Oedenburger Zeitung, 1922. Juli (Jahrgang 54, nr. 145-170)

1922-07-01 / nr. 145

­­ ne Rei. Deutschlands ‚aufgeklärt ist, Rathenaus Mörder ermittelt!! - Berlin, 30. Juni. Eine amtliche Mitteilung des Polizeipräsidenten be­­fast, das der Mord an Dr. Rathenau nennt die Namen der Mörder und führt ihr genaues Signe- Zement an. Die Täter sind der Berli­­ner Ernst Werner Tehom, der Sale Siiher, auch Vogel genannt, und Der Merlenburgr Rnuaner auf Körmer and Kern genannt. Alle Drei gehören der Organisation „Konsul“ an, die den Mord Erzber­gers und das Attentat auf Scheide­mann veranlagt hat, und waren frü­­her Mitglieder der Brigade Er­hardt. Mehrere der Mittäterschaft überführte Personen wurden bereits verhaftet. Zeitler ist es allen Dreien gelungen, aus Berlin zu entkommen. Die Polizei besigt eine genaue Personsbeschreibung der drei Haupttäter. Sie halten sich noch innerhalb der Grenzen D­eutschlands Hofit, vermittelt Stehbriefe noch innerhalb dieser Woche ihrer habhaft zu werben, auf. Die Polizei Weitere Verhaftungen. SB. Berlin, 30. Juni. Der amt­­liche preußische Pressedienst meldet: Die Berliner Polizei hat den Leutnant i.R. und Student der Rechte Günter ver­haftet, dem nicht nur die Mitwissen­schaft, sondern auch die Beihilfe an der Ermordung Rathenaus nachgewiesen worden ist. Sowohl bei den Vorbespre Hungen, die sich um den Plan des Mor­­des drehten und die in einem Berliner Vorort stattfanden, war er anwesend, als auch den Tätern in jeder Weise be­­hilflich. Er hat für den Mörder Te- How die Garage ausfindig gemacht, in der das von auswärts kommandierte Automobil, das bei der Mordtat berutt wurde, eingestellt werden konnte. Gin’ ter ist Mitglied verschiedener rechts­ stehend: Organisationen. Im seinem Beleg wurden Briefe von Heliferich, Qudendorfff, Sagow und Weit­arp gefunden. SB. Berlin, 3. Juni. Te How wurde gestern in der Nähe von Stansfurt an der Oder verhaftet. Er war unter den Tätern und hat das Auto gesteuert. SB. Berlin, 30. Juni. Die Bor­fizei hat die zwei Kaufleute, die Bes­figer der Autogarage, in der das an­ Takti der Ermordung Rathenaus be­wußte Automobil untergebracht war, ferner zwei Gymnasiasten und­­ einen Studenten, die der Mitwissenschaft, be­ziehungsweise der­ Begünstigung des Mordes an Rathenau überführt wur­­den, verhaftet. Unter den Verhafteten bü­ndet sich auch der Bruder, des inzwi­­schen ergriffenen Mittäters Ernst Wer­­ner Techow.­­ Ueber die Persönlichkeit des verhaf­teten Techow erfährt die „B. 3. am ernste Rage! Mittag“, dah­er der zweite Sohn des verstorbenen Berliner Magistratsrates T­ehomw­il. Tehow wollte bei seiner Verhaftung Gegenwehr teilten, ergab sich jedoch bald der Medermacht. Er leugnet die Beteiligung an der Tat. Schug der Republik­ SB. Berlin, 30. Juni. Der Ge­geßentwurf über den Schuß der Repblik­­ beut sich im allgemeinen “auf der Ver­­ordnung des Reichspräfidenten auf und enthält weit schärfere Bes­tim­mungen als die ursprüngliche Yale jung. — ® SB. Berlin, 30 Suni. Aus V Anlag der Ermordung Rat­benaus erließ die demokratische Partei eine K­undgebung, in der das deutsche Bür­­gertum aufgefordert wird, von dem s­chwählicher Schwanten der Pietät ge­­genüber der Vergangenheit und den Notwendigkeiten der Gegenwart iabzu­­lassen und der tatkräftige Träger des neuen Staates zu werden. In allen Schulen und Hochhschulen seil die Fort­­bildung im Geiste der Achtung vor der Republik geführt, die Personalreferate in allen Ressorts der Staatsverwaltung sollen in Die Hände aufrichtiger Ne­­rublifaner gelegt werden. Bei der Auflösung des Reiche­­tages? SB. Berlin. 