Die neue Zeitung, Oktober-Dezember 1938 (Jahrgang 9, nr. 1426-1438)

1938-10-02 / nr. 1426

4 $ e ? w $ ET Rss: kk­a­l ? \ e „ASGEIA Ei Eintragung zur Aufnahme in das Register der Veröffentlichungen beim Hermannstädter Tribunal unter Zahl 153/938 i­ee Nr. 1426 . Sibiu- Hermannstadt, Sonntag, den 2. Oktober 1938 Direktor: Wilhelm v. Hannenheim 9. Jahrgang Königsworte Ueber allem aber, was dem rumäni­­schen Volk die Beständigkeit seines staatlichen Daseins sichern kann, steht das Vertrauen zu sich selbst und zu dem Schicksal dieser Nation, das zu seiner Erfüllung von jedem von uns fordert, dass er sich den drei Geboten der schweren Zeit, in der wir leben, unterwerfe: Vorbedachtheit, Kraft, Einigkeit. Die deutschen Dichter und ihr Wald Von Alfred Hein. Nur wenige wissen, wenn sie durch die hessi­­schen Bergwälder bei Kassel fahren oder wandern, dass sie dann den Wald der Grimmschen Märchen durchstreifen. Denn hier im Dorf Niederzwehren lebte die Märchenmutter Viehmann, eine hessische Bäuerin, von der die Brüder Grimm nach ihrem eigenen Zeugnis die meisten deutschen Wald­­märchen erfahren haben: „Die Viehmännin er­­zählte bedächtig, sicher und ungemein lebendig, mit eigenem Wohlgefallen daran, erst ganz frei, dann, wenn man es wollte, noch einmal langsam, so dass man ihr mit einiger Uebung nachschreiben konnte. Wer an leichte Verfälschung der Ueber­­lieferung oder an Nachlässigkeit bei Aufbewahrung glaubt, der hätte hören müssen, wie genau sie immer bei der Erzählung blieb und auf ihre Richtigkeit eifrig war.“ Dieser bald unheimliche, bald trauliche Wald des deutschen Märchens wird besonders wirksame Theaterumwelt im „Käthchen von Heilbronn“ von Kleist, der in der „Hermannschlacht“ noch einmal den deutschen Wald als heroische Landschaft für sein Bühnenwerk erwählt. In Wagners und Hebbels „Nibelungen“ ersteht der Sagenwald Siegfrieds. Hebbel entführt uns auch in den Die Harzwälder der „Genoveva“­ zwischen Schierke und Elend werden zum klassischen Schauplatz der Walpur­­gisnacht in Goethes „Faust“. Schillers „Räuber“ geben dem Wald das Wilde, Unsichere und Un­­geborgene, das in früheren Jahrhunderten den ehrsamen Bürger die Pfade durchs Tannendickicht meiden und daher auch als unwirtlich, ja häss­­lich empfinden liess. Die tiefbeseelte Hingabe an seinen Heimatwald, die heutzutage jedem Deutschen eigen ist, lässt Gerhart Hauptmann das schönste Bühnenwaldmärchen gelingen: „Die versunkene Glocke“; die Sieben Gründe des Riesengebirges sind hier der Tummelplatz für Waldschratte und Lichtelfen, Rautendelein und Buschgrossmutter. Inniger verwoben ist für Nickelmann. Noch Carl Hauptmann, schon von Angesicht eine Art Rübezahl, in seinen Novelier, mit der Natur der schlesischen Bergtannenwelt („Hütten am Hang"). Der Schlesier Eichendorff aber ward der Sänger des Waldes, der mit waldvogelhafter Unermüd­­lichkeit sich nie satt sang. Etliche seiner Wald­­gedichte sind zum Volkslied geworden. Eichen­­dorff lässt immer wieder die Wälder, fernab von der „geschäftigen, stets betrogenen Welt“, in „Irösteinsamkeit“ auftauschen, zur „Mondnacht“ spreitet dann seine Seele die Flügel und fliegt über die Wipfel hin nach Haus. Er steht „in Waldesschatten wie an des Lebens Rand, und von fern schlagen die Glocken über die Wälder herein“. Aldabert Stifters „Hochwald“ ist die edelste Wald­­dichtung, die in deutscher Prosa geschaffen wurde. Stifter verwächst mit seinem Böhmerwald so innig, dass uns das Urwaldhafte jenes Gebirges mit unmittelbarer Naturdämonie umfängt. Wald­­verwoben sind noch viele andere Erzählungen