Bukarester Gemeindeblatt, 1934 (Jahrgang 26, nr. 1-51)

1934-06-10 / nr. 23

îehrgang XXVI. Sonntag, den 10. Juni 1934. Schriftleitung R. Honigberger Geschäftsstelle: Gemeindekanzlei. Str.Lufheraita 12 Nr. 23 Bukarester Gemeindeblatt Aus der Gemeinde. Vom Hoetschfest. Es ist vielleicht mehr ;ils ein Zufall, dass in einer Zeit, da die Rückkehr zur Ueberliefe­­rung im Leben so manches Volkes sich als ideale Forderung durchgesetzt hat und Gestaltung im wirklichen Leben sucht,, auch in unserer Ge­meinde das Drängen derer, die in Erinnerung an die eigene Jugend die Wiederaufnahme des Hoetsch-Zuckerfestes betrieben haben, Erfolg ge­habt hat. Immer wieder wurde in den Gemeinde­versammlungen und dann in den letzten Jahren in den Tagungen der Gemeindevertretung der Wunsch laut — sein eifrigster Wortführer war Herr Rudolf Helm — das Andenken an die Männer, die im vorigen Jahrhundert die Grundlage zur Entwicklung der Gemeinde ge­schaffen haben, möge, wie alljährlich vor dein Kriege, durch eine ungezwungene gemeinsame Unterhaltung von jung und alt, Gemeindemit­gliedern, Schülereltern und Jugend, draussen in freier Natur lebendig erhalten werden. Wenn der Weltkrieg den alten Brauch, wie man zu sagen pflegt, iiat einschlafen lassen, so war bekanntlich nicht Gleichgültigkeit gegen die V ergangenheit die Ursache, sondern, wie vom Presbyterium den Mahnern immer mit Recht geantwortet werden konnte, die Rück­sicht auf die veränderten Verhältnisse. Politisch konnten Bedenken gehegt werden, ob ein An­­die-Oeffentlichkeit-Treten in alter Weise gera­ten sei; technisch war der Marsch der Schul­jugend durch die autobelebtesten Strassen der Stadt zur Unmöglichkeit geworden. So hatte denn seit Jahren schon das Turn- und Sport­fest Ersatz bieten müssen, und auch diese Ver­anstaltungen haben ihr Gutes gehabt und er­kennen lassen, dass unsere Schulen mit der Zeit mitgehen. Was ihnen fehlte, war der fami­liäre Charakter, das fröhliche Zusammensein von Gemeinde und Jugend. Nun hat das verständnisvolle Entgegen­kommen der Verwaltung des Prinz Stirbey­­sehen Gutes in Buftea und des Gesellschafters Herrn Direktors Fischer es in diesem Jahre er­möglicht, den Lieblingstraum der älteren Ge­meindemitglieder zur Wirklichkeit werden, das Hoetsch-Zuekerfest seine Wiederauferstehung erleben zu lassen. Und das in einer Form, die die kühnsten Erwartungen übertraf. Es war ein gewisses Wagnis, in Tagen schwankender Wit­terung, da die Turnvorführung zweimal eintre­tenden Regens wegen hatte verschoben werden müssen, einen Ausflug mit Sonderzug zu ver­anstalten; aber selbst der Himmel hat dem Un­ternehmen blauesten Beifall gezollt, und die Be­reitwilligkeit der Eisenbahnverwaltung, den Zug zu sehr ermässigtem Preise zur Verfügung zu stellen, verdiente solche Billigung von oben. Pünktlich um 8 Uhr war alles, Eltern und Schüler, vor dem Nordbahnhof um die blumen­geschmückten Klassenabzeichen, die Herr Zei­chenlehrer Artur Steiger geschmackvoll ent­worfen hatte, versammelt, das von demselben geschaffene Teilnehmerabzeichen an der- Brust, ln musterhafter Ordnung erfolgte, unter Lei­tung Herrn Turn- und Sportlehrers Karl Grii­­der, der Einmarsch in den Bahnhof und die Einwaggonierung in den mehr als zwanzig Wa­gen zählenden stattlich langen Zug, zum Stau­nen der Bahnbeamten und des zufällig anwesen­den Publikums, aus dem Stimmen laut wurden, dass so etwas an Planmässigkeit und Ordnung noch nicht gesehen worden sei. Und dieser Geist der Ordnung blieb, um das vorauszunehmen und nicht dauernd zu wiederholen, bis zum letz­ten Augenblick der Heimkehr lebendig. Die mehr als 1500 Personen, Kinder und Erwach­sene, die der Zug in kurzer Fahrt nach Buftea brachte, marschierten vom Bahnhof in endlo­sem Zuge 2 km weit nach dem Festplatze, jede Klasse in Reih und Glied hinter ihrem Klassen­lehrer, von den unter Leitung Herrn Apothe­kers Schuster vorausgezogenen Erwachsenen, die am Rande Spalier bildeten, schliesslich freudig begriisst. Nach kurzem Imbiss hielt Pfarrer H. Petri auf der rings von hohen, in frischem Grün prangenden Eichen umstandenen Festwiese sonntäglichen Gottesdienst unter freiem Himmel; der Text, der 104. Psalm, mit seinem Preise der in Natur und Kreatur offen­barten Herrlichkeit Gottes, konnte nicht geeig­neter gewählt werden als Grundlage für die Betrachtung, dass auch des Grossstädters Leben und Wohl abhängig bleibe von dem, der alles geschaffen und ewig weiter schafft. Daran schlossen sich dann bis zum Mittag Freiübun­gen der Schüler unter Leitung Herrn Grüders, reizende Volkstänze der Mädchen unter Lei­tung von Frl. Nora Jekeli, frische Bewegungs­chöre, die Prof. Stadelmann eingeübt hatte, und Spiele allerlei Art. Die Mittagspause gab zu

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