Hermannstädter Zeitung, 2016 (49. évfolyam, 2462-2510. szám)

2016-01-08 / 2462. szám

Hermannstädter Zeitung Nr. 2462 / 8. Januar 2016 GESELLSCHAFT/WIRTSCHAFT „Tu, was du tust, mit Herz" Gespräch mit Gerhild Rudolf, Leiterin des Teutsch-Hauses in Hermannstadt Gerhild Rudolf, seit 2012 Kulturreferentin und Leite­rin des Friedrich Teutsch-Begegnungs- und Kulturzent­rums der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien, wur­de in Kronstadt geboren, wo sie das Honterus-Lyzeum besuchte. Nach Hermannstadt kam sie als Studentin der Germanistik, nach der Wende folgte ein Masterstudium in interkulturellen europäischen Studien. Seit diesem Jahr arbeitet Frau Rudolf an ihrer Doktorarbeit im Rah­men der Lucian-Blaga-Universität. Die vierfache Mut­ter hat früher als Religionslehrerin gearbeitet und war Schriftleiterin der Kirchlichen Blätter der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien. Auch war sie jahrelang die Beauftragte der Frauenarbeit für den Weltgebetstag. Zum Gespräch empfing Frau Rudolf die Teilneh­merinnen am Siebenbürgischen Lehrertag Krisztina Gyurákiné Sándi, Erika Szabóné Bogár, Beáta Takáts, Ildikó Tápai (Ungarn), Carmen Stoica und Corina Stro­­ie (Hermannstadt), Monika Toader Rausch (Kronstadt) und Kati Tömése (Deva), die von Inge Sommer (Her­mannstadt koordiniert wurden. Beschreiben Sie bitte das Teutsch-Haus, wie man es in Kurz­form nennt! Es ist ein Kultur- und Begeg­nungszentrum mit Schwerpunkt Kultur und Geschichte. Es gibt vier Bereiche: Das Kirchenarchiv, das wissen­schaftlich aufgearbeitet wird - eine wahre Fundgrube für Historiker, Studenten, Ahnen-Suchende und Gemeindeforscher, mit der dazu ge­hörigen Bibliothek, die Transilvanica enthält. Darunter versteht man Lite­ratur und alles, was mit Siebenbür­gen zu tun hat. Besonders interessant für Lehrer dürfte in dieser Abteilung die .Schulbuchsammlung „Friedrich Philippi" sein, die über 8.000 Exem­plare enthält. Sie stammen aus der Zeit von vor und nach 1945 und sind ein wichtiges Zeugnis, da sie auf di­rekte Art kulturelle, gesellschaftliche und politische Veränderungen wi­derspiegeln. Das Landeskirchliche Museum, welches einen Überblick über die Geschichte der Siebenbürger Sach­sen und das Leben der evangelischen Kirche gibt und wertvolle Exponate enthält. Den Terrassensaal, der Ausstel­­lungs-, Vortrags- und' Begegnungs­raum ist. Die Johanniskirche. Desgleichen beherbergt unser Gebäude die deutschsprachige Eras­mus-Buchhandlung mit Café und das Institut für Ökumenische For­schung. Das Motto, nach dem wir uns richten, lautet: bewahren, bilden, bewegen. Seit wann besteht diese Einrich­tung? Das Teutsch-Haus wurde 2003 auf Initiative von Herrn Bischof Chris­toph Klein mit finanzieller Unterstüt­zung aus Deutschland gegründet, da war viel Geld nötig, um aus einem verfallenen Studentenkulturhaus ein ansprechendes Begegnungszentrum zu gestalten und gleichzeitig genü­gend Platz für das wertvolle Kir­chenarchiv zu schaffen, welches 2004 für das Publikum geöffnet wurde. Es folgte 2007 das Museum. Weshalb wurde Friedrich Teutsch als Namenspatron gewählt? Früher war dieses Gebäude ein kirchlich betriebenes Waisenhaus welches den Namen Luthers trug. Nach der Wende wurde es der Kir­che rückerstattet und es wurden Überlegungen angestellt, das Haus nach einer einheimischen Persön­lichkeit zu benennen. Man hat sich für Friedrich Teutsch entschieden, weil er für die Siebenbürger Sachsen als Bischof (Amtszeit 1906-1932) und Historiker sehr wichtig ist. Wie viele Mitarbeiter hat das Be­gegnungszentrum? Zurzeit sind es 12, allerdings nicht alle arbeiten Vollzeit. Das Alter der Angestellten ist ganz unterschied­lich, es gibt sehr junge Leute, aber auch Rentner, die bei uns tätig sind. Mit ihrer unschätzbaren Kompetenz, ihrem Wissen, ihrer Erfahrung, aber auch durch ihre Begeisterung sind