Ungarische Revue 1. (Budapest, 1881)

1881 / 1. heft - Literatur und Kunst - Gusztav Heinrich: Deutsch-ungarische Literatur

52 LITERATUR UND KUNST. Augen, sogar das Petőfi so eigene Bäumen des Kopfes, seine Bewegungen, der Nachdruck bei jedem Schritte, endlich auch die Stimme genau die Petöfi's. «Und doch war er es nicht ! — Was wünschen Sie, mein Herr? frag der Angekommene. — Also Du erkennst mich nicht ? Franz! sagte die geheimniss­­volle Gestalt, ihm die Hand entgegenstreckend, ich bin ja Alexander. — Mein Herr! erwiderte Bathó, gewiss, Sie sehen Petőfi so er­staunlich ähnlich, dass der Mensch darüber in Verwirrung kommt, aber trotzdem sind Sie nicht Petőfi. Ich kenne ihn sehr genau, Sie gleichen ihm ausserordentlich, aber trotzdem kann ich Sie nicht als Petőfi an­erkennen. «Da begann der räthselhafte Mensch von allerlei Verhältnissen zu sprechen, welche sich auf Petőfi und die Familie Szendrey bezogen, von Umständen, welche nur Eingeweihte wissen konnten. Von Petöfi’s Julie, von seinem Sohne Zoltán; von ihrer Zusammenkunft in Debreczin, von ihrer gemeinsamen Weiterreise. Er wusste alles, was eben sonst Niemand wissen konnte, als Petőfi selber. Und doch war er nicht Petőfi. «Und während er sprach, brachte er Bathó so weit, dass dieser zu schwanken "begann. Zuletzt duldete er sogar das Dützen. Schliesslich über­gab ihm Bathó 20 Gulden und sagte, er möge ihn hier erwarten; er wolle zu Szendrey zurück, ihm das Gelieimniss mittheilen, und erkenne auch Szendrey den Fremden als Petőfi, dann werde man es schon ver­mitteln, dass er nach dem Auslande entkomme, und werde ihn mit Geld versehen, so viel er nöthig habe. «Und dieser Mensch wusste damals bereits, dass Julie Petőfi einen zweiten Gatten hatte, und motivirte eben mit dieser Thatsache seine Wei­gerung, zum alten Szendrey zu gehen. «Bathó kehrte also nach Mágócs zurück und erzählte dem eben auch heimgekehrten Vater Szendrey das Geheimniss von Vásárhely. Er bat ihn, diesen Menschen doch zu besuchen, der Petőfi so auffallend gleiche, dass man nach eigenen Augen und Ohren ihn nicht zu be­­urtheilen wage. «Aber damals war es bereits Abend. Man konnte erst andern Tags nach Vásárhely zurückkehren. «Als dann Bathó zi;m zweitenmale vor dem Bauernhause anlangte, fand er den gelieimnissvollen Menschen nicht mehr vor. Die Stubenver­­mietherin sagte, der Mann habe, sobald er die 20 Gulden erhalten, sich sofort ein Paar neue Stiefel holen lassen, diese angezogen und sei fort­gegangen, ohne wieder zurückzukominen. Er wollte also Szendrey’s An­kunft nicht abwarten. Damit bewies er, dass er ein Betrüger war. «Doch wie gefährlich ähnlich er Petőfi sah, geht daraus unzweifel­haft hervor, dass ein dem Dichter so nahe stehender Freund wie Bathó fähig war, sich dergestalt täuschen zu lassen, dass er ihn beinahe als den wirklichen Petőfi anerkannt hätte.

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