30. Juni. Die fri­­senhafte innerpolitische Lage, welche zu einer Reichstagsauflösung zu führen droht, hat in wirtsch­aftlichen Kreisen grohe Beunruhigung hervorgerufen. Die nächste Folge war eine weitere erheb­­liche Steigerung der Devisenfurje. Dol­­lar erreichten­ einen Kurs von 36615; am Efjeftermarkt Halt die Unsicherheit an. — Das Beileid der ungarischen Re­­gierung. Budapest, 30. Juni. Minister des Heußern Graf Nikolaus Banffy hat auf die Nachricht von der Ermor­­dung des deutschen Außenministers Dok­tor Rathenau seinen Beileid und dem der königlich ungarischen Regierung in einem­ an den deutschen Reichskanzler Dr. Wirth gerichteten, in warmen Morten gehaltenen Telegramm Aus­­druck verliehen. — „Der Budapester deutsche Gesandte Graf Fürstenberg bat hierauf ein ebenso herzliches Dank- Schreiben an die ungarische Regierung oelanaen haljen. Anteilnahme Oesterreiche. SB. Wien, 30. uni, Bundes­minister für Yeukeres Dr. Grünber­ger hat’ aus Anlast der Ermord­ung Rab­benaus an die deutsche Regie­rung eine telegraphische Kundgebung gerichtet, in der die aufrichtige und feundschaftliche Anteilnahme der öster­­reichischen Regierung an dem schweren Unglück zum Auschub gebracht wird, das Deutschland um eine seiner stärksten Begabungen ärmer gemacht hat. . Desenburger Zeitung t . = Samstag, 1. Juli > In jedem Staate gibt es gemisse landwirtschaftliche oder I­ndustrie­­weine, die zwar eines zollpolitischen Schußes vor den entwickelten und son­­furrengkräftigen Auslandprodukten bes­pürfen, sonst jedoch alle Bedingungen zu einem dem Lande näglichen Aufblühen haben. So­ einen wirtschaftlichen Fabrifationszweig, der als Nebenpro­­dukt der ungarländischen Branntwein­ erzeugung eine Zukunft hat, stellen die zwei­­ Hauptfabriken der MBrekhefe­­(Germ’)erzeugung in Ungarn, die Bur­dapester Fabriken Gihmwindt sin d­arauf dar. Beide auf modernen und ijoliden Betrieb eingerichteten Babriken hatten von Anbeginn an mit dem, besonders in der Bevölkerung der westlichen Grenzgebiete des Landes tief eingewurzelten Vorurteil zu kämpfen, das die ungarische Prekhese minderwer­­tiger als die Auslandsfabrikate sei, mo* bei als Konkurrenz hauptsächlich­e öster­­reichische­ Erzeugnisse in Betracht kamen. Unlängst erfolgte Ermittlungen er­gaben, da besonders in Oedenburg 60 Prozent des Bedarfes an Germn dur hereingeschmuggelte Ware gededt wur­de. Dies veranlagte die schwer geschä­­d­igte ungarischen Yabrifen zu energi­­schen Vorstellungen beim Finanzmini­­sterium,­­dessen Aufmerksamkeit beson­­ders auf zwei Umstände gelenkt wurde: 1. Daß der Schmuggler nach der Ware — die übrigens unter einem Einfuhr­­verbot steht — seinen Zoll zahlt und hier­urch ven Staat empfindlich schädigt; 2: das die Branntwein- und Spiritus­­erzeugung infolge dieses Umstandes nur in kleinerem Umfange möglich it (Die Vieihefe wird nämlich als Nebenpro Dukt­ der Spirituosenfabrikation gewon­­nen.) Diese verringert natürlich wieder, um die staatlichen Einnahmen bei der Branntweinsteuer. Die über diese Mitstände erfolgten Ausklärungen veranlasten das Fön. ung. Finanzministerium zu der entschieden­­stern Stellungnahme, wobei scharfe Ver­­fehrungs- und Vergeltungsmachregeln in Aussicht gestellt wurden. Die Oeden­burger Staatspolizei erhielt die strenge Meinung, bei im flagranti erwischten Prepheteischmugglern und Käufern sol­cher ausländischen Fabrikate nur nur mit empfindlichen Geld, sondern in erster Linie mit Freiheitsstrafen vorzu­­gehen. Bei wiederholten Fällen wird man sogar zu einer Entziehung des Gewerbeausübungsrechtes