeicheln, als sie früher byzantinische Lobrenner ‚nicht bloß der Monarcie, sondern auch der Berson des Monarchen waren. In Berlin z. B.amten heute mindestens zwei Minister dieser Art. Weniger verständlic bleibt, wenn die Aussnießer einer illegal herbeigeführten Republik an die Legalität der übrig gebliebenen Monarchisten gegenüber dem neuen System appellieren! Ganz sonderbar ist aber das Mißtrauen der Republikaner gegenüber dem Bolf: An die Stelle des Monarchen muß irgend etwas treten. Parlamente hatten die konstitutionellen Monarchen auch und ebenso hatten sie parlamentarische Regierungen. Den Herrscher erregt jeit überall ein Präsident der Republik, der dazu auf kürzere oder längere Zeit gewählt wird. Diese Wahl kann durch das Parlament oder durch das Volk direkt erfolgen; mersmorbilerweise ziehen die Republiskaner, die hinsichtlich der Abgeordnetenmandate überall direkte Wahlen fordern, für die Staatspräsidenten ausfeje die indirekte Wahl durch das Parlament der direkten Volkswahl vor. Die Amtsdauer des Staatspräsidenten wollen die berufsmäßigen Republikaner möglicht kurz bemessen und dann wollen sie dem Oberhaupt der Republik möglichst wenig oder lieber gar seine Befugnisse einräumen, so daß dem höchsten Vertreter des Boltes eigentlich nur die Leistung von formellen Unterschriften unter von anderen verfaßte Altenftüde fachlich übrig bleiben soll. Dazu vielleicht einige Neden bei Ausstellungen, Empfängen, Bantetten, wobei aber beileibe nur nichts politisches oder auch nur sachliches unterlaufen darf. Einenge wachen die verschiedenen Hohepriester der Republik darüber, daß ihr Präsident ja nur seine Meinung äußere; am liebsten wäre es solchen Bonzen, wenn der Präsident auch seine Meinung hätte. So haber die offenen „Demokraten“ es in den letten Heiten der Erbmonarchie bereit gehalten; so Halten sie es als N Republikaner auch gegenüber dem Nachfolger des Erbmonarchen, obzwar sich doch Bolt oder Volfsvertreter ihr Oberhaupt fest nach freiem Ermessen und freier Würdigung seiner Eigenschaften wählen künnen! Das Mißtrauen der Republikaner gegenüber ihrem selbstgewählten Staatsoberhaupt ist allen modernen Respubliten gemeinsam. Von den beiden legitimen Republiten der Gegenwart ist selbst die Eichweiz wo zu Feiner Frauen Auffassung Dieser Frage gekommen und nur die amerikanische Union wählt ji einen starren Präsidenten. Die sonft echte Demokratie der Schweiz hat ich ein System geschaffen, das eines Oberhauptes einigermaßen entraten kan. In der Schweiz regiert das Parlament und das Ministerium (Bundesrat) ist bloß ein Erxefutivorgan des Parlamentes; alle wichtigeren Angelegenheiten können aber an das Gesamtvolk gebracht werden und Hinsichtlich der unllers wichtigsten Fragen ist Dies jährlich öfter auch tatsächlich der Fall. Die sieben vom Parlament gewählten Minister (Bundesräte) regieren stets kolleftiv und entscheiden sogar die einzelnen Ressortangelegenheiten gemeins Haftlich. Da bleibt dem jährlich der Reihe nach wechselnden Bundespräsidenten nur eine Art höheren Kanzleidirektoramtes und etwas weniges an Repräsentation. Allerdings behält der Schweizer Bundespräsident auch während seines Präsidentenjahres sein Ministerium mit Sig und Stimme im Kollegium bei. Trogdem regt fi auch in der Echtheiz Unzufriedenheit mit dem dort noch seineswegs überstarfen Parlamente und man spricht von der Notwendigkeit eines vom Bolte direft gewählten und im Bolfe direft seine Stärke findenden Staatsoberhaupt, welches das Parlament kontrollieren könnte. In den meisten Schweizer Kantonen erfolgt jeßt bereits die Wahl der Kantonsminister und parallel damit die Wahl des S Kantonsparlamentes Direft Durch das Rolf, zu einem eigentlichen Kantonspräsidenten .Nyuwwe% hat man si, in der Schweiz noch nicht Durchgerungen. Bemerkenswert stark ist in der Schweiz der nur im Kriege oder in Kriegsgefahr besiegende General (Armeeoberkommandant); er wird genau wie die Minister vom Parlament gewählt und untersteht bloß Diesem ganz, dem Ministerium Dagegen nur für gewisse Dinge. Das deutsche Volk in Reichsdeutschland und Deutschösterreich befaßt sieben fest mit der Frage der Kompetenz eines Staatsoberhauptes. Der deutsche Reichspräsident wird als einziger Ausnahmsfall unter seinesgleigen vom Volke direkt gewählt und besagt eine verfassungsmäßige Macht, die die Kompetenz des Kaisers erreicht oder sogar übertrifft. Dieser einzigartige Ausnahmsfall arf wohl nicht anders erklärt werden, als daß die Weimarer sich seinerzeit sicher glaubten, stets einen Präsidenten ihres Schlages zu haben; deshalb machten sie ihn einigermaßen stark. An die diverte Volkswahl wagten sie sich jedoch nicht gleich; Ebert ward noch vom Reichstag gewählt. Der erftechte Volkspräsident ist Hindenburg; sofort nach seiner Wahl feßte das Miktrauen der Patentrepublikaner gegen die freie Meinungsäußerung der