Stifters („Der Waldsteig“, „Der Kuss von Lentze“, „Der beschriebene Tännling“, „Die Narrenburg“). Hermann Löns durchstreifte mit wachsamen Jägeraugen die Wälder Niedersachsens. Alle Wald­­vögel jubeln in seinen Rosengartenliedern auf, und in den vierzig Tiernovellen „Aus Forst und gibt es unvergänglich eindrucksvolle Be­­gegnungen mit den Tieren der Heide- und Buchen­­wälder. Detlev v. Liliencron rastet, Verse spinnend, mit Vorliebe am Waldrande, märkische Försterssohn, m­ae ers­­,­­Theodor Fontane (vor vielem andern mit seinem Roman „Der Stechlin“) und Richard Dehmel, der sind die Sänger der brandenburgischen Forsten. Fontane weiht auch den Sachsenwald mit seinem Gedicht „Wo Bisz­marck liegen soll“. Der herbe Waldzauber der Mark ersteht herrlich in Dehmels Gedicht „Die Harfe“, in dem eine einsame Kiefer also anfragt: „Und eine steht, wie eines Erdgotts Hand in fünf gewaltige Finger hochgespalten ; die glänzt noch goldbraun bis zum Wurzelstand und noch höher als die starren alten einsamen Stämme.“ „Wie deine grüngoldenen Augen Dskela, Welt, beginnt das bekannteste du moosiger Träumer“, Gedicht des Wanderdichters Peter Hille mit dem bärtigen Einsiedlergesicht. Der deutsche Heimatroman geleitet in alle deutschen Waldlandschaften diesseits und jen­­seits der Reichsgrenzen. Nur Andeutungen sind hier möglich. Das Schönste weiss Peter Rosegger zu berichten, wenn der Waldbauernbub und der Waldschulmeister in ihm zu erzählen beginnen. Thüringens Wälder sind Friedrich Lienhards Revier, in die Wälder Ostpreussens­­ findet stets von neuem Ernst Wiechert zurück, Ludwig Gang­­hofer und Paul Keller schrieben vielgelesene bayerische und schlesische Waldromane, Hermann Eris Busse erzählt immer wieder vom Schwarzwald, „Auf zum Schwarzwald schwingt mein Lied sich “" beginnt Scheffels „Trompeter von Säckingen“ und bläst dem Bergmann eine Jubel­­fanfare. Den „Wilden Jäger“ jagt Gottfried August Bürger über die sturmzerzausten Wipfel in seiner Ballade dahin.­­ Aber noch unmöglicher ist es, in wenigen Zeit­­en die Lyriker auch nur zu nennen, die in Versen den deutschen Wald besingen, von Paul Gerhardts „Nun ruhen alle Wälder“ und Klop­­stocks „Frühlingsfeier“ angefangen bis zu dem Winterwald, den Rainer Maria Rilke heraufbe­­schwört. Lenau sammelt auf einsamen Wanderung melancholischer Wald­­lieder. In gänzlich verschiedenen Gesängen spiegelt sich der Eichenwald bei Gottfried Keller und bei­gen einen ganzen Zyklus Plür” - I Lu Saisonbeginn der Berliner Theater Ueberaus lebhaft setzte in diesen Tagen die Winterspielzeit der Berliner Bühnen ein. Den An­­fang machten die das kultivierte, unterhaltende und heitere Gesellschaftsstück pflegenden Theater, woran die Komische Oper mit der als Musterbei­­spiel dieser Gattung bereits erprobten Komödie „Blaufuchs“ von Franz Herczeg. Wieder gab Olga Tschechowa diesem geheimnisvollen Blaufuchs- Abenteuer den pikanten Reiz. Und mit ihr runde=­ten Elvira Erdmann, Karl Günther, Walter Janssen und Karl Schönböck das Spiel zu einem neuen grossen Erfolg und einem festlichen Beginn in der glanzvoll erneuerten Komischen Oper. Das Kleine Theater, Unter den Linden, liess mit Nicodemis „Scampolo“ ebenfalls einen früheren Berliner Serienerfolg neu aufleben. In der Neu­­bearbeitung durch Karl Lerbs gefiel die kleine Komödie abermals und in der Titelrolle nahm die junge Geraldine Katz, vom Film her bereits be­­kannt, durch muntere Keckheit für sich ein. Das Ensemble mit Tina Eilers an der Spitze sekun­­dierte ausgezeichnet und der neue Serienerfolg für Scampolo brach an. Im Kurfürstendamm-Theater startete die erste Uraufführung dieser Spielzeit mit Harald Bratts Komödie „Ein grosser Mann privat“. Filmstar und­­ Dorfgastwirt. Dieses Doppelleben bildet mit bunter Milieuschilderung Johannes Riemann spielte jenes Doppelleben mit einer Begeisterung, die einer besseren Aufgabe würdig gewesen wäre. Aber der Lacher folg­ten den Inhalt. Und hörte ihm. Aus dem Rahmen der Posse fiel durch echte Natürlichkeit Franziska Kinz als bürger­­liche Frau des „grossen Mannes.