reiten. Dieser Tage waren nun zwei Direk­toren der ungarischen Fabriten Grhmwindt und Kraus in Oeden­burg und verschafften sich Die persönliche Meberzeugung, dass die österreichische Prophese sich fast überall im Verkehr befindet. Vorstellungen bei den­ hiesigen Behörden waren von Erfolg begleitet und man versprac­h, mit der Aufspürung österreichischer Gem Detestivs zu be­auftragen, die dieselbe im Auffindungs­falle beschlagnahmen werden. Breßheiel No Bis zur Britischen Zeit, der Oedenburger Schicsalstage, als die Grenze nach Desterreich hermetisch abge­sperrt wurde, behauptete sich die fast einstimmige Weberzeugung bei den Cedersburger Bädern, hat die Wiener Brophese — die sie stets gebrauchten — unübertrefflich und die ungarische min­­derwertig, wen nicht unbrauchbar sei. In Ermanglung anderer Fabrifate aber stellte man in dieser Zeit einen militrauischen Berjuch mit der ungarischen Brephese an, der fehler befriedigend ausfiel Es stellte sich heraus, das die Gärkraft des ungarischen Fabrifates mindestens so grob, wenn nicht größer, als die des öterreichischen it. Von dieser Zeit an hat ih Die Dedensburg eingebürgert, obgleich sie nioch heute in einem scharfen Konkur­­renzkampfe mit den österreichischen Yaloritaten steht. Die dur dhe ständigen Lohnerhö­­hungen und die füt unaufhaltsame Ver­­teuerung der zur Prefhefeerzeugung er­­forderlichen Rohprodukte, wie Meizen­­fleie und Rufurutz, bedingte Steigerung des Germpreises, sowie die Erhöhung der­­ ungarischen Branntweinsteuer drehte ein neuerliches Aufleben des ich lobrenden W­rekhefeschmuggels aus Oesterreich mit sich, wodurch die ungari­­sche Vreghefe stark zurückgedrängt wurde. Bei der seligen, amer­annt guten Dualität der ungarischen Prekhefe und bei der veltswirtschaftlichen Notwendige­­eit, diesem Industriezweig eine tatkräf­tige Unterstützung angedeihen zu lassen, werden die Behörden sicherlich seinen Schritt unterlassen, um dem um sihr greifenden Schmuggel von Germ, der eine Bedrohung der, voraussichtlich nur vorübergehend teureren, auf dem Oeden­­burger Markte eingeführten ungarischen Prephese bedeutet, energisch entg­egenzu­­treten,­­ ungarische Prephese in 18 PS. Benzinmotor Fabrikat „Benz - Mannheim“, ist preiswert abzugeben. Näheres erteilt die Verwaltung des Blattes. EEE Aragon, Brunfiter­­ falsche Zähne, Platin, Brillanten und Perlen ı laufen zu Höchstpreisen. Uhrenreparaturen werden mit zweijähriger Garantie bei mäßigen Preisen­­ übernommen. — Eigene Juwelenerzeugung und erstklassige Juwelen-Reparaturwerkstätte. Kollmann , Turesti, Hedenburg Schlippergasse Nr. 13. 2385 | Er > der Yobbelgänger des Herren Emil Schnebie. Freilich, das Ausborgen mußte ohne Miller des Besiters geschehen. Wie ein ‚Balstotmarder mukte er vorgehen, fred and mit Sachfenntnis. Nur nicht einen Mantel wählen, der ihm nachher nit pachte, auch seinen, der gleich an einem der ersten Riegel hing. Das konnte Ver­­dacht erregen. Er wählte einen Pelz­mantel. Einen großen, weiten fostbaren Belz. Den ließ er sich von der ver­träumten Garderobenfrau halten und drückte ihr dafür ein Markti­nd in die­ Hand. Der Mantel lieh ihn groß und sie erscheinen, und das war ihm gerade recht. Auch der Seidenhut, der zu dem Mantel gehörte, pakte ich. Es war ein nagelneuer Seidenhut von moderner Form. „Hatten der gnäd'ge Herr auch einen Schirm?