Die neue Zeitung, Januar-März 1942 (Jahrgang 13, nr. 1594-1604)

1942-01-11 / nr. 1594

Eingetragen in das Register der Veröffentlichungen beim Hermannstädter Gerichtshof unter Zahl 51/1938 Nr. 1594 Hermannstadt, Sonntag, den 11. Januar 1942 Biblioteca Judeteana ASTRA ANIMAL *P21958* vé Eigentümern­ umwitter-Wilhelm v.H­asenfels Verntwortlicheksemittleitekxsdsuadklouy Die Gärten Von Adolf von Grolman So lange wir deutlich etwas von Menschen wissen, so lange wissen wir auch um ihre Gärten. Die chinesischen Weisen und Dichter preisen ihre kleinen Gärten abseits, darinnen sie leben, das heisst denken und dichten können. Wir wissen von den hängenden Gärten der Semiramis, wir wissen vom Gärtlein des Philemon und der Baueis aus Ovid. Es sind immer wieder Gärten. Pascal macht die Bemerkung, dass die Heils­­geschichte im Garten Eden beginnt und im Garten Gethsemane sich vollendet. Viele gehen weiter als Pascal, und so sehen wir das kleine Paradiesgärtlein des frühen deutschen Meisters; der Dichter des „Meier Helmbrecht” ist Werner „der Gärtner” und so zieht es sich hin bis zu Rilkes „Vergers“. Je länger man über Gärten nmachdenkt, desto glücklicher wird man. Gemeint sind aber richtige Gärten, nicht Preisstücke von Gartenbauausstellungen. Ein Garten darf nicht allzu aufgeräumt sein, nicht zu geputzt, nicht zu gepflegt. Die Franzosen sind Meister darin, einen Garten sympathisch verwildern zu lassen, ohne dass es peinlich wäre. Gleich beim Bahnhof in Dijon dehnt sich ein solcher Garten, in dem alles drinnen ist, was das Herz sich wünschen kann, Spielplätze und kleine Alleen für alte Leute. Pflanzengartenr, Gemüsegarten, Beete, Wasser, Treibhaus, Gartenhäuschen, kleine Einöde, es ist einfach alles da, ein klein wenig ruinös, dafür aber um so sympathischer. “ Wer denkt nicht an Andersens Märchen „Eine Mutter”, wo die unglückliche Frau direkt bis in Gottes Garten kommt und dort unter zahllosen Blumen die Blumenseele ihres Kindes hört und grüssen kann? Wer vergüsse des unbegreiflich schönen Teils in Hermann Bangs „Die Vaterlands­­losen“, jenen Anfang, darin der Luxemburg- Garten in Paris beschrieben wird, und aller Trost, den er auf den heranwachsenden Künstler Joan schon frühe ausübt? Vielleicht ist der Luxemburg-Garten in Paris der schönste Garten der Welt! Kein Geringerer als Strindberg hat (1894—1898) in „Inferno“ und ganz besonders in „Legenden“ ihm eine ganze Metaphysik gewidmet, die bis­ zur Stunde hoch gilt: dieser Garten, darinnen die Fontaine Medicis stille rauscht, ist das Unbegreiflichste an Selbstverständlichkeit und Schönheit geworden; au­ch in ihm ist — wie in Dijon — alles drinnen, was das Herz begehrt, Kinderspielplatz und vollendete Einsamkeit, Gemüsegarten, grosses Bassin mit vielen spielen­­den Kindern, weite Ausblicke in die Stadt, zum Pantheon und nach St. Sulpice hin... es ist einfach alles das, Königinnen und Dichter, Fussball-Alte, Palmen, eiserne Stühle und Platanen, eine Unmenge von Luft, Raum, Staub, Stille und Mütterlichkeit. Die Wissenschaft vom Garten ist ein rechtes und richtiges Weistum; beides stammt einzig aus der Erfahrung, so schön es auch war, in jungen Jahren im Münnchener Englischen Garten nachts bis zum Aumeister zu laufen und wieder zurück — so schön es war, draussen in Nymp­enburg heimlich zu übernachten, im Hochsommer, den höheren Himmel in sich, den hohen Himmel in sich. Das ist die Weite. Die grosse