Hermannstädter Zeitung, 1996 (29. évfolyam, 1455-1505. szám)

1996-01-05 / 1455. szám

Heute mit dem Wandkalender für das Jahr 1996 Hermannstädter Zeitung Deutsches Wochenblatt Erscheint jeden Freitag in Sibiu/Hermannstadt, Rumänien Nr. 1455 / 29. Jahrgang 5. Januar 1996 8 Seiten, Preis 150 Lei Zum Jahreswechsel wünschen wir uns „alles Gute" und fügen gern hinzu, daß dies Gute hauptsächlich „Gesund­heit" heißt. Im Blick auf das Demokrati­sche Forum der Deutschen in Rumänien möchte ich mir diese Wünsche so über­setzen: Im Neuen Jahr 1996 sollte unter uns ein Wort-Wechsel stattfinden: Wir sollten im Umgang miteinander das Wort „noch" gegen das Wort „schon" Umtauschen. Seltener sollte es heißen „wir sind in unseren! Dorf noch 40 Deut­sche"; „noch haben wir eine Jugend­oder Volkstanzgruppe in unserer Stadt"; „wir haben ja noch einen Pfarrer in unse­rer Gemeinde, aber..." Statt dessen könnten oder sollten wir sagen können: „Jetzt haben wir schon einen deutschen Kindergarten"; „es ist uns schon gelun­gen, ein Deutsches Haus, eine deutsche Schulklasse einzurichten, eine Jugend­gruppe zu gründen"; oder „schon wieder funktioniert unter uns ein Raiffeisenver­ein!", ' „Schon" ist ein Wort, das vorwärts weist. „Noch" blickt zurück. Und der Blick nach rückwärts kann lähmen: „Als ' wir in Rumänien noch fast 800.000 Deut­sche waren! Jetzt sind wir nur noch et­' ’ was mehr als ein Zehntel davon." „Wie war das gut, als wir zwischen Temeswar und Czernowitz, zwischen Bukarest und Bistritz noch ein Dutzend oder mehr deutsche Lyzeen in eigener Regie hat­ten! Jetzt haben wir nur noch so ein hal­bes Dutzend - in staatlicher Regie; und nur 15 Prozent der Schüler sind noch Deutsche ..." Und: „Als wir noch eigene Banken und Unternehmen hatten ...!" Das alles klingt so, als könne es jetzt nur noch abwärts gehen und als warte­ten wir nur noch darauf, demnächst ganz unten anzukommen - oder als hofften wir nur noch, daß sich dies Ende noch ein wenig hinauszögert. So ein Messen an der Vergangenheit haben wir - in Sie­benbürgen - seit über hundert Jahren eingeübt. Und damit kommen wir ge­wiß nicht mehr weiter. Wenn wir in diesem Land Rumänien als deutsche Minderheit etwas wollen, dann darf sich unser Selbstverständnis nicht an der Vorstellung orientieren, wir Wort-Wechsel Gedanken zum neuen Jahr Von Prof. Dr. Paul PHILIPPI könnten die Vergangenheit erhalten und irgendwie verlängern oder gar wieder­herstellen. Die Zeit läßt sich nicht anhal­­ten und „stabilisieren". Dies habe ich im vergangenen Jahr unseren deutschen Partnern immer wieder gesagt; auch dem Bundespräsidenten Herzog selbst, als er uns in Hermannstadt besuchte: Es muß uns mehr und mehr um Neuansätze gehen. Neuansätze, die mit dem umge­hen, was schon möglich ist oder morgen möglich sein kann. Natürlich um Neu­ansätze, die nüchtern mit dem rechnen, was noch da ist. Es geht ja gar nicht um die Verwendung des Wortes „noch", denn auch dies kann ja zukunfstorien­­tiert eingesetzt werden. Wenn wir etwa sagen, „noch haben wir das gesteckte Ziel, ein eigenes Kreditinstitut aufzu­richten, nicht erreicht", dann meint die­ses „noch", daß wir etwas für morgen gemeinsam anstreben. Aber in eben die­sem Sinne bedeutet dies dann doch ei­nen Wechsel: von der „noch"-Perspekti­ve