Gutenberg, 1933 (Jahrgang 15, nr. 1-52)
1933-01-06 / nr. 1
GUTENBERG Erscheint jeden Donnerstag mit dem Datum des nächstfolgenden Tages. — Einzelnummer 80 h. — Zuschriften werden nur frankiert angenommen. Nichtversiegelte Reklamationen sind portofrei und sind an die Expedition zu richten. Manuskripte werden nicht retourniert. ZEITSCHRIFT FÜR BUCHDRUCKER* UND VERWANDTE INTERESSEN IN DER CECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK Redaktion: Prag II., Smeiky 27 n. — Administration: O. Kinsky, Prag II., Smecky 27 zu Expedition: Grafia, Arbeiterdruckerei, Prag IIMvslikova 15 n. — Annoncen werden Btk der Administration angenommen und mit K2 2'— pro Petitzeile berechnet. Bei öfterer Insertion Rábáit. XV. JAHRGANG. PRAG, DEN 6. JÄNNER 1933.nv. ö.15225 NUMMER 1. Ein neues Jahr der Kämpfe und der Entscheidungen. Das nunmehr zu Ende gegangene Jahr war für uns Buchdrucker ein ausgesprochenes Kampfjahr, denn schon zu seinem Beginn munkelte man von einem bevorstehenden Lohnabbauversuch der Unternehmer, der sich auch prompt im März einstellte und ebenso prompt seine Ablehnung fand. Zwei weitere Vierteljahre verstrichen, ehe sich die Scharfmacher im gegnerischen Lager von der März-Überraschung der Ablehnung ihrer »gerechten Forderungen« wieder soweit erholt hatten, um gegen den Schluß des Jahres zu neuerlich einen Lohnabbauversuch zu wagen. Die Antwort, die ihnen diesmal von der Masse der Buchdruckereiarbeiterschaft durch Versammlungsbeschlüsse erteilt wurde, war wiederum ablehnend. Sie war wohl auch die richtige Antwort auf ein Ansinnen, das weder eine durchdachte Grundlage, noch irgendwelche Maßnahmen im Auge hatte, die es der Gehilfenschaft möglich gemacht hätten, im Interesse des Gesamtgewerbes Opfer zu bringen. Das Verlegenheitsgestammel des Prinzipalsorgans, daß zu den Forderungen nicht böser Wille der Anlaß war, sondern das pure Mitgefühl für die Arbeiterschaft, um deren Arbeitsplätze zu sichern, konnte wohl kaum darüber hinwegtäuschen, daß auch dieser Lohnabbauversuch eben nur Bereicherungsabsichten der Gilde der Scharfmacher entsprang. Daß er nicht gelang, ist dem festen Willen der Bucharbeiterschaft zuzuschreiben, trotz der Schwere der Zeit das Errungene selbst um den Preis des Kampfes zu schützen, und in unserem letzten Situationsbericht wurde von uns auch angedeutet, daß die gewaltsame Lösung dieser Angelegenheit den Kampf bedeutet. Was jedoch gerade diese Lohnabbaubewegung der jüngsten Zeit so bedeutungs-, ja, man möchte sagen, so absonderlich macht, ist, daß in diese Periode auch noch die Einlösung einer tariflichen Abmachung fällt, die für einen großen Teil der Provinzdruckorte mit einer vierprozentigen Lohnzulage verbunden ist. Die hierauf bezügliche Kundmachung des Tarifamtes ist bereits von uns veröffentlicht worden. Der Beschluß des Tarifamtes war auch in der letzten Nummer der »Graf, liste«, dem Organ des Verbandes der graphischen Gremien, unter Hinweis auf die bezüglichen Bestimmungen des Lohntarifs verlautbart. Schon die erste Woche des eben beginnenden Jahres 1933 ist mit Rücksicht auf die in Kraft getretene Bestimmung über die vierprozentige Lohnerhöhung bedeutungsvoll, weil ihre Auszahlung in der ersten Lohnwoche des neuen Jahres erfolgen soll. Wie die Dinge heute liegen, kann mit einer gewissen Sicherheit angenommen werden, daß der Großteil der in Betracht kommenden Buchdruckereien sich nicht weigern wird, die Kundmachung des Tarifamtes als rechtsgültig anzuerkennen und ihren Bestimmungen nachzukommen. Damit ist für sie und für uns diese Sache erledigt. Bei kühler Überlegung müßte sich eigentlich jeder der betreffenden Prinzipale sagen, daß eine Nichterfüllung dieser Bestimmungen für ihn nur unangenehme Folgen haben muß, weil dies tarifwidrig ist und sonach mit denjenigen Mitteln bekämpft werden wird, die vertraglich hiefür zulässig erscheinen. Und die Gehilfenschaft wird nicht zögern, diese Mittel in allen Fällen zur Anwendung zu bringen, wo dies notwendig sein wird. Wir geben uns nicht der Hoffnung hin, daß das neue Jahr für uns besonders viel Gutes bringen werde. Dazu ist die Wirtschaftslage im allgemeinen nicht danach und die Erwartungen auf eine Besserung können nicht anders als pessimistisch gestimmt sein. Wenn wir den Blick von unseren eigenen