“ Da ging es in der benachbarten Komödie denn doch literarischer zu, wenngleich auch hier die Wahl von Ibsens „Frau vom Meer“ nur durch die Besetzung mit Agnes Straub gerechtfertigt erschien. Ihre arti­­stisch vollendete Leistung machte die schwer lastende mystische Symbolik des Stückes er­­träglich. Das Deutsche Theater begann mit Shaws Ko­­mödie „Mensch und Uebermensch“, in der das Don Juan-Problem mal umgekehrt als Liebesjagd nach dem Manne abgewandelt wird. Zu Beginn trat Shaw persönlich — von Bruno Hübner lebenswahr verkör­­pert — vor sein Publikum, um es mit der Be­­sonderheit dieser Komödie bekannt zu machen. Damit setzte Erich Engels Regie recht originell ein und gab auch weiterhin der Aphorismenflut der Rededuelle die zündende Wirkung. Gespielt wurde ganz hervorragend. In den Hauptrollen sah man zwei für Berlin neue Darsteller: Eva Lissa (aus München) siegte auf der Bühne und im Zu­­schauerraum, Ferdinand Marian (aus Wien) spielte den von ihr besiegten Uebermenschen mit über­­legener Ironie. — Dieser sehr verheissungsvollen Eröffnungsvorstellung folgte als nächste Premiere ein neues Lustspiel „Der Birnbaum“ von der in Berlin schon zweimal erfolgreichen Juliane Kay. Es war eine richtige Gebrauchskomödie, auf die Lachmuskeln spekulierend und mit einigen sehr dankbaren Rollen. In diesen konnten Carsta Löck, Gisela v. Collande und Hans Brausewetter schau­­spielerisch glänzen. Ralph Arthur Roberts brachte in seinem Theater in der Behrenstrasse mit der Neueinstudierung von „Hausruck!“ einen seiner grössten Schwank­erfolge in Erinnerung. Roberts ist seit langem der populärste und eleganteste Komiker von Berlin. Diesmal war die Wiedersehensfreude be­­sonders herzlich, da im Sommer die Nachricht verbreitet war, der Künstler würde sein Theater aufgeben und sich ausschliesslich dem Tonfilm widmen. Auch die Operette meldete sich bereits. Im Admiralspalast kam „Die Dubarry“ von Millöcker+ Mackeben, Text von Martin Cremer, heraus und die Musik bestrickte wie vor Jahren. In der Titelrolle stellte sich Jarmila Ksirowa mit starkem Spieltemperament und schöner Stimme vor. Ihr und dem Bühnenbildner Josef Fenneker, der mit genialer Gestaltungskraft die Szenerien und­ Kostüme entworfen hat, gehörte in erster Linie die Begeisterung, mit der diese Auge und Ohr gleich stark fesselnde Aufführung aufgenommen wurde. — Mit grosser „Kleinkunst“ wartete auch das Kabarett der Komiker auf, wo Willi Schaeffers — einer der Prominentesten dieses Genres — jetzt das Direktionsszepter führt. Er stellte Lizzi Waldmüller als charmante Chansonsängerin vor. Und dann war es vor allem der Tanz, der hier durch Seda Zara und Viola Zarell, im Winter­­garten durch das dänische Skandinavia-Ballett und die Pariser Quadrilleusen mit dem French Cancan neben den artistischen Glanznummern des Weltvarietés in hervorragender Weise vertreten war. Indessen nimmt die Premierenhochflut ihren Fortgang, sodass auch dieser heutige Bericht ge­­schlossen werden muss mit. Fortsetzung folgt­ Julius Segner. Ä

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