zur „schon"-Orientierung. Meinet­wegen auch zu einem „schon wieder"­­Denken. Und natürlich nicht zu einem Neuansatz, der das Vergangene vergißt, sehr wohl aber zu einem Neuansatz, der sich von der Illusion freihält, wir hätten nur zu wählen zwischen dem, wie es vorgestern war und dem ganz Fremden, das auf uns zukommt; als hätten wir zwischen Sieg und Kapitulation zu wählen. Das biblische Bild für den Neuansatz ist der Zweig, der aus dem Stumpf des gefällten Baumes wächst. Etwas Neues, das seinen Saft und seine Kraft doch von dem empfängt, was vor ihm gewesen ist. Zu den Illusionen, die uns krank ge­macht haben, gehörte die (unausgespro­chene, aber heimlich gedachte) Alterna­tive: Entweder wird es wieder, wie es war - oder wir geben auf. Und da es nicht mehr werden kann, wie es war, ha­ben wir in Massen aufgegeben. Freilich wird das Neue nicht mehr so aussehen, wie das Alte ausgesehen hat. Und manche Veränderung wird die Al­ten schmerzen. Das war immer schon so. Die Zukunrt war nie eine Wiederho­lung der Vergangenheit. Nie! Wenn wir Wenigen auf Zukunft hin leben wollen, dann gehört zum „Gesundheit! "-Wün­schen auch die Umorientierung vom „noch"-Sinnieren auf das „schon"-Den­­ken. Der Eichenbaum der Vergangen­heit mit seiner großen Krone mag, zur Erinnerung, auch weiterhin unsere Stu­ben schmücken. Unsere Arbeit und Pfle­ge aber wollen wir den Zweigen wid­men, die aus dem Stumpf wachsen. Den* Zweigen, die schon da sind - und denen, die durch Gottes Hilfe und mit unserer Bemühung noch kommen mögen. Letzte Nachrichten Neuer Direktor Bukarest. - Die Minderheitendirek­tion im Kulturministerium hat seit ge­stern einen neuen Direktor: Carol Kö­nig, bislang Mitarbeiter in verschiede­nen Funktionen in der Museumsab­teilung desselben Ministeriums. Herr König, ein Bukarester mit Heltauer Wurzel, ist von Beruf Museograph (mit langjähriger Karriere im haupt­städtischen Armeemuseum); er be­kennt sich zur deutschen Minderheit und ist Mitglied im Bukarester deut­schen Forum. In seinem neuen Amt löst er den Vertreter der ungarischen Minderheit, Ferenc Csortän, ab. Die Kultur der nationalen Minder­heiten wird in Rumänien aus zwei Geldtöpfen finanziert: dem der oben­erwähnten Minderheitendirektion des Kulturministeriums und dem des Minderheitenrates der Regierung. Letzte Nachrichten mu Treffen bei „Arche Noah" Hermannstadt. - Für seine Mitglieder und Sympathisanten veranstaltet „Arche Noah", der Verein zur Unterstützung von Rück- und Einwanderern in Rumä­nien, zweimal monatlich gesellige Zu­sammenkünfte. Beim Vereinssitz in Her­mannstadt, Somesului-Gasse 13 (Telefon 069-21.25.88, Fax 21.18.39) besteht jeden 2. und 4. Donnerstag im Monat, ab 16 Uhr die Möglichkeit, Rückwanderern und Neusiedlern zu begegnen, Erfah­rungen auszutauschen und juristischen Rat einzuholen. Die nächsten Termine sind der 11. und der 25. Januar 1996. Eine Mitgliederversammlung des „Ar­che Noah"-Vereins findet am Samstag, dem 3. Februar d. )., 13 Uhr im „Dr. Carl Wolff"-Heim in Hermannstadt, Pedago­­gilor-Gasse 3-5, statt. Auf der Tagesord­nung stehen Satzungsänderungen und Verschiedenes. Wir danken alien Lesern, Mitarbei­tern und freunden der „dfermannstäd­­ter Zeitung“ für die guten Wünsche, die sie uns zu Weihnachten und zum Jahreswechsel