Bukarester Gemeindeblatt, 1928 (Jahrgang 20, nr. 1-53)
1928-07-22 / nr. 30
Jahrgang XX Sonntag, den 22. Juli 1928 Do. 30 Bukarestet* Gemeindeblatt Schriftleitung: R. Honigberger Geschäftsstelle: Gemeindekanzlei, Str. Lutherana 12 An die Eltern! Die Einschreibungen in die Schulanstalten der Evangelischen Kirchengemeinde (Realgymnasium, Höhere Mädchenschule mit Handelskursus, Knabenelementarschule, Mädchenelementarschule, Kleinkinderschule) finden vom 1. bis 10, September 1928 bei den betreffenden Direktionen in der Str. Lutherana 12 statt. Die Eltern (oder gesetzlichen Vertreter) schulpflichtiger Kinder (vom 5. — 16. Lebensjahr) haben nach Art. 19 des staatlichen Volksschulgesetzes in der gleichen Zeit, also zwischen dem 1. bis 10. September persönlich bei der Direktion der staatlichen Primarschulen, in deren Amtsbereich sie wohnen, eine schriftliche Erklärung abzugeben, dass sie ihr Kind in die evangelischen Schulen unserer Gemeinde eingeschrieben haben. Diese Erklärung ist auch von den Eltern derjenigen Kinder abzugeben, die bereits in den Vorjahren die Schule besucht haben. Die Unterlassung der Erklärung hat zur Folge, dass die Kinder aus den Schulanstalten der Gemeinde entfernt und von amtswegen in eine Staatsschule eingeschrieben werden. Alle näheren Auskünfte über die zuständige Staatsschule und die Form der Erklärung sind bei der betr. Direktion der Schulanstalten der Gemeinde sowie in der Gemeindekanzlei erhältlich. Das Presbyterium. ------o----- Friedhofsbetrachtungen. Wie's alte Frauen gibt, deren Leidenschaft es ist, zu allen Begräbnissen, auch solchen von ihnen ganz Unbekannten,, zu laufen, so spukte mir mit einemmal wochenlang der „Cimitirul Ghencea” im Kopfe. Noch einer älteren Generation anlgehörig, der das Bedürfnis, sich auszulaufen um des Laufens, um der Bewegung willen, längst vor den Wandervögeln in Beinen und Blut lebte, pflege ich allen Autos zum Trotz häufig mit oder ohne Begleitung, wie sich’s trifft, aus dem im Mittelpunkt von Bukarest gelegenen GemeiWdedorf irgend einen der Radien der Stadt entlang deren Peripherie zuzustreben, bis hinaus über die Bahnlinie oder soweit Ausdauer und ästhetischer Sinn es zulassen. Denn der Gewinn für die Sinne, Auge und Nase besonders, ist gering. Der Staub der schlechten Strassen, der Geruch der engen, überfüllten Höfe mit den niedrigen1, elenden Häuschen legt sich einem lähmend auf den ersten frischen Willen, und kommt man endlich aus der Steinwüste hinaus, so lohnen die flachen reizlosen Felder, von kümmerlichen Anwesen oder Fabriken unterbrochen, auch (nicht. Am Sonintag Nachmittag und Abend entschädigt höchstens das in seiner Anspruchslosigkeit immer rührende und beschämende Volksleben in der Vorstädten, dies Spazierendrängen, diiese Ansammlung in und um ödeste Wirtshäuser, diese in schweren Dunst gehüllten Volkstänze bei abstumpfend eintöniger Musik, entschädigt den für solche Lebensprimitivität empfänglichen Beobachter. — Den Feineleutefriedhof Belu, den Militärfriedhof, den katholischen, den Heldenfriedhof „Pro Patria”, unsern evangelischen, den jüdisch-spanischen Friedhof kannte ich zur Genüge, auch Sf. Vineri in der Calea Gri viţei und den armenischen Friedhof in der Calea Dudeşti hatte ich gelegentlich besucht. Aber auf dem Ghencea-Friedhof war ich nie gewesen, und da ich zufällig auf dem Stadtplan von Bukarest ihm gegenüber auch einen mohammedanischen Friedhof entdeckt hatte, so verfolgte mich der Gedanke, wie gesagt, seit Wochen* ihnen einen Besuch abzustattejn. Die Sommerglut war Ursache, dass ich bei Umschau nach Begleitern nirgends Gegenliebe fand. Einmal hatte ich mich schon aufgemacht und musste bei der Kreuzung der Şoseaua Pandurilor umkehren, weil es zu spät geworden war. Aber bei dieser Gelegenheit hatte ich entdeckt, dass vom Zollamt aus Autobusse bis zum Ghencea hinausfahren. Wer kennt sich sonst im Wirrwarr der Bukarester Autobusse zurecht ausserhalb des immer gleichen Bereichs seiner täglichen Berufsinteressen? Diese Wissenschaft wahrnehmend, bin ich nun wirklich also auch auf dem \Ghencea gewesen. Bekannt als Armeleutefriedhof. Der Weg bereitet darauf vor. Wie man, von der Dâimboviţa ansteigend, am entstehenden Schmuckplatz der Staatsarchive vorbei den Bulevard Principele Mircea hinauf, die Gebäude des Arsenals und die Alexandria-Kaserne links und immerhin einem bescheideneren Bukarester Heimbegriff entsprechende Häuser, meist wohl Offizieren zur Wohnung dienond, rechts lassend, in die Calea 13 Septembrie abbiegt, geht es aufs schnellste mit dem Europäertum zu Ende; eine Weile gibt es noch Pflaster und Bürgersteige und Vorstadtläden; Schienen verraten did