“ fragte die Garderobenfrau, [r — er mußte ich den Mantel und den Hut eines der Herren ausborgen, die hier oben bei geschlossenen Türen ihre geschäftlichen Angelegenheiten be­­rietem! ‚ die dem feinen Herrn den Nummer­zettel gar nicht abzuverlangen wagte. ‚ Dorival, dem der Boden unter den Süßen brannte, denn jeden Augenblick konnte der Beliker des M­antels aus einer der nächsten Türen treten, v­er­­neinte die Frage, Er wollte sich draußen gleich eine Droschfe nehmen, nach seiner Wohnung fahren und von dort aus den Mantel und den Hut durch einen Dienstmann nach dem­ Hotel zurük­­enden. Er schlug den Mantelfinger Hood und stieg gemessenen Schrittes Die Treppe hinab. Unten spielte die Mufik wieder. Die Aufregung hatte sich gelegt. Die Leute sahen wieder an den Tischen. Nur vorn, an der Auskunftsstelle, hatte sich um einen Schumann eine lebhaft bewegte Gruppe gebildet. Mitten dazwischen fand der Kriminalbeamte und hielt si ein blutgetränktes Taschentuch vor die Nase. Angestellte wurden vernommen, Dorival hörte, wie ein Kellner sagte: „Ich habe deutlich gesehen, daß der Zeitpibe Die Treppe hinaufgegangen !) Eu „Bir werden ihn schon fallen!“ er­­klärte der Schuhmann und machte f1 Notizen. Als Dorival auf die Straße trat, tauchte vor ihm ein herrschaftlicher Die­ner in langem, betrekten Mantel auf,­­ der einen­­ aufgespannten Reasn­hirm trug. Dieser Mann führte ihn, als wäre das ganz selbstverständlich, unter dem Schuße seines Schirmes an einem bereitstehenden, sehr eleganten Automo­­bil, öffnete vor ihm die Tür des War gens — und — Dorival stieg ein. Der Diener schlok die Türe Hinter ihm, schwang sie neben den Fahrer auf den Bod, und sofort segte sich das Auto­­mobil in Bewegung. Das alles war so schnell gegangen, so ganz ohne sein Zutun, das Dorival die Sache kaum selbst begriff. Aber es war ihm schon recht, auf diese schnelle Art dem Schauplan seiner Missetät eitflie­hen zu können. Soviel war ihm sofort klar geworden: der Diener hatte den Beizmantel seiner Herrn erfannt und natürlich angenommen, daß in dem Mantel auch sein Herr stehte. Im übri­gen hatte die zunehmende Dunkelheit des Spätnachmittags die Verwechslung begünstigt. „Bapa, ich habe ein furchtbar in­teressantes Abenteuer erlebt,“ hörte Do­­rival da dicht,neben sich ein Helles, klangreiches Stimmen jagen und er fühlte, wie si ein Arm zutraulich in den feinen schob. Sehr erst bemerkte Dorival, daß er nit allein in dem dunklen Auto saß. Neben ihm sah ein rundes Mäd­chen. Und dies Mädchen war, das erkannte er sofort an der Stimme. Ruth Rosenberg. Armer Dorival! Seine Geistesgegenwart, die er bis­­her zu seinem eigenen Erstaunen so vor­trefflich gewahrt hatte, drohte ihn zu verlassen. Er hatte sich also den Pelz­mantel und den Geidenhut des Kronsuls Rosenberg angeeignet! Er sah in dessen Automobil! Neben Ruth, die sich an ihn schmiegte und nach seiner Hand tastete! « Er war zustäd­Ist in einer Antwort­ fähig. Das war zu viel. Die Kehle war ihm wie zugeschnürt. Das fleinste Wort fonnte, mußte ihn verraten. „Du bist wieder ganz in Gedanken, Papa,“ fuhr Ruth im Tone sanften Vor­wurfes fort. „Hat dir der elende, ge­meine Mensch wieder mit dem unglüc­­keligen Brief gedroht? So lah doch fett einmal deine Sorgen beileite und höre, was ich dir zu erzählen habe. Denn' dir, ich habe den "interessanten Spikbuben wieder gesehen, der neulich in der Loge im Opernhaus sah und dort verhaftet wurde. Der Mersch muß furchtbar ge­rissen sein. Er­st damals der Polizei schnell wieder durchgewischt, denn ich sah ihn schon ein paar Tage später ganz ar­mutlich im Tiergarten spazieren gehen Da hat mich der Frühling gegrüßt, weißt doch, ich habe es dir doch erzählt. Roman von Karl Schüler. (14. Fortlegung.) | « Y ri

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