Demokratie ein und man hat ihm einfach seine wichtigsten Rechte wie das der Auswahl der Minister entzogen, um es den Parteien zu überlassen. Das Recht auf Erlassung von Ausnahmsverfügungen (Artikel 48 der Reichsverfassung) möchte man ihm gleichfalls sogar formell nehmen, doc würde er dazu des sehr jeeien Apparates der Verfassungsänderung bedürfen und so wird e8 mindestens theoretisch beim alten bleiben. Den gleichen Fehler wie die Weimarer begehen fest Die Deutschnationalen, die bestrebt sind, die Kompetenzen des Reichspräsidenten zu vermehren, weil fest ihr Kansdlidat das Amt bekleidet; die Deutschnationalen fünnen uns darin ebenso irren wie si 1919 Die Weimarer a im Jahre 1919 no sehr koffejewisierende Oesterreic hatte anfangs seinen eigentlichen Staatschef und den Titel führten die Parlamentspräsidenten. Später schuf man einen eigenen Bundespräsidenten und kopferte gedankenlos die Bedeutungslosigkeit des Präsidenten der schweizerischen Eidgenossenschaft, gab ihm aber sein Ministerium und feinen Eis oder Stimme in diesem. Auch fennt man fattishh in Oesterreich Die Bollsabstimmung nonit, so daß das Parlament ellmächtig ist. Der Mißbrauch schreit so zum Himmel, daß erst die Heimmwehr eine Beraffungsänderung erzwingen muß, in der auch ein ziemlich starrer Bundespräsident mit einer Art von Direkter Volkswahl vorgesehen ist. Die Roten und Nötlichen sind entfest, das neben dem Parlament auch das Boll zu Worte konmen könnte: indirekt durch seinen selbstgewählten Präsidenten, direkt duch Volljahbstimmungen. Sehr bezeichnend ist die Lage des französischen Staatspräsidenten. Er wird vom Parlament gewählt und hätte eigentlich ziemlich große Rechte sewohl gegen das Ministerium, das eigentlich seinen richtigen Ministerpräsidenten haben sollte, als gegen die Kammer, die der Staatspräsident mit Zustimmung des Senates auflösen dürfte, wenn nicht Die bürokratische Ueberlieferung e3 verböte. Die Angst vor der Auflösung konnte die Abgeordneten gefügig machen. So ist es allmählich so weit gekommen, daß der französische Staatschef Fein Iauten Montmere zu spoeen mag, auf Angst Torozk "illegal — er ist, abgesehen vom Hocperrat, theoretisch unverantwortlich und auf 7 Jahre gewählt — und vorzeitig beseitigt zu werden. Millerand machte 1924 diese Erfahrung; er fand sein Ministerium und mußte aber danken. Vom polnischen Staatspräsidenten kam man Be: nicht sprechen; er it eine Puppe in der Hand De Marshalls Pilfudsti. Das tibetische Staatspräsidium ist für Mafjarys persönlich eingerichtet worden; weitere Erfahrungen gibt es in Prag noch nicht. Die der Schweiz, den beiden heuten Staaten und Stanfreid entnommenen Beispiele dürften genügen. ob verschieden Diese Republiken auch sind, haben sie die Angst der Bolfsvertretung vor dem Boltepräsidenten, also vor dem persönlichen Vertreter des Boltes, gemeinsam. Er könnte ja das Eliquentum in den Duinstejfenzen des egoisstischen Bartenwesens, wie es sich in Dei Parlamenten besonders bei Listenunwahlvegt anhäuft, gesfährden, da er mehr Interesse am Bollsganzen haben müßte als jene. Er erinnert darin an den legitimen Herrscher von einst. Daher haften ihn Die „Nukenießer der Denwkrati“. -.· Zur heutigen Sammerlegung Bukarest, 2. November. Heute wird in der Kammer die Generaldebatte über die Thronrede beginnen. Als erster Redner ist Birgit Grofu auf der Rednerliste vermerkt. Als zweiter der ungarische Abgeordnete Dr. Iosef Willer, sodann folgt Bompiliu Joanigescu, Vizepräsident der Kammer. In der Montagsigung der Kammer wird Dr. Zupu eine Erklärung über die Art und Weise, wie die Verwaltungsreform angewandt wird, abgeben. Wie „Eurentul“ ptet, wird Dr. Zupu gegen die Tatsache pros testierdh, da 17 Gemeinden des Komitates Falciuar deren angrenzenden Komitaten zugewiesen wurden. Widerlegung der Angriffe des Kirchenkongresses Bukarest, 24 November. Das Unterrichtsministerium hat aus Anlaß der Ausführungen des Professors Silwiu Dragomir auf dem orthodoxen Kichentongreb Erhebungen bezüglich der Ernennung von Direktoren an staatlichen Mittelschulen in Siebenbürgen gepflogen und festgestellt, daß die Behauptungen Professor Drag mitz den Tatsachen in seiner Weise entsprechen. Durch die gegenwärtige Regierung wurden in ganz Siebenbürgen nur drei Mittelschulprofessoren griechisch-lathnlischen Glaubens ernannt. Strafverfolgung der Polizeibrutalitäten Bukarest, 24. November. Die Angelegenheit Mi» Iozi und Banova ist der Staatsanwaltschaft zur Erleitung des Strafverfahrens auf Grund der Artikel 239 und 165 des Strafgefeges übergeben worden. Die Staatsanwaltschaft hat sofort dem Innenministerium von der Tatsache Kenntnis gegeben, damit Dieses im Sinne des Beamtenstatutes zur Amtsenthebung könne Wie weiter berichtet wird wird der Ministerrat zur Frage nicht wieder Stellung nehmen, bevor das Strafverfahren abgeschlossen sein wird, > a « i «