die Rentner in der Bibliothek oder im Archiv eine große Hilfe für uns. Was kann die Institution für Kin­der im Vorschul- und Schulalter bieten? Ins Museum kommen Schulklas­sen, denen wir eine interaktive Füh­rung bieten, besonders zu Themen, die im Unterricht besprochen werden und die hier vertieft werden können. Ich denke da an das Fach Geschichte und Traditionen der deutschen Min­derheit in Rumänien. Unter anderem gibt es ein Quiz zu den Kirchenbur­gen in Siebenbürgen. Auch in den Wechselausstellungen gibt es die Möglichkeit, mit einem passenden Begleitprogramm mit Schülern zu arbeiten. Wir möchten überhaupt ein breites Publikum ansprechen, durch Vorträge auch Studenten. Richten sich ihre Angebote nur an deutschsprachige Schüler? Schwerpunkt ist die deutsche Sprache, weil der Träger die evange­lische Kirche ist und alle Dokumente in dieser Sprache verfasst sind. Ei­nige Veranstaltungen, zum Beispiel Vorträge, laufen demnach nur in deutscher Sprache, Vemissagen zu Kunstprojekten sind allerdings auf Deutsch und Rumänisch, während im Museum alles dreisprachig be­schriftet ist: Deutsch, Rumänisch und Englisch. Die Führungen kön­nen ebenfalls in diesen Sprachen ge­bucht werden. Wie funktioniert die Zusammen­arbeit mit den Institutionen aus Deutschland? Wir arbeiten zum Beispiel mit dem Siebenbürgen Institut aus Gundels­­heim zusammen, das ist eine Einrich­tung mit vergleichbarem Konzept: Es gibt dort auch ein siebenbürgisches Archiv, eine Bibliothek und ein Mu­seum. Außerdem arbeiten wir noch mit dem IKGS (Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuro­pas) zusammen und dem Deutschen Kulturforum östliches Europa, und weiteren Organisationen, welche sich schwerpunktmäßig mit der Ge­schichte und Kultur der deutschen Minderheit befassen. In Zusammen­arbeit mit ihnen organisieren wir Vorträge und Ausstellungen und er­stellen Publikationen. Arbeiten Sie auch mit Praktikan­ten? Ja, die sind sehr gerne gesehen. In den letzten zehn Jahren waren es über 60, von Studenten bis zu Seni­or-Experten. Sinnvoll ist ein Prak-tikumseinsatz aber nur, wenn die Praktikanten mindestens drei Mo­nate bei uns verbringen, weil man sich zuerst einarbeiten muss. Diesen Mitarbeitern wird eine Unterkunft gesichert, für die Unterhaltskosten müssen sie selber aufkommen. Über wen läuft die Finanzierung? Ist sie ausreichend? Ohne Geld läuft gar nichts. Da­durch, dass wir eine Einrichtung der Landeskirche sind, sind die Mitarbei­ter beim Landeskonsistorium ange­stellt. Für einzelne Projekte müssen wir Anträge schreiben, Finanzierung beantragen, Drittmittel beschaffen - das ist eine ganze Wissenschaft, bei wem man wofür und zu welcher Zeit Mittel beantragen kann. Das ist nicht immer einfach. Wie machen Sie Werbung für ihre Institution? Wir werben durch Flyer, Plakate und über unsere Webseite, die vor 2 Jahren zweisprachig, deutsch und rumänisch gestaltet wurde. Auch durch eine Palette breit gefächerter Veranstaltungen, die viele Besu­cher haben, hoffen wir, Teilnehmer anzusprechen, die als Multiplika­toren wirken, so wie Sie heute. Die deutschsprachigen Medien in Rumä­nien unterstützen unsere Öffentlich­keitsarbeit. Nach welchem Motto richten Sie sich in Ihrer Arbeit und im Leben? Mein persönliches Motto lautet „Tu, was du tust, mit Herz". Ich bin der Meinung, dass jede Arbeit besser gelingt, wenn man sie mit Freude und Begeisterung angeht. Haben Sie auch Enttäuschungen in Ihrer Tätigkeit erlebt? Enttäuschungen gibt es natürlich auch. Zum Beispiel, wenn man bei einer Veranstaltung nicht so viel Publikum hat, wie erhofft, weil zur selben Zeit auch andere Ereignisse in Hermannstadt stattfinden. Wir versuchen, das zu vermeiden, in­dem wir unsere Termine rechtzei­tig bekannt geben und wir hoffen dann, dass andere Institutionen ihre Termine nicht auch dann an­setzen. Können Sie uns etwas Lustiges erzählen, was Sie als Leiterin des Hauses erlebt haben? Ja, schon. Einmal zum Beispiel kam ein kleiner Junge zu mir ins Büro, sah sich um und sagte: „Das ist schön hier. Wie viel musst du bezah­len, dass du hier arbeiten darfst?" Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Ich wünsche mir, dass noch mehr Schüler ins Haus kommen, damit sie neben der Sprache auch etwas über die Kultur und Geschichte der deut­schen Minderheit in Siebenbürgen mitbekommen, dass wir das kultu­relle Erbe weiter bewahren und ver­mitteln können und dass weiterhin viele erfolgreiche Veranstaltungen in deutscher Sprache stattfinden. Wir danken für das Gespräch. Krisztina Gyurákiné Sándi, Erika Szabóné Bogár, Beáta Takáts, Ildikó Tápai, Carmen Stoica, Gerhild Rudolf, Inge Sommer, Corina Stroie, Kati Tömése und Monika Toader Rausch im Eingangsbereich des Teutsch-Hauses (v. I. n. r.) Bedrückendes Fazit für das Hochschulwesen Befragung zur Korruption an Hochschulen in den EU-Mitgliedstaaten veröffentlicht Der 9. Dezember war der Welttag gegen Korruption. Ein geeigneter Zeitpunkt also, einen Blick auf dieses Thema zu richten und zu prüfen, welche Schäden Kor­ruption verursacht und wie diese vermieden werden können. In Rumänien verdeutlichen die Reaktionen auf das Unglück im Club Colectiv auch die enorme gesellschaftliche Relevanz, die große Hoffnung, die in den Kampf gegen Korruption gelegt wird. Der kon­troverse Slogan „Korruption tötet!" bringt diesen Sachverhalt zugespitzt auf den Punkt. Im Bildungsbereich förderte eine jüngst veröffentlichte YouGov-Um­­frage vor diesem Hintergrund nun ein beunruhigendes Resultat zu Tage: Die akademische Korruption an europäischen Universitäten lie­ge häufig auf einem ausgesprochen hohen Level. Vor den Schlusslich­tern Spanien und Italien belegen die Hochschulen in Rumänien den dritt­letzten Platz des Rankings. Doch was zeichnet Korruption an Hoch­schulen konkret aus? Die Studie nutzt einen weiten Kprruptionsbe­­griff, der nicht nur auf Universitäts­zulassungen und Notenvergaben, sondern auch auf wissenschaftliche Arbeiten sowie die Rekrutierung von wissenschaftlichem Personal gemünzt ist. Befragte wurden ge­beten, die Häufigkeit anzugeben, in der sie mit einem der genannten Fälle in Berührung gekommen sind. Im Ergebnis werden deutliche Unterschiede zwischen den unter­suchten EU-Mitgliedstaaten sicht­bar. Hochschulen in Großbritannien und Schweden sind demnach am wenigsten von Korruption durch­setzt, gefolgt von Frankreich, Polen und Ungarn. Zur augenscheinli­chen Überraschung bundesdeut­scher Medien rangiert Deutschland darauffolgend im Mittelfeld, ab­geschlagen. Dass „selbst in Polen und Ungarn", wie die EAZ schreibt, „weniger Fälle von Tricksereien an Unis" auszumachen waren als in Deutschland, scheint die Autorin zu verwundern. In der Tat bestätigt die Studie, dass ein vermeintliches Ost- West-Gefälle, ein eindeutiges Mus­ter, nicht besteht. Es ist wichtig, auf die Folgen dieser Facette der Korruption hin­zuweisen: Eine akademische Aus­bildung erhöht die Chancen, in der Berufswelt eine Führungsposition zu übernehmen. Der Gesellschaft eines Landes sollte viel daran ge­legen sein, diese Stellen durch die geeignetsten Personen zu besetzen. Durch Betrug und Korruption wer­den die tatsächlichen Fähigkeiten jedoch formal beschönigt und die Aussagekraft des Universitätsab­schlusses, der Promotion verzerrt. Wie soll so sichergestellt werden, dass diejenigen eine Stelle erhalten, die diese am besten ausfüllen kön­nen? Zu Recht verweist Auftraggeber und Finanzier der Studie, Dr. Paul Milata, darauf, dass Unternehmen vor dem Hintergrund hoher Kor­ruption im akademischen Bereich intensivere Überprüfungen ihrer Bewerber durchführen müssen. Nur so könne deren Eignung zweifelsfrei festgestellt werden. Für den aus Her­mannstadt stammenden Geschäfts­führer