Bukarester Gemeindeblatt, 1928 (Jahrgang 20, nr. 1-53)

1928-01-01 / nr. 1

2 BUKARESTER GEMEINDEBLATT Nr 1. sind sie doch eine Gewähr dafür, dass auch wir anders werden können, wenn wir nur recht wollen! Wir wären die unglücklichsten Wesen, wenn wir uns sagen müssten, dass eine solche Erneuerung nicht m'öglich sei. Mit gutem! Recht hat 'man darauf hingewiesen, dass das eigentlich Verödende, Zer­mürbende, unfruchtbar und schwerfällig Machende im| Leben dies ist, dass schliesslich alles Gewohn­heit, Routine, Manier wird, die alles langweilig und gémjein macht. Die einzige Rettung davor ist, neu anfangen zu können. „So wie die Sonne jeden Tag aufgeht, neu, wie am! ersten Tag, so sollte uns auch jeder Tag aufgehen, neu, wie etwas' Ungeheures, diaS emportaucht aus der Nacht des Nichtseins und aus! der Finsternis...” Wieviel wäre dlamjit gewon­nen, wenn wir das für uns lernen könnten. Und wir können es, wenn wir alles, was uns gegeben ist —• Frau, Kinaer, Freunde, unser Berufsleben, ja auch unsere Not und unser Unglück — nicht nur in jedem! Jahre, sondern täglich wie etwas betrach­ten, das1 uns erst jetzt gegeben wurde als etwas völlig Neues. Liegt die Notwendigkeit zum1 Neuanfangen nicht gerade unserer Zeit besonders nahe? Welch furchtbares Erleben haben insbesondere die letzten anderthalb Jahrzehnte gebracht! Krieg, Revolution, Verwirrungen und Erschütterungen aller Art! Sollte es da möglich sein, dass die Menschen bleiben, wie sie waren? Aber dann würde all das Grosse, das uns vorübergezogen ist, in dem! sich Gottes Wille so gewaltig offenbart hat, für uns einfach nicht da­­gewesen sein. Was wir in den letzten Jahren lei­dend und handelnd erlebt, es ist gewissermfas'sen ein Abschluss gewesen, das Siegel für eine abgelau­fene Zeit, und es ist dag grosse Vorspiel zugleich für ein Neuwerden. Aber keine äussere Aenderung, kein Komlmiunislmüs, keine Revolution wird etwas1 Dauerndes! wirken, bevor wir nicht selbst innerlich anders werden. Und darum! ist die grosse Frage, die unsere, Gegenwart an uns stellt: Wozu bist du da, wofür Sollst du leben und wirken? Ein Ziel mbste uns doch gegeben sein, sonst geheii wir alle in die Irre. Nun, und! dies Ziel wird imbiier deutlicher sichtbar. Immer klarer drängt sichs dent Bewusstsein der Menschheit auf, was wir brauchen: Es ist — um! es miit einem! Wort zu sagen: dias1 Reich Gottes'. Jenes! Reich, da nur ein Gesetz und nur ein Wille alle beseelt: die Liebe, die kein anderes Ziel kennt, als das Glück der Menschen, der einzel­nen ebenso gut wie der Völker. Jene Liebe, die das Band aer Einheit und Vollkommenheit ist, die alle verbindet in ewigem] Frieden, bis! es1 einst heissen kann: Eine Herde und ein Hirt. — Wie abe; soll diu, werden, wenn nicht jeder einzelne es sich zum! höchsten Lebensziel setzt? Ein radikales Wollen iml Herzen, ein unerschütter­licher Wille, an diesem' grossen Aufbau mitzuhel­­fen, das ists, was wir brauchen! Wir müssen an­dere Menschen werden. Wenn wir aber so neu würden in unserem! wesentlichsten Wollen, dann) würde sich ganz gewiss auch die Welt um) uns er­neuern: Neues Denken, neue Kunst, neue Wissén­­schaft, neues Leben iml Innern der Staaten, ein neues Verhältnis der Völker untereinander würde sich herausbilden. Welche neuen Ausblicke und Möglichkeiten öffnen sich da! Neue und doch alte! Denn schliess­lich sind es doch die Gedanken Jesu, die darin in irgend einer Weise wieder zu Tage treten. Man hört manchmal die Behauptung, dass Jesus für uns nichts mehr zu bedeuten habe, für uns! .tot sei. In Wirklichkeit aber erleben wir es' täg­lich, dass er lebt. Sein Leben, sein Opfertod, sein Auferstehen — es sind nicht Dinge, die einmlal waren, nein, sie bestehen auch für uns, sind die tiefste Angelegenheit auch für unsere- Zeit. Was' er gewesen, das sollen wir auch werden. Jedem1, der ernst über seine Lebensaufgabe nachdenkt, wird dies imüfer klarer. : Jesus ist ge wisse rmiassen das Urbild des wahrhaft fromlmien und sittlichen Men­schen, das letzte Ziel zugleich aller Menschheitsent­wickelung. Er lebt und will auch in uns leben, in uns offenbar werden, damit der wahre Mensch, däs) wahre Gotteskind der Zukunft werden könne. Eine geheimle Gemeinschaft besteht zwischen ihm1 und uns. Er lebt in uns, und! wir wollen in ihm! leben, ihm! imlmier ähnlicher werden. Wer aber in ihm ist, der erlebts dann an sich selbst, wie nun die Schlak­­kem des alten Menschen abfalled und1 er allmählich' eine neue Kreatur wird. Wo däs! aber geschieht, da wird nun auch die Welt anddrs, täglich erneuert, und es bewahrheitet sich «das Wort: „Ist jemand in Christo, so ist er eine neue Kreatur”. Möchte dies Wort auch an uns Wahrheit werden! R. H. Siluesterabend. Nun sammelt sich im Kreis der Zecher Die Welt zum rauschenden Gelag Und übertäubt im Klang der Becher Der Mitternacht gewicht’gen Schlag. Ich aber will mich schlafen legen Und unter Gottes treuer Wacht Entschlummern mit dem Ahendsegen: Der Herr hat Alles wohl gemacht! In seinem Schutze ohne Sorgen Schlummr’ ich hinein ins neue Jahr. Als Morgenstern erscheint er morgen, Der Abendstern mir heute war. -------<00-------- Karl Gerok.

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