Ungarische Revue 1. (Budapest, 1881)

1881 / 1. heft - Literatur und Kunst - Gusztav Heinrich: Deutsch-ungarische Literatur

50 LITERATUR UND KUNST. graphischer Natur. Recht bunt, aber nicht uninteressant, wenn auch manchmal etwas seltsam. So schrieb z. B. nach Kertbeny’s Angabe Goethe 334 lyrisclieGediclite, Schiller 177, Platen 407, Heine 498, Béranger 414, Lenau 143, K. Beck 122 ; Petőfi dagegen in nur fünf Jahren 775 lyrische und 11 epische Gedichte. Ob die Addition richtig ist, mag der Rechenmeister, von dem sie herrührt, verbürgen; dass aus derselben nichts Wesentliches, das die Mühe des Addirens lohnte, gefolgert werden kann, ist selbstverständlich. Noch ein Reclienexempel aus Jókai’s Praxis. «Von Jahr zu Jahr (erzählt Jókai am 25. Februar 1873, also vor nahezu acht Jahren) notirte ich mir in ein Büchlein alle mich selbst betreffenden Daten, welche sich auf die materiellen Erfolge niemer literarischen Thätigkeit bezogen. Die Zahl der Exemplare meiner Werke und periodischen Schriften, welche ich seit 27 Jahren dem ungarischen Publicum übergab, besteht in 652,100 Bänden. Für diese literarische Production zahlte mir das «ungarische» Lesepublicum 1,523,650 Gulden ; davon mir selbst 246,200 Gulden als Honorar zufielen. Von den übrigen 1,287,450 Gulden erhielten meine literarischen Mitarbeiter 252,800 Gulden, meine artistischen Mitarbeiter 43,800 Gulden. Der Staat bekam an Steuern, Stempeln und Postgebühren 231,900 Gulden; und endlich volle 748,950 Gulden gingen drauf für Satz, Druck, Papier, sowie für Buchhändler- und Betriebsprocente.» Nach Kertbeny erzielte Jókai von 1873 bis Mitte 1879 durch neue Romane, Journale, auch politische Schriften, einen weitern Umsatz von wenigstens noch 200,000 Bänden. «Nur Dickens, Dumas Vater, wohl auch die George Sand, der Amerikaner Bret Harte, der Pole J. J. Krassewsky und etwa noch der Russe Turgenjeff erlebten solch’ einen grossen Absatz ihrer Werke im Original; ein deutsches Beispiel gibt es nicht, ausser Schiller und Goethe, die nun schon Jeder­mann drucken darf.» Petöfi’s Dichtungen sind nach Kertbeny’s recht interessanter Zusam­menstellung bereits in zwölf Sprachen übersetzt: ins Deutsche, Fran­zösische, Englische, Schwedische, Dänische, Finnische, Italienische, Czecliische, Serbische, Russische, Polnische Tiud Vlämische, — aber nur vier unter den nicht-deutschen Uebersetzungen sind nach dem ungarischen Original, alle übrigen nach Kertbeny’s Verdeutschungen gearbeitet. Von Jókai sind einzelne Romane — zusammen 151 Bände — in vierzehn Sprachen übersetzt, ausser den bei Petőfi genannten noch ins Spanische und Rumänische. Und der Ruhm und die Popularität der beiden Dichter ist fortwährend im Wachsen begriffen, zum Ruhme ihrer selbst, zum Ruhme der Nation, der sie angehöreu. Kertbeny ist unstreitig im Rechte, wenn er einen kleinen Theil dieses Ruhmes für £ich in Anspruch nimmt, denn ohne die rastlos? Thätigkeit und Betriebsamkeit dieses Mannes wären die in wenigen Jahren erzielten überraschenden Erfolge Petöfi’s und Jókai’s im Auslande nicht denkbar. Als Nachtrag seiner Schrift tlieilt Kertbeny einen am 10. August 1879 veröffentlichten Artikel Jókai’s mit, der uns interessant genug scheint, um hier vollständig (aber nicht ganz in Kertbeny’s Uebersetzung) zu folgen.

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