Bukarester Gemeindeblatt, 1925 (Jahrgang 17, nr. 1-52)

1925-01-04 / nr. 1

o ------o—- y Nr. 1 BUKARESTER GEMEINDEBLATT reu überzeugt, dass sie es erreichen werden und konnten so für die Ewigkeit leben. Denn das heisst eben „für die Ewigkeit leben“: Eine grosse heilige Aufgabe übernehmen, sich ihr ganz hingeben und sie mit froher Zuversicht durch­führen. Wer das tut, der wird — nach Fichte — nie aufhören zu wirken und darum nie aufhören zu sein. Der berühmte Philosoph schreibt darüber 'in seiner „Bestimmung des Menschen“: „,Das, was man Tod nennt, kann mein Werk nicht abbrechen; denn mein Werk soll vollendet werden, und es kann in keiner Zeit vollendet werden, mithin ist meinem Dasein keine Zeit bestimmt — und ich bin ewig. Ich habe zu­gleich mit der Uebernahme jener grossen Aufgabe die Ewigkeit an mich gerissen. Ich hebe mein Haupt kühn empor zu dem drohenden Felsenge­birge und zu dem tobendem Wassersturz und zu den krachenden, in einem Feuermeere schwimmen­den Wolken, u. sage: Ich bin ewig, ich trotze eurer Macht! Brecht alle herab auf mich, und du Erde und du Himmel, vermischt euch in wildem Ţu­­multe, und ihr Elemente alle, schäumet und tobet und zerreibet in wildem Kampfe das letzte Sonnen­stäubchen des Körpers, den ich mein nenne mein Wille allein mit seinem festen Plane soll kühn und kalt über den Trümmern des Weltalls schwe­ben; denn ich habe meine Bestimmung ergriffen, und die ist dauernder als ihr; sie ist ewig, und ich bin ewig wie sie.“ Erst so sind w ir wirklich gegen alle innern und äussern Nöte gewappnet. Wer das aber hat, der kann getrost dem neuen Jahre entgegen gehen und mit dem Dichter Eichendorff sprechen: Schlag mit dem flammigen Flügeln! Wenn Blitz aus Blitz sich reisst: Steht wie in Rossesbügeln So ritterlich mein Geist... Es schiffen die Gedanken Fern wie auf weitem Meer, Wie auch die Wogen schwanken Die Segel schwellen mehr. Herrgott, es.wacht Dein Wille Ob Tag und Lust verwehn, Mein Herz wird mir so stille ■ Und wird nicht untergehn! R. H. Ludroig oan Beethooen. (Fortsetzung und Schluss.) Es ist selbstverständlich, dass solche Stim­mungen auch in seinen Kompositionen ihren Aus­druck finden mussten. Ist — wie oben angedeutet wurde — der Kampf gegen das Schicksal das Hauptthema seiner grössten Werke, so ergibt sich daraus von selbst, dass Anrufung und Lobpreis Gottes in ihnen einen überaus breiten Raum einneh­men mussten. Tatsächlich wirken viele seiner A-dagios wie innige, glaubensvolle Gebete, und in manchem Finale und Mittelsatz klingt der Lob­preis Gottes so deutlich und herzbewegend wieder, dass auch ein weniger erregbares Gemüt davon auf das tiefste berührt werden muss. Man würde kein Ende finden, wollte man anfangen, die Wer­ke Beethovens unter diesem Gesichtspunkte zu ana­lysieren. Es sind nur einige willkürlich herausge­griffene Proben, wenn wir etwa auf die berühmte Canzonetta in einem seiner Streichquartette hinweh sen, die Beethoven als „Heiliger Dankgesang eines Genesenen“ überschreibt, oder den wie ein from­mer Lobgesang wirkenden Satz aus der VI. Sym­phonie erwähnen. Eine besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang .seiner wundervollen Ver­tonung der fünf geistlichen Lieder von Geliert zu, die Beethoven mit einem unvergleichlichen re­ligiösen Pathos und tiefster Innigkeit erfüllt hat. — Vor allem aber erscheint es notwendig, hier noch­mals auf seine „Missa solemnis“ zurückzu kommen. Wie heilig war es ihm Ernst um diese Komposi­tion: „Höheres gibt es nicht als der Gottheit sich mehr als andere Menschen zu nähern und von hier aus die Strahlen der Gottheit unter das Men­schengeschlecht zu verbreiten.“ Beethoven hat eine Kunst als 'ein priesterliches Tun aufgefasst. Und dem entspre­chend erschien er während der ganzen Zeit der Komposition wie weltentrückt, ja geradezu besessen. Wird uns doch erzählt, dass er in seinem Zimmer einen Kübel Wasser nach dem andern über sich ausgoss, ohne zu merken, dass er eine Ueber­­schwemmung anrichtete. Oder dass er in einer Regennacht wer, weiss wo umhergeirrt und ganz durchnässt heimgekehrt sei. Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist nur ein Schritt. Beethovens Inneres ist in wilder Erregung, denn jetzt oder nie soll sich sein Ich völlig offenbaren. Wird sich der Held bewähren? Nun. er ist nicht unterlegen, er ver­mochte die ungeheuere Erregung künstlerisch zu bewältigen und zu gestalten. — Durch alle Tie­fen religiösen Empfindens führt uns Beethoven in diesem Werke hindurch. Tiefstes Sündenbewusst­sein, Zweifel, Andacht, bewundernder Lobpreis, das Erschauern vor dem Geheimnis, der Jubel über die Erhörung, all diese Stimmungen klingen darin wieder. Es gibt Stellen von einer geradezu über­wältigenden Wirkung in dem Werke, Stellen in denen man das Sich Niederbeugen der Gottheit zum Menschen zu sehen meint und eine Inbrunst vor­waltet, wie sie auch der gläubigste Mensch etwa beim Empfang des Abendmahls nicht stärker empfinden kann. £s ist undenkbar, dass ein Mensch solche Empfindungen in so überzeugender Weise zu schildern vermag, ohne etwas von ihnen selbst in seiner Seele erlebt zu haben. So steht Beethoven vor uns nicht nur als gros­ser "Künstler, sondern auch als ein etiler Mensch. Was er in seinem Heiligenstädter Testament vom 6. Oktober 1802 von sich sagte, gilt von ihm Wort

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