der Beratungsfirma Milata KG sind dies wichtige Erkenntnisse. Das Unternehmen hat sich auf Be­werberprüfungen, insbesondere in Mittel- und Osteuropa, fokussiert. Die nun nachgewiesene zunehmen­de Notwendigkeit dieser „Back­ground Checks" spielt dem Unter­nehmen in die Hände. Die Pressemeldung zur genann­ten Studie kommt jedoch zu einem Schluss, der aus den vorliegen­den Daten nicht ablesbar ist: Die Korruption an Hochschulen der EU-Mitgliedstaaten erreiche ein „alarmierendes Niveau". Tatsäch­lich liegt die Stärke der Studie aber in den relativen Aussagen, die sie trifft: Rumänien befindet sich im eu­ropäischen Vergleich vor Italien und Spanien, aber im unteren Drittel der untersuchten Ländergruppe. Eine absolute Aussage, anhand derer solche Ergebnisse als „alarmierend" bezeichnet werden könnten, liefert sie jedoch nicht. Vielmehr prüft sie, in welchen Ländern wie viele Personen mit Korruption in Berüh­rung gekommen sind und setzt die­se Zahlen in Beziehung. Die Frage bleibt offen: Ab welcher Anzahl sind diese Zahlen hoch, wann „alarmie­rend"? Auch eine vergleichsweise geringe Korruption sollte Anlass zur Sorge geben, auch in Großbri­tannien, auch in Schweden. Zweifelsohne bedeutet dieses Ergebnis für Rumänien aber, dass auch der Bereich der akademischen Bildung nicht vor Betrug und Ver­untreuung gefeit ist. Aufschluss­reich sind bei der Untersuchung der Korruption an rumänischen Universitäten die Erhebungen von Transparency International aus dem Jahr 2013. Zum einen zeigen diese Studien, dass häufig die Ver­gabe von Wohnheimplätzen durch Geschenke oder Zahlungen beein­flusst wurden. Zum anderen lobt die Organisation die öffentlich sichtbaren Rankings der Hoch­schulverwaltungen, die sich die Universitäten freiwillig auferlegt haben. Auch die Zivilgesellschaft, zunehmend in der jüngeren Ver­gangenheit, etabliert informelle Kontrollmechanismen: Exempla­risch sei auf die Plattform piata­­despaga.ro verwiesen, die Fälle von Korruption auf Landkarten dokumentiert. Interessante Zusatz­leistung: Die Website hält auch die Höhe der gezahlten Beträge und die Zufriedenheit mit den erkauf­ten Leistungen fest. Ein auf diese Weise entstehender Preisdruck so­wie ein höheres Maß an Transpa­renz sind im Sinne der Homepage­betreiber. Solche Nachrichten stimmen po­sitiv, auch wenn tatsächliche Proble­me weiterhin bestehen. Ein Anfang ist dennoch gemacht: Hoffentlich finden solche Entwicklungen bald nicht nur in Rankings, sondern auch in der steigenden Chancengleich­heit der Hochschulabsolventen Aus­druck. Jonas BORNEMANN Seite 3 Mindestlohn steigt Bukarest. - In ihrer letzten Sit­zung des Jahres 2015, am 30. De­zember, hat laut einer Meldung von Radio Romania International die rumänische Regierung ver­kündet, dass der Mindestlohn ab 1. Mai 2016 auf 1.250 Lei brutto (umgerechnet 276 Euro) steigt. Die mit den Sozialpart­nern verhandelte Anhebung des Mindestlohns werde zu weniger Schwarzarbeit, mehr Beschäf­tigung und mehr Wirtschafts­wachstum führen; außerdem werde durch einen höheren Le­bensstandard und den Abbau des Wohlstandsgefällen eine po­sitive gesellschaftliche Wirkung entstehen, so Experten und das Arbeitsministerium. Nach amtlichen Daten be­kommen 1,1 Millionen Beschäf­tigte den Mindestlohn, darunter etwas unter 40.000 Angestellte im öffentlichen Dienst. Regie­rungssprecher Dan Suciu beton­te, dass die Lohnsteigerung von anderen Maßnahmen begleitet werden müsste, um nicht zu Entlassungen zu führen oder die Unternehmen zu belasten. „Dieses Risiko besteht. Es war von Anfang an unser Anliegen, dieses Risiko zu reduzieren, aber in den kommenden Mo­naten werden die neuen Steu­ervorschriften ihre Wirkung zeigen, so dass Arbeitgeber die Lohnsteigerung ohne signifi­kante Kollateralschäden schaf­fen werden," sagte Suciu. (BU)

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