Transsilvania - Beiblatt zum Siebenbürger Boten, 1843 (Jahrgang 4, nr. 2-100)

1843-10-24 / nr. 84

362 Flüchtige Briefe eines flüchtig Reisenden. Zweite Reihe. Fortsezung.­ ZL. Kommt ein Fremder nach Baaßen, der es nicht weiß, daß hier ein Badeort ist, so muß ihn der leb­­hafte Verkehr, welcher in dem Dorfe getrieben wird, gar sehr überraschen. Kaum dämmert der Morgen, so sieht er die Bauern volle Fässer in das Dorf her­­ein und leere hinaus fahren. Das nämliche Schau­­spiel wiederho­lt sie am Abend, und selbst in mond­­hellen Nächten ist keine Ruhe. It nun aber die­­ser Fremde ein Reisender, der auf der Notizenjagd im Lande begriffen ist, so zieht er schon bei dem sech­­sten Fasse, das ihm begegnet, die Schreibtafel aus dem Rode heraus, und trägt die Bemerkung ein: Baaßen, freundliches, sächsisches Dorf im Media­­scher Stuhle, mit sehr starkem Weinhandel. Zu Hause aber angelangt umkleidet dann die Feder­ die­­ses dürre Skelett mit folgender Reflexion: „Der Weinhandel in dem Mediascher Stuhle muß äußerst blühend genannt werden. In dem einzigen Dorfe Baaßen findet nach einer sehr mäßigen Berechnung -- wir schlagen um der Genauigkeit Willen die Sonn- und Festtage ab — ein Verkehr von mehr als 3000 Faß statt. Wir behalten uns vor in einer ei­­genen Abhandlung die Unstatthaftigkeit der Klagen der Mediascher über das vorgebliche Stehen des Weinhandels zu beleuchten.’ Sehen Sie mein Lieber, Das ist die grause Geschichte Von der Heine'schen Poesie, nein dem — von der Poesie vieler Reisenden in und außer dem Lande, wollte iM sagen. Wollen Sie den Commentar zu dem Texte? Hier ist er: In wenigen Wochen sind dieses Jahr im Sonnen- und im Mondschein, mit Pferden und mit Ochsen, über zwölftausend Eimer in dieses Dorf herein, und aus diesem Thale über die Berge hinaus in das Land geführt worden, und dieser Verkehr wird fortgeseßt, so lange die Badezeit währt. Denn alle diese Fässer enthielten und enthalten nichts mehr und nichts weniger als­­­ Badewasser, durch welche einfältige Bemerkung denn auch das ganze scharfsin­­nige Räsonnement mit seinen Durchschnittszahlen und Glossen und Seitenbliden­­ zu Wasser wird. In dieser einfältigen Bemerkung ist aber auch die ganze Geschichte des hiesigen Badewesens ent­­halten. Jedes Haus ist eine Badeanstalt für sich , jede Familie von Curgästen hat ihren eignen Wasser­­fiaker, ihren Kessel, ihre Wanne; ein öffentliches Bas­deleben kann erst dann sie entwickeln, wenn die be­­gonnenen Bauten fertig sein werden. Von einem Zusammentreffen aller Badegäste an den Quellen , oder auf gemeinsamen Unterhaltungsplänen, von ei­­nem Anknüpfen neuer Bekanntschaften , und einer Ausdehnung und Erweiterung des gewohnten Le­­bensfreises, wie sie anderwärts sich fast aufzwingt , und mannigfach zur Auffrischung des Geistes , und zu gegenseitigem lindernden Trost der Leidenden dient, kann daher hier für feßt die Rede nicht sein. Was sich außerhalb dieser Berge nicht fremd und gleichgültig gegenüber gestanden, das findet sich zwischen denselben von selbst zusammen , und ger­wohnte gesellige und freundschaftliche Bezüge wer­­den enger und fester. Allein die verschiedenen Grup­­pen, in welche si auf diese Art die Badegäste tren­­nen, stehen in keiner Berührung und in keinem Ver­­fehr mit­einander, und wer, wenn er hieher kommt, nicht Bekanntes und Verwandtes vorfindet, dem kann es auf die leichteste Art von der Welt begeg­­nen, daß er wochenlang mitten in der Gesellschaft vereinzelt dasteht, und aus Besorgniß nirgends un­­bequem und zudringlic zu werden zu eignem und anderer Verlust aus seinem einsamen Stillleben nie­­mals heraustreten kann. Meinen Sie nicht etwa, im wolle durch diese Bemerkungen einen verdunkelnden Schatten auf die­­sen Badeort werfen. Mir richten, mein Lieber, ich habe niemals­­ zu den Schwarzkünstlern gehört. Der ausgesprochne Mangel wird allgemein gefühlt; wer aber billig denkt, der sieht es wohl ein, daß ihm erst allmälig abgeholfen­­ werden kann , und weiß es der Direction und dem Ausschuße des Vereines Dank, daß sie Anstalten treffen ihn zu entfernen. Die Er­­öffnung eines Conversationssaales an den Quellen, die Anlage von Promenaden neben den Bädern wer­­den das Ihrige dazu beitragen, was aber zur Em­­porbringung des Badeortes nor viel nothwendiger scheint, das ist wohl , daß in dem Dorfe selbst ein Vereinigungsplan für die Badegäste geschaffen werde. Eine aufgegebne Roßmühle an dem obern Ende des Dorfes bietet sim dem allgemein empfundenen Bedürfnisse an: „Eine Roßmühle und ein Conver­­sationssaal? welche monströse Zusammenstellung !” Aber so lachen Sie doch nicht, so ereifern Sie sich der nicht. Wer in aller Welt denkt denn bei die­­sem Vorschlage an die Kreisbewegung, mit welcher sich oft das Göpelwerk einer schwerfälligen und steifen .

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