Ueberraschung aber, wie man auf engstem Raume, auf einer Terrasse einen ewigen Garten bereiten könne, findet man im Rosengarten im Bischofspalast in­­ Bamberg. Man geht durch Gebäude und Hof und 24958. x erwartet hier nichts mehr, und dann kommt das wundersame Dreieck mit den vielen Rosen, eng beschnit­tene Bäume, Bänke, ein starker Geruch, den das rückliegende Palast­­gebäude wahrt und gewissermassen der­ Sonne zurückwirft: ein wohliges Spiel, dabei man an das kleine Burggärtlein denkt, Götz von Berli­­chingens kleines Gärtlein in Jagsthausen. Dort, wo Gärten in Parke übergehen, erhebt sich eine Problematik: was gilt nun? In Versailles weiss man, wie man daran ist, in Caserta eben­­falls, in Schwetzingen auch. Aber wie ist es in Weickersheim ? Wie ist es in Veithöchheim ? Fern in Italien, in Florenz, der Gartenstadt, ist nicht nur der Boboligarten, sondern zwei Gärten bleiben unvergesslich, eigentlich sogar drei. Zwei sind im Kloster von San Marco, zuerst der Garten mit der grossen Zeder, dann jener andere, den die Wenigsten besuchen, ein Gemüsegarten mit dem Brunnen, . . . und der andere ist in der Certosa, bei jener Zelle, von der aus man den Blick auf Florenz hat, kleinster Raum und doch eine Welt. Schweigen wir von den hochberühmten Gärten bei Villa Borghese, am Piac­o, beim Vatikan. Die innigsten Gärten liegen abseits, man muss es der Fügung überlassen, dass man sie fände. So war zum Beispiel 1924 draussen vor Ravenna ein unvergleichlicher Garten, neben San Apollinare in Classe; ein kleiner Wirt hatte sich damals dort aufgetan, man konnte nach dem weiten Gang dorthin daselbst rasten, am frühen Morgen etwa, und konnte die Sonne sehen, wie sie um den Zylinder des Turms spielte. Oder: noch abseitiger der unvergleichliche kleine Garten, den es 1938 bei Gutthary im Baskenlande gab, oberhalb der Felsenklippen der Biscaya, in „Sonne und im Winde“. Vielleicht hat einer schon den kleinen Friedhof und Garten gesehen in Löwenstein,­­oberhalb von Weinsberg und Heilbronn ? Löwenstein ist eine ganz kleine Residenz gewesen, Garten und Friedhof sind eins geworden, des Justinus Kerner Seherin von Prevorst liegt dort begraben, Ueberhaupt, Denkmäler in Gärten! Wer denkt nicht an den Hofgarten ins Ansbach, wo Caspar Hauser ermordet wurde, mit der Denkmalsinschrift auf dem nahen Grabstein: Hic jacet Casparus Hauser aenigma sui temporis Ignota Nativitas occulta mors Das ist es, für Menschen und ihre Gärten, Rätsel ihrer Zeit, unbekannte Geburt, verhülltes Ende. Es gibt auf der Welt noch einen kleinen, fast unbekannten Garten. In Paris, im (zur Zeit geschlossenen) kleinen Museum Balzac der Rue Raynouard. Es ist der Garten bei Balzacs Wohnung, nur wenige Quadratmeter gross, an den Höhen von Passy; von Paris sieht und hört man dort — mitten in Paris —, nichts mehr; es ist ein kleiner Garten, von den Nachbar­­häusern kann man wohl auch hineinsehen, aber einen Blick hat man von dort aus, einen sehr nachdenklichen Blick: rechts unten ist das ehe­­malige Sanatorium „Maison blanche”, darinnen Maupassant seinen letzten Kampf kämpfte. So nahe sind sich Frankreichs produktivster Geist und Frankreichs Jäger, Liebhaber und Seefahrer Das Ganze ist ein vergessenes Kleinod. je Man tut gut, immer auf die Gärten zu achten. Ob nun Mauern darum sind, oder ob diese Mauern verfielen und abgetragen wurden, die Mauer macht den Garten nicht, sondern die kleinen Orts- und Hausgeister machen ihn: sie weben, oft mitten unter Böotiern, weiter am ver­­gessenen Orte, und sie wahren dabei auch die heimliche und seltene Freude, in grossen und in kleinen Linien, gepflegt oder nicht. Damit tut sich der Garten aller Kindheit wieder auf, ganz ebenso, wie der weite Weg in den fernen Gottes­­und Paradiesesgartenn, dem jeder Wanderer s­chliesslich doch entgegengeht, und warm, wo AN 1 . N 7” / ..­­ Reichs-Mozartwoche Wenn man rückschauend den denkwürdigen Ablauf der „Mozartwoche des Deutschen Reiches“ in Wien überblickt, so treten ausser vielen herrlich-bes­chwingten Konzerten in den histo­­rischen Palästen und Musikstätten dieser ehr­­würdigen Kunststadt vor allem jene festlichen Opern­­aufführungen erneut vor die Seele, die das dramatische Schaffen Wolfgang Amadeus Mozarts von der „Entführung“ bis zur „Zauberflöte “ in höchster künstlerischer Vollendung wiederspiegelten. In der Wiener Staatsoper, der Stätte gepflegter europäischer O­pernkultur, brachte der erste Abend das deutsche Singspiel „Die Ent­­führung aus dem Serail“ unter der höchst delikaten Stabführung von Dr. Karl Böhm (Dresden). Ein Ensemble prachtv­oller Mozart­­sänger aus Berlin und Wien mit Erna Berger (Konstanze), Irma Beilke (Blondchen), Anton Dermota (Belmonte) und Herbert Alsen (Osmin) vermittelte die ewig jugendfrische Atmosphäre des Werkes aufs köstlichste. Mit der Aufführung von „Cosi fan tutte gab die Münchener Staatsoper durch diese von Rudolf Hartmann eigens für Wien besorgte Neuinszenierung eine Kostprobe ihres einzigartigen Mozartstile. Und Prof. Clemens Kraus, der diese Opera buffa- Partitur mit kammermusikalischer Feinheit er­­schloss, hatte ausser seinen oft gerühmten Künstlern, wie Viorica Ursuleac, Julius Patzak, Carl Kronenberg und Hans Hermann Nissen noch zwei neue Mitglieder seines Münchener Ensembles vorzustelen: Hilde Güden, eine stimmlich und darstellerisch frische und bes­zaubernde Despina sowie die schöne Kroatin Georgine von Milinkovic, deren warmtönender Mezzosopran ausserordentlich gefiel. Die ent­­zückenden­­ Bühnenbilder von Rochus Gliese (Berlin) atmeten die nunbeschwerte Heiterkeit Venedigs. Der Jubel um die Münchener Gäste war enthusiastisch. Der „Don Juan“ erhielt durch Hans Knappertsbusch und Josef Fenneker musikalisch und szenisch jene faszinierende Dämonie, die einst auch E­­. A. Hoffmann zu seiner berühmten Don Juan-Novelle inspirierte. Gesanglich gaben besonders Paul Schöffler (Don Juan), Fritz Krena (Leporello) und Anton Dermota (Octavio) dem Abend das festliche Gepräge.­­Figaros Hochzeit­ im Redouten­­saal der Hofburg, wo schon der Knabe Mozart den glanzvollen höfischen Festen zusah, wurde unter Karl Böhms Stabführung wiederum zu einem Fest der überschäumenden Lebensfreude und durch Maria Reining (Gräfin), Maria Cebotari (Susanne) und Martha Rohs (Cherubin) zum Triumph herrlicher Frauenstimmen. Hervor­­gehoben sei noch, dass sowohl der , Figaro" als auch "Cosi fan tutte" und "Don Juan" in der neuen, sehr geschma­kvollen Textfassung von Prof. Georg Schünemann (Berlin) aufgeführt wurden. ,"domeneo" in der Bearbeitung von Richard Strauss und unter dessen­ persönlicher Leitung ermöglichte eine Vorstellung von jener, für uns zeitfernen Klangwelt der „Opera seria“, sangen mit sicherem Stilempfinden die Hauptpartien, Richard­­ Elis Bsztebsk und Eschewicky Pr ; « - -

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