Bukarester Gemeindeblatt, 1915 (Jahrgang 11, nr. 1-52)

1915-01-04 / nr. 1

Sonntag, 4/17. Januar 1915. XI. Jahrgang — Bukarester­­ Gemeindeblatt der deutschen evangelischen Gemeinden an der unteren Bona Prgan des Synodalverbandes Denjahrsgedanken. Nom. 8, 18 ff. , Derm­ich halte dafür, daß dieser Zeit Leiden der Herrlichkeit nicht wert sei, die an und sol offenbar werden. Denn das ängstliche Harren der Kreatur wartet auf die Offenbarung der Kinder Gottes... Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst, die wir haben des Geistes Erstlinge, sehnen uns auch bei uns selbst nach der Kindschaft und warten auf unseres Leibe Erlösung. Denn wir sind wohl selig, doch in der Hoffnung. Die Hoffnung aber, die man sieht, it nicht Hoffnung; denn: wie kann man des hoffen, dad man liebt? So wir aber des hoffen, daß wir nicht sehen, so warten wir sein Durch Geduld...­­ Unausrottbar und untilgbar ist dem Menschen die Sehn­­sucht in das Herz gepflanzt. Er gleicht — um es mit Dichterworten zu jagen — dem Manne, der des Nachts am K­eimatdorf vorüberfährt. Da steigt Erinnerung zu ihm empor. Er sieht die Straße, da er als Kind gespielt, das Haus der Eltern, die Lampe auf dem Tisch, das große Bud daneben, darin die Mutter immer lad; er sieht die finde und darunter das Grab, da so viel Liebe schläft. Er Hörti die Sonntagsglocken, hört den Brunnen plättchern. Vom Garten her strömt er wie Blumenduft daher. Da padt die Sehnsucht ihn. So gerne möchte er zu Hause sein, ganz zu Hause, und wär's im Grab; er aber muß vorbei und was ihm bleibt, er ist die Sehnsucht! Unausrottbar und untilgbar ist dem Menschen die Sehn­­sucht in das Herz gepflanzt. In ungezählten Jungen singen davon die Dichter, aber auch der Fromme fühlt nicht an= der3. At nicht das ganze Christentum aus der Sehnjugt herausgeboren ? i­s nicht ein Lied der Sehnsucht, daß auch hier der Apostel anstimmt? Von der Zeiten Leiden spricht er. Aber sein Auge dringt tiefer als das des ober­­flächlichen Beobachters. Nicht nur das eigene Leiden hert ihn Fragen, auch nicht bloß das der Brüder, er fühlt und sieht bei aller Kreatur ein ähnliches Sehnen und Harren, wie es in seinem eigenen Herzen lebt. Und ists nicht das gleiche, was wir bei B­etrachtung der Natur gerade in diesen Wintertagen empfinden? Das Gras ist verdorrt, die Blumen verblüht und fragend rauscht der Wind durch die Fahlen Zweige der Bäume. Ein Schleier der Wehmut liegt über Wald und Feld. Auch die Kreatur ist der Ver­­gänglichkeit und Eitelkeit unterworfen. Und welche Widersprüche gar im Leben der höher orga­­nisierten Lebewesen! Kampf ist ihre Losung, ein Kampf Geschäftsstelle, Gemeindekanzlei, Str. Luterana 10, um sein oder nicht sein, und nicht immer ist es das edlere Telen das den Kampfplad behauptet. Und Kampf aug in der Geschichte der Menschheit. Wohl spricht man nicht mit Unrecht von dem weisen Sinn, der im geschichtlichen Geschehen waltet. Aber doc auch wie viel Nätsel, die sich uns aufdrängen. Schon die Tatsache, dab Ereignisse möglich sind, wie der gegenwärtige Krieg, mü­ssen uns in tiefster Seele bewegen. Die Blühendsten und Ju­gendfroheiten singen dahin. Kaum eine Familie, die von Würgengel verschont bliebe. Der Schüßer des Hauses, sein Ernährer, der treueste Ratgeber, ohne Abschied gehen sie hinweg. Und nun naht das düstere Heer der Sorgen. Wie viel Frauen müssen in Trauergewändern einhergehen, wie viele wissen nicht, was mit ihren Waisen anfangen, wie viele müssen man den bittern Gang, in fremde Häuser tun und Unterfrügung erflehen für die­ ihren, — Nicht als ob wir das Herz derer schwer machen wollten, die ihre Lieben in Kampf und Gefahr missen. Es ist eine heilige Sache, für die sie sümpfen, und die Opfer, die sie bringen, werden — wir hoffen es zu Gott — reiche Frucht tragen. Aber ist es nicht beschämend, daß troß zweitausendjährigem Wirken cristlicher Sitte und europäischer Kultur, der Krieg doch unvermeidlich und ein anderer wirksamer Ausweg zur Lösung solcher Lebensfragen der Völker unter­einander noch nicht gefunden ist ? Und nicht genug damit ! Zu den Leiden, die uns so die Welt auferlegt, kommen die von uns selbst geschaffenen. Ein edles Wollen lebt doch mehr in jedem Menschen ; ein jeder hat sich sein hohes Bild zurechtgemacht, dem er nachstreben will. Aber wie oft gewinnen die tierischen Triebe überhand auch über das beste Streben. „Wollen habe ich wohl, aber V­ollbringen nicht." Die Schuld, die Schuld des Menschen! Sie beugt und nieder und schafft Leid und immer neues Leid. Seht da, die Leiden dieser Zeit, die ewige Dissonanz, die ich du dhs Leben aller Kreatur dahinzieht. Wie Löst sich dieser Mikklang? — Der Apostel hat ihn tief erlebt und schwer unter ihm gelitten. Er hat sich heraus­­gesehnt aus ihm, und ob er auf den Ausweg nit sah, die Hoffnung hielt ihn über Wasser. Seinem ahnenden Biick enthält sich eine künftige Herrlichkeit, an der einst nicht nur der Mensch, sondern alle Kreatur Teil­nehmen — Schriftleitung: Pfarrer R. Honigberger. fa]= d _

Next