Bukarester Gemeindeblatt, 1908 (Jahrgang 4, nr. 1-52)

1908-01-06 / nr. 1

Marder Ceweittdeblatt Organ d«s 5ynodalV«rbandes der deutschen evan­gelischen Gemeinden an der unteren ponau Jahrg. IV. Sonntag 6./19. Januar 1908. No; 1. Zum neuun Gahr Sei gegrüsst neues Jahr! Beugen sich doch heut die Menschenkinder vor allem, was neu, ist, warum nicht auch vor dir ? Alles Neue ist gut; unbesehen, so auch du; bis es zum j Alten gehört, und dann war’s — schlecht. Oder massest du dir etwa an, uns nur die la- j chende Sonne sehen zu lassen ? Vielleicht; wa­rum solltest du’s nicht? Das Neue nimmt ja den Mund immer voll, und man glaubt’s. Her­nach erst streichen die klugen Leute die Hälfte, drei Viertel, und sagen, sie hätten das lange vorher sehon gewusst. Du bist nun da. Mir ist’s, offen gesagt, nicht ganz recht; denn ich hatte das alte Jahr lieb, und mit dem, was er lieb hat, bleibt der Mensch gern zusammen. Es hat mir viel Gutes ge­bracht in seinen 365 Tagen, und wenn ich auf die Gemeinden schaue ringsum im Land, ich meine, auch sie können zufrieden sein. Doch man sagt mir vielleicht, ich sei unhöflich, ! wenn ich in deiner Gegenwart deinen Vor­gänger allzusehr lobe; und dich gar mit Arg­wohn bewohn betrachten, das hiesse unzeit­­gemäss und rückständig. So dürfte ich besser fragen, wie ich dich lieb gewinnen kann, eh ich noch weiss, was du mir geben und neh­men wirst. Dich lieb gewinnen! Das kann ich nur, wenn ich mich über dich stelle, wenn ich dich von einem Ort aus betrachte, der höher liegt, denn, wozu du gehörst, die Zeit, und was in der Zeit geschieht. Dieser Ort heisst die Ewigkeit. Der aber als König re­gieret über die Zeit und die Ewigkeit, dem die Jahre und Jahrmillionen ‘dienen, ist Gott. Von ihm aus, der mich zu sich gerufen in meiner Jugend, heisse ich dich willkommen, als seine Gabe will ich auch dich gleich einem erprobten Freunde warm und herzlich be­­grüssen. Was von Gott kommt, ist gut, ob es auch im Augenblick schmerzt. Das will ich mir Zu­rufen, wenn mein Kreuz wächst, und das Dun­kel rings um mich so dicht wird, dass ich die Hand nicht mehr vor Augen sehen kann. Und wenn meine Strasse schnurgerade läuft und hell ist gleich wie die Sonne, soll mein Mund jubeln in Demut und Dankbarkeit. Rüstig will ich .ausschreiten entgegen dem ewigen Ziel jenseits von Zeit und Raum ; Arbeiten, schaffen will ich in Liebe für meine Brüder und Schwe­stern. Und sollte dies Jahr mein letztes sein, dann, Herr, bin ich’s auch zufrieden. Wenn ich nur dich habe, so frage ich nicht darnach, ob ich auf Erden oder im Himmel. Schriftleitung': Pfarrer E. H e i f t. Geschäftsstelle: Gemeinde kanzlei Strada Luterana 10.

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