übermittelt haben! (Die Redaktion Frauenwochenende Broos. - Die Frauenarbeit der Evange­lischen Kirche A. B. in Rumänien lädt deutschsprechende Frauen, die am Welt­gebetstag interessiert sind, zu einem Vor­bereitungswochenende vom 26. bis zum 28. Januar ins Elimheim nach Michels- i "berg ein, Beginn Freitag, 15 Uhr. Anmel­dungen bis zum 20. Januar d. J. bei Ger­hild Cosoroabá, 2600 Orâstie, Str. Lazár 4, Telefon 054-64.19.61. Der Weihnachtsmarkt - ein mittleres Fiasko Feuerwehrxnäßig improvisiert, statt professionell organisiert: die „Kinderstadt" auf dem Großen Ring In den zwei schäbigen Marktbuden, die der Stadtrat für den Weihnachts­markt auf dem Großen Ring hát aufstel­len lassen, versuchten noch bis gestern ein paar Frauen mit nahezu verzweifelter Freundlichkeit ihre Krapfen und Blätter­teigecken, ihre Orangen und Brötchen an das flanierende Publikum zu verkaufen. Viel ist nicht los in der „Kinderstadt" auf dem Großen Ring, aber das Wenige - ein Ringelspiel und ein paar wippende Pfer­dchen - lockt doch immer wieder Kinder (und ihre Eltern und Großeltern) auf den mit einer großen, am Abend auch be­leuchteten Tanne geschmückten zentra­len Platz der Hermannstädter. Besagte Frauen - sie gehören dem Kreis um Sma­­randa Neagu an - sind dem großspurigen Versprechen der Stadträtin Iuliana Drá­­gutoiu aufgesessen, die für den 30. De­zember einen gigantischen Jugendkarne­val angekündigt und die Frauen aufge­fordert hatte, massenhaft Futter bereitzu­halten. Schließlich wurde der Riesenkar­neval ein Flop - wie das meiste von der zwei Seiten langen Programmliste und was die Stadträtin sonst noch auf den lo­kalen TV- und Radiosendern verbreitet hatte. Ein einziges Mal, am 24. Dezember, hatten die Hermannstädter den Ver­heißungen der Veranstalterin Glauben geschenkt und waren zu Tausenden auf den Großen Ring geströmt (seit dem Be­such von Petre Roman im Mai 1990 war der Platz nie mehr so voll gewesen!), um dabeizusein, wenn der Weihnachtsmann im Hubschrauber angeschwebt kommt. Eine tolle Idee, doch leider war das Hap­pening von der Armee nicht genehmigt worden. So kam der Weihnachtsmann - nach einem ökumenischen Gottesdienst unter freiem Himmel - in einer Kutsche vorgefahren (erzählten diejenigen, denen es gelungen war, ihn überhaupt zu se­hen), und er durfte nicht einmal Bonbons unter den Kindern verteilen, weil man Angst hatte, er würde von den anstür­menden Kindermassen erdrückt werden. Was zum ersten Mal ein richtig schönes Fest der ganzen Stadt hätte werden sol­len, war dann doch wieder nichts ande­res als eine der üblichen faden „Festver­anstaltungen", wie sie uns schon vor '89 zum Hals heraushingen. Ja, und wer ist schuld an unserer Enttäuschung? Wetten, Sie tippen auf Frau Drágutoiu? Wie wäre es mit dem Stadtrat, der auch heuer nicht imstande war, ein Fest professionell (also von langer Hand) zu planen und in pro­fessionelle Hände zu legen (und es statt­­dessen vorzog, die ungeliebte Kollegin mit der feuerwehrmäßig durchgezoge­nen Aktion der öffentlichen Blamage aus­zusetzen)? Wie wäre es mit uns anderen, die wir vielleicht um Unterstützung ge­beten wurden und sie mit irgendeiner Ausrede verweigerten, was uns nach­­ (Fortsetzung auf Seite 2)

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