Berufssorgen ab- und unserer Umwelt zuwenden, so ist es begreiflich, daß man mit Sorgen in die Zukunft blicken muß. Handel und Wandel liegen darnieder, die Arbeitslosigkeit steigt andauernd, wozu die Abschnürung jedes einzelnen Staates vom anderen alle schon reichlich vorhandenen Übelstände nur noch mehr verschlimmert. Vielleicht noch nie hat sich die Arbeiterschaft so mit den Ziffern des Außenhandels befaßt wie jetzt, weil sie ihr ein Gradmesser der Erwartungen für die Zukunft sind. Die größte Sorge der Arbeiterschaft ist zweifellos das unheimliche Ansteigen der Arbeitslosenziffern, die durch die fortdauernden Betriebseinschränkungen hervorgerufen werden. Die Arbeiter erkennen schon seit langem, daß es hingegen nur ein Mittel der Linderung gibt: die Verkürzung der Arbeitszeit. Deshalb wenden sich ihre Blicke auch den internationalen Konferenzen zu, die sich mit der Lösung dieses Problems befassen und wo auf internationaler Grundlage ein Abkommen getroffen werden soll, um durch eine entsprechende Verkürzung der Arbeitszeit wenigstens einen Teil der heute Arbeitslosen wiederum in den Produktionsprozeß einzuschalten. Dieses Problem hat eigentlich zwei Seiten: Verkürzung der Arbeitszeit, um dadurch die vorhandenen Arbeitsmöglichkeiten zu strecken und mehr Arbeiter zu beschäftigen, dann aber auch die schwerwiegende Frage, ob mit oder ohne Lohnsenkung. Das eine wie das andere hat seine Folgen; bei einer Verkürzung der Arbeitszeit mit Lohnsenkung wird eine Kaufkraftverminderung der Massen eintreten, die wiederum die ganze Maßnahme illusorisch macht; ohne Lohnsenkung wird bei der Profitsucht der Unternehmer die Arbeitszeitverkürzung nicht ohne Einfluß auf die Gestehungskosten der Industrieprodukte bleiben. Es bleibt daher zu entscheiden, welches Übel das kleinere ist. Für die Arbeiterschaft ist diese Wahl schon entschieden, da sie unter allen Umständen darauf bestehen muß, daß die Verkürzung der Arbeitszeit keine Verminderung der Kaufkraft durch eine lineare Lohnsenkung bringen darf. Würde auch in Unternehmerkreisen die volkswirtschaftliche Vernunft überwiegen, so wäre diese Frage schon längst gelöst. Von der in diesem Jahre abzuhaltenden Weltwirtschaftskonferenz versprechen sich viele eine Wendung zum Besseren, obwohl vorläufig von ihr nichts anderes feststeht als der Ort, an dem sie stattfinden soll: in London. Über ihr Programm, ihre Befugnisse usw. ist man scheinbar noch ganz im unklaren, und die fortwährende Verschiebung ihrer Einberufung macht ersichtlich, wie schwer es werden wird, durch diese Konferenz zu irgendwelchen weitreichenden Beschlüssen und Maßnahmen auf allgemein gültiger Grundlage zu gelangen. Allerdings machen sich schon Anzeichen bemerkbar, daß die steigenden Schwierigkeiten in allen Staaten nach einer Beschleunigung der vorbereitenden Arbeiten zu dieser Konferenz rufen, da man von ihr zumindestens die Verhinderung des Zusammenbruches des derzeitigen Systems erwartet. Aber wenn man das Stagnieren der Arbeiten der mit so großen Hoffnungen in Szene gesetzten Abrüstungskonferenz als Beispiel nimmt, so kann man sich von der bevorstehenden Weltwirtschaftskonferenz erst einen Begriff machen, wo so vielerlei einander ganz entgegengesetzte Interessen zutage treten werden. Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß das Jahr 1933 für die Arbeiterschaft bedeutungsvoll sein wird. Denn es ist wohl kaum noch möglich, daß ein Staat für sich allein imstande sein könnte, einen Ausweg aus dem Chaos zu finden. Diese Unmöglichkeit macht ein Zusammengehen mit allen anderen erforderlich, wobei über Angelegenheiten verhandelt und beschlossen werden muß, die für uns Arbeiter von der größten Bedeutung sind. Daß dies ohne Kämpfe abgehen sollte, ist nicht anzunehmen. Und daß die Arbeiterschaft ihren ganzen Einfluß bei diesen Entscheidungen in die Waagschale werfen muß, ist ebenso selbstverständlich. Denn es geht um die letztmalige Kraftanspannung, das absterbende kapitalistische System noch einmal zu retten. Damit dies nicht auf Kosten der arbeitenden Klasse erfolgt, ist der Einsatz aller Kräfte des Proletariats notwendig. Das Jahr der Entscheidungen muß die Arbeiterschaft für den Kampf gerüstet finden. Freudigstes und bequemstes Arbeiten nur an INTERTYPE- und